TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W203 2117106-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W203 2117106-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2019, Zl. 1027988003 – 190337864 / BMI-BFA_STM_AST_01 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, stellte am 08.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2.       Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 15.10.2015 wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie auch bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Auch wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 erteilt und es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach § 46 FPG zulässig sei und es wurde ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

3.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2016 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Weiters wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.03.2017 erteilt.

Festgestellt wurde zusammengefasst, dass der Beschwerdeführer in der Provinz Paktia im Kreise seiner Familie aufgewachsen sei und dem Stamm der XXXX angehöre. Er verfüge über eine achtjährige Schulbildung und spreche neben seiner Muttersprache Paschtu auch Englisch. Er habe Besitztümer in seiner Heimatprovinz Paktia. Der Beschwerdeführer sei 2007 nach England geflohen und habe sich dort illegal bis zum Aufgriff Ende 2012 durch die englischen Behörden aufgehalten. Er habe auch falsche Identitäten zum dortigen illegalen Aufenthalt benutzt. Er habe nach seinem Aufgriff in England am 12.11.2012 einen Asylantrag gestellt, dieser sei am 04.12.2012 abgewiesen worden und der dagegen erhobenen Berufung sei am 10.01.2013 nicht stattgegeben worden. Der Beschwerdeführer sei am 14.01.2013 aus Großbritannien nach Afghanistan abgeschoben worden. 2013 habe er seine Frau geheiratet, die bei ihren Eltern in der Provinz Paktia gelebt habe. Mit ihr stehe der Beschwerdeführer in Kontakt, die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers seien tot. Der Beschwerdeführer sei im Juni 2014 mit dem Ziel England wieder aus Afghanistan geflohen und illegal nach Österreich eingereist, wo er von den Behörden aufgegriffen worden sei. Daraufhin habe er am 08.08.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen, er besuche einen Deutschkurs und bemühe sich die deutsche Sprache zu lernen. Er versuche sich zu integrieren und habe bereits österreichische Freunde gefunden, von denen einer ihn in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.02.2016 begleitet habe. Der Beschwerdeführer spiele Fußball, praktiziere Bodybuilding und besuche Kochkurse. Er wolle seine Sprachkenntnisse weiter intensivieren und eine Kochausbildung absolvieren. Er sei auch sozial engagiert. Er mähe in der Gemeinde den Rasen, fege die Straße und unterstütze Bewohner bei der Gartenarbeit. Er arbeite auch im Lager und habe als Dolmetscher bei Arztbesuchen fungiert. Weiters führe er Reinigungsarbeiten durch. Die Frage einer asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers sei nach Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides in der mündlichen Verhandlung nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Der Beschwerdeführer würde im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine aussichtslose und existenzbedrohende Lage kommen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz würde sich aus den Länderfeststellungen und den nachvollziehbaren Feststellungen des beigezogene Sachverständigen in der Verhandlung ergeben.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass die allgemeine Sicherheitslage – wenn auch nicht im gesamten Staatsgebiet im gleichen Ausmaß – auf Grund der instabilen politischen Situation und der weitgehenden Schutzunfähigkeit staatlicher Institutionen nach wie vor prekär und sehr fragil sei. Auch die allgemeinen Lebensbedingungen und die Versorgungslage (Nahrung, Wohnraum und medizinische Versorgung) würden sich sehr schwierig gestalten. Beim Beschwerdeführer handele es sich zwar um einen jungen, arbeitsfähigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der oben geschilderten prekären Sicherheitslage eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Paktia und damit ein Zugriff auf die dortigen Besitztümer nicht möglich sei. Über ein entsprechendes soziales bzw. familiäres Netz verfüge er nicht. Sich in Kabul niederzulassen scheide für den Beschwerdeführer ebenso aufgrund des fehlenden sozialen Netzwerkes aus. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wäre der Beschwerdeführer vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, nach einem wenn auch nur vorläufigen Wohnraum zu suchen. Auf die Hilfe internationaler Organisationen oder des Staates könne er sich nicht verlassen. Wie sich aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsbezogenen Erkenntnisquellen im Zusammenhalt mit dem schlüssigen Gutachten des Sachverständigen ergebe, stelle sich die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln sowie Jobs insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt nur unzureichend dar. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in einer anderen Gegend Afghanistans Fuß fassen könne, hätten sich nicht ergeben. Des Weiteren sei auch der maßgebliche Umstand zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit Beginn seines Aufenthaltes in Österreich von sich aus Anstrengungen zur sprachlichen Integration unternommen habe und er sei auch um Integration in die Gesellschaft bemüht. Dese Umstände der nach außen hin erkennbaren Integration des Beschwerdeführers in Österreich seien von diesem auch durch Nachweise und durch sein glaubwürdiges Vorbringen in der mündlichen Verhandlung untermauert worden. Im gegenständlichen Fall könne unter Berücksichtigung der den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Umstände nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde. Die Rückkehr des Beschwerdeführers erscheine deswegen als unzumutbar.

