Entscheidungsdatum
17.06.2020Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W183 2208849-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Maitre Raphael SEIDLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2018, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2015 Iran, stellte am 18.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 16.11.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 26.05.2017 und am 20.08.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er wegen regimekritischer, pro-Ahwazi Betätigung sowie exilpolitischer Tätigkeiten Verfolgung in Iran fürchte.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 05.10.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 31.10.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Unter anderem wurden internationale Berichte über einen Vorfall, der Teil des Vorbringens des Beschwerdeführers darstellte, vorgelegt. Weiters wurde moniert, die belangte Behörde habe außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer sunnitischen Glaubens sei. Zusätzlich steigere seine politische Betätigung in Österreich seine Gefährdung. Schließlich wurde auf eine versuchte gezielte Tötung von Führungspersonen der Ahwazischen Freiheitsbewegung durch den iranischen Geheimdienst in Dänemark im Oktober 2018 hingewiesen.
4. Mit Schriftsatz vom 02.11.2018 (eingelangt am 05.11.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.05.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 02.06.2020).
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 10.06.2020 eine Strafregisterabfrage durch und holte von der belangten Behörde den Bescheid inkl. Aktenvermerk ein, mit welchem dem Bruder des Beschwerdeführers der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht, abgesehen von seiner Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Familienangehörigeneigenschaft zu XXXX alias XXXX nicht fest.
Der Beschwerdeführer wurde im Kuwait geboren, zog mit seiner Familie nach Iran und wuchs in Ahwaz, Provinz Khuzestan, auf. Er gehört der Volksgruppe der Araber an, ist sunnitischen Glaubens, spricht Arabisch (Muttersprache), Englisch und Farsi, verfügt über einen Schulabschluss und arbeitete in Iran als Verkäufer.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben. In Iran leben sechs (Halb-)Schwestern und drei Brüder des Beschwerdeführers sowie seine Stiefmutter. Zu diesen hat der Beschwerdeführer Kontakt. Das Verhältnis ist gut.
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung von Passkontrollen aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 18.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.
In Österreich leben der asylberechtigte Bruder und ein Cousin des Beschwerdeführers sowie dessen Schwägerin und Nichten. Der Beschwerdeführer wohnte von 2017-2019 im Haushalt seines Bruders. Der Beschwerdeführer ist in Österreich Mitglied des Ahwazischen Vereines zur Verteidigung der Menschenrechte. Der Beschwerdeführer besuchte den Werte- und Orientierungskurs, hat eine Deutschprüfung auf A1-Niveau bestanden und besuchte auch anschließend einen Deutschkurs.
Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und hat keinen Asylausschlussgrund gesetzt.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Der Beschwerdeführer betätigt sich in Österreich exiloppositionell und ist in der regimekritischen, pro-Ahwazi Szene öffentlich aktiv.
Der Beschwerdeführer hat an mehreren gegen das iranische Regime gerichteten Demonstrationen oder Veranstaltungen in Wien teilgenommen; er nimmt regelmäßig an pro-Ahwazi Demonstrationen und Veranstaltungen des Ahwazischen Vereines zur Verteidigung der Menschenrechte teil.
Der Beschwerdeführer hat in den Jahren 2017 und 2018 an zumindest sechs pro-Ahwazi Demonstrationen in Wien teilgenommen (u.a. vor der iranischen Botschaft) sowie an zumindest einem Symposium des Ahwazischen Vereines zur Verteidigung der Menschenrechte („ XXXX “).
Auch der Bruder des Beschwerdeführers betätigte sich in Iran und im Exil politisch-oppositionell und setzte sich für Ahwazi Belange ein, weshalb ihm in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 14. Juni 2019 (LIB 2019) ergibt sich wie folgt:
Zur Sicherheitslage
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.
Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.
Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).
Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).
Verbotene Organisationen:
Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen fu?hren. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivita?t, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsa?tze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbesta?nde. Personen, deren o?ffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, ko?nnen der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).
Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erkla?rt eine Quelle, dass sie noch nie davon geho?rt ha?tte, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivita?t auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quelle schon mo?glich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wa?nden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivita?t die Personen setzen. Andauernde politische Aktivita?ten ko?nnen in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).
Zur Situation der Araber:
Ahwazi Araber (nach Schätzungen rund 2 Mio.) sind teilweise sunnitischen Glaubens und bewohnen die an Erdölvorkommen reiche Grenzregion zu Irak und Kuwait. Mangels Unterricht in der Muttersprache sind viele Araber Analphabeten, und es herrscht unter der arabischen Minderheit eine hohe Armutsrate. Von Arabern bewohnte Gebiete sind oft nicht an die Wasser- und Elektrizitätsversorgung angeschlossen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AI 22.2.2018). Die arabische Minderheit in Iran fühlt sich Diskriminierungen ausgesetzt. Sie leidet unter Umweltproblemen (Verschmutzung, Staubstürme) sowie wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und macht eine Vernachlässigung ihres Siedlungsgebietes (v.a. Provinz Khusestan) durch die Zentralregierung dafür verantwortlich. Menschenrechtsorganisationen sehen Benachteiligungen im beruflichen und schulischen Umfeld, die zu wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Ausgrenzung der arabischen Minderheit führen (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018).
Es gibt Berichte über die Vertreibung von Arabern von ihren Grundstücken aufgrund staatlicher Entwicklungsprojekte. Die von Arabern bewohnten südlichen Teile Irans sind reich an Erdölvorkommen. Obwohl nicht erwiesen ist, dass Araber aufgrund ihrer Ethnizität verfolgt werden, ist zu beobachten, dass sie häufig wegen unklar definierten Anschuldigungen (etwa wegen „mohareb“ und „mofsid-fil-arz“) zu sehr hohen Strafen verurteilt wurden. Nach dem Terrorangriff in Ahvaz im September 2018 mit 30 Toten wurden offiziell 22 Personen aus dem Umfeld der Untergrundorganisation „Al-Ahvaziya“ festgenommen, die Opposition hat von bis zu 300 Festnahmen berichtet. Mit weiterer Repression gegen arabische Oppositionsgruppen ist zu rechnen (ÖB Teheran 12.2018).
Die Regierung schränkt kulturelle und politische Aktivitäten der Araber ein (HRW 17.1.2019), jedoch wurden einige lokale Clanführer in Khuzestan und anderen Gegenden, wo Ahwazi Araber leben, in lokale Räte gewählt, wo sie auch sehr unverblümt sprechen. Ins Visier der Behörden können Ahwazi Araber geraten, wenn sie Journalisten oder politische Aktivisten sind, die sich für Minderheitenrechte einsetzen (DIS/DRC 23.2.2018).
Zu Sunniten:
Sunniten sind in der Verfassung als Muslime anerkannt und dürfen ihre Religion prinzipiell frei ausüben. Sie leben im Iran vor allem im Südwesten des Landes nahe den Grenzen zu den arabischen Nachbarländern. Sunniten sind – soweit sie nicht Kurden sind – meist gleichzeitig Angehörige der arabischen Minderheit (z.B. Ahwazi) (ÖB Teheran 12.2018). Sunniten sehen sich allerdings vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt und werden vor dem Gesetz benachteiligt. So nehmen gerade in den letzten Jahren die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten zu (GIZ 3.2019c, vgl. ÖB Teheran 12.2018). Sunniten berichten, dass sie keine Moscheen in großen Städten bauen dürfen und Probleme hätten, Posten im öffentlichen Dienst zu bekommen (FH 4.2.2019, vgl. ÖB Teheran 12.2018). Immer wieder werden sunnitische Geistliche verhaftet und der „Propaganda gegen das System“ oder des Terrorismus bezichtigt. Außerdem fürchten die Behörden ein Überlaufen iranischer Sunniten zum Salafismus, einer radikal fundamentalistischen Auslegung des Sunni-Islam, welche vor allem in Saudi Arabien ihren Ursprung findet (ÖB Teheran 12.2018).
