Entscheidungsdatum
19.06.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W102 2164222-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 22.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.10.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 03.09.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 03.09.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe sich aufgrund der Taliban und IS Truppen im Herkunftsstaat nicht frei bewegen können. Sein Leben sei in Gefahr, die Taliban würden von ihm verlangen, dass er für sie gegen die Regierung kämpfen solle.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.06.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe als Maler und Anstreicher auch für die Amerikaner gearbeitet. Er habe die Häuschen, in denen sich die Wache befunden habe, ausgemalt. Die Taliban hätten ihn bedroht und wollten, dass er nicht mehr für die Amerikaner, sondern für sie arbeite. Einmal hätte man ihn festgenommen. Er sei zehn bis 15 Tage bei den Taliban gewesen. Man habe ihn jeden Tag geschlagen und bedroht, man habe gewollt, dass er sich ihnen anschließe und für sie in den Krieg ziehen und gegen die Regierung kämpfe. Der Vater habe das Haus verkauft und mit dem Geld den Beschwerdeführer freigekauft. Er habe vier oder fünf Monate gearbeitet und dann Drohbriefe bekommen, weil er wieder mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe. Der Vater habe beschlossen, den Beschwerdeführer ins Ausland zu schicken. Der Bruder habe sein Haus verkauft, um die Reise zu finanzieren. Im Fall der Rückkehr bestehe Lebensgefahr, die Taliban würden ihn sowieso kennen und wenn die Leute wüssten, dass er in Europa gewesen sei, würden sie ihm vorwerfen, er sei ungläubig oder Christ geworden.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.06.2017, zugestellt am 27.06.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Angaben des Beschwerdeführers seien nicht schlüssig und nachvollziehbar. Eine Rückkehr sei trotz als instabil zu bezeichnender allgemeiner Sicherheitslage in Afghanistan nicht ausgeschlossen. Die Herkunftsprovinz sei erreichbar. Der Beschwerdeführer könne sich in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ansiedeln.
3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2017 richtet sich die am 07.07.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, es sei der belangten Behörde möglich gewesen, die für sie nicht feststehende Identität bei den afghanischen Behörden abzuklären, sowie, ob der Beschwerdeführer tatsächlich für die amerikanische Besatzungsmacht tätig gewesen sei. Die Behörde habe diesbezügliche Erhebungen unterlassen und das Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert. Dies entspreche nicht den Tatsachen, die Taliban und andere islamistische Gruppen würden jene Verfolgen, die nicht ihren Ansichten und Wertvorstellungen entsprechend leben würden. Der Beschwerdeführer könne nicht in seinen Heimatort zurückkehren, er könne sich nicht in Kabul, Mazar-e Sharif, Herat oder Jalalabad niederlassen. Die herangezogenen Länderfeststellungen seien nicht aktuell. Der Beschwerdeführer sei überdurchschnittlich integriert.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 07.10.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er wegen seiner Tätigkeit für die Amerikaner verfolgt, im Wesentlichen aufrecht.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Empfehlungsschreiben des Dienstgebers
? Deutschkursbestätigungen
? Beschäftigungsbewilligungsbescheid des AMS vom 14.02.2017
? Lehrvertrag
? Mehrere Empfehlungsschreiben
? Bestätigung über gemeinnützige Arbeit
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Faryab, Distrikt Maimana, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer vier Jahre die Schule besucht und ab seinem neunten Lebensjahr als Hilfsarbeiter auf Baustellen und in der Landwirtschaft gearbeitet.
Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben, als der Beschwerdeführer noch ein kleines Kind war. Der Vater des Beschwerdeführers ist nach der Ausreise des Beschwerdeführers verstorben.
Die beiden Brüder des Beschwerdeführers leben im Herkunftsdorf, ein Bruder arbeitet als Hilfsarbeiter auf Baustellen, der andere ist Elektroingenieur. Der Beschwerdeführer hat außerdem eine Schwester, sie ist verheiratet und lebt im Herkunftsdistrikt. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seinen Angehörigen.
Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet Deutschkurse besucht und absolviert seit Februar 2017 eine Lehre als Gastronomiefachmann.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer von den Taliban bedroht und entführt wurde, weil er für die Amerikaner gearbeitet hat. Es wird auch nicht festgestellt, dass der Bruder des Beschwerdeführers von den Taliban ermordet wurde.