4. Am 31.01.2017 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen „Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes“ gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ein.

5. Mit Bescheid vom 06.03.2017 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.03.2019 erteilt.

6. Am 19.02.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte. Er gab an, dass sich die Lage in Afghanistan seit der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und auch seit der nachfolgenden Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nicht so weit verbessert habe, dass eine Abschiebung für zulässig erklärt werden könne. Die Voraussetzungen zur Erteilung der Aufenthaltsberechtigung lägen daher immer noch vor.

7.       Am 13.03.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Zusammengefasst gab er an, dass er gesund sei, nicht „zum Arzt gehe“ und keine Medikamente einnehme. Er sei verheiratet und habe keine Kinder. Seine Ehefrau habe früher in XXXX in der Provinz Paktia gelebt, jetzt lebe sie in Kabul. Er telefoniere drei- bis viermal die Woche mit ihr. Er habe bis Jänner gearbeitet und sei jetzt arbeitslos. Er habe als Küchenhilfe in Restaurants gearbeitet und habe eine Zusage des XXXX in Wien. Er wohne alleine in einer Wohnung und zahle Miete. Er habe einen Antrag beim Sozialamt gestellt, habe aber noch keine Antwort erhalten. Er habe einen Deutschkurs auf Niveau A2 abgeschlossen, den Deutschkurs auf B1-Level habe er nicht bestanden. Befragt, wie es seinen Verwandten (Eltern, Geschwistern, …) gehe, gab er an, dass er seine eigene Familie verloren habe, er habe nur mehr seine „Schwiegerfamilie“. Die Taliban hätten seine ganze Familie getötet, seine Eltern und alle seine Geschwister (eine Schwester und drei Brüder). Seine Ehefrau lebe bei ihren Eltern in Kabul, manchmal auch bei ihren Tanten in XXXX . Finanziell gehe es ihr gut, ihre Eltern würden sie unterstützen, die Sicherheitslage sei nicht gut. Sein Schwiegervater sei selbständiger Unternehmer, er habe ein Lebensmittelgeschäft. In Afghanistan gebe es „schon“ Onkel und Tanten, aber er habe keinen Kontakt mit diesen. Er habe Angst vor ihnen. Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan ein Haus und zwei Grundstücke und einen Obstgarten. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, da sein Leben dort in Gefahr sei, seine Familie sei getötet worden, er würde auch getötet werden. Seine Frau und die Schwiegereltern könnten den Beschwerdeführer in Kabul nicht unterstützen, da der Schwiegervater wegen dem Beschwerdeführer Probleme gehabt habe und dieser deswegen umziehen habe müssen. Er sei von Paktia nach Kabul umgezogen. Dazu befragt, wieso der Schwiegervater in Kabul leben könne, der Beschwerdeführer aber nicht, gab dieser an, dass seine Frau oft ihre Wohnadresse ändern habe müssen, da ihr Leben in Gefahr sei. Wenn er persönlich dort wäre, wäre auch sein Leben in Gefahr. Er habe Österreich seit der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht verlassen. Er besitze keinen afghanischen Reisepass und sei in keinem Verein tätig. Abschließend gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, da sein Leben durch seine Verwandten in Gefahr sei. Sein Bruder habe im Zuge seiner Tätigkeit Talibanmitglieder getötet und seine Onkel und Tanten würden zu den Taliban gehören. Bei einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer deshalb von den Taliban getötet werden.