Rund 140 Sunniten sind derzeit aufgrund ihres Glaubens bzw. damit verbundener Anklagen inhaftiert. Am 25. April 2017 wurden in etwa 20 Personen während ihres morgendlichen Gebets verhaftet und an einen unbekannten Ort überführt. Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, werden zunehmend verfolgt (ÖB Teheran 12.2018). In den letzten Jahren wurden Sunniten wiederholt daran gehindert, ihre eigenen Eid-Gebete abzuhalten (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AI 22.2.2018).
Sunniten werden mitunter sowohl aufgrund ihrer religiösen wie auch ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert, da viele kurdischer oder arabischer Volkszugehörigkeit sind. In den sunnitischen Siedlungsgebieten im Westen und Südosten Irans ist die Religionsausübung jedoch ohne Einschränkungen möglich (AA 12.1.2019). Bei der Ausgrenzung von Sunniten spielt oft weniger die islamische Konfession als die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle. Die meisten Sunniten in Iran sind Kurden, Turkmenen, Araber oder Belutschen, die in den Randprovinzen des Landes leben. Dort gibt es starke Autonomiebewegungen, gegen die die Zentralregierung in Teheran vorgeht. Angehörige der ethnischen Minderheiten haben deshalb auch schlechteren Zugang zu Wasser, Wohnraum, Arbeit oder Bildung. Sunnitentum, ethnische Zugehörigkeit und Autonomiebestrebungen vermischen sich in der staatlichen Wahrnehmung. Im Jahr 2015 wurde erstmals ein Sunnit zum Botschafter des Iran ernannt (Qantara.de 11.1.2016).
Rechtsschutz/Justizwesen:
Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)
Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).
Richter werden nach religio?sen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabha?ngigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfu?llen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln fu?r faire Gerichtsverfahren. Gesta?ndnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Beho?rden setzen sich sta?ndig u?ber die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 fu?r ein ordnungsgema?ßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und wa?hrend der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).
In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das u?brige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gema?ß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).
Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der O?ffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europa?ischen Staaten: Ko?rperstrafen sowie die Todesstrafe werden verha?ngt (O?B Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschra?nkt mo?glich, da diese sich durch scheinbare Willku?r auszeichnet. Rechtlich mo?glich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbesta?nden und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz u?ber die Gerichte. Auch willku?rliche Verhaftungen kommen vor und fu?hren dazu, dass Personen ohne ein anha?ngiges Strafverfahren festgehalten werden. Daru?ber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht fu?r Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Wohl ha?ufigster Anknu?pfungspunkt fu?r Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische U?berzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungsha?ftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spa?t informiert. Oft erhalten Gefangene wa?hrend der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverha?ltnisma?ßig hoch. Hinsichtlich der Ausu?bung von Sippenhaft liegen gegensa?tzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht mo?glich ist (AA 12.1.2019).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschra?nkt mo?glich. Anwa?lte, die politische Fa?lle u?bernehmen, werden systematisch eingeschu?chtert oder an der U?bernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird ha?ufig eingeschra?nkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte u?ber durch Folter und psychischen Druck erzwungene Gesta?ndnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen ko?nnen Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fa?llen verhindern oder verku?rzen (AA 12.1.2019).
Sicherheitsbehörden:
Diverse Beho?rden teilen sich die Verantwortung fu?r die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskra?fte des Innenministeriums, die dem Pra?sidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Fu?hrer Khamenei berichten. Die Basij-Kra?fte, eine freiwillige paramilita?rische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Sta?dten und Do?rfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden ta?tig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdru?ckung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschu?chterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen geho?ren auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenu?ber dem Obersten Fu?hrer loyal und haben oft keinerlei regula?re polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht ha?tten. Basijis haben Stu?tzpunkte u.a. in Schulen und Universita?ten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewa?hrleistet ist. Scha?tzungen u?ber die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (O?B Teheran 12.2018).
Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei fu?r Sicherheit und o?ffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Ku?stenwache, Milita?rpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbeka?mpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist (AA 12.1.2019).
Das Ministerium fu?r Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religio?ser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufkla?rungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalita?t mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfa?llen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).
