Entscheidungsdatum
19.06.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W102 2204562-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.09.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 07.02.2016 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 08.02.2016 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe 14 Jahre zuvor mit seinen Eltern Afghanistan verlassen, weil dort Krieg gewesen sei. Zwei Jahre zuvor sei sein Vater nach Syrien geschickt und dort getötet worden. Er hätte auch nach Syrien müssen und hätte Angst davor gehabt. Deshalb sei er geflüchtet. Er habe noch immer Angst vor dem Krieg und kenne sich in Afghanistan nicht aus.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.06.2018 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, sein Vater sei Kommandant einer politischen Partei gewesen und habe in Bamyan gegen die Taliban gekämpft. Der Vater habe einen Checkpoint gemacht, dieser sei von den Taliban überrannt worden. Der Vater sei nach Hause gekommen und sie seien am gleichen Tag in der Nacht aus dem Dorf geflüchtet. Die Provinz sei damals zur Hälfte von den Taliban eingenommen worden. Im Iran sei er illegal gewesen, wenn die Polizei in erwischt hätte, hätten sie ihn nach Afghanistan zurückgeschoben. Er hätte die Polizei mit viel Geld bestechen oder in den Krieg nach Syrien ziehen müssen. Der Vater sei im Iran nicht von der Arbeit nachhause gekommen, die Mutter habe sich über seinen Verbleib erkundigt, sie habe von der Polizei keine Informationen erhalten. Der Beschwerdeführer glaube, der Vater sei nach Syrien geschickt worden. Der Vater habe einen Zettel geschrieben, dass derjenige, der ihn tot auffinde, seine Familie kontaktieren und über seinen Tod berichten solle. Ein Mann, der im syrischen Krieg gewesen sei, habe die Mutter angerufen. Der Vater habe Feinde gehabt, diese würden den Beschwerdeführer umbringen, wenn er nach Afghanistan gehe. Die Taliban würden ihn umbringen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27.07.2018, zugestellt am 30.07.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, eine tatsächliche Gefährdung zum jetzigen Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht. Vorfälle während des Aufenthalts im Iran könnten nicht berücksichtigt werden. Das Fluchtvorbringen sei nicht asylrelevant. Der Beschwerdeführer könne nach Bamyan zurückkehren, auch eine Rückkehr nach Herat, Mazar-e Sharif oder Kabul komme in Betracht. Er könne Unterstützung durch seine im Iran aufhältigen Angehörigen erhalten und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2018 richtet sich die am 24.08.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, Ermittlungsverfahren und Beweiswürdigung seien mangelhaft, der Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig. Das ganze Land sei von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt erfasst, die Sicherheitslage sei schlecht. Die Befragung sei mangelhaft gewesen, dass der Beschwerdeführer abgeleitet vom Vater Bedrohungs- und Verfolgungshandlungen zu befürchten habe, sei glaubhaft. Der afghanische Staat sei nicht schutzfähig und –willig. Der Beschwerdeführer sei der afghanischen Kultur und Lebensweise entfremdet und habe keinerlei Bezugspunkt zu Afghanistan. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei unrealistisch. Dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie.
Am 11.07.2019 beantragte der Beschwerdeführer Unterstützung der freiwilligen Rückkehr im Rahmen von RESTART II. Mit Schreiben vom 17.07.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass die Heimreisekosten übernommen würden und nichts gegen eine Teilnahme des Beschwerdeführers am Projekt spreche. Am 23.08.2019 wiederrief der Beschwerdeführer die freiwillige Rückkehr.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 23.09.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde wegen der Feindschaften seines Vaters im Herkunftsstaat verfolgt, im Wesentlichen aufrecht. Zudem ergänzte er, er gehöre keiner Religion an, glaube aber an Gott. Er wolle kein Moslem mehr sein.
Am 22.10.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei Iran-Rückkehrer und Verfüge über keinerlei Ortskenntnisse bzw. Kenntnisse der lokalen Gepflogenheiten, eine Neuansiedelung in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat sei ihm unzumutbar. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei schlecht.
