TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 G306 2221556-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch

G306 2221556-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geborener XXXX , geb. XXXX , StA.: Serbien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtenen Bescheid behoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Aufgrund des Verdachtes des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) am 19.06.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am selbigen Tag, wurde dem BF eine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

3. Mit Schreiben vom XXXX .2019 wurde die Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet seitens des „Verein Menschenrechte“ bestätigt.

4. Mit per Post am 16.07.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den Spruchpunkt VI. des im Spruch genannten Bescheides an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie die Aufhebung des Bescheides, in eventu die Zurückverweisung der Rechtsache an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG am 22.07.2019 vorgelegt.

6. Mit Schreiben vom 06.12.2019 teilte der BF durch seinen RV mit, dass er nun mit einer ungarischen Staatsbürgerin verheiratet sei und ersuchte gleichzeitig sinngemäß um Verkürzung der Befristung bzw. die Löschung der Eintragung im Schengener Informationssystem. Zudem wurde eine Ablichtung der entsprechenden Heiratsurkunde sowie der Anmeldebescheinigung der nunmehrigen Ehefrau des BF übermittelt.

7. Mit verfahrensleitendem Beschluss, G306 2221556-1//3Z, vom 10.03.2020, dem RV des BF auf elektronischen Wege zugestellt am 11.03.2020, wurde der BF darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Ehefrau seit 20.05.2019 keine Wohnsitzmeldung mehr in Österreich aufweise und sie sohin ihr Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch nehme, womit dem BF der Status des begünstigten Drittstaatsangehörigen in Bezug auf Österreich nicht zukomme.

Gleichzeitig wurde der BF zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert.

Eine Stellungnahme langte bis dato beim BVwG nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum), und ist Staatsangehöriger der Republik Serbien.

Der BF ehelichte am XXXX .2019 die ungarische Staatsangehörige XXXX , geb. XXXX .1998 in Serbien und nahm deren Nachnamen an.

Die Ehefrau des BF ist im Besitz einer am 09.09.2019 ausgestellten Anmeldebescheinigung „Selbstständige“, weist seit 09.03.2020 erneut eine Wohnsitzmeldung in Österreich auf und ist seit 09.08.2019 im Bundesgebiet selbstständig erwerbstätig.

Der BF hält sich aktuell seit 10.03.2020 im Bundesgebiet auf und weist mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Wohnsitz in Österreich auf.

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich ausschließglich gegen den Spruchpunkt VI. des im Spruch genannten Bescheides (Einreiseverbot).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität sowie zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, jenen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Verehelichung des BF mit der oben genannten ungarischen Staatsbürgerin sowie die Annahme deren Nachnamens seitens des BF beruhen auf einer in Vorlage gebrachten Ablichtung der serbischen Heiratsurkunde (siehe OZ 2)

Ferner konnte durch Abfrage des Zentralen Fremdenregisters ermittelt werden, dass die Ehefrau des BF im Besitz einer am 09.09.2019 ausgestellten Anmeldebescheinigung ist, was der BF zudem durch Vorlage einer Ablichtung der besagten Bescheinigung zu belegen vermochte (siehe OZ 2).

Die aktuellen Aufenthalte des BF und seiner Ehefrau sowie der gemeinsame Haushalt in Österreich konnten durch Abfrage des Zentralen Melderegisters ermittelt werden.

Einem aktuellen Sozialversicherungsauszug wiederum kann die selbständige Erwerbstätigkeit der Ehefrau des BF in Österreich entnommen werden.

Die Beschränkung der Beschwerde auf den Spruchpunkt VI. des im Spruch genannten Bescheides beruht auf dem konkreten Wortlaut der gegenständlichen Beschwerde (arg: „… BESCHWERDE gegen Spruchpunkt VI. an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die restlichen Spruchpunkte bleiben unbekämpft und sind somit in Rechtskraft erwachsen.“

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG gilt als begünstigter Drittstaatsangehöriger, der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

„Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, kommt die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FrPolG 2005 zu; das gilt auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist (vgl. E 7. April 2011, 2011/22/0005; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005), und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG 2005 vorliegt.“ (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293)

Der BF als Staatsangehöriger von Serbien der mit einer EWR-Bürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, verheiratet ist und mit dieser im gemeinsamen Haushalt lebt, ist sohin begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

3.1.2. Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.         in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2.         für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1.         wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2.         sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Der mit „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 NAG lautet:

„§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.         Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
2.         Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3.       Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4.         Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder
5.         sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a)         die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b)         die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c)       bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.“

