TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/10 L511 2231791-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2020
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Entscheidungsdatum

10.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L511

2231791

–1/3E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. JOACHIMSTHALER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom

30.04.2020

, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides stattgegeben, und dieser gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang

1.1.    Die Beschwerdeführerin reiste im Jahr 2016 illegal in Österreich ein und stellte am 06.12.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [im Folgenden: AS] 13-23).

1.2.    Mit nunmehr bekämpften im Spruch bezeichneten Bescheid vom 30.04.2020 wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz erneut gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV). Das BFA stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Mit Spruchpunkt VI wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und in Spruchpunkt VII festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe (Aktenseite [AS] 323-371).

1.3.    Die Beschwerdeführerin erhob gegen den am 06.05.2020 zugestellten Bescheid (AZ 389) am

02.06.2020

fristgerecht Beschwerde gegen alle Spruchpunkte (AS 391-299).

2.       Die gegenständliche Beschwerde samt durchnummeriertem Verwaltungsakt des BFA langte am 09.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 (AS 1-407]).

II.      zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste 2016 illegal in Österreich ein und ist seither in Österreich durchgehend wohnhaft. Sie stellte am 06.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, die einzige Einvernahme dazu erfolgte am 15.03.2017 (AS 55-71).

Mit Schreiben vom 04.09.2017 wurden der Beschwerdeführerin Länderfeststellungen vom 05.05.2017 (AS 153-174) übermittelt. Die Beschwerdeführerin nahm dazu am 14.09.2017 Stellung (AS 179-185) und übergab bzw. übermittelte dem BFA Urkunden und Unterlagen am 15.03.2017 (AS 75-123), am 10.08.2017 (AS 125-147) und am 12.01.2018 (AS 187-225).

Am 22.10.2018 übermittelte das BFA der Beschwerdeführerin ergänzende Länderfeststellungen (AS 229-233), wozu die Beschwerdeführerin am 29.10.2018 Stellung nahm (AS 235-237) und weitere Unterlagen insbesondere zu Ihrer Integration in Österreich vorlegte (AS 239-261). Weitere persönlich eingebrachte Unterlagen zur Integration (31 Seiten) wurden zusammengefasst protokolliert (AS 267).

Am 05.11.2019 übermittelte das BFA der Beschwerdeführerin aktuellere Länderfeststellungen vom 13.05.2019 (AS 269-295), wozu die Beschwerdeführerin am 15.11.2019 Stellung nahm (AS 299-301). Am 29.04.2020 legte die Beschwerdeführerin aktuelle Unterlagen zu Ihrer Integration in Österreich vor (AS 303-319).

Die vorliegende Entscheidung erging ohne weitere Einvernahme am 30.04.2020 (AS 455, 541).

1.2.    Als Begründung für das Verlassen Armeniens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, Probleme auf Grund ihre sexuelle Orientierung gehabt zu haben, sowie aus diesem Grund heraus auch körperlichen Angriffen ausgesetzt gewesen zu sein. Sie habe auch einen Selbstmordversuch hinter sich.

1.3.    Im aktuellen Länderinformationsblatt Armenien der Staatendokumentation vom 08.05.2019, aktualisiert am 17.03.2020, finden sich auszugsweise (Seiten 19, 29-30) folgende Feststellungen zur Situation von sexuellen Minderheiten in Armenien:

Zu den bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen gehören: Folter; willkürliche Inhaftierung, wenn auch mit weniger Berichten; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender oder intersexuelle Personen (LGBTI) und der Einsatz von erzwungener oder obligatorischer Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020, vgl. HRW 14.1.2020).