Mit Schreiben vom 08.04.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme. In der Stellungnahme des Beschwerdeführers, am Bundesverwaltungsgericht am 16.04.2020 eingelangt, wird ausgeführt, eine Rückführung ins Heimatland sei ausgeschlossen.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Bestätigung der afghanischen Botschaft in Teheran
? Diverse Fotos
? Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote
? Empfehlungsschreiben
? Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeit
? Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs
? Medizinische Unterlagen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX in einem Dorf in Bamyan, Distrikt Panjab und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer reiste im Kindesalter mit seinen Eltern aus Afghanistan in den Iran aus. Ab seinem zehnten Lebensjahr arbeitete er als Hilfsarbeiter, etwa als Fliesenleger.
Der Beschwerdeführer hat weder im Iran noch in Afghanistan eine Schule besucht.
Die Mutter des Beschwerdeführers lebt mittlerweile in der Türkei, dort lebt und arbeitete auch ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat zudem noch einen jüngeren Bruder und eine Schwester.
Angehörige des Beschwerdeführers sind in Schweden und Deutschland aufhältig.
Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben.
Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seinen Angehörigen.
In Afghanistan hat der Beschwerdeführer weder Familienangehörige noch Freunde oder Bekannte. Er ist nach seiner Ausreise im Kindesalter nie mehr nach Afghanistan zurückgekehrt.
Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht und begonnen, Lesen und Schreiben in deutscher Sprache zu lernen.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Vater des Beschwerdeführers kämpfte in den 90ern als Kommandant der Sazman-i Nasr in der Herkunftsprovinz gegen die Taliban. Die Familie flüchtete, nachdem der Checkpoint, an dem der Vater arbeitete, im Zuge der Kämpfe in der Provinz durch die Taliban überrannt wurde.
Dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat aufgrund der Teilnahme des Vaters an Kampfhandlungen gegen die Taliban Übergriffe oder Misshandlungen durch die Taliban oder andere Privatpersonen drohen, wird nicht festgestellt.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.
Dass der Beschwerdeführer sich aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat, wird nicht festgestellt.
1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Kabul, Herat und Balkh zählen zu den am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Teilen Afghanistans. Die Krankheit breitet sich im ganzen Land aus. Zur Bekämpfung des Virus wurden im gesamten Land Ausganssperren verhängt, die zur Schließung ganzer Stadtteile geführt haben. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Davon betroffen sind insbesondere Tagelöhner, die über keine alternativen Einkommensquellen verfügen. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Zuletzt wurden die landesweiten Maßnahmen am 06.06.2020 um drei Monate verlängert. Geschlossen sind alle Schulen und Bildungszentren, Hotels, Parks, Sporteinrichtungen und andere öffentliche Orte. Der öffentliche Verkehr ist eingestellt, Restaurants und Cafes dürfen nur „Take-away“-Service anbieten.
Die Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan war bereits zuvor schlecht. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Armutsrate und Arbeitslosigkeit sind hoch. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptschlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der Wirtschaftsleistung ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert in Afghanistan nicht. Sozialleistungen gibt es – abseits von Pensionen in sehr wenigen Fällen, kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung – nicht.
Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Mit ausreichender Unterstützung durch seine Angehörigen ist nicht zu rechnen. Ihm wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, Fuß zu fassen. Er liefe Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde. Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt, wird auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen verwiesen.
Zu seinem Gesundheitszustand hat der Beschwerdeführer medizinische Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass er im Juli 2019 zur Krisenintervention aufgrund anamnestisch berichteter kognitiver Verlangsamung und Depression stationär in einem Krankenhaus aufgenommen werden musste und mit der Diagnose einer depressiven Episode im Rahmen einer Anpassungsstörung bei Hinweisen auf posttraumatische Belastungsstörung (F43.2), einer Empfehlung für eine medikamentöse Therapie und muttersprachlicher Psychotherapie entlassen wurde (vorgelegt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2019, Beilage zu OZ 13). Nach Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes wurde hierzu mit Stellungnahme vom 14.04.2020 mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer aktuell keine Medikamente einnehme und auch keiner ärztlichen Kontrolle bedürfe. Folglich wurde – mangels anderslautendem Vorbringen hinsichtlich anderer Erkrankungen bzw. diesbezüglicher Hinweise – festgestellt, dass der Beschwerdeführer gesund ist.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zum Lebenswandel des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat und im Iran beruhen auf den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers, die auch die belangte Behörde nicht in Zweifel zog.