Im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf drohen dem Beschwerdeführer keine Übergriffe oder Misshandlungen durch die Taliban, dass der Beschwerdeführer für die Taliban arbeiten oder kämpfen müsste, ist nicht zu erwarten.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr keine Übergriffe durch Privatpersonen oder staatliche Behörde wegen tatsächlicher oder auch unterstellter Apostasie.
1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Faryab zählt zu den volatilen Provinzen des Herkunftsstaates, die Taliban sind in einigen Distrikten aktiv. Die Taliban sind zunehmend erfolgreich, auch das IS ist in der Provinz aktiv. Es kommt zu Bodenkämpfen und Luftangriffen. Zu Beginn des Jahres 2019 zählte die Provinz zu jenen mit der höchsten Konzentration an Kämpfen, und fanden dort im April 2019 nach Ghazni und Nangarhar die meisten Angriffe in ganz Afghanistan statt. Im Jahr 2018 stand der überwiegende Teil der Distrikte unter Talibankontrolle. Der Herkunftsdistrikt ist umkämpft
Im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Herkunftsprovinz besteht die Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer misshandelt oder verletzt wird bzw. zu Tode zu kommt.
Kabul, Herat und Balkh zählen zu den am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Teilen Afghanistans. Die Krankheit breitet sich im ganzen Land aus. Zur Bekämpfung des Virus wurden im gesamten Land Ausganssperren verhängt, die zur Schließung ganzer Stadtteile geführt haben. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Davon betroffen sind insbesondere Tagelöhner, die über keine alternativen Einkommensquellen verfügen. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Zuletzt wurden die landesweiten Maßnahmen am 06.06.2020 um drei Monate verlängert. Geschlossen sind alle Schulen und Bildungszentren, Hotels, Parks, Sporteinrichtungen und andere öffentliche Orte. Der öffentliche Verkehr ist eingestellt, Restaurants und Cafes dürfen nur „Take-away“-Service anbieten.
Die Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan war bereits zuvor schlecht. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Armutsrate und Arbeitslosigkeit sind hoch. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptschlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der Wirtschaftsleistung ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert in Afghanistan nicht. Sozialleistungen gibt es – abseits von Pensionen in sehr wenigen Fällen, kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung – nicht.
Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Mit ausreichender Unterstützung durch seine Angehörigen ist nicht zu rechnen. Ihm wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, Fuß zu fassen. Er liefe Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zum Lebenswandel des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat beruhen auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers.
Dass seine Mutter verstorben ist, hat der Beschwerdeführer durchgehend angegeben. Den Tod seines Vaters gab der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an (OZ 18, S. 3), wobei angesichts des Alters des Vaters plausibel erscheint, dass dieser verstorben ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht, nachdem es das Fluchtvorbringen für nicht glaubhaft hält (siehe hierzu unter 2.2.) und der Beschwerdeführer auch keine anderslautenden Angaben zu den Todesumständen des Vaters gemacht hat, davon aus, dass der Vater eines natürlichen Todes gestorben ist.
Zum Verbleib seiner übrigen Angehörigen (Brüder und Schwester) gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar an, er habe seit der Einvernahme am 20.06.2017 keinen Kontakt mehr, den letzten Kontakt habe er mit seiner Schwester 2,5 Jahre zuvor gehabt (OZ 18, S. 3). Der Beschwerdeführer legt jedoch nicht nachvollziehbar dar, warum kein Kontakt bestehen sollte. So will der Beschwerdeführer auch durch Kontakt zu einem Nachbarn vom Tod des Vaters erfahren haben (OZ 18, S.) und ist nicht klar, warum er diesen Kontakt nicht nützt, um Informationen zum Verbleib seiner Familie zu erlangen. Hierzu kann der Beschwerdeführer lediglich angeben, er wisse nichts über den Verbleib der Familie und schildert auch nicht, wie er versucht hätte, Kontakt zu seiner Familie aufzunehmen. Die Angaben des Beschwerdeführers sind damit höchst vage. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer lediglich versucht, seine Rückkehrsituation nachteiliger darzustellen. Folglich hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass Brüder und Schwester (zur Behaupteten Ermordung eines Bruders siehe unter 2.2.) nach wie vor im Herkunftsdistrikt leben, und die Brüder weiterhin ihrer Arbeit – so wie sie der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben hat (AS 69) – nachgehen.
