TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 W208 2228291-1

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

BDG 1979 §117 Abs2
BDG 1979 §118 Abs1 Z2
BDG 1979 §126 Abs2
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §44 Abs1
BDG 1979 §92 Abs1 Z2
BDG 1979 §93
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W208 2228291-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , vertreten von RA Mag. Andreas JEIDLER, gegen das Disziplinarerkenntnis vom 28.10.2019, GZ 01 065/17-DK/12 mit dem eine Geldstrafe von € 5.000,-- verhängt wurde, nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Schuldspruch im Spruchpunkt d) des angefochtenen Erkenntnisses wird Folge gegeben, dieser behoben und der Beschuldigte von den dort erhobenen Tatvorwürfen gemäß § 118 Abs 1 Z 2 BDG in Verbindung mit § 126 Abs 2 BDG freigesprochen.

II. Der Beschwerde gegen die Strafbemessung wird stattgegeben und gemäß § 92 Abs 1 Z 2 iVm § 93 BDG eine Geldbuße in Höhe von € 1.000,-- (eintausend) verhängt.

III. Für das Verfahren vor dem BVwG werden dem BF gemäß § 117 Abs 2 BDG keine Kosten auferlegt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer und Beschuldigte (BF) stand zur Tatzeit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund in der Finanzverwaltung als Zollbeamter und ist seit 01.05.2020 im Ruhestand.

2. Am 05.09.2012 wurde der BF von der Dienstbehörde bei der StA sowie der Finanzstrafbehörde angezeigt (AS 27-42).

Es bestand zusammengefasst der Verdacht, der BF hätte zu verzollende Waren der Firma XXXX & Co GmbH (im Folgenden: F) entgegen der bestehenden Dienstvorschriften der zollamtlichen Überwachung entzogen (Abfertigung ohne Vorhandensein der Waren an der Zollstelle [Amtsplatz] bzw. mit Rechnungen die einen niedrigeren Kaufpreis auswiesen) und damit eine Verletzung der zollrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bewirkt sowie Amtsmissbrauch und Finanzvergehen begangen zu haben.

3. Mit Bescheid vom 21.12.2012 wurde der BF von der Disziplinarkommission (DK) vom Dienst suspendiert (AS 55). Wobei der Verdacht des gewerbsmäßigen Schmuggels bzw der Abgabenhinterziehung insofern näher konkretisiert wurde, dass dem BF und einem Mittäter bei der F vorgeworfen wurde, in 302 Fällen mit 371 Positionen Waren der F bereits vor der zollamtlichen Amtshandlung ausgeliefert bzw unter gefälschten Rechnungen (mit verminderten Bemessungsgrundlagen) abgefertigt zu haben und damit einen vorläufigen Schaden von € 435.025,60 verursacht zu haben.

Eine Berufung dagegen wurde von der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt am 12.03.2013, GZ 6/11-BK/13 abgewiesen (AS 77).

4. Am 27.05.2016 erhob die Staatsanwaltschaft (StA XXXX ) Anklage gegen den BF und seinen mutmaßlichen Mittäter (AS 121).

Der BF habe in 11 Fällen dokumentiert, dass er eine Warenbeschau durchgeführt habe und sich die Waren am Zollamt befänden, obwohl er gewusst haben müsse, dass zu diesem Zeitpunkt die Waren bereits an den Kunden zugestellt gewesen wären. Er habe somit als Beitragstäter zum Schmuggel iSd § 35 Abs 1 lit a FinStrG gehandelt. Das sei ihm auch bewusst gewesen. Dadurch sei ein Ausfall von Zoll- und Einfuhrumsatzsteuereinnahmen von insgesamt € 50.664,58 entstanden.

Der BF habe in 5 weiteren Fällen offensichtlich gefälschte Importunterlagen bearbeitet und ausdrücklich festgehalten, dass eine Kontrolle der Dokumente durchgeführt worden wäre. Er habe daher zur Hinterziehung von Eingangsabgaben iSd § 35 Abs 2 FinStrG beigetragen. Das sei ihm auch bewusst gewesen. Dadurch sei ein Ausfall von Zoll- und Einfuhrumsatzsteuereinnahmen von weiteren € 17.951,46 entstanden.

Er habe in beiden Fällen als Beamter seine Befugnis missbraucht, indem er keine Beschau durchgeführt und dennoch die Durchführung dokumentiert habe bzw wissentlich zu niedrige Beträge in den gefälschten Unterlagen akzeptierte. Er habe den Vorsatz gehabt die Republik in ihrem Recht auf Durchführung rechtmäßiger Zollverfahren und Einhebung der gesetzlichen Abgaben zu schädigen (§ 302 StGB).

5. Am 22.07.2016 erstattete der Leiter der Dienstbehörde (Zollamt XXXX ) Disziplinaranzeige gegen den BF, der er die Anzeigen und die Anklage an die StA zugrunde legte (AS 87).