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens, die auch die belangte Behörde für glaubhaft befand. Dass seine Mutter zwischenzeitig in die Türkei umgezogen ist, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angegeben (OZ 13, S. 5).
Die Angaben des Beschwerdeführers zum Tod des Vaters erachtete bereits die belangte Behörde für glaubhaft. Auch das Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Grund für Zweifel.
Dass er zu seinen Angehörigen in Kontakt steht, hat der Beschwerdeführer im Lauf des Verfahrens durchgehend bestätigt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht nach Afghanistan zurückgekehrt ist, beruht auf seinem Lebenswandel. Dass er dort weder Familienangehörige noch Freunde oder Bekannte hat, erscheint vor diesem Hintergrund ebenso glaubhaft. Zudem ist dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 08.04.2020 (OZ 18) in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, zu entnehmen, dass Rückkehrer, die lange Zeit im Ausland gelebt oder Afghanistan zusammen mit der gesamten Familie verlassen haben, wahrscheinlich nicht über lokale Netzwerke verfügen (Kapitel 23. Rückkehr). Damit erweisen sich die Angaben des Beschwerdeführers, dass er in Afghanistan niemanden kenne, als plausibel.
Die Feststellungen zu den Aktivitäten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers und den Bestätigungen, die er im Lauf des Verfahrens dazu vorgelegt hat.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer stellte die Gründe für die ursprüngliche Ausreise aus dem Herkunftsstaat gleichbleibend dar und erweisen sich dieser vor dem Hintergrund der amtsbekannten Einnahme des Herkunftsstaates durch die Taliban in den späten 90er Jahren, der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers auch als plausibel. Auch den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde zu diesen Angaben des Beschwerdeführers ist zu entnehmen, dass sie die vom Beschwerdeführer geschilderten Ausreisegründe ihrer Entscheidung zugrunde legte (AS 293). Das Bundesverwaltungsgericht teilt allerdings die beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass sich hieraus noch keine Gefährdung des Beschwerdeführers ableiten lässt, weil sich die Gründe für die ursprüngliche Ausreise ausschließlich auf die Person des Vaters beziehen und noch keine Rückschlüsse auf eine allfällige Gefährdung des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr zulassen. So beschränkt sich der Beschwerdeführer in seinen Angaben lediglich auf die Behauptung, sein Vater habe Feinde gehabt, dies würden ihn umbringen, wenn er nach Afghanistan gehen würde (AS 58). Auch in der mündlichen Verhandlung gibt der Beschwerdeführer bloß an, sein Vater sei wegen einer Feindschaft vor den Taliban geflüchtet (OZ 13, S. 3), sein Vater habe Feinde in Afghanistan (OZ 13, S. 4). Damit legt der Beschwerdeführer eine Gefährdung seiner Person aus allfälligen Feindschaften des Vaters jedoch nicht konkret und nachvollziehbar dar.
Zwar ergibt sich aus der vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 08.04.2020 (OZ 18) in das Verfahren eingebrachten EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance), dass Blutfehden zu Zwecken der Rache aus Gewalt entstehen können, sowie, dass sie zu Morden führen und über Generationen andauern können (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 18. Individuals involved in blood feuds and land disputes, S. 71-73). Auch die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) berichten von Blutfehden, bei denen gemäß althergebrachten Verhaltens- und Ehrvorstellungen Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie töten. Diese würden zu lange anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 14. In Blutfehden verwickelte Personen, S. 110 ff.). Damit ist zwar vor dem Hintergrund der Länderberichte grundsätzlich möglich, dass durch eine Tat des Vaters im Zuge der Auseinandersetzungen eine Feindschaft entstanden sein könnte. Die bloße Möglichkeit genügt jedoch für die Glaubhaftmachung einer Bedrohung jedoch nicht (Vgl. jüngst VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472). Folglich wurde nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr aufgrund der Teilnahme des Vaters an Kampfhandlungen gegen die Taliban Übergriffe oder Misshandlungen durch die Taliban oder andere Privatpersonen drohen.