Die Feststellungen zu den Aktivitäten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet beruhen auf den Bestätigungen und Unterlagen, die der Beschwerdeführer hierzu vorgelegt hat.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen teilt das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis die Einschätzung der belangten Behörde. So schildert der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen vage, nicht im Kern gleichbleibend und unschlüssig
Zwar ist den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 – vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 22.04.2015 (OZ 23) in das Verfahren eingebracht – (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) zu entnehmen, dass regierungsfeindliche Kräfte afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeitet, bedroht und angegriffen haben, regierungsfeindliche Kräfte würden gegen ehemalige Mitarbeiter internationaler Streitkräfte und der Regierung vorgehen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe d) Zivilisten, die mit den internationalen Streitkräften verbunden sind oder diese vermeintlich unterstützen, S. 49). Auch der EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 – ebenso vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 22.04.2020 (OZ 23) in das Verfahren eingebracht – (in der Folge: EASO Country Guidance) zufolge betrachten die Taliban Personal ausländische Streitkräfte als hochprioritäres Ziel. Allerdings schränkt EASO das Risikoprofil insofern ein, als dem Bericht zu entnehmen ist, dass Personen, die lediglich allgemeinen Instandhaltungsarbeiten für ausländische Streitkräfte erledigen, nicht systematisch zum Ziel der Taliban werden, auch wenn Angriffe auf diese Personen vorkommen (Abschnitt: Common anaysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee Status, 3. Individuals working for foreign military troops or perceived as supporting them, S. 51). Aus der Übereinstimmung der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Rahmenhandlung mit den Länderberichten zur Lage im Herkunftsstaat lässt sich jedoch noch nicht schließen, dass das Fluchtvorbringen glaubhaft ist.
Zunächst schildert der Beschwerdeführer die ausreiseauslösenden Vorfälle im Lauf des Verfahrens bei jeder Einvernahme anders. So gibt der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 03.09.2015 noch an, er habe sich aufgrund der Taliban und IS Truppen im Herkunftsstaat nicht frei bewegen können, sein Leben sei in Gefahr, die Taliban hätten von ihm verlangt, er solle für sie gegen die Regierung kämpfen (AS 13). Später gibt der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme am 20.06.2017 an, die Taliban hätten von ihm verlangt, nicht für die Amerikaner bzw. die Regierung zu arbeiten, sie hätten ihn deshalb auch festgenommen und zehn bis 15 Tage festgehalten (AS 71).
Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme gemäß § 19 Abs. 1 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Er erachtet es allerdings nicht generell als unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429).
Gegenständlich tauscht der Beschwerdeführer die Intention der Taliban, warum sie ihn belangt haben sollen, zwischen Erstbefragung und Einvernahme jedoch komplett aus. Zudem führt er in der Erstbefragung lediglich mangelnde Bewegungsfreiheit im Herkunftsstaat aufgrund der Taliban und des IS ins Treffen, während er später angibt, er sei sogar von den Taliban entführt worden. Damit muss er sich bereits an dieser Stelle den Vorwurf einer Steigerung des Fluchtvorbringens gefallen lassen.