Mit willku?rlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, ko?nnen das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffa?lliges Ho?ren von (insb. westlicher) Musik, ungewo?hnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die A?ußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Ma?nner und Frauen ko?nnte den Unwillen zufa?llig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willku?rliche Verhaftungen oder Verpru?gelungen durch Basijis ko?nnen in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (O?B Teheran 12.2018).
Folter und unmenschliche Behandlung:
Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verho?rmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fa?llen seelische und ko?rperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefa?ngnissen, aber auch aus offiziellen Gefa?ngnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem beru?chtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefa?ngnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwu?rfen von Inhaftierten gehen die Beho?rden grundsa?tzlich nicht nach (AA 12.1.2019, vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbeho?rden verha?ngen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkommen. In einigen Fa?llen werden die Strafen o?ffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderja?hrige, erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder ta?tlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Vo?lkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Ma?nner als auch Frauen teilnehmen, Essen in der O?ffentlichkeit wa?hrend des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verha?ngten Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof besta?tigt wurden. Die Beho?rden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).
Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsa?tzen stehen, ko?nnen jederzeit Ko?rperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben fu?hren (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umsta?nden ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, fu?r die Betroffenen gefa?hrlich. Die ha?ufigsten Fa?lle, fu?r welche die Strafe der Auspeitschung durchgefu?hrt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die o?ffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil o?ffentlich vollstreckt (O?B Teheran 12.2018). Daru?ber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verpru?geln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Ko?rperteile, manchmal wa?hrend die Ha?ftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgeha?ngt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegensta?nden, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (O?B Teheran 12.2018).
Folter und andere Misshandlungen passieren ha?ufig in der Ermittlungsphase, um Gesta?ndnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fa?lle von ausla?ndischen und Doppelstaatsbu?rgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Strafta?tern. Obwohl unter Folter erzwungene Gesta?ndnisse vor Gericht laut Verfassung unzula?ssig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Gesta?ndnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begru?nden, unabha?ngig von anderen verfu?gbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Gesta?ndnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Fru?here Gefangene berichten, dass sie wa?hrend der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.2.2019).
Allgemeine Menschenrechtslage:
Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlu?sselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen geho?ren Hinrichtungen fu?r Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte u?ber rechtswidrige oder willku?rliche To?tungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtma?ßige Eingriffe in die Privatspha?re, Beschra?nkungen der freien Meinungsa?ußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze fu?r Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschra?nkungen der Religionsfreiheit, Beschra?nkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstu?tzung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschra?nkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabha?ngiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Misssta?nde sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskra?fte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivita?t, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsa?tze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbesta?nde (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren o?ffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, ko?nnen der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gru?nder von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwa?lte), wie etwa des „Defenders of Human Rights Center“, deren Gru?ndungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Ta?tigkeit hohe Haftstrafen verbu?ßen. Zum Teil wurden auch Ko?rperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote u?ber sie verha?ngt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verho?rt oder verhaftet). Die Ta?tigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelma?ßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.a?.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Ko?rperstrafen zur Folge (O?B Teheran 12.2018).
Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschra?nkt. Die Beho?rden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik gea?ußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Ko?rperstrafen vollstreckt. Die Beho?rden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen U?berzeugung, ethnischen Zugeho?rigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentita?t oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der O?ffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderja?hrig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdru?ckung zu protestieren. Es waren die gro?ßten Kundgebungen gegen die iranische Fu?hrung seit 2009 (AI 22.2.2018). Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbeho?rden wa?hrend der Demonstrationen geto?tet (FH 4.2.2019). Human Rights Watch spricht von 30 Geto?teten, einschließlich Sicherheitskra?ften. Glaubwu?rdige Untersuchungen in Bezug auf die geto?teten Demonstranten oder in Bezug auf die u?berma?ßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Beho?rden wendeten sich versta?rkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwa?lte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefa?ngnisstrafen fu?hren ko?nnen (HRW 17.1.2019).
Regimegegner sowie religio?se und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelma?ßig Opfer staatlicher Repressionen. (AA 15.2.2019a).