8. Am 03.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) mitgeteilt, dass ein Aberkennungsverfahren den subsidiären Schutz betreffend eingeleitet worden sei. Es wurden ihm die aktuellen Länderberichte der Staatendokumentation zu Afghanistan übermittelt und es wurde ihm die Gelegenheit gegeben, innerhalb von 14 Tagen schriftlich Stellung zur Aberkennung und zu den aktuellen Länderberichten zu beziehen.

9. Am 15.04.2019 übermittelte der Beschwerdeführer per E-Mail eine Stellungnahme, der wie folgt zu entnehmen ist: Die Länderfeststellungen zur aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage würden nicht berücksichtigen, dass sich die allgemeine Situation in Afghanistan in den letzten Monaten maßgeblich und auf eine Weise, die in den bisher behandelten Berichten und Unterlagen nicht abgebildet sei, verändert habe. Verwiesen wurde hierbei auf das Gutachten von Friederike STAHLMANN. In ganz Afghanistan läge eine nach wie vor schlechte und volatile Sicherheitslage vor. Auch wäre der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan völlig auf sich alleine gestellt, da ein ausreichendes familiäres und soziales Netz, welches Rückhalt bieten könne, nicht gegeben sei. Der Beschwerdeführer sei bei einer Rückkehr demnach von Obdachlosigkeit bedroht und erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Die Voraussetzungen für die Verlängerung des subsidiären Schutzes seien somit keinesfalls weggefallen und dieser sei zur verlängern. Der Beschwerdeführer lebe bereits seit 2014 in Österreich und sei sozial und wirtschaftlich integriert, habe bereits ein Sprachzertifikat auf A2-Niveau abgeschlossen, mache derzeit die B1-Sprachprüfung und könne dann in Kürze einen „AT Daueraufenthalt EU“ beantragen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei keinesfalls zulässig. Selbst wenn die belangte Behörde zur Ansicht gelangen würde, dass die Voraussetzungen für die Verlängerung des subsidiären Schutzes nicht mehr gegeben seien und dieser abzuerkennen sei, erweise sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung jedenfalls als unzulässig und es wäre auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. Gleichzeitig sei dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel zu erteilen.

10.      Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt III.). Die mit Bescheid erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem Beschwerdeführer entzogen (Spruchpunkt II.) Es wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt IV.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.) und dem Beschwerdeführer eine Frist für seine freiwillige Ausreise gesetzt (VII.).

Zu den „Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur Situation des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr“ wurde wie folgt festgestellt:

Dem Beschwerdeführer sei durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Das erkennende Gericht habe diese Entscheidung auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung herrschende prekäre Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers und auf das fehlende familiäre Netzwerk in einer anderen Gegend in Afghanistan gestützt. Es wurde festgestellt, dass „der Sachverhalt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes“ nicht mehr vorläge. Eine Verfolgung in Afghanistan sowie eine Bedrohungssituation im Falle einer Rückkehr habe nicht festgestellt werden können. Verwandte (Ehefrau und Schwiegereltern), zu denen der Beschwerdeführer Kontakt pflege, würden in Afghanistan leben und aufgrund eines vorhandenen Bankenwesens bestehe ebenso die Möglichkeit finanzieller Unterstützung durch die Angehörigen. Zur Heimatprovinz des Beschwerdeführers könne festgestellt werden, dass diese zu den volatilen Gebieten Afghanistans zähle und eine gefahrlose Rückkehr ins Heimatdorf des Beschwerdeführers könne „derzeit“ nicht gewährleistet werden. Es habe jedoch festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine sichere Stadt (Kabul, Mazar-e Sharif, …) ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit nicht drohe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Bei einer Rückkehr sei es für ihn zumutbar, dass er mit Gelegenheitsjobs seinen Lebensunterhalt verdiene. Eine Integration in das Sozial- und Arbeitssystem in Afghanistan sei ebenfalls zumutbar. Auch würde die Möglichkeit einer staatlichen Unterstützung gegeben sein.

Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund der gegebenen Umstände keine Gründe erkannt werden haben können, die einer Rückkehrentscheidung - auch unter Einbeziehung sonstiger berücksichtigungswürdiger Gründe - entgegenstehen würden. Aufgrund der vorgelegten Lohnabrechnungen, seiner Einvernahme vor der belangten Behörde und eines Auszuges aus dem „AJ Web“ habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer - teilweise als „geringfügig Beschäftigter“ – über Arbeitserfahrungen im Bereich Küchenhilfe bei unterschiedlichen Arbeitgebern verfüge. Durch Vorlage von Deutschkursbestätigungen habe der Beschwerdeführer nachweisen können, dass er den Deutschkurs (Niveau A2) bestanden habe. Weitere Integrationsbemühungen seien nicht ersichtlich gewesen und er habe diese auch nicht geltend gemacht. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass allgemeines Engagement bei Integrationsmaßnahmen noch lange keine vollwertige Integration in die österreichische Gesellschaft bedeute, des Weiteren habe der Beschwerdeführer durchaus die Möglichkeit, das von ihm in Österreich Gelernte in Afghanistan zu nutzen.

Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann, dem es möglich sein müsste, auch ohne Unterstützung in seinem Heimatland für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Diesbezüglich sei zu erwähnen, dass er bereits vor seiner ersten Ausreise aus Afghanistan bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet und auch bei seinem nachfolgenden vier- bis fünfjährigen Aufenthalt in England weitere Berufserfahrung gesammelt habe. Er habe auch nach seiner Rückkehr nach Kabul am 14.01.2013 bis zu seiner neuerlichen Ausreise im Juni 2014 gearbeitet. Bei seinem Aufenthalt in Österreich ab August 2014 bis zum nunmehrigen Zeitpunkt habe er weitere Berufserfahrungen sammeln können. Der Beschwerdeführer habe für afghanische Verhältnisse eine gute Schulbildung und habe bereits in verschiedenen Ländern gearbeitet. Er spreche Deutsch und Englisch. Aufgrund seiner Bildung und Erfahrung sei es ihm zumutbar, zumindest durch Gelegenheitstätigkeiten seine Existenzgrundlage zu sichern. Er gehöre auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer angegeben, dass seine Ehefrau, mit der er regelmäßigen Kontakt habe, in Kabul bei den Schwiegereltern und manchmal auch bei deren Tante in XXXX lebe. Er habe auch angegeben, dass es seiner Ehefrau und deren Familie finanziell gut gehe, der Schwiegervater besitze ein Lebensmittelgeschäft. Wenn notwendig könne der Beschwerdeführer auf deren Hilfe zurückgreifen. Eine Rückkehr nach Kabul sei möglich und zumutbar. Es stehe dem Beschwerdeführer auch offen, in eine andere sichere Stadt in Afghanistan (Mazar-e Sharif, …) zurückzukehren. Es drohe dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine Verfolgung, er leide auch nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit und es liege auch sonst kein auf seine Person bezogener „außergewöhnlicher Umstand“ vor, deswegen gehe die belangte Behörde davon aus, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan auch keine Gefahren drohen würden, die nun eine Verlängerung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, in der Provinz Balkh zu leben und könne dort auch für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Laut den Länderfeststellungen der Staatendokumentation habe keine allgemeine Gefahr festgestellt werden können. Die Behörde gehe daher davon aus, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Afghanistan, vor allem in den sicher geltenden Gegenden wie Balkh, auch keine Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass die Gründe für den von der belangten Behörde zugesprochenen Schutz nicht mehr vorlägen. Der Beschwerdeführer sei gesund, volljährig und arbeitswillig und es wäre für ihn durchaus möglich und zumutbar, in seinem Herkunftsland Fuß zu fassen. Die belangte Behörde habe sich „maßgeblich durch den Umstand leiten lassen“, dass der Beschwerdeführer im Zuge der neuerlichen Prüfung des Verlängerungsantrages keinerlei glaubhafte Indizien oder Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht bzw. behauptete habe, welche die Annahme rechtfertigen könnte, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr laufen würde, im Fall einer Rückkehr in die Heimat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu sein. Aufgrund der getroffenen Feststellungen könne nicht davon gesprochen werden, dass in Afghanistan eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrsche. Somit könnten auch von Amts wegen keine „stichhaltigen seinem Refoulement entgegenstehenden Gründe“ erkannt werden. Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatbezogenen Erkenntnisquellen ergebe sich darüber hinaus, dass die allgemeine Sicherheitslage als weitgehend stabil zu bezeichnen sei. Es seien keine Umstände bekannt, dass in der Heimat des Beschwerdeführers eine solche extreme Gefährdungslage bestehe, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG 2005 ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer habe auch keine lebensbedrohliche Erkrankung und auch sonst keinen auf seine Person bezogenen „außergewöhnlichen Umstand“ behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebehindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könne. Er habe weder eine individuelle Verfolgung noch Gefährdung glaubhaft machen können. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden Sicherheitslage in Afghanistan erscheine daher eine Ansiedelung in Afghanistan im Hinblick auf die regional unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation insgesamt auch zumutbar. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergebe sich, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr insbesondere nach Kabul zugemutet werden könne. Er sei mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten im Land vertraut, da er fast sein gesamtes Leben in Afghanistan - davon auch ungefähr eineinhalb Jahre in Kabul - verbracht habe. Er habe eine achtjährige Schulbildung, sei gesund und arbeitsfähig und habe bereits Arbeitserfahrung in verschiedenen Ländern. Des Weiteren könne er, wenn notwendig, auf die Unterstützung durch seine Verwandten (Ehefrau, Schwiegereltern, …) zurückgreifen. Ergänzend wurde festgehalten, dass die Angehörigen des Beschwerdeführers nach wie vor offensichtlich ohne relevante Probleme in Afghanistan leben würden und er von einer existenzgefährdenden Lebenssituation seiner Verwandten nichts berichtet habe. Es sei auch amtswegig nichts Derartiges bekannt geworden.

11. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 22.05.2019 Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen wie folgt:

Die belangte Behörde habe bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Anwendung sie zu einem anderslautenden, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid, hätte kommen können. Der belangten Behörde sei vorzuwerfen, kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben. Sie sei ihrer Verpflichtung zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht ausreichend nachgekommen, weswegen der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet sei.

Im vorliegenden Fall habe die belangte Behörde die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zunächst mit einer grundlegenden Änderung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers begründet und zum anderen darauf, dass eine „Rückkehr“ – Neuansiedelung in Kabul und Mazar-e Sharif - aufgrund der dortigen Sicherheits- und Versorgungslage möglich sei. Eine solche Änderung liege jedenfalls nicht vor. Festzuhalten sei, dass seit der erstmaligen Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten eine im Wesentlichen unveränderte persönliche Situation des Beschwerdeführers und auch keine wesentliche Verbesserung der objektiven Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan vorliege.

Wenn die Behörde festhält, dass der Beschwerdeführer bereits in verschiedenen Ländern Arbeitserfahrung gesammelt habe, sei festzuhalten, dass dies auch schon bei der rechtskräftigen Zuerkennung bzw. Verlängerung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten so gewesen sei.

Auch habe der Beschwerdeführer bei der erstmaligen Zuerkennung des subsidiären Schutzes eine Ehefrau in Afghanistan und Kontakt zu dieser gehabt und auch die Schwiegereltern des Beschwerdeführers hätten sich auch schon zum damaligen Zeitpunkt in Afghanistan aufgehalten. Zwar habe der Beschwerdeführer bei der Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.03.2019 angegeben, dass seine Ehefrau derzeit in Kabul bei den Schwiegereltern des Beschwerdeführers lebe, er habe aber gleichzeitig ausgeführt, dass diese teilweise in Kabul und teilweise in XXXX bei ihren Tanten lebe. Mittlerweile würden die Eltern der Frau des Beschwerdeführers wieder in Paktia leben, die Ehefrau wohne abwechselnd bei den Eltern und den Tanten in XXXX .