Die Dienstpflichtverletzungen seien ihm am 27.08.2012 zur Kenntnis gelangt und bestehe über die in der Anklageschrift beschriebenen Strafdelikte hinaus der Verdacht der Verletzung des § 43 Abs 2 BDG.

6. Mit Schreiben vom 23.04.2018 gab die Dienstbehörde der DK bekannt, dass der BF am 09.04.2018 in allen Anklagepunkten vom LG für Strafsachen freigesprochen wurde ( XXXX – Urteil AS 172) und am 23.04.2018 die dagegen angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde der StA zurückgezogen worden sei (AS 161). Die DK hob daraufhin die Suspendierung mit Bescheid vom 27.04.2018 auf (AS 164).

7. Am 07.08.2018 brachte die Dienstbehörde eine ergänzende Sachverhaltsdarstellung zur Disziplinaranzeige vom 22.07.2016 ein, in der dem BF iZm dem vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt die Nichteinhaltung näher genannter Zollvorschriften (Versandverfahren, unvollständige Anmeldung, Fallbackverfahren) zur Last gelegt wurde. Es bestehe der Verdacht der Dienstpflichtverletzung der Nichteinhaltung der genannten Weisungen nach § 44 Abs 1 BDG (AS 178).

8. Am 27.09.2018 fasste die DK einen Einleitungsbeschluss (EB, AS 400).

9. Dagegen erhob der Beschuldigte Beschwerde beim BVwG. Mit Erkenntnis vom 20.12.2018, W208 2209056-1/2E wurde die Beschwerde im Wesentlichen abgewiesen aber der Spruch modifiziert (AS 428).

10. Am 12.06.2019 (Protokoll - AS 574), 09.07.2019 (Protokoll – AS 628) und 28.10.2019 (Protokoll – AS 868) fand eine mündliche Verhandlung vor der DK statt.

11. Mit am 28.10.2019 mündlich verkündeten und am 28.10.2019 schriftlich ausgefertigten Disziplinarerkenntnis (AS 897) wurde der BF schuldig gesprochen. Der Spruch lautet (Anonymisierung und Kürzung auf das Wesentliche durch BVwG):

„[Der BF], Beamter des Zollamtes […], hat während der Zeit von 05.11.2009 bis 22.10.2012 am Standort […] unter anderem nachstehende Zollverfahren bearbeitet. Im Einzelnen stellen sich diese Abfertigungsfälle wie folgt dar:

Fall

Abfertigungs-

Nummer

CRN

Annahme und

Freigabe

Zoll

EUst

Summe

1

09AT1004001N7XID37

05.11.2009

937,46

1.539,99

2.477,44

2

09AT1004001N7Y0GA2

09.11.2009

 

19.304,90

19.304,90

3

09AT1004001N85V3B7

10.12.2009

108,75

345,48

454,23

4

09AT1004001N88E0C3

21.12.2009

302,28

502,28

804,56

5

09AT1004001N8BZ2F4 richtig:

10AT1004001N8BZ2F4

14.01.2010

 

18.990,03

18.990,03

6

09AT1004001N8RDFN0 richtig:

10AT1004001N8RDFN0

15.03.2010

 

1.166,94

1.166,94

7

09AT100400IN8X0YC0

richtig:

10AT100400IN8X0YC0

07.04.2010

365,57

1.144,85

1.510,42

8

09AT100400INDF7SH7

richtig:

11AT100400INDF7SH7

16.12.2011

 

4.357,79

4.357,79

9

09AT100400INDQJHD3

richig:

12AT100400INDQJHD3

31.01.2012

 

1.155,10

1.155,10

10

09AT100400INFH9ER

richtig:

12AT100400INFH9ER3

20.09.2012

26,56

213,38

239,94

11

09AT100400INFQWCU0

richtig:

12AT100400INFQWCU0

22.10.2012

43,72

159,50

203,22

 

11

 

1.784,34

48.880,24

50.664,58

[Der BF] ist schuldig,

a) bei den Zollabfertigungsfällen der Nr. 1-11 entgegen den Bestimmungen im Erlass v. 01.02.2007 ZK-0917 über die Arbeitsrichtlinie NCTS (BMF-010313/0027-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0096-IV/6/2009 v. 11.02.2009) im Versandverfahren T-1 nur die Kontrollvermerke angesetzt und zunächst das T-1 an seinem Arbeitsplatz ohne elektronische Erledigung abgelegt sowie die elektronische Erledigung erst zu einem späteren Zeitpunkt als die mündliche Freigabe der Ware durchgeführt zu haben.