Hinsichtlich der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers zählt dem Länderinformationsblatt zufolge die schiitische Religionszugehörigkeit wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, Kapitel 17. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 17.3. Hazara). Bedingt durch die nach der Berichtslage untrennbare Verbundenheit von Ethnie und Religionszugehörigkeit kann den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Unterabschnitt Schiiten, S. 69-70). Daher scheint in diesem Fall eine gemeinsame Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.
Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 16. Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 16.1. Schiiten sowie Kapitel 17. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 17.3. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Unterabschnitt Schiiten [S 69 f.] und Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch und verbreitet zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von derartigen einzelnen Übergriffen ist jedoch nicht ersichtlich und wurde auch nicht konkret und substantiiert dargetan. Entsprechend wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe drohen, weil er der Volksgruppe der Hazara angehört oder sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2019 gab der Beschwerdeführer zudem erstmals an, er wolle kein Moslem mehr sein (OZ 13, S. 5). Hierzu ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer seine Abwendung vom Islam nicht überzeugend darzulegen vermochte. So schildert er seine Abwendung lediglich durch oberflächliche Floskeln und stellt in seinen Angaben keinerlei persönlichen Bezug her. Insbesondere hatte der Beschwerdeführer, als er von seinem Rechtsvertreter befragt wurde, ob er ein religiöser Mensch sei, von sich aus nichts zu seinen religiösen Überzeugungen zu sagen (OZ 13, S. 5). Erst über nochmalige Befragung durch den erkennenden Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichts gab der Beschwerdeführer schließlich an, er gehöre keiner Religion an, glaube aber an Gotte und wolle kein Moslem mehr sein. Mit diesem Aussagenverhalten und seinen obendrein vagen Angaben konnte der Beschwerdeführer nicht den Eindruck erwecken, dass er nach religiöser Reflexion zu der ernsthaften Überzeugung gelangt ist, sich vom Islam abzuwenden. Auch führte der Beschwerdeführer keinerlei damit zusammenhängende Rückkehrbefürchtungen ins treffen, weswegen der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Schluss kommt, dass der Beschwerdeführer sich weder mit seiner religiösen Überzeugung, noch mit deren Bedeutung im Fall seiner Rückkehr auseinandergesetzt hat. Folglich wurde nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat und zudem unter 1.1. festgestellt, dass der Beschwerdeführer – nach wie vor – der schiitischen Glaubensrichtung des Islam angehört.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur COVID-19-Situation im Herkunftsstaat beruhen auf dem OCHA, Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report von 10.06.2020, der die Lage im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Länderinformationsblatt schildert (Abschnitt Länderspezifische Anmerkungen, Unterabschnitt COVID-19). Auch die Briefing Notes der Gruppe 62 – Informationszentrum für Asyl und Migration des BAMF vom 08.06.2020 bestätigt zudem die jüngste Verlängerung der Maßnahmen durch die afghanischen Regierung.
Die Feststellungen zur Wirtschafts- und Versorgungslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung. Dort wird auch berichtet, dass es finanzielle oder sonstige Unterstützung in Afghanistan nicht existiert.
Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig, spricht mit Dari eine im Herkunftsstaat verbreitete Sprache.
Als Angehöriger der schiitischen Glaubensrichtung und der Volksgruppe der Hazara gehört der Beschwerdeführer zwar zu einer Minderheit, hinsichtlich Herat, Maza-e Sharif und Kabul wird jedoch berichtet, die Städte seien ethnisch divers und Kenntnisse von Dari oder Paschtu würden ausreichen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, S. 135-136). Auch aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich, dass Hazara in den Städten stark vertreten sind (Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.3. Hazara). Hinweise darauf, dass Hazara in Städten spezifisch gefährdet wären, sind den Berichten allerdings nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit weist die EASO Country Guidance auf Erschwernisse, die allenfalls aus der Zugehörigkeit zu einer Minderheitsreligion resultieren können, wobei allerdings Beispielhaft Sikhs und Hindus genannt werden, nicht aber Schiiten, obwohl dem Länderinformationsblatt zufolge größte religiöse Minderheit des Herkunftsstaates. Das Länderinformationsblatt berichtet für Schiiten zudem auch nicht von einer spezifischen Häufung der Diskriminierung in Großstädten (Kapitel 15. Religionsfreiheit, Unterkapitel 15.1. Schiiten). Zwar verfügt der Beschwerdeführer nicht über nennenswerte Schulbildung oder einer Berufsausbildung und hat diesbezüglich – auch wenn er sich deutlich bemüht, wie die in Vorlage gebrachte Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote zeigen – bislang auch in Österreich noch keine formellen Qualifikationen erlangen können. Er verfügt allerdings über mehrjährige Berufserfahrung als Hilfsarbeiter. An körperlichen Vorerkrankungen leidet der Beschwerdeführer nicht, weswegen er hinsichtlich COVID-19 nicht zur Risikogruppe gehört.