Das Lebensmittelgeschäft des Schwiegervaters befinde sich nicht in Kabul, sondern in Paktia. Der Schwiegervater habe bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht die Möglichkeit, diesen zu unterstützen, da er gerade einmal in der Lage sei, seine eigene Familie zu versorgen. Die Ehefrau und die Schwiegermutter des Beschwerdeführers könnten keiner Arbeit nachgehen, da ihnen dies als Frauen in Afghanistan nicht möglich sei. Die belangte Behörde bleibe eine Erklärung schuldig, wieso sie davon ausgehe, dass die Familie den Beschwerdeführer finanziell unterstützen könne.

Da die Ehefrau und die Schwiegereltern bereits bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes in Afghanistan gelebt hätten, bedinge dies keine (nachträgliche) Änderung des Sachverhaltes. Vielmehr habe die belangte Behörde auf Grundlage eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhaltes eine andere Beweiswürdigung vorgenommen bzw. andere rechtliche Schlüsse gezogen als noch in den vorigen Bescheiden.

Der Beschwerdeführer verfüge zwar theoretisch über Grundstücke in Afghanistan, jedoch wäre es ihm aufgrund der prekären Sicherheitslage in der Heimatprovinz nicht möglich, zu diesen zurückzukehren. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer bereits bei der Einvernahme vor der belangten Behörde am 22.07.2015 angegeben, dass diese Besitztümer von der Tante und dem Onkel des Beschwerdeführers in Besitz genommen worden seien, zu diesen habe er aufgrund von Erbstreitigkeiten keinen Kontakt mehr. Darüber hinaus würden die Tanten und Onkel des Beschwerdeführers, wie in der Einvernahme vom 13.03.2019 geschildert, über Kontakte zu den Taliban verfügen.

Auch sei festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan nach wie vor die Tötung durch die Taliban drohe, da sein Bruder in Afghanistan als Major für die afghanische Armee tätig gewesen sei.

Alleine die Tatsache, dass der Beschwerdeführer es geschafft habe, in Österreich eine Arbeit zu finden und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, stelle nicht eine so wesentliche Änderung der persönlichen Umstände dar, dass dies eine Abschiebung aus Österreich nach Afghanistan rechtfertigen würde.

Festgehalten wurde, dass im Vergleich zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes am 08.03.2016, an dem dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, mit den aktuellen Länderinformationen und anderen Länderberichten keine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers Paktia und auch keine Änderung iS einer wesentlichen Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Orten wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat Stadt – als mögliche innerstaatliche Fluchtalternative – zu entnehmen sei.

12. Am 24.05.2019, einlangend mit 28.05.2019, wurde die Beschwerde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

13. Am 19.08.2019 wurden Unterlagen einen Arbeitsunfall des Beschwerdeführers betreffend durch die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

14. Am 10.02.2020 übermittelte die belangte Behörde einen ihr vom Beschwerdeführer übermittelten psychiatrisch-fachärztlichen Befundbericht, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet.

15. Am 04.06.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag.

Noch am selben Tag wurde eine Stellungnahme des Beschwerdeführers übermittelt, der zu entnehmen ist, dass er einen schweren Arbeitsunfall gehabt habe und deswegen „jedenfalls“ den Status eines subsidiär Schutzberechtigten „brauche“.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht auf Grundlage der Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie durch ein Organ der belangten Behörde sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem fest. Aus den diesbezügliche Angaben und Informationen werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem dort angegebenen Datum geboren worden. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zum sunnitische Islam.

Der Beschwerdeführer wuchs in der Provinz Paktia im Kreis seiner Familie auf und gehört dem Stamm der XXXX an. Er verfügt über eine achtjährige Schulbildung und spricht neben seiner Muttersprache Paschtu auch Englisch. Er hat Besitztümer in seiner Heimatprovinz Paktia.

2007 floh der Beschwerdeführer aus Afghanistan nach England und hielt sich dort bis 2012 illegal auf. 2012 wurde er durch die englischen Behörden aufgegriffen. 2013 wurde der Beschwerdeführer von Großbritannien nach Afghanistan abgeschoben.