Weiter gibt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht von sich aus, nachdem er vom erkennenden Richter gefragt wurde, warum er aus Afghanistan geflüchtet ist, an, dass er (unter anderem) von den Taliban entführt worden sei. Er gibt lediglich an, einen Drohbrief erhalten zu haben, in dem von ihm verlangt worden sei, seine Arbeit zu verlassen und für die Taliban zu arbeiten. Er hätte ein Selbstmordattentat verüben sollen (OZ 18, S. 4). Damit kehrt der Beschwerdeführer zwar annähernd zu seinen Angaben in der Erstbefragung zurück, weicht allerdings von der niederschriftlichen Einvernahme ab, wo er den Inhalt des Drohbriefes lediglich damit wiedergibt, dass er umgebracht würde, wenn er weiter für die Amerikaner arbeite (AS 75). Zudem erwähnt der Beschwerdeführer an gleicher Stelle, sein Schwager sei von den Taliban ermordet worden, weil er mit ausländischen Kräften zusammengearbeitet habe. Dies findet später nie mehr Erwähnung. Auch seine Tätigkeit, aufgrund derer er von den Taliban belangt worden sein will, schildert der Beschwerdeführer nicht gleichbleibend. So gibt er in der Einvernahme an, er habe als Maler und Anstreicher gearbeitet und ein bisschen in der Elektro- und Wasserinstallation gelernt (AS 75). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptet der Beschwerdeführer schließlich, er habe nach einer Zeit Arbeit gewechselt, sodass er in der Küche des Militärlagers beschäftigt gewesen sei (OZ 18, S. 4). Zudem gibt der Beschwerdeführer an, erst zwei Jahre nach der behaupteten Entführung ausgereist zu sein, sein Bruder habe ihn auf eine Landwirtschaft mitgenommen, wo er gearbeitet habe (OZ 18, S. 6), während er in der niederschriftlichen Einvernahme noch schilderte, die ganze Familie sei in einen anderen Distrikt gezogen und habe in einem Zelt gelebt, der Vater lebe weiterhin in diesem Zelt (AS 77). Damit steht wiederum in Widerspruch, dass der Beschwerdeführer in derselben Einvernahme angibt, bis zu seiner Flucht im Herkunftsdorf gelebt zu haben (AS 67), sowie, dass sein Vater weiterhin dort lebt (AS 69). Auch zur behaupteten Ermordung seines Bruders macht der Beschwerdeführer abweichende Angaben. So gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme noch an, sein Bruder sei nach seiner Ausreise getötet worden (AS 77), während er einen konkreten Auslöser für die Ausreise eigentlich nicht schildert, sondern angibt, noch zwei Jahre im Herkunftsstaat gelebt zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gibt er dagegen an, er sei geflüchtet, als sein Bruder getötet worden sei und stellt dies damit im Wesentlichen als letztendlichen Auslöser für die Ausreise dar (OZ 18, S. 6), er habe nicht getötet werden wollen (OZ 18, AS 7). Zudem macht der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung keinerlei Angaben zu den Todesumständen, obwohl nunmehr noch in Afghanistan gewesen und deshalb ausgereist sein will. Außerdem zeigte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstmals ein Foto vor, dass seinen ermordeten Bruder zeigen soll, vermag jedoch weder nachvollziehbar zu begründen, warum er es erst in diesem Zeitpunkt vorlegt, noch kann er wirklich plausibel, warum er es wann erhalten hat. So stellt der Beschwerdeführer die Übermittlung so dar, als habe die Stromfirma ihm auf Facebook eigeninitiativ das Foto übermittelt, falls er es brauche (OZ 18, S. 8). Auch die Erklärung, dass die Facebook-Nachricht aufgrund eines SIM-Kartenwechsels verloren gegangen sei, ist völlig lebensfremd und unschlüssig und entspricht nicht der allgemein bekannten Funktionsweise dieser Plattform, deren Account und Nachrichten nicht mit einer SIM-Karte verknüpft sind, sondern sich nach einem Log-in von jedem beliebigen Endgerät mit Internetverbindung über den Browser abrufen lassen. Insgesamt ist das Fluchtvorbringen völlig widersprüchlich und inkonsistent und lässt sich eine in Grundzügen gleichbleibende Handlung schlicht nicht erkennen. Diese Widersprüche vermag im Übrigen auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Zusammenstellung von Gutachten bezüglich Blutrache von Dr. XXXX nicht auszuräumen. Insbesondere lässt sich anhand von Länderberichten lediglich eine Fluchtgeschichte prüfen, deren Ablauf im Wesentlichen klar und gleichbleibend dargestellt wird. Wie bereits ausgeführt, war dies gegenständlich jedoch nicht der Fall. Entsprechende Feststellungen wurden getroffen.