Der Beschwerdeführer verfügt jedoch in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif – wie im Übrigen in ganz Afghanistan – nicht über Familienangehörige oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte. Damit verfügt der Beschwerdeführer nicht über ein soziales Netzwerk, dass dem Länderinformationsblatt zufolge für das Überleben in Afghanistan wichtig und für Rückkehrer bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan besonders ausschlaggebend ist. Insbesondere stelle ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar (Kapitel 22. Rückkehr). Auch EASO schätzt ein Unterstützungsnetzwerk per se als essentiell für die Ansiedelung ein und geht hinsichtlich Personen, die – wie auch der Beschwerdeführer – für lange Zeit außerhalb des Landes gelebt haben, davon aus, dass diesen mangels Verwandten in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul, das soziale Netzwerk fehlt (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136).
Hinsichtlich Antragstellern, die außerhalb Afghanistans geboren wurden bzw. über längere Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, geht EASO davon aus, dass diese bedingt durch einen Mangel lokaler Kenntnisse und wenn sie nicht über ein soziales Netzwerk verfügen keinen Zugang zu einer Lebensgrundlage (Arbeitsmarktzugang, etc.) und grundlegenden Dienstleistungen erhalten könnten (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, Profil Applicants who were born and/or lived outside Afghanistan for a very long period of time, S. 139). Auch betont EASO, dass mangelnde Vertrautheit mit afghanischen Normen und Erwartungen und ein fehlendes soziales Netzwerk – wie bereits oben ausgeführt übereinstimmend mit dem Länderinformationsblatt – zu Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche und beim Zugang zu einer Unterkunft führen. Insbesondere würde ein Akzent bei Personen, die lange außerhalb Afghansitans gelebt hätte, ein Hindernis bei der Arbeitssuche darstellen. Afghanen, die im Iran aufgewachsen seien, würden als iranisiert und nicht afghanisch wahrgenommen und deshalb verbal angegriffen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 21. Individuals who were born in Iran or Pakistan and/or who lived there for a longperiod of time, S. 75).
Aus der Anwesenheit von anderen Angehörigen der Volksgruppe und Religion des Beschwerdeführers in den afghanischen Städten kann im Übrigen nicht auf deren Unterstützungsbereitschaft geschlossen werden. So berichten die UNHCR-Richtlinien, dass Unterstützung durch Personen mit demselben ethnischen Hintergrund in der Regel konkrete frühere gesellschaftliche Beziehungen zwischen dem Antragsteller und den Mitgliedern der betreffenden ethnischen Gemeinschaft voraussetzt (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 124). Der Beschwerdeführer verfügt aber nicht über Bekannte oder Verwandte in Afghanistan und damit auch nicht über frühere gesellschaftliche Beziehungen zu Mitgliedern seiner ethnischen Gemeinschaft in Afghanistan und hat daher von diesen auch nicht mit Unterstützung zu rechnen.
UNHCR geht zwar hinsichtlich alleinstehender, leistungsfähiger Männer grundsätzlich davon aus, dass diese eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung darstellen können (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 125), verweist jedoch in diesem Zusammenhang auf die Abwesenheit relevanter Gefährdungsfaktoren.