2013 heiratete der Beschwerdeführer seine Ehefrau, welche mit seinen Schwiegereltern – nunmehr wieder – in Paktia lebt. Der Beschwerdeführer hat auch zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt Kontakt zur Ehefrau und zu seinen Schwiegereltern.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Verfahrensgang

Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis vom 08.03.2016 durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt.

Mit Bescheid vom 24.04.2019 erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den zuvor durch das Bundesverwaltungsgericht zuerkannten Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ab, und wies den gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung ab. Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und eine Rückkehrentscheidung gegen diesen erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise gegeben.

An den maßgeblichen subjektiven Umständen des Beschwerdeführers, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, hat sich nichts Wesentliches dauerhaft geändert.

1.3.1. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, zuletzt gesamtaktualisiert am 13.11.2019 und mit der zuletzt eingefügten Kurzinformation vom 18.05.2020, wird auszugsweise und beschränkt auf die relevanten Abschnitte wie folgt angeführt:

Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von „Teehäusern“, die mit 30 Afghani (das sind ca. € 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. € 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. „Teehäuser“ werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapital 4.2.).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

Provinzen und Städte

Herkunftsprovinz Paktia

Paktika liegt im Osten Afghanistans. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen mit einer tadschikischen Minderheit in den Städten Sharan und Urgoon. Die Provinz hat 762.108 Einwohner (LIB, Kapitel 3.25).

Sowohl die Taliban, als auch das Haqqani-Netzwerk sind in einigen Distrikten der Provinz Paktika aktiv. Einige Distrikte standen entweder vollständig unter der Kontrolle der Taliban oder waren umkämpft. Unter der Schirmherrschaft der Taliban versucht al-Qaida in er Provinz Paktika, im Distrikt Barmal, Fuß zu fassen. In der Provinz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen gegen Aufständische durch die afghanischen Sicherheitskräfte. Im Jahr 2018 gab es 150 zivile Opfer (67 Tote und 83 Verletzte) in der Provinz Paktika. Dies entspricht einem Rückgang von 6% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für Opfer waren IEDs, gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenkämpfen (LIB, Kapitel 3.25).

In der Provinz Paktika kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

Paktia liegt im Osten Afghanistans. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Tadschiken. In Khwajah Hassan, nordöstlich der Provinzhauptstadt, lebt eine kleine schiitische Gemeinschaft, die Sadats (Sayyeds). Diese haben mit ihrem sunnitischen Nachbarn keine Konflikte. Außerdem leben in der Provinz größtenteils sunnitische Tadschiken. Die Provinz hat 601.230 Einwohner (LIB, Kapitel 3.26).

Sowohl die Taliban als auch das Haqqani-Netzwerk sind in gewissen unruhigen Distrikten der Provinz aktiv; in diesen Distrikten versuchen sie terroristische Aktivitäten gegen Regierungs- und Sicherheitsinstitutionen auszuführen. Die Provinz beherbergt viele ehemalige Mujahedin-Kommandanten, die Mitglieder der Harakat-e Enqelab-e Islami-e Afghanistan (The Islamic Revolutionary Movement of Afghanistan) sind. Auch al-Qaida versucht im Distrikt Barmal Fuß zu fassen, dieser wird vom Haqqani-Netzwerk beansprucht. Versuche des ISKP die Provinz Paktia einzunehmen blieben erfolglos. In der Provinz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen durch afghanische und ausländische Sicherheitskräfte. Es kamen dabei auch Zivilisten zu Schaden. Im Jahr 2018 gab es 428 zivile Opfer (152 Tote und 276 Verletzte) in der Provinz Paktia. Dies entspricht einem Rückgang von 13% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für Opfer waren Selbstmord-/komplexe Angriffe, gefolgt von Boden- und Luftangriffen (LIB, Kapitel 3.26).