Meinungs-und Pressefreiheit:
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht „scha?dlich“ fu?r die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die „Rechte der O?ffentlichkeit“ sind (O?B Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019). In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschra?nkungen konfrontiert (AA 12.1.2019, vgl. BTI 2018, AI 22.2.2018, US DOS 13.3.2019) und Beho?rden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschu?chtern und strafrechtlich zu verfolgen (US DOS 13.3.2019). So spiegelt zwar die iranische Presselandschaft eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, gepra?gt wird sie dennoch von einer Vielzahl ho?chst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter „roter Linien“ des Revolutionsfu?hrers. Bei Abweichungen drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen „Propaganda gegen das System“ bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten wie auch von konservativen Zeitungen (AA 12.1.2019). „Propaganda gegen den Staat“ ist mit einer einja?hrigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei „Propaganda“ nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder fu?r hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden – dies gilt auch fu?r Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (O?B Teheran 12.2018). Mitarbeiter von ausla?ndischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabha?ngige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzo?gerungen bei der Gewa?hrung der Presselizenz durch die iranischen Beho?rden, Verhaftungen, ko?rperlicher Zu?chtigung sowie Einschu?chterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (O?B Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein versta?rktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverha?ltnisma?ßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa „regimefeindliche Propaganda“ verha?ngt (O?B Teheran 12.2018).
Fu?r Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausla?ndischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Beho?rden versuchen, dies durch den Einsatz von Sto?rsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden. Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausla?ndischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Beho?rden geblockt (AA 12.1.2019, vgl. FH 4.2.2019). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) mo?glich, wird aber „gefiltert“ bzw. mitgelesen und regelma?ßig auch gesto?rt. Das Vorgehen der Beho?rden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet a?ußert, la?uft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen „Cyber-Krieg“ gegen das Land fu?hren zu wollen. Die U?berwachung perso?nlicher Daten ist grundsa?tzlich nur mit Gerichtsanordnung mo?glich, außer die nationale Sicherheit ist betroffen (AA 12.1.2019).
Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wurde in den letzten Jahren massiv vorgegangen. Oft wurden sie zu langen Haftstrafen verurteilt, zum Teil sogar zum Tode. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafe?s (obligatorische Personenidentifikationen und U?berwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder „islamfeindliche“ A?ußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, geta?tigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer gea?ußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (O?B Teheran 12.2018).
Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Ku?nstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als „unislamisch“ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausla?ndische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland auffu?hren (dazu wurde ju?ngst eine Genehmigungspflicht verha?ngt). U?ber zahlreiche Ku?nstler wurden Strafen wegen zumeist „regimefeindlicher Propaganda“ und anderen Anschuldigungen verha?ngt. Viele sind regelma?ßig in Haft bzw. zu langja?hrigen Ta?tigkeits- und Interviewverboten verurteilt (O?B Teheran 12.2018).
In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Pla?tze verschlechtert und liegt nun an Position 170 (2018: 164). Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der gro?ßten Gefa?ngnisse fu?r Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert (ROG 2019).
Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit, Opposition:
Die Ausu?bung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht fu?r o?ffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Entsprechend finden Versammlungen der Opposition nicht statt. Demgegenu?ber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen wie des Basij-Studentenwerks, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der o?ffentlichen Verwaltung sowie Schu?ler und Studenten teilweise verpflichtet werden. Ebenfalls ist eine unabha?ngige gewerkschaftliche Beta?tigung nicht mo?glich, denn auch gewerkschaftliche Aktivita?ten werden zum Teil mit dem Vorwurf der „Propaganda gegen das Regime“ und „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ verfolgt (AA 12.1.2019). Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewa?hrleistet (AA 12.1.2019), jedoch ko?nnen streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein (FH 4.2.2019). Nach den Ende Dezember 2017 ausgebrochenen Protestdemonstrationen im ganzen Land nahmen Beho?rden zahlreiche Menschen fest. Berichten zufolge gingen Sicherheitskra?fte mit Schusswaffen und anderer exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende vor und verletzten und to?teten unbewaffnete Demonstrierende. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker (Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende etc.) wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert (AA 12.1.2019). Seit diesen Protesten im Dezember 2017 haben die Beho?rden das Recht auf friedliche Versammlung systematisch verletzt (HRW 17.1.2019).