Aktuell ist das wirtschaftliche Leben in den drei Städten bedingt durch Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt, insbesondere Tagelöhner sind hiervon betroffen, wobei es auch zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise gekommen ist und etwa Hotels geschlossen wurden. Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in der Lage ist, Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, erscheint unter diesen Bedingungen – insbesondere nachdem Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten, als formelle Qualifikation (Kapitel 20. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt) – als nicht wahrscheinlich. Zudem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 – vom Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 14.04.2020 in das Verfahren eingebracht (OZ 19) zu entnehmen, dass insbesondere Rückkehrer stigmatisiert werden, weil sie primär für die Gefahr durch Corona verantwortlich gemacht werden. Das Stigma, Seuchenüberträger zu sein, treffe auch aus Europa Eingereiste (S. 2). Dadurch würde die Niederlassung des Beschwerdeführers zusätzlich erschwert, weil die Suche des Beschwerdeführers nach Arbeit und Unterkunft weiter behindert, wenn nicht sogar unmöglich würde.
Außerdem sind dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 zufolge die Teehäuser – genau wie Hotels – als Maßnahme zur Eindämmung der Virusverbreitung geschlossen (S. 3). Der Beschwerdeführer wäre daher mangels Verfügbarkeit von Unterkünften von Obdachlosigkeit bedroht. Insbesondere gibt es auch keine staatliche Unterbringung von Rückkehrern (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr). Nachdem der Beschwerdeführer in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über soziale Anknüpfungspunkte verfügt, durch die ihm allenfalls Unterkunft gewährt werden könnte, wäre er im Fall der Rückkehr unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht.
Hinsichtlich einer allfälligen Unterstützung durch in Deutschland, Schweden, Iran bzw. der Türkei aufhältige Familienangehörige ist anzumerken, dass sich im Lauf des Verfahrens keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass diese zur langfristigen Unterstützung des Beschwerdeführers in der Lage wären. So ist nach den vom Beschwerdeführer gleichbleibend geschilderten Lebensverhältnissen der Familie nicht anzunehmen, dass die beiden Brüder des Beschwerdeführers seinen Lebensunterhalt finanzieren können. Im Hinblick auf die Verwandten in Deutschland und Schweden – die nach dem Beschwerdeführer nach Europa kamen – ist nicht davon auszugehen, dass diese bereits soweit am Arbeitsmarkt etabliert sind, dass die Finanzierung des Beschwerdeführers sichergestellt wäre. Auch dem Länderinformationsblatt zufolge erfolgt Unterstützung durch die Familie nur temporär und ist nicht immer gesichert (Kapitel 22. Rückkehr). Von ausreichender dauerhafter Unterstützung durch die Familie ist damit nicht auszugehen. Zudem kann der Beschwerdeführer nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht längerfristig darauf verwiesen werden, die Unterstützung seiner Angehörigen in Anspruch zu nehmen. Es muss viel mehr davon auszugehen sein, dass der Beschwerdeführer – allenfalls nach einer Übergangsphase – seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften könnte. Dies ist jedoch, bedingt durch die oben dargestellte Verschärfung der Lage in Folge der Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung nicht ersichtlich. Staatliche Unterstützung im Sinne von Arbeitslosengeld oder sonstiger Sozialleistungen gibt es im Übrigen nicht und wird hinsichtlich Rückkehrunterstützung berichtet, dass ein koordinierter Mechanismus nicht existiert. Insbesondere wird Rückkehrhilfe nur temporär und kurzfristig gewährt und funktioniert eine allfällige Anschlussunterstützung nicht lückenlos (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr).
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften, dass er mit ausreichender Unterstützung seiner Familie nicht zu rechnen hat und insbesondere, dass es ihm nicht möglich wäre, Fuß zu fassen und er Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Zudem zählt auch (UN)OCHA als Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten und „einschlägige internationale Menschenrechtsorganisationen“ iSd Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU zu den besonders bedeutsamen Quellen hinsichtlich der Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Parteiengehör bezüglich der in dieser Entscheidung hinsichtlich Punkt 2.3. der Beweiswürdigung verwendeten Länderberichte konnte entfallen. Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abfassung von Länderberichten Kenntnisse über ebendiese Länderberichte; weiter wurden diese ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers verwendet, weshalb auch diesbezüglich eine Notwendigkeit zur Gewährung von Parteiengehör nicht gegeben war. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
3.1.1. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe des Vaters
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung den Familienverband als „soziale Gruppe“ gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt. Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Z 2 GFK, etwa jener der Familie liegt (Vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 mwN).