Allgemeine Gleichstellungs- und Anti-Diskriminierungsklauseln sind in den Artikeln 28 und 29 der armenischen Verfassung enthalten. Diese Bestimmungen enthalten jedoch keinen Hinweis auf die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität (SOGI). Anfang 2018 hat das Justizministerium ein Anti-Diskriminierungsgesetz in Form eines Gesetzesvorschlags ausgearbeitet. Nach den Ereignissen von April-Mai 2018 und dem damit verbundenen Regierungswechsel ist dieser Gesetzgebungsprozess jedoch ins Stocken geraten (CoE-CommDH 29.1.2019). […]

Angehörige sexueller Minderheiten sind nach wie vor mit Gewalt und Misshandlung durch Polizei und Zivilpersonen konfrontiert (FH 4.2.2019). Angehörige sexueller Minderheiten sind mit Belästigung, Diskriminierung und Gewalt konfrontiert (HRW 14.1.2020). Die Menschenrechts-NGO „PINK Armenia“ registrierte 2018 29 Straftaten gegen Mitglieder sexueller Minderheiten, darunter körperliche und psychische Gewalt und Verletzungen des Rechts auf die Unversehrtheit des Privat- und Familienlebens sowie der Versammlungsfreiheit (HCA 1.2019) sowie 17 Fälle körperlicher Gewalt aufgrund sexueller Orientierung oder Genderidentität im Zeitraum Jänner bis August 2019 (HRW 14.1.2020).

Die Angst vor Diskriminierung und die öffentliche Offenlegung ihrer sexuellen Orientierung hindert viele Angehörige sexueller Minderheiten, Verbrechen anzuzeigen (HRW 14.1.2020). Die gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität wirkt sich negativ auf alle Aspekte des Lebens aus, einschließlich Beschäftigung, Wohnen, Familienbeziehungen und Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Transgender-Personen waren besonders anfällig für physischen und psychischen Missbrauch und Belästigung (USDOS 11.3.2020).

1.4.    Dem verfahrensgegenständlichen abweisenden Bescheid wurde nunmehr die aufschiebende Wirkung mit folgender Begründung aberkannt (wörtliche Wiedergabe):

„Zu Spruchpunkt VI.:

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1.       der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt,

2.       schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3.       der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4.       der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat;

5.       das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6.       gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.       der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abzunehmen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt das als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Rückkehrentscheidung. Wie oben ausgeführt, liegt Ziffer 1 in Ihrem Fall vor. Es wurde vom Bundesamt festgestellt, dass Sie aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen.

Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.“

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1).

2.2.    Die entscheidungswesentlichen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus den vorliegenden jeweils zitierten Aktententeilen.

3.       Rechtliche Beurteilung

3.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch eine Einzelrichterin ergibt sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 7 Bundesgesetz über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA-VG] und dem AsylG 2005. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das BFA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

3.1.2.  Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

3.2.    zur Behebung von Spruchpunkt VI des Bescheides des BFA

3.2.1.  Verfahrensgegenständlich hat das BFA der Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z1 BFA-VG aberkannt, weil die Beschwerdeführerin aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme, ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden sei und ihr auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe.

3.2.2.  Mit § 18 BFA-VG iVm § 27a AsylG 2005 hat der österreichische Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, in den in Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2013/32/EU [VerfahrensRL] genannten Fällen ein beschleunigtes Prüfungsverfahren durchzuführen (vgl. dazu VwGH 20.02.2019, Ro2019/20/0001, sowie die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, RV 582 dB XXV. GP). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ist – anders als jene nach § 18 Abs. 2 BFA-VG – nicht zwingend, sondern sie setzt eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraus. Dabei ist das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die aus einem "sicheren Herkunftsstaat" nach § 19 Abs. 5 BFA-VG in Verbindung mit § 1 Z 6 HerkunftsstaatenV, BGBl II Nr. 177/2009 idF BGBl II Nr. 405/2013, kommen, den im Einzelfall allenfalls entgegenstehenden privaten Interessen dieser Personen gegenüberzustellen (VwGH 28.04.2015, Ra2014/18/0146).

3.2.3.  Verfahrensgegenständlich hat das BFA – siehe dazu die oben unter Feststellungen wörtlich wiedergegebene Begründung – eine individuelle auf die Beschwerdeführerin bezogene Abwägung zur Gänze unterlassen, weshalb nunmehr das BVwG das Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eigenständig zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen hat (vgl. dazu VwGH 05.09.2018, Ra2017/03/0105). Das BVwG hat bei der Entscheidung über den Verbleib der Antragstellerin im Hoheitsgebiet nach Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BFA zunächst zu klären, ob eine besondere Verfahrenskonstellation vorliegt, in der unter Bedachtnahme auf Art. 31 Abs. 8 VerfahrensRL eine Beendigung des Verbleibs der Antragstellerin vor der Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache gerechtfertigt ist (VwGH 13.12.2018, Ro2018/18/0008).