In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Pra?gung (O?B Teheran 12.2018, vgl. GIZ 3.2019a). Auch im Parlament existiert keine, mit europa?ischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Die entscheidende Konfliktlinie im iranischen Parlament liegt aktuell zwischen den Rohani-Loyalen (Reformern und Moderaten) einerseits und den Anha?ngern der Revolutionstreuen (Parlamentspra?sident Ali Larijani, Oberster Fu?hrer Khamenei) andererseits, bisweilen kommen aber auch andere Gegensa?tze zum Tragen. Der Spielraum fu?r die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen U?berwachungsstaat eingeschra?nkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschra?nkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetu?berwachung, Spitzelwesen, Omnipra?senz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universita?ten sowie Basij-Sympathisanten im o?ffentlichen Raum, etc.) (O?B Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Viele Anha?nger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv. Ohne entsprechende Fu?hrung und angesichts umfassender U?berwachung der Kommunikationskana?le spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle (AA 12.1.2019). Die Verfassung la?sst die Gru?ndung politischer Parteien, von Berufsverba?nden oder religio?sen Organisation so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souvera?nita?t des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verha?ngte drakonische Strafen aufgrund diffuser Strafrechtstatbesta?nde („regimefeindliche Propaganda“, „Beleidigung des Obersten Fu?hrers“ etc.). Daru?ber hinaus werden Angeho?rige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwu?rfen festgenommen. An sich ga?be es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Fu?hrungsperso?nlichkeit fehlt bei sa?mtlichen oppositionellen Gruppierungen (O?B Teheran 12.2018).
Haftbedingungen:
Die Haftbedingungen in iranischen Gefa?ngnissen sind von massiver U?berbelegung gepra?gt. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass bei U?berbelegung der Zellen Ha?ftlinge im Freien untergebracht werden (O?B Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019), oder sie mu?ssen auf Ga?ngen oder am Boden schlafen. Laut der NGO „United for Iran“, die sich mit Haftbedingungen bescha?ftigt, ist die Ha?ftlingspopulation dreimal gro?ßer als die Kapazita?t der Gefa?ngnisse (US DOS 13.3.2019). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsscha?digend. Berichtet wird u?ber unzureichende Erna?hrung und Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung, in Einzelfa?llen mit to?dlichen Folgen. Auch ist von mangelnder Hygiene auszugehen (O?B Teheran 12.2018, vgl. US DOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).
In den Gefängnissen wird auch von physischer und psychischer Folter berichtet. Dies gilt auch und gerade im Zusammenhang mit Häftlingen, die unter politischem Druck stehen, zu intensive Kontakte mit Ausländern pflegen, etc. Neben Elektroschocks werden u.a. Schläge, Verbrennungen, Vergewaltigungen, Scheinhinrichtungen, Verhaftung der Familie, Einzelhaft und Schlafentzug verwendet. Dazu kommt vielfach der nicht oder nur ganz selten mögliche Kontakt mit der Außenwelt. Oft ist es Angehörigen während mehrerer Wochen oder Monate nicht möglich, Häftlinge zu besuchen. Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (O?B Teheran 12.2018).
Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Für politische Gefangene sind die Haftbedingungen von Fall zu Fall unterschiedlich und reichen vor allem in der Untersuchungshaft bzw. in irregulärer Haft vor einem Gerichtsverfahren von schlechten hygienischen Bedingungen über unzureichende medizinische Versorgung bis hin zur Verweigerung lebenswichtiger Medikamente (AA 12.1.2019).
Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran manchmal fließend sind. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in „sichere Hauser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen, und wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (O?B Teheran 12.2018). Von Hungerstreiks in iranischen Gefängnissen wird des Öfteren berichtet, in der Regel entschließen sich politische Häftlinge dazu (O?B Teheran 12.2018, vgl. FH 4.2.2019).