Zudem äußerte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vage, er sei gefährdet, wenn die Leute wüssten, dass er in Europa war, sie würden ihm vorwerfen, Christ geworden zu sein, so sei die Gefahr noch größer, als vor seiner Ausreise, die Taliban würden ihn sowieso kennen (AS 79). Hierzu ist zunächst anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände, die den Angaben des Beschwerdeführers zufolge ein besonderes Interesse der Taliban am Beschwerdeführer begründen sollten – wie bereits ausgeführt – für nicht glaubhaft erachtet. Zum vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Aspekt der unterstellten Apostasie aufgrund seiner Rückkehr aus Europa erwähnen zwar die UNHCR-Richtlinien Vorfälle, dass Rückkehrer aus westlichen Ländern von regierungsfeindlichen Gruppierungen bedroht, gefoltert oder getötet wurden, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen Gemächt hätten und „Ausländer“ geworden seien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe i) Als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen, S. 52-53). UNHCR stellt dies jedoch nicht als „Massenphänomen“ dar. Die EASO Country Guidance berichten ebenso davon, dass Personen, die aus westlichen Staaten zurückkehren Ziel von Aufständischen werden können, weil sie als unislamisch wahrgenommen werden könnten. Für Männer wird allerdings berichtet, dieses Risiko sei minimal und von den spezifischen Umständen abhängig (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as ‘Westernised’, S. 65-66). Derart spezifische Umstände hat der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft dargetan. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht merkt der Beschwerdeführer zum Themenkreis „Apostasie“ wiederum lediglich an, er habe seinen Glauben noch nicht gewechselt, weil er noch nicht sicher sei, welchen Glauben er befolgen solle. Hiermit beschränkt sich der Beschwerdeführer in seinem Aussageverhalten erneut auf unsubstantiierte, vage Floskeln, die eine konkrete Gefahr darlegen und gibt insbesondere auch nicht an, dass er sich tastsächlich vom Islam abgewandt hätte. Folglich wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr keine Übergriffe durch private Personen oder staatliche Behörde wegen tatsächlicher oder auch unterstellter Apostasie drohen.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Faryab beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitle 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.9. Faryab, sowie auf dem EASO COI Report Afghanistan. Securitiy situation von Juni 2019 (Kapitel 2.9 Faryab, S. 119 ff.), der ein damit übereinstimmendes Bild der Sicherheitslage zeichnet. Aus diesem ergibt sich zudem, dass der Herkunftsdistrikt umkämpft ist (Tabelle, S. 122-123).
Aufgrund der eben dargestellten Berichten hinsichtlich der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer misshandelt oder verletzt zu werden bzw. zu Tode zu kommen. Auch EASO geht im Übrigen davon aus, dass die Gewalt in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ein hohes Niveau erreicht (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Unterabschnitt Faryab, S. 95-96).
Die Feststellungen zur COVID-19-Situation im Herkunftsstaat beruhen auf dem OCHA, Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report von 10.06.2020, der die Lage im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Länderinformationsblatt schildert (Abschnitt Länderspezifische Anmerkungen, Unterabschnitt COVID-19). Auch die Briefing Notes der Gruppe 62 – Informationszentrum für Asyl und Migration des BAMF vom 08.06.2020 bestätigt zudem die jüngste Verlängerung der Maßnahmen durch die der afghanischen Regierung.
Die Feststellungen zur Wirtschafts- und Versorgungslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung. Dort wird auch berichtet, dass es finanzielle oder sonstige Unterstützung in Afghanistan nicht existiert.
Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig, spricht mit Dari eine im Herkunftsstaat verbreitete Sprache und gehört als Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zur im Herkunftsstaat mit 80 bis 89,7 % der Gesamtbevölkerung mehrheitlich vertretenen Religionsgemeinschaft (Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit). Als Usbeke gehört der Beschwerdeführer zur viertgrößten Minderheit Afghanistans, die auch in urbanen Zentren, wie Mazar-e Sharif oder Kabul siedeln, wo ihre Wirtschafts- und Lebensformen sich kaum von den Dari-sprachigen Gruppen unterscheiden. Von spezifischen Diskriminierungen oder Bedrohungen wird nicht berichtet (Kapitel 16. Relevante Minderheiten, Unterkapitel 16.4. Usbeken). Damit ist hinsichtlich der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers im Fall der Niederlassung in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht von Schwierigkeiten auszugehen. An körperlichen Vorerkrankungen leidet der Beschwerdeführer nicht, weswegen er hinsichtlich COVID-19 nicht zur Risikogruppe gehört. Der Beschwerdeführer konnte zudem im Bundesgebiet weitere Berufserfahrung sammeln, hat aber seine Lehre als Gastronomiefachmann noch nicht abgeschlossen und verfügt damit nicht über eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung.