Auch bejaht der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung grundsätzlich die Asylrelevanz einer Verfolgung wegen Blutrache unter dem GFK-Anknüpfungspunkt der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „von Blutrache bedrohten Angehörigen der Großfamilie“, sofern sich die Verfolgungshandlungen gegen Personen richten, die in die Rache gegen den unmittelbar Betroffenen bloß aufgrund ihrer familiären Verbindungen zu diesem einbezogen werden (Vgl. etwa Ra 2014/18/0011, 13.11.2014).
Wie festgestellt und beweiswürdigen ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr aufgrund der Teilnahme des Vaters an Kampfhandlungen gegen die Taliban Übergriffe oder Misshandlungen durch die Taliban oder andere Privatpersonen drohen. Insbesondere hat der Beschwerdeführer nicht konkret dargetan, inwiefern der Vater im Herkunftsstaat in Feindschaften verwickelt war.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Verfolgung jedoch mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472).
Damit konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr asylrelevante Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie des Vaters im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes droht.
3.1.2. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen Apostasie
Nach dem gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG unmittelbar anwendbaren Art. 10 Abs. 1 lit. b) Statusrichtlinie umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Geschützt ist demnach die Entscheidung aus innerer Überzeugung religiöse zu leben, aber auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht. § 3, K40).
Der VwGH hat zum Religionsbegriff der GFK im Wesentlichen bereits ausgesprochen, dass dieser in einem weiten Sinn aufzufassen ist und theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen umfasst. Eine Verfolgung aus religiösen Gründen kann auch vorliegen, wenn maßgebliche Eingriffe eine Person betreffen, die keinerlei religiöse Überzeugung hat, sich keiner bestimmten Religion anschließt oder sich weigert, sich den mit einer Religion verbundenen Riten und Gebräuchen ganz oder teilweise zu unterwerfen (VwGH 21.09.2000, 98/20/0557). In jüngerer Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf die oben zitierte Bestimmung der Statusrichtlinie zudem klargestellt, dass der Religionsbegriff der GFK auch atheistische Glaubensüberzeugungen umfasst (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395).
Asylrelevant kann demnach nicht nur die Konversion zu einer anderen Religion sein, sondern auch die Abkehr von einer Glaubensgemeinschaft.
In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz von Konversionen setzt der VwGH in ständiger Judikatur voraus, dass der Betroffene einen inneren Entschluss zum Glaubenswechsel gefasst hat (zuletzt VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Die bloße Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum nicht aus (VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0076).
Das Bundesverwaltungsgericht geht angesichts der bereits näher erläuterten Gleichstellung von theistischen, atheistischen und nichttheistischen Glaubensüberzeugungen durch die Statusrichtlinie und die Judikatur des Verwaltungsgerichthofes von der Übertragbarkeit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Konversion auch auf Fälle der bloßen Abkehr vom Glauben aus. Voraussetzung für die Asylrelevanz einer solchen Abkehr vom Glauben ist daher, dass diese aufgrund eines inneren Entschlusses erfolgt.
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft machen, dass er sich aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat. Damit konnte er auch nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr asylrelevante Verfolgung aus religiösen Gründen im Sinne der oben zitierten Normen und Rechtsprechung droht.
3.1.3. Zum Nichtvorliegen einer Verfolgungsgefahr wegen der Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400 mwN).
Der Beschwerdeführer konnte wie festgestellt seine Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara glaubhaft machen.
Der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an (zuletzt VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara – unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit – nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Da eine Gruppenverfolgung – in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit – von Hazara und Schiiten in Afghanistan wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich hieraus eine asylrelevante Verfolgung nicht ableiten.
3.1.4. Zum auf den Iran bezogenen Fluchtvorbringen
Soweit sich das fluchtkausale Vorbringen des Beschwerdeführers auf die Lebensumstände im Iran bzw. die dortige Gefahr einer Zwangsrekrutierung oder Abschiebung bezieht, ist ihm entgegen zu halten, dass § 3 Abs. 1 AsylG die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Auf Grund der afghanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kann somit das Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240). Insbesondere hat der Beschwerdeführer allfällige Auswirkungen von Ereignissen im Iran auf eine Rückkehr nach Afghanistan nicht behauptet und sind solche auch nicht ersichtlich.
