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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über den Antrag des Mag. S, vertreten duch Dr. P, Rechtsanwalt in B, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der der Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. Juni 1996, Zl. Gem-521096/1-1996-GT, betreffend Kanalanschlußgebühr, anhaftenden Mängel, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Berichterverfügung vom 7. Februar 1997, Zl. 97/17/0037-2, wurde der Antragsteller gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, die zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene, mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1996 jedoch abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel zu ergänzen. Dem Antragsteller wurde in dieser Verfügung ausdrücklich aufgetragen, daß "der ergänzende Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen" sei.
Innerhalb der gesetzten Frist legte der Antragsteller den ergänzenden Schriftsatz jedoch nur in zweifacher Ausfertigung vor. Mit Beschluß vom 21. April 1997, Zl. 97/17/0037-5, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren ein, weil der Antragsteller dem Verbesserungsauftrag nur teilweise entsprochen habe.
Dieser Beschluß wurde dem Vertreter des Antragstellers am 13. Juni 1997 zugestellt.
Mit dem am 26. Juni 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz vom 25. Juni 1997 stellte der Antragsteller den aus dem Spruch ersichtlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Darin wurde im wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdevertreter habe nach Erhalt des Mängelbehebungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1997 diesen dem Antragsteller in Original mit der Bitte um Stellungnahme zur Verfügung gestellt. In der Kanzlei des Beschwerdevertreters sei lediglich die Kopie der ersten von zwei Seiten des Mängelbehebungsauftrages verblieben. Auf der ersten Seite sei keine Rede von einer Beibringung einer dritten Gleichschrift gewesen. Es seien auf der ersten Seite noch 14 Schreibmaschinzeilen freigehalten. Die geforderten Ergänzungen seien auf der ersten Seite genau angeführt und es wäre im unteren Drittel noch genügend Platz gewesen, auch noch darauf hinzuweisen, daß der ergänzende Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen sei. Da versehentlich bei Weiterleitung des Schreibens des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1997 nur die erste Seite kopiert worden sei, sei von dem ausgewiesenen Vertreter den üblichen Vorlagemodalitäten entsprechend der ergänzende Schriftsatz gemäß dem letzten Absatz des Schreibens vom 7. Februar 1997 nur in zweifacher Ausfertigung vorgelegt worden. Der Fehler des ausgewiesenen Vertreters müsse durchaus als geringfügig betrachtet werden, als er doch durch die fehlende konsequente Textfortsetzung auf der ersten Seite des Schreibens vom 7. Februar 1997 in Erfüllung dieses Auftrages bei der Abfertigung zur Annahme des Endes des gegenständlichen Schriftsatzes auf der ersten Seite verleitet worden sei. Es werde nochmals darauf hingewiesen, daß ca. ein Viertel der Seite des Schreibens vom 7. Februar 1997 Leerraum gewesen sei ohne jeglichen Hinweis auf eine textliche Fortsetzung, wie dies allgemein üblich sei, etwa mit einem Wendezeichen, einem Wortlaut "bitte wenden" oder wie in vielen behördlichen insbesondere finanzamtlichen Ausfertigungen mit dem Text "folgt Blatt 2", etc. Weiters werde noch bemerkt, daß der letzte Absatz des Schreibens vom 7. Februar 1997 inhaltlich mit dem Ergänzungsauftrag und dem abschließenden Satz "überdies ist ...", ausgeschöpft sei.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Ein Verschulden der Partei an der Fristversäumung, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Die Partei hat für das Verschulden ihres Vertreters einzustehen.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. z.B. hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 89/14/0254).
Die zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde antragsgemäß von dort dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Bei dieser waren die Vorschriften über die Form und den Inhalt der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht eingehalten. Mit dem Mängelbehebungsauftrag nach § 34 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich und unmißverständlich den Auftrag erteilt, den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen. Wenn nun die Antragstellung mit einem "geringfügigen Fehler" in der Kanzlei des Beschwerdevertreters begründet wird, wird dabei übersehen, daß nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. z.B. hg. Beschluß vom 8. Februar 1995, Zl. 95/03/0015) ein Rechtsanwalt, der einen Mängelbehebungsschriftsatz unterfertigt, sich davon zu vergewissern hat, daß der Mängelbehebungsauftrag ordnungsgemäß erfüllt wird. Steht dem Beschwerdevertreter durch das von ihm behauptete Kanzleiversehen nur eine Kopie eines Mängelbehebungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes zur Verfügung, so kann bei diesem dennoch die Kenntnis vorausgesetzt werden, daß Verfügungen des Verwaltungsgerichtshofes u.a. mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen zu versehen sind, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Schriftstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist (§ 18 AVG). Ermangelt ein Schriftstück der Unterschrift oder der Beglaubigung, so kann ihm eine rechtliche Verbindlichkeit nicht zukommen. Auch bei nur oberflächlichem Durchlesen des Mängelbehebungsauftrages mußte dem Beschwerdevertreter daher ohne weiteres erkennbar sein, daß die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mit der ersten Seite enden konnte, weil andernfalls keine rechtsverbindliche Erledigung des Verwaltungsgerichtshofes vorgelegen wäre. Stand dem Beschwerdevertreter bei der Unterfertigung seines Schriftsatzes aber nur die Ablichtung eines Teiles des Mängelbehebungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes zur Verfügung, dann hat er sich nicht vergewissert, daß dem Mängelbehebungsauftrag vollständig entsprochen wird. Ihm ist in einem solchen Fall auffallende Sorglosigkeit anzulasten.
Daraus ergibt sich, daß der Antragsteller nicht durch ein bloß leicht fahrlässig herbeigeführtes Ereignis an der gesetzmäßigen Verbesserung der Beschwerde gehindert war. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht stattzugeben.
Schlagworte
Beglaubigung der Kanzlei Mängelbehebung Unterschrift des GenehmigendenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997170213.X00Im RIS seit
20.11.2000