Der Beschwerdeführer verfügt jedoch in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über Familienangehörige oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte. Damit verfügt der Beschwerdeführer nicht über ein soziales Netzwerk, dass dem Länderinformationsblatt zufolge für das Überleben in Afghanistan wichtig und für Rückkehrer bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan besonders ausschlaggebend ist. Insbesondere stelle ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar (Kapitel 22. Rückkehr). Auch EASO schätzt ein Unterstützungsnetzwerk per se als essentiell für die Ansiedelung ein (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136). Aktuell ist das wirtschaftliche Leben in den drei Städten zudem bedingt durch Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt, insbesondere Tagelöhner sind hiervon betroffen, wobei es auch zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise gekommen ist und etwa Hotels geschlossen wurden. Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in der Lage ist, Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, erscheint unter diesen Bedingungen – insbesondere nachdem Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten, als formelle Qualifikation (Kapitel 20. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt) – als nicht wahrscheinlich. Zudem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020, den der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 08.05.2020 (OZ 24) in das Verfahren eingebracht hat, zu entnehmen, dass insbesondere Rückkehrer stigmatisiert werden, weil sie primär für die Gefahr durch Corona verantwortlich gemacht werden. Das Stigma, Seuchenüberträger zu sein, treffe auch aus Europa Eingereiste (S. 2). Dadurch würde die Niederlassung des Beschwerdeführers zusätzlich erschwert. Hierdurch würde eine Suche des Beschwerdeführers nach Arbeit und Unterkunft zweifellos weiter behindert.
Außerdem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 auch zu entnehmen, dass die Teehäuser ebenso als Gegenmaßnahme geschlossen wurden (S. 3). Der Beschwerdeführer wäre daher mangels Verfügbarkeit von Unterkünften von Obdachlosigkeit bedroht. Insbesondere gibt es auch keine staatliche Unterbringung von Rückkehrern (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr). Nachdem der Beschwerdeführer in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über soziale Anknüpfungspunkte verfügt, durch die ihm allenfalls Unterkunft gewährt werden könnte, wäre er im Fall der Rückkehr unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht.
Hinsichtlich einer allfälligen Unterstützung durch die in der Herkunftsprovinz aufhältigen Angehörigen ist anzumerken, dass dem Länderinformationsblatt zufolge resultiert aus der bereits zuvor schlechten wirtschaftlichen Lage im Herkunftsstaat – wobei sich diese Informationen auf einen Zeitpunkt vor Ausbrechen der Pandemie beziehen – und individuellen Faktoren, dass Unterstützung durch die Familie nur temporär und nicht immer gesichert erfolgt (Kapitel 22. Rückkehr). Zudem arbeiten die Brüder des Beschwerdeführers selbst im informellen Sektor, weswegen auch deren Einkommensquellen aktuell nicht gesichert erscheinen. Von ausreichender Unterstützung durch die Familie ist damit nicht auszugehen. Staatliche Unterstützung existiert dagegen nicht und wird hinsichtlich Rückkehrunterstützung berichtet, dass ein koordinierter Mechanismus nicht existiert. Insbesondere wird Rückkehrhilfe nur temporär und kurzfristig gewährt und funktioniert eine allfällige Anschlussunterstützung nicht lückenlos (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr).
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften, dass er mit ausreichender Unterstützung seiner Familie nicht zu rechnen hat und insbesondere, dass es ihm nicht möglich wäre, Fuß zu fassen und er Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Zudem zählt auch (UN)OCHA als Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten und „einschlägige internationale Menschenrechtsorganisationen“ iSd Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU zu den besonders bedeutsamen Quellen hinsichtlich der Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Parteiengehör bezüglich einiger in dieser Entscheidung hinsichtlich Punkt 2.3. der Beweiswürdigung verwendeten Länderberichte konnte entfallen. Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abfassung von Länderberichten Kenntnisse über ebendiese Länderberichte; weiter wurden diese ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers verwendet, weshalb auch diesbezüglich eine Notwendigkeit zur Gewährung von Parteiengehör nicht gegeben war. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.1. Zur behaupteten Verfolgung durch die Taliban
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen hinsichtlich einer Verfolgungsgefahr von Seiten der Taliban nicht glaubhaft machen.
