Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §356 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde
1. der Gemeinde W und 2. der Gemeinde X, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Juni 1997, Zl. 319.162/2-III/A/2a/97, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: K-BetriebsgesmbH in U), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Juni 1997 die Berufung der Beschwerdeführer gegen den - im Namen des Landeshauptmannes von Steiermark ergangenen - Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 26. August 1996, betreffend Genehmigung einer (näher beschriebenen) Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zum Abbau von Sand und Kies, abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, in der aufgrund des Ansuchens der mitbeteiligten Partei am 25. März 1996 durchgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung sei von den Beschwerdeführern zum einen vorgebracht worden, daß die geplante Betriebsanlage auf dem gegenständlichen Standort durch Rechtsvorschriften (Raumordnungsgesetz in Verbindung mit dem Flächenwidmungsplan) verboten sei, worauf in einem allfälligen Genehmigungsbescheid hinzuweisen wäre. Zum anderen sei von den Beschwerdeführern darauf verwiesen worden, daß die Abfuhr der aus dem Projekt ersichtlichen Lasten über die Gemeindestraßen wegen der sicher vorauszusehenden mangelnden Tragfähigkeit der Straßen nicht möglich sei. Die geplanten 40 LKW täglich a 38 t Gesamtgewicht würden kurzfristig zu einer weitgehenden Zerstörung der für solche Lastenübergänge nicht ausgelegten Gemeindestraßen in beiden Gemeinden führen, sodaß die Gemeinden als Straßenverwaltungsbehörden mit entsprechenden Gewichtsbeschränkungen vorzugehen hätten. Während die Beschwerdeführer somit in der Augenscheinsverhandlung der Behörde erster Instanz Einwendungen erhoben hätten, die als befürchtete Verletzung des Eigentums (an Gemeindestraßen) deutbar seien, hätten sie ein Berufungsvorbringen ausschließlich zum Tatbestand des § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO (Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an und auf Straßen mit öffentlichem Verkehr) erstattet. Diese Bestimmung räume den Nachbarn jedoch keine Stellung ein, deren Beeinträchtigung von ihnen als Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte geltend gemacht werden könnte. Der Schutz der genannten öffentlichen Interessen obliege vielmehr der Gewerbebehörde von Amts wegen, wobei der Gemeinde gemäß § 355 GewO 1994 diesbezüglich ein Mitspracherecht im Rahmen ihres Wirkungsbereiches zukomme. Das Anhörungsrecht nach § 355 GewO 1994 verschaffe der Gemeinde aber weder das Recht, Einwendungen im Rechtssinn zu erheben, noch das Recht, Berufung zu erheben. Weil sich das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer in der Geltendmachung des § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO 1994 erschöpft habe, sei die Berufung abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht "als Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO auf materielle Behandlung ihrer Einwendungen betreffend Zerstörung des Eigentums" und im Recht "auf Nichtgenehmigung von gewerblichen Betriebsanlagen, die das Eigentum von Nachbarn unmittelbar zu beschädigen geeignet sind", verletzt. Sie bringen hiezu im wesentlichen vor, sie hätten in der mündlichen Verhandlung eingewendet, daß das geplante Abbauvorhaben durch den Einsatz von 40 LKW täglich a 38 t Gesamtgewicht kurzfristig zu einer weitgehenden Zerstörung der für solche Lastübergänge nicht ausgelegten Gemeindestraßen in beiden Gemeinden führen würde. Dieses Vorbringen sei als Einwendung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 zu verstehen; die Beschwerdeführer hätten somit Parteistellung erlangt, die sie selbst dann nicht verlieren könnten, wenn sie in ihrem Berufungsvorbringen darauf keinen Bezug genommen hätten. Im übrigen hätten sie - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid - in ihrer Berufung ausdrücklich auf die Zerstörung der Gemeindestraßen hingewiesen und zusätzlich vorgebracht, daß das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs führen werde. Ausgehend davon, daß gewerbliche Betriebsanlagen nicht genehmigt werden dürften, wenn damit ein fremde Sachen unmittelbar beschädigender Eingriff in das Eigentum der Nachbarn verbunden sei, habe die belangte Behörde zwar die Einwendungen der Beschwerdeführer richtigerweise als solche im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 verstanden, sich in der Folge aber auf den unhaltbaren Standpunkt gestellt, daß sich die Auffassung der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren geändert und von ihnen daher in der Berufung lediglich eine Äußerung im Sinne des § 355 GewO 1994 erstattet worden sei.
Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise zu belästigen, ...
...
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen ...
Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren aufgrund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, unbeschadet des - im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden - folgenden Satzes, nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Gemäß § 359 Abs. 4 leg. cit. steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Die Erlangung der Parteistellung durch Nachbarn setzt die Erhebung qualifizierter Einwendungen, d.h. die - auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 3 oder 5 leg. cit., im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1997, Zl. 97/04/0077) - Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes in Ansehung der zur Genehmigung beantragten Betriebsanlage voraus. Ein nicht auf Auswirkungen der Betriebsanlage abgestelltes Vorbringen stellt keine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 dar.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, muß der Ausgangspunkt einer Eignung zur Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. bzw. zur Belästigung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. von Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage das zur dort entfalteten gewerblichen Tätigkeit gehörende Geschehen sein. Es ist daher zwischen gewerblichen Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO grundsätzlich zu unterscheiden; das Fahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr kann nicht mehr als zu einer gewerblichen Betriebsanlage gehörendes Geschehen gewertet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0233, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Davon ausgehend kommt allerdings dem Vorbringen der Beschwerdeführer, das Befahren von Gemeindestraßen mit Betriebsfahrzeugen der mitbeteiligten Partei werde zu einer Beschädigung dieser Straßen führen und gefährde daher das Eigentum der Beschwerdeführer, die Qualifikation einer Einwendung im dargelegten Sinne nicht zu; stellt dieses Vorbringen doch ausschließlich auf Auswirkungen des Verkehrs auf Gemeindestraßen, nicht aber auf Vorgänge ab, die wesentlich zum Betriebsgeschehen in der von der mitbeteiligten Partei beantragten Betriebsanlage gehören. Es war daher nicht geeignet, den Beschwerdeführern gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. Parteistellung im gegenständlichen Genehmigungsverfahren zu vermitteln.
Die von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wäre gemäß § 356 Abs. 4 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Daß die Behörde die Berufung demgegenüber abgewiesen hat, konnte die Beschwerdeführer allerdings in keinem Recht verletzen.
Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997040149.X00Im RIS seit
12.06.2001