Entscheidungsdatum
23.06.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G310 2225575-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Bulgarien, gegen den Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2019,
Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat:
„Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.“
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX .2019 verhaftet und am XXXX .2019 in Untersuchungshaft genommen.
Mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 03.10.2019, persönlich übernommen am 09.10.2019, wurde der BF aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle einer Verurteilung zu äußern. Er erstattete eine kurze Stellungnahme, die am 22.10.2019 beim BFA einlangte.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019, XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des vollendeten Einbruchsdiebstahls in eine Wohnstätte und wegen Warendiebstahls in einem Lebensmittelmarkt sowie wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt, wobei 14 Monate für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurden.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF, seinem in Bulgarien gelegenen Lebensmittelpunkt und dem Fehlen eines Wohnsitzes sowie nennenswerter familiärer und privater Bindungen in Österreich begründet.
Gegen diesen Bescheid wurde vom BF, der unvertreten ist, fristgerecht Beschwerde erhoben und (sinngemäß) beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben sowie die Behebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Begründend berief sich der BF auf die Grundrechtscharta der EU. Er habe das Unrecht seiner Tat eingesehen und sei fest entschlossen, sich in Zukunft nichts mehr zu Schulden kommen zu lassen.
Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 26.11.2019 einlangten, und beantragte die Beschwerde des BF als unbegründet abzuweisen.
Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 28.11.2019, G312 2225575-2/3Z wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
Feststellungen:
Der BF kam am XXXX in XXXX , Bulgarien, zur Welt und ist ledig. Er beherrscht die bulgarische Sprache und verfügt über eine Berufsausbildung als Koch. Bis zu seiner Verhaftung lag sein Lebensmittelpunkt in Bulgarien. Er reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein. In Österreich verfügt der BF weder über familiäre noch über soziale oder berufliche Bindungen.
Dem BF wurde nie eine Anmeldebescheinigung ausgestellt. Abgesehen von seinem Aufenthalt in der Justizanstalt XXXX liegt keine Wohnsitzmeldung des BF im Bundesgebiet vor. Er ging in Österreich nie einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019, XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch in eine Wohnstätte nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z1 StGB sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB – ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe – zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 20 Monaten verurteilt, davon sechs Monate unbedingt. 14 Monate wurden für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen. Dem Privatbeteiligten wurde ein Betrag von EUR 1.853,00 zugesprochen.
Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF in XXXX zwischen XXXX .2019 und XXXX .2019 durch Einbruch in eine Wohnstätte - indem er die Wintergartentüre zu einem Wohnhaus in XXXX aufbrach - ein TV-Gerät, eine Kaffeemaschine, ein Apple TV-Gerät, eine Akku-Bohrmaschine, Teile einer Wii-Anlage, Kleidungsstücke, diverse Fremdwährungsmünzen, eine Anstecknadel, ein Medaillon und einen Glücksspieljeton in noch festzustellendem Gesamtwert stahl. Weiters stahl der BF am 17.09.2019 in einem Lebensmittelmarkt zwei Flaschen Rum in einem Wert von EUR 101,80. Zudem unterdrückte der BF zwischen XXXX .2019 und XXXX .2019 zwei fremde Urkunden des bestohlenen Wohnhausbesitzers, nämlich eine Member Hilton Card und eine Nespresso-Kundenkarte.
Bei der Strafbemessung wurden der bisher ordentliche Lebenswandel und das reumütige Geständnis als mildernd, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen hingegen als erschwerend gewertet.
Der BF verbüßte den unbedingten Teil seiner Haftstrafe in der Justizanstalt XXXX und wurde am XXXX .2020 bedingt entlassen.
Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine umfassende und nachhaltige Integration des BF in Österreich in wirtschaftlicher, sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht anzunehmen gewesen wäre, liegen nicht vor.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.
Die Feststellungen zur Identität des BF, zu seinem Familienstand und zu seinen Vermögensverhältnissen beruhen auf dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister, der Vollzugsinformation, auf den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid und im Strafurteil vom XXXX 2019.
Die Sprachkenntnisse des BF ergeben sich aus seiner Herkunft und seiner Staatsangehörigkeit. Aufgrund der vom BF persönlich schriftlich verfassten Beschwerde des BF können nur äußerst rudimentäre Deutschkenntnisse festgestellt werden.
Dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister ist zu entnehmen, dass dem BF keine Anmeldebescheinigung ausgestellt wurde. Der BF scheint - abgesehen von der Unterbringung in der Justizanstalt - nicht im Zentralen Melderegister auf. Das Fehlen von Beschäftigungszeiten ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug.
Die Feststellungen zu der vom BF in Österreich begangenen Straftat, zu seiner Verurteilung und zu den Strafzumessungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Verbüßung der Haftstrafe und die bedingte Entlassung ergeben sich aus dem Strafregister, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen.
Rechtliche Beurteilung:
Der BF ist als Staatsangehöriger von Bulgarien EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 FPG sogar unbefristet erlassen werden.