Die Beschwerde war daher im Ergebnis spruchgemäß hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spiegelt der Prüfmaßstab der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative den Umstand wieder, dass ein Asylwerber, der nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren kann, in der Regel in einem Gebiet einer vorgeschlagenen innerstaatlichen Fluchtalternative nicht über dieselben finanziellen und infrastrukturellen Ressource sowie lokale Kenntnisse und soziale Netzwerke verfügen wird, wie an seinem Herkunftsort und somit eine zusätzliche Prüfung stattzufinden hat, ob die Ansiedelung in dem vorgeschlagenen Gebiet auch zumutbar ist. Insofern unterscheiden sich Asylwerber, die aufgrund einer möglichen asylrelevanten Verfolgung oder einer drohenden Verletzung des Art. 3 MRK nicht auf ihre Herkunftsprovinz verwiesen werden können, nicht von jenen, die über keine solche verfügen. Bei Asylwerbern, die keine Herkunftsprovinz haben, ist daher ebenfalls eine Prüfung vorzunehmen, ob ihnen im Herkunftsstaat eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht, was auch eine Zumutbarkeitsprüfung inkludiert (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0221).
Im gegenständlichen Verfahren konnte zwar festgestellt werden, aus welcher Provinz der Beschwerdeführer stammt und hat der Beschwerdeführer in der Provinz Bayman auch die ersten Jahre seines Lebens verbracht. Bedingt durch die Ausreise im Kindesalter und den Umstand, dass er mittlerweile keinerlei soziale Verbindungen nach Afghanistan mehr hat, befindet er sich jedoch hinsichtlich seiner „Herkunftsprovinz“ Bamyan ebenso in der der eben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Situation, nämlich, dass er weder in der „Herkunftsprovinz“, noch in einem anderen allenfalls zur Ansiedelung vorgeschlagenen Gebiet über finanzielle und infrastrukturelle Ressourcen sowie lokale Kenntnisse und soziale Netzwerke verfügt. Bamyan kann daher nicht als Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers im Sinne der eben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstanden werden.
Sohin ist, der eben zitierten Judikatur folgend ohne Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG hinsichtlich einer Herkunftsprovinz die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu prüfen.
3.2.1. Zur Nichverfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Nach § 11 Abs. 2 AsylG ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.
Dass im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat keine wohlbegründete Furcht im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegt, wurde bereits unter 3.1. dargelegt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Zunächst muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.
Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es dem Asylwerber im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten möglich sein, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (Zuletzt VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).
Eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, reicht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (zuletzt VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt wäre es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Zudem kann er nicht mit ausreichender Unterstützung durch seine Angehörigen rechnen und liefe er – insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie – Gefahr, notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Dabei ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung anhand der Definition des § 2 Abs. 1 Z 16 AsylG und des in diesem Sinne inhaltliche Festlegungen vornehmenden § 8 Abs. 4 AsylG bereits dargelegt hat, dass es sich beim Status des subsidiär Schutzberechtigten um ein dem Fremden stets nur vorübergehendes (wenn auch verlängerbares) gewährtes Einreise- und Aufenthaltsrecht handelt (VwGH 27.05.20.19, Ra 2019/14/0153). Dem dem Status des subsidiär Schutzberechtigten demzufolge immanenten Schutzgedanken entspricht es damit, den entsprechenden Status auch im Falle allenfalls vorübergehender Gefährdungen bzw. Unzumutbarkeit zu gewähren. Insbesondere lassen sich allfällige langfristige Folgen der Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung im Augenblick noch nicht absehen.
Hinweise auf das Vorliegen eines Ausschlussgrundes iSd § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG sind im Lauf des Verfahrens nicht hervorgekommen.
Hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides war der Beschwerde damit stattzugeben und dem Beschwerdeführer spruchgemäß der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu erteilen.
3.3.2. Zur befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der An