In der Provinz Paktia reicht eine „bloße Präsenz“ in dem Gebiet nicht aus, um ein ernstes Risiko für ernsthafte Schäden gemäß Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie festzustellen. Es wird dort jedoch ein hohes Maß an willkürlicher Gewalt erreicht, und dementsprechend ist ein geringeres Maß an Einzelelementen erforderlich, um die Annahme zu begründen, dass ein Zivilist, der dieses Gebiet zurückgekehrt ist, einem realen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie ausgesetzt ist (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

Mazar-e Sharif/ Herat Stadt

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 „minimal“ (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 „stressed“ eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 – teils öffentliche, teils private – Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).

Herat-Stadt ist die Provinzhauptstadt der Provinz Herat. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen. Sie hat 556.205 Einwohner (LIB, Kapitel 3.13).

Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen sicher und legal erreichbar (LIB, Kapitel 3.13). Der Flughafen Herat (HEA) liegt 13 km südlich der Stadt im Distrikt Gozara. Die Straße, welche die Stadt mit dem Flughafen verbindet wird laufend von Sicherheitskräften kontrolliert. Unabhängig davon gab es in den letzten Jahren Berichte von Aktivitäten von kriminellen Netzwerken, welche oft auch mit Aufständischen in Verbindung stehen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten auszuüben. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB, Kapitel 21).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Herat, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Herat besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Herat haben Zugang zu Elektrizität (80 %), zu erschlossener Wasserversorgung (70%) und zu Abwasseranlagen (30%). 92,1 % der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen und 81,22 % zu besseren Wasserversorgungsanlagen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Herat ist im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 als IPC Stufe 2 klassifiziert (IPC - Integrated Phase Classification). In Phase 2, auch „stressed“ genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1.).

Situation für Rückkehrer/innen

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke – der Familie, der Freunde und der Bekannten – ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

1.3.2. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Ausführungen in den Länderberichten zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere die Städte Mazar-e Sharif und Herat betreffend, ist nicht festzustellen, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit dem Zeitpunkt der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2016 erfolgten Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wesentlich und nachhaltig geändert haben. Der Vergleich zwischen dem eingeführten Länderberichtsmaterial im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und dem nunmehr aktuellen Material ist keine Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers sowie im ganzen Staatsgebiet Afghanistans ersichtlich.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum, zur Herkunft, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zur familiären Situation des Beschwerdeführers sowie zu dessen Schulausbildung und beruflicher Erfahrung ergeben sich aus dessen plausiblen, während des gesamten Verfahrens gleichlautenden und deshalb als glaubhaft anzusehenden Angaben bei der polizeilichen Ersteinvernahme sowie bei den niederschriftlichen Einvernahmen durch die belangte Behörde und aus der erhobenen Beschwerde.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthalten in Afghanistan und in England, seinen beruflichen Erfahrungen und seinen Familienangehörigen sind stringent und vor dem Hintergrund der in Afghanistan bestehenden Strukturen sowie der Länderfeststellungen und den vorgelegten Unterlagen plausibel. Die Angaben des Beschwerdeführers hierzu waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei, was schließlich auch zur Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten durch das Bundesverwaltungsgericht führte.

2.2. Die Feststellungen zur Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und der Aberkennung eben dieses Status ergeben sich aus den Verwaltungsakten.

2.3. Die Feststellungen zur Länderberichtslage beruhen auf einer Gegenüberstellung des dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2016 zu Grunde gelegten Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Afghanistan mit jenem, welches dem Bescheid der belangten Behörde vom 24.04.2019 zu Grunde gelegt worden ist sowie dem nunmehr aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.

Eine seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2016 eingetretene, entscheidungswesentliche Änderung der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers – wie z.B., dass die Schwiegereltern bzw. die Ehefrau des Beschwerdeführers kurzfristig in Kabul wohnhaft gewesen seien und diesen finanziell unterstützen hätten können – kann weder dem Akt entnommen werden noch auf sonstige Grundlagen gestützt werden, zumal der Beschwerdeführer auch zum nunmehrigen Zeitpunkt angibt, dass seine Schwiegereltern und die Ehefrau immer in Afghanistan gelebt hätten und diese zum nunmehrigen Zeitpunkt auch nicht mehr in Kabul, sondern wieder in der Herkunftsprovinz leben würden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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