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
Gemäß Art. 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art. 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Dem BF kommt weder das Recht auf Daueraufenthalt zu, weil er sich nicht fünf Jahre lang rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhielt, noch liegt ein zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG führender zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vor, zumal dieser grundsätzlich ununterbrochen sein muss und der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe die Kontinuität des Aufenthaltes unterbricht (vgl VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079).
Gegenständlich ist daher der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) maßgeblich.
Das persönliche Verhalten des BF stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an nationaler Sicherheit, der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Moral) berührt.
Die Art und Schwere der begangenen strafbaren Handlungen zeigen, dass es dem BF jedenfalls zum Tatzeitpunkt an einer Verbundenheit mit den besonders rechtlich geschützten Werten (fremdes Eigentum) fehlte. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass bereits sein erstes strafbares Verhalten eine Verurteilung wegen eines Verbrechens (Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch in eine Wohnstätte) nach sich zog.
Daher ist die Annahme des BFA, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird, nicht zu beanstanden.
Gerade dem Einbruch in eine Wohnstätte wohnt aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Privatsphäre des Opfers ein hoher Unwertgehalt inne (siehe dazu EB zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl I 112/2015, GP XXV 689 dB, Seite 22). Die Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz von fremden Eigentum ist ein Grundinteresse der Gesellschaft.
Der seit der Straftat des BF (September 2019) vergangene Zeitraum führt nicht zu einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit, weil der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).
Die bedingte Entlassung des BF aus der Justizanstalt XXXX erfolgte am XXXX .2020. Der BF wird daher den Wegfall der durch seine strafgerichtliche Verurteilung indizierte Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit unter Beweis stellen müssen.
Mangels in Österreich aufhältiger Familie des BF greift das Aufenthaltsverbot nicht in sein Familienleben ein. Der mit der Unmöglichkeit des Aufenthalts in Österreich allenfalls verbundene Eingriff in sein Privatleben ist jedenfalls verhältnismäßig, zumal keine signifikanten Anknüpfungen im Inland bestehen und aufgrund der begangenen Eigentumsdelinquenz ein besonders großes Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besteht.
Eine einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung ergibt hier, dass der Eingriff in das Privatleben des BF verhältnismäßig ist, zumal er in Bulgarien familiäre Anknüpfungen hat und aufgrund der zuletzt begangenen Straftat ein großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besteht. Das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot verbietet ihm nur den Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht aber in anderen EWR-Staaten. Es ist ihm zumutbar, sich außerhalb von Österreich niederzulassen, zumal er sich nie für längere Zeit kontinuierlich im Bundesgebiet aufhielt.
Allfällige damit verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Verhinderung von Eigentumsdelikten hinzunehmen. Es ist dem BF zumutbar, während der Dauer des Aufenthaltsverbots die Kontakte zu allfälligen Bezugspersonen durch Besuche in Bulgarien, Treffen in anderen Staaten, Telefonate und andere Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail) zu pflegen.
Allerdings ist die vom BFA mit fünf Jahren bemessene Dauer des Aufenthaltsverbots überschießend, weil der BF erstmals straffällig wurde und dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirksamkeit zukommt. Dazu kommt, dass das Strafgericht den Strafrahmen lediglich zu einem Drittel ausgeschöpft hat und ein Teil der Strafe bedingt nachgesehen werden konnte.
Da sich der BF im Strafverfahren darüber hinaus reumütig zeigte und bisher einen ordentlichen Lebenswandel führte, ist aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der von ihm zu verantwortenden Verstöße gegen die Rechtsordnung ein dreijähriges Aufenthaltsverbot ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem rechtskonformen Verhalten zu veranlassen.
Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit auf drei Jahre herabzusetzen. Während dieser Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots wird es dem BF möglich sein, seine Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren und seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines neuerlichen Rückfalls zu untermauern.
Eine weitere Reduktion scheitert daran, dass der BF sich in qualifizierter Form der Eigentumsdelinquenz (wie sie in § 129 Abs 1 Z1 und Abs 2 StGB unter Strafe gestellt werden), konkret durch Einbruchsdiebstahl in eine Wohnstätte, strafbar machte.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Im Hinblick auf die Vermögenskriminalität des BF und das Fehlen von Erwerbstätigkeit, Krankenversicherung und Wohnsitzmeldung ist es nicht zu beanstanden, dass ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt wurde. Die Gründe dafür decken sich im Wesentlichen mit den im Teilerkenntnis dargelegten Gründen für die Abweisung der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem Hintergrund nicht korrekturbedürftig.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
§ 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, und zwar selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Eine Beschwerdeverhandlung muss daher nur dann durchgeführt werden, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt zwar der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen wie hier, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).
Da hier der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal von der Richtigkeit der ergänzenden Tatsachenbehauptungen des BF ausgegangen wird bzw. auch bei deren Zutreffen keine andere, für ihn günstigere Entscheidung möglich wäre.
Zu Spruchteil B):
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2225575.2.00Im RIS seit
18.11.2020Zuletzt aktualisiert am
18.11.2020