Es ist nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern oder anderweitig zu misshandeln, insbesondere während Verhören. Gefangene, die sich im Gewahrsam des Ministeriums für Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befinden, müssen routinemäßig lange Zeitraume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfüllt (AI 22.2.2018).
Quellen:
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2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 14. Juni 2019 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (Fotos, Unterlagen und Bestätigungen), der von der Behörde vorgelegte Bescheid inkl. Aktenvermerk, mit welchem dem Bruder des Beschwerdeführers der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, und die Strafregisterabfrage vom 10.06.2020.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb in Bezug auf Namen und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt. Allerdings hat bereits die belangte Behörde ihrer Entscheidung die Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers sowie dessen Familienangehörigeneigenschaft zu XXXX alias XXXX unterstellt, und sieht das Bundesverwaltungsgericht keinen Grund, von diesen Feststellungen abzugehen.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
Die Feststellung zur Einreise/Ausreise ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren.
Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten Dokumenten und den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren. Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Zeugnis. Dass der Beschwerdeführer 2017-2019 im Haushalt seines Bruders wohnte, ergibt sich aus seinem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Dass der Beschwerdeführer in Österreich Mitglied des Ahwazischen Vereins zur Verteidigung der Menschenrechte ist, ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung, und hat dies auch die Behörde bereits festgestellt. Dass der Beschwerdeführer in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer in Bezug auf seine exilpolitischen Aktivitäten für persönlich glaubwürdig, weil er über mehrere Jahre gleichbleibende und nachvollziehbare Angaben machte und sich aus seinem Vorbringen hinsichtlich seiner Tätigkeiten in Iran sowie aus seinem Verhalten und Auftreten in Österreich übereinstimmend ergibt, dass er mit dem aktuellen iranischen Regime sowie insbesondere der Situation der Ahwazi-Araber in Iran nicht einverstanden ist. Der Beschwerdeführer wurde in Kuwait geboren, zog mit seiner Familie nach Iran und wuchs in Ahwaz, Provinz Khuzestan, auf. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass diese Provinz und das Grenzgebiet zu Irak und Kuwait das Hauptsiedlungsgebiet der Ahwazi-Araber in Iran darstellen. Sunniten werden sowohl aufgrund ihrer religiösen wie auch ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert, da viele arabischer Volkszugehörigkeit sind und in Randprovinzen Irans leben, wo es starke Autonomiebewegungen gibt, gegen die die Zentralregierung in Teheran vorgeht. Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, werden zunehmend verfolgt. Weiters geht aus den Länderberichten hervor, dass Araber häufig wegen unklar definierten Anschuldigungen (etwa wegen „mohareb“ und „mofsid-fil-arz“) zu sehr hohen Strafen verurteilt werden und – nach einem Terrorangriff in Ahwaz 2018 – mit weiterer Repression gegen arabische Oppositionsgruppen zu rechnen ist. Ins Visier der Behörden können Ahwazi-Araber insbesondere geraten, wenn sie politische Aktivisten sind, die sich für Minderheitenrechte einsetzen. Bereits der Bruder des Beschwerdeführers war in Iran politisch in der regimekritischen, pro-Ahwazi Opposition sowie in Österreich exilpolitisch tätig und wurde diesem – wie aus dem Aktenvermerk zu dem Bescheid vom 06.06.2008 des Bundesasylamtes, Aktenzahl: XXXX , hervorgeht – der Status des Asylberechtigten zuerkannt, da er in Iran wegen seiner Mitgliedschaft bei einer verbotenen politischen Gruppierung verfolgt wurde sowie aufgrund seiner politischen Meinung und Aktivitäten (Mitglied der Ahwaz Human Rights Organisation, Unterstützung der Rechte der Araber in Ahwaz; politische Tätigkeit in Holland und Österreich). Vor diesem Hintergrund ist auch die exilpolitische, regimekritische Tätigkeit des Beschwerdeführers nachvollziehbar und nicht als ein rein asyltaktisches Vorgehen zu werten. In Österreich engagiert sich der Beschwerdeführer in einem politischen, oppositionellen, pro-Ahwazi und gegen das iranische Regime gerichteten Umfeld. Auch die weiteren Angaben des Beschwerdeführers sind jedenfalls mit den Länderberichten in Einklang zu bringen – so insbesondere die schwierige Lage der Ahwazi-Araber in Iran und das harte Durchgreifen iranischer Sicherheitskräfte gegen sie sowie die Verfolgung konvertierter Sunniten.