Der mit „Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers“ betitelte § 54 NAG lautet:

„§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1.       nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2.       nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1.       die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2.       die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3.         ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4.         es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5.       ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.“
„Bei Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits sowie bei einem Aufenthaltsverbot andererseits handelt es sich um unterschiedliche Maßnahmen. Erstere ergehen gegen Drittstaatsangehörige, verpflichten diese zur Ausreise in deren Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat (Rückkehrentscheidung; siehe § 52 Abs. 8 FrPolG 2005) und enthalten die normative Anordnung, für den festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten (das sind jene Staaten, für die die Richtlinie 2008/115/EG gilt; siehe VwGH 22.5.2013, 2013/18/0021) einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten (Einreiseverbot; siehe § 53 Abs. 1 FrPolG 2005). Ein Aufenthaltsverbot ist dagegen jene aufenthaltsbeendende Maßnahme, die gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige in Betracht kommt und verpflichtet lediglich zum Verlassen des Bundesgebietes. Angesichts des demnach unterschiedlichen normativen Gehalts der erwähnten Maßnahmen, die zudem an unterschiedliche Voraussetzungen anknüpfen, sind sie nicht "austauschbar". Die Transformation eines Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot, wenn der betroffene Fremde EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger wird, kommt daher nicht in Betracht. Eine Aufhebung des ursprünglich verhängten Einreiseverbotes daher nicht auf Basis des § 60 Abs. 1 FrPolG 2005 erfolgen, weil diese Vorschrift auf eine Voraussetzung abstellt (fristgerechtes Verlassen des Gebietes der Mitgliedstaaten), die der Erlangung einer unionsrechtlich begünstigten Rechtsstellung nicht gerecht wird. Diese Vorschrift ermöglicht nur die Aufhebung eines nach § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 verhängten Einreiseverbotes, während auch der Weiterbestand eines solchen nach § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 mit einem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht unvereinbar ist.“ (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151)

Entweder sind Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in Anbetracht des – nachträglich – erlangten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes ohnehin schon gegenstandslos geworden, oder es hat, wenn ein solches Aufenthaltsrecht – aufgrund des Vorliegens einer maßgeblichen Gefährdung öffentlicher Interessen – nicht vorliegt, - mittels Bescheid - eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot an deren Stelle zu treten. Zur Klärung der Frage, von welcher dieser beiden Alternativen auszugehen ist, steht einem Fremden regelmäßig ein Antrag auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (Anmeldebescheinigung oder Aufenthaltskarte) offen, woran allenfalls ein behördliches Vorgehen nach § 55 Abs. 3 NAG anzuschließen hat. (siehe das Erkenntnis VwGH 20.8.2013, 2012/22/0039). (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151)

„Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. dazu des Näheren VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0014, Rn. 8, mwN). Es sind vielmehr die Bestimmungen des 4. Abschnitts des 8. Hauptstücks des FPG, die in § 66 und § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (unter anderem) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, nämlich Ausweisung und Aufenthaltsverbot, regeln, einschlägig (vgl. VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7, mwN). (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0103)“

3.1.3. Der BF hat am XXXX 2019, sohin nach Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides, eine freizügigkeitsberechtigte ungarische Staatsbürgerin geheiratet und lebt mit dieser seit 10.03.2020 in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Dem BF kommt sohin nunmehr der Status des begünstigten Drittstaatsangehörigen zu, gegen jenen – abgesehen von einer Ausweisung – einzig ein Aufenthaltsverbot, nicht jedoch ein Einreiseverbot erlassen werden kann.

Unbeschadet der mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung der belangten Behörde und gegenständlich nicht zu behandelnden Frage hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes seitens des BF, steht es dem erkennenden Gericht nicht zu – unter Verkürzung des Rechtsweges – nunmehr erstmalig die Rechtmäßigkeit einer EWR-Bürger betreffenden aufenthaltsbeendende Maßnahme iSd. § 67 FPG (Aufenthaltsverbot) – oder § 66 FPG (Ausweisung) – zu prüfen. Vielmehr käme diese Aufgabe dem BFA als die in erster Instanz zuständige Behörde zu. (siehe dazu VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151)

Da – unter Berücksichtigung der aktuellen Sach- und Rechtslage – sich der Ausspruch eines Einreiseverbotes gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen gesetzlich verbietet, war der Beschwerde sohin stattzugeben und der angefochtene Spruchpunkt VI. des im Spruch genannten Bescheides zu beheben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Ehe Ehepartner Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2221556.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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