3.2.3.1. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 3,5 Jahren durchgehend hier aufhältig ist. Das BFA ist bis dato aber nicht von einer besonderen Dringlichkeit des Verfahrens ausgegangen, zumal zwar bereits im März 2017, also 3 Monate nach Antragstellung im Dezember 2016 eine Einvernahme stattfand, seither jedoch mehr als 3 Jahre lang KEINE weiteren Verfahrensschritte gesetzt wurden, außer der Beschwerdeführerin jährlich eine Länderfeststellung zu übermitteln. Zusammenfassend wurde somit von § 27a AsylG 2005 kein Gebrauch gemacht.

Es ist auch weder aus der Bescheidbegründung, noch aus dem Akteninhalt ersichtlich, dass sich eine Sachverhaltsänderung ergeben hätte, die die nunmehrige Dringlichkeit hinsichtlich einer raschen Aufenthaltsbeendigung auslösen könnte.

3.2.3.2. Im gegenständlichen Fall stehen dem öffentlichen Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung aber auch gravierende private Interessen gegenüber.

Vor dem Hintergrund der aktuell vorliegenden Länderberichte, wonach (ua) Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender oder intersexuelle Personen (LGBTI) zu den bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen gehören, Angehörige sexueller Minderheiten mit Belästigung, Diskriminierung und Gewalt konfrontiert sind (HRW 14.1.2020) und es auch 2019 zu Fällen körperlicher und psychischer Gewalt und Verletzungen des Rechts auf die Unversehrtheit des Privat- und Familienlebens sowie der Versammlungsfreiheit aufgrund sexueller Orientierung oder Genderidentität gekommen ist, ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, als gleichgeschlechtlich orientierte Frau, Diskriminierungen und Übergriffen ausgesetzt gewesen zu sein, nicht per se als unglaubhaft einzustufen.

Damit zeigt das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückführung nach Armenien die Möglichkeit einer realen Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 3 EMRK auf. Ob eine entsprechende reale Gefahr tatsächlich vorliegt wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Sicherheits- und Versorgungslage in Armenien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein.

Ergänzend kann auf Grund ihres dreieinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich sowie ihrer Beziehungen in Österreich auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass bei einer genaueren Prüfung des vorgelegten Verwaltungsaktes eine Abschiebung der Beschwerdeführerin in den in Aussicht genommenen Herkunftsstaat eine Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK bedeuten würde.

3.2.3.3. Das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung der Beschwerdeführerin vermag daher im gegenständlichen Fall, trotz Herkunft aus einem sicheren Herkunftsstaat, die privaten Interessen der Beschwerdeführerin nicht zu übersteigen.

3.2.4.  Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheides ist daher spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

3.2.5.  Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt VII spruchreif ist und die Trennung, auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für die Betroffene, auch zweckmäßig erscheint.

3.2.6.  Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass mit der gegenständlichen (verfahrensleitenden) Entscheidung über Spruchpunkt VI des Bescheides des BFA eine Entscheidung in der die Rechtssache erledigenden Entscheidung nicht vorweg genommen wird, sondern diese zu einem späteren Zeitpunkt gesondert erfolgt.

4.       Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und Abs. 7 BFA-VG entfallen.

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die jeweils wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und weicht von dieser auch nicht ab. Zur erforderlichen Interessensabwägung auch bei Herkunft aus einem sicheren Herkunftsstaat VwGH 28.04.2015, Ra2014/18/0146. Zur Grobprüfung VwGH 24.11.2017, Ra2017/18/0366 und insbesondere 09.09.2003, 2001/01/0396.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung, siehe dazu explizit VwGH 09.06.2015, Ra2015/08/0049, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Diskriminierung Interessenabwägung sexuelle Orientierung sicherer Herkunftsstaat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2231791.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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