Der Beschwerdeführer hat seine politische Einstellung im Wesentlichen gleichbleibend, konsistent und mit Blick auf die Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten in Iran plausibel geschildert. Er legte im weiteren Verlauf des Verfahrens Fotos vor, die seine Teilnahme an zumindest sechs Demonstrationen und einem Symposium, die pro-Ahwazi bzw. gegen das iranische Regime gerichtet waren, dokumentieren. Der Beschwerdeführer wurde am 26.05.2017 sowie am 20.08.2018 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Sowohl beim ersten als auch beim zweiten Termin legte er Fotos vor, die seine oben genannten exilpolitischen Tätigkeiten belegen. Aus den beim zweiten Termin vorgelegten (neuen, zusätzlichen) Fotos ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit aufrechterhalten hat.
Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde einerseits nicht auf die rechtskräftig festgestellte politische Tätigkeit des Bruders des Beschwerdeführers eingegangen ist (lediglich insofern, als sie ausführte, es sei erkenntlich gewesen, dass der Bruder des Beschwerdeführers sich „von Herzen für Ahwaz“ engagiere, dies jedoch ohne dessen Asylstatus zu berücksichtigen bzw. ohne zu begründen, wieso der Beschwerdeführer als Bruder eines bekannten Aktivisten nicht gefährdet wäre) und andererseits das vorgebrachte Verhalten iranischer Sicherheitskräfte an österreichischen polizeilichen Standards gemessen hat („Es hätte mit Sicherheit eine strukturierte Vorgehensweise gegeben und hätte die Polizei bestimmt nicht einfach so willkürlich in eine Menschenmenge geschossen, da dies nicht den Prinzipien der Polizei entspricht“). Auf die exilpolitischen Tätigkeiten des Beschwerdeführers wurde kaum eingegangen, lediglich insofern, als bemerkt wurde, dass im Papierakt Fotos von Demonstrationen enthalten seien. Vage und ohne auf den gegenständlichen Fall einzugehen wurde ausgeführt, vieles könne bei Fotos gestellt sein. Schließlich wurde bemerkt, der Bruder des Beschwerdeführers habe diesen in eine fluchtauslösende Lage manövriert.
Auf den vorgelegten, der belangten Behörde bereits bekannten Fotos ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer an zumindest sechs verschiedenen Demonstrationen und einem Symposium teilgenommen hat. Dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner zweiten Einvernahme weitere Fotos von Demonstrationen vorgelegt hat, zeigt, dass er seine exilpolitische Tätigkeit aufrechterhalten hat. Dass es sich dabei um zumindest sechs verschiedene Demonstrationen handelt, ergibt sich aus der Kleidung des Beschwerdeführers, den verschiedenen Örtlichkeiten und der Umgebung. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass – wie von der Behörde dadurch impliziert, bei Fotos könne vieles gestellt sein oder nicht der Wahrheit entsprechen, jedoch ohne näher zu begründen, wodurch diese Annahme im gegenständlichen Fall zutreffen sollte – der Beschwerdeführer etwa in sechs verschiedenen Outfits, an wechselnden Orten in der Stadt, mit unterschiedlichen Personen und Gegenständen, Demonstrationen aus asyltaktischen Gründen „gestellt“ hat und ist davon auszugehen, dass die vorgelegten Fotos die exilpolitischen Tätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich belegen. Zu sehen ist u.a. der Beschwerdeführer vor einer Ahwazi-Flagge (rot-weiß-schwarz gestreift mit grünem Stern in grünem Kreis), vor weiteren Flaggen mit der Aufschrift „Freedom“,