3.1.2. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen unterstellter Apostasie
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Asylrelevanz gegeben sein kann, wenn die Ursache der Verfolgung auf der dem Verfolgten (bloß) unterstellten Ablehnung der religiösen Überzeugung der Verfolger beruht. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber tatsächlich konvertiert oder auf sonstige Weise vom Islam abgefallen ist, sondern darauf, ob dem Asylwerber ein Wandel seiner religiösen Überzeugung unterstellt wird und ob ihm aufgrund dieser Unterstellung Verfolgung droht (VwGH vom 24.02.2015, Ra 2014/18/0086).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr Übergriffe durch Privatpersonen oder staatliche Behörden wegen tatsächlicher oder auch unterstellter Apostasie drohen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkt II. bis IV. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bezogen auf den Einzelfall nicht gedeckt werden können. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des EGMR ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingte Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Es muss viel mehr detailliert und konkret dargelegt werden, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
Ebenso ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab des Art. 3 MRK anerkannt, dass es unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR Ausnahmefälle geben kann, in denen durch eine schwere Erkrankung bzw. einen fehlenden tatsächlichen Zugang zur erforderlichen Behandlung im Herkunftsstaat die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
3.2.1. Zur Rückkehr in die Herkunftsprovinz
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt besteht im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Herkunftsprovinz die Gefahr, dass dieser im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe Aufständischer misshandelt oder verletzt wird bzw. zu Tode zu kommt.
Demnach droht dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur.
3.2.2. Zur Nichtverfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Einerseits muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des VwGH die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.
Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es dem Asylwerber im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten möglich sein, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (Zuletzt VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt wäre es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Zudem kann er nicht mit ausreichender Unterstützung durch seine Angehörigen rechnen und liefe er – insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie – Gefahr, notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Dabei ist anzumerken, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung anhand der Definition des § 2 Abs. 1 Z 16 AsylG und des in diesem Sinne inhaltliche Festlegungen vornehmenden § 8 Abs. 4 AsylG bereits dargelegt hat, dass es sich beim Status des subsidiär Schutzberechtigten um ein dem Fremden stets nur vorübergehendes (wenn auch verlängerbares) gewährtes Einreise- und Aufenthaltsrecht handelt (VwGH 27.05.20.19, Ra 2019/14/0153). Dem dem Status des subsidiär Schutzberechtigten demzufolge immanenten Schutzgedanken entspricht es damit, den entsprechenden Status auch im Falle allenfalls vorübergehender Gefährdungen zu gewähren. Insbesondere lassen sich allfällige langfristige Folgen der Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung im Augenblick noch nicht absehen.
Hinweise auf das Vorliegen eines Ausschlussgrundes iSd § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG sind im Lauf des Verfahrens nicht hervorgekommen.
Hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides war der Beschwerde damit stattzugeben und dem Beschwerdeführer spruchgemäß der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu erteilen.
3.2.3. Zur befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterscheidet § 8 Abs. 4 AsylG zwischen dem Status des subsidiär Schutzberechtigten und der zu erteilenden Aufenthaltsberechtigung, die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung ist zusätzlich zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorgesehen (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007). Sie erfolgt demnach konstitutiv.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem jüngst klargestellt, dass gemäß § 8 Abs. 4 AsylG die Gültigkeitsdauer nicht nur aus Anlass der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsberechtigung, sondern auch bei der Erteilung der verlängerten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen ist (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).
Den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.04.2016, Ra 2015/05/0069 dahingehend präzisiert, dass bei Kollegialorganen der Zeitpunkt der Willensbildung (Beschlussfassung) und bei monokratischen Organen jener der Erlassung (Zustellung oder mündliche Verkündung) der Entscheidung maßgeblich ist (siehe auch Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 29 VwGVG [Stand 15.2.2017, rdb.at], Rz 17). Darauf, dass die rechtlichen Wirkungen eines Erkenntnisses (des Einzelrichters) erst mit dessen Zustellung eintreten, hat der Verwaltungsgerichthof auch jüngst im Zusammenhang mit der Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG hingewiesen (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).
Auch gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, weswegen datumsmäßige Festlegung der einjährigen Gültigkeitsdauer der dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter ausgehend vom Zeitpunkt der Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses zu erfolgen hat.
Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Folglich war spruchgemäß eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen.
Die befristete Aufenthaltsberechtigung gilt damit ein Jahr ab Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts an den Beschwerdeführer.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt der unter 3. zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wobei gegenständlich insbesondere beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich waren.
Schlagworte
Apostasie befristete Aufenthaltsberechtigung Glaubwürdigkeit Lebensgrundlage Lebensunterhalt mangelnde Asylrelevanz Pandemie Religion Rückkehrsituation Sicherheitslage subsidiärer Schutz unterstellte politische Gesinnung ZwangsrekrutierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2164222.1.00Im RIS seit
16.11.2020Zuletzt aktualisiert am
16.11.2020