b) bei den Zollabfertigungsfällen der Nr. 2, 3, 5, 6, und 11 entgegen den Vorschriften des Zollkodex, Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (GZ BMF-0103/0029-IV/6/2007 ídF GZ BMF-010313/0327-IV/6/2013 v. 01.07.2013), der Zollkodex-Durchführungsverordnung (GZ BMF-010313/0056-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0827-/IV/6/2015 v. 08.12.2015) samt Anhang, der Arbeitsrichtlinie Vereinfachte Verfahren ZK-0760 (GZ BMF-010313/1006-IV/6/2008 v. 30.08.2011) sowie des OHB (112.7.1.) die unvollständigen handschriftlichen Zollanmeldungen sowie das Fehlen bzw. nachträgliche Beibringen zollwertrechtlich relevanter Unterlagen und die Kontrolle nicht mit dem entsprechenden Code und Datum erfasst zu haben.

c) bei den Abfertigungsfällen der Nr. 2, 3, 5, 6, und 11 die Vorschriften des Erlasses über die Arbeitsrichtlinie Zollanmeldung im Informatikverfahren (GZ BMF-010313/044-IV/6/2007 v. 17.07.2006), die Arbeitsrichtlinie NCTS (BMF-010313/0027-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0096-IV/6/2009 v. 11.02.2009) sowie das OHB nicht eingehalten, sodass er bei diesen unvollständigen handschriftlichen Zollanmeldungen nicht das geforderte Fallback-Verfahren an Stelle der unvollständigen Anmeldung angewendet habe.

d) bei den Abfertigungsfällen der Nr. 4 und 10 die Vorschriften des Zollkodex, Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (GZ BMF-0103/0029-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0327-1V/6/2013 v. 01.07.2013), der Zollkodex-Durchführungsverordnung (GZ BMF-010313/0056-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0827-1V/6/2015 v. 08.12.2015) samt Anhang, der Arbeitsrichtlinie Vereinfachte Verfahren (GZ BMF-010313/1006-IV/6/2008 v. 30.08.2011), der Arbeitsrichtlinie NCTS (BMF-010313/0027-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0096-IV/6/2009 v. 11.02.2009) sowie das OHB (112.7.1.) nicht eingehalten und somit die beiden vollständigen handschriftlichen Zollanmeldungen nicht umgehend in das e-zoll Verfahren eingetragen zu haben.

[Der BF] hat dadurch grob fahrlässig Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen, indem er bei den Spruchpunkten a) bis d) gegen die Dienstpflicht des § 44 BDG 1979 (die Verpflichtung Weisungen zu beachten) in Verbindung mit § 43 Abs. 1 BDG 1979 (allgemeine Dienstpflichten des Beamten) verstoßen hat.

Es wird über den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 iVm § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 5.000,00 (in Worten: Euro fünftausend) verhängt.

[…]

Gemäß § 117 Abs. 2 BDG 1979 hat der Disziplinarbeschuldigte die Kosten des Disziplinarverfahrens zu ersetzen. Der Kostenersatz bezieht sich auf die Reisegebühren der Senatsmitglieder zu den mündlichen Verhandlungen nach XXXX am 12.06.2019, 09.07.2019 und 28.10.2019. Die Kosten werden in einem gesonderten Bescheid festgesetzt.“

12. Gegen das ihm über seinen Rechtsvertreter am 13.01.2020 zugestellte Disziplinarerkenntnis brachte der BF innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den Schuldspruch im Spruchpunkt d) und generell gegen die Höhe der Strafe ein. Dabei brachte der BF unter anderem vor, dass die im Spruch zitierten Erlässe zu den Tatzeitpunkten (zumindest ihrer Geschäftszahl nach) teilweise noch gar nicht in Kraft gewesen sein konnten und zu Spruchpunkt d) der konkrete Wortlaut der Weisung nicht feststehe. Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, dass dem BF in diesen Punkten keine Abgabenkürzung vorgeworfen worden sei, es handle sich lediglich um Verstöße gegen Formvorschriften die keine besonderen nachteiligen Folgen nach sich gezogen hätten. Der BF habe im Tatzeitraum hunderte Abfertigungen durchgeführt und die 11 vorgeworfenen Fälle würden lediglich auf einem einzigen Fehler beruhen, denn der BF nicht erkannt habe.

13. Mit Schreiben vom 20.01.2020 (eingelangt beim BVwG am 04.02.2020) wurden die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens (drei Ordner) – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – von der DK dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.

14. Das BVwG trug der belangten Behörde mit der Ladung zur Verhandlung auf, die konkret im Tatzeitraum gültigen Erlässe und Vorschriften vorzulegen.

15. Am 08.06.2020 fand eine Verhandlung vor dem BVwG statt, bei der der BF mit seinem Rechtsvertreter, die Vertreterin der belangten Behörde sowie der Disziplinaranwalt anwesend waren. Der Rechtsvertreter stellte klar, dass er hinsichtlich des Schuldspruches nur den Spruchpunkt d) bekämpfe. Der BF zeigte sich geständig und gab im Wesentlichen an die Regelungen nicht gekannt zu haben. Die Behördenvertreterin legte ein ergänzendes Urkundenkonvolut mit den zur Tatzeit gültigen Regelungen und Erlässen vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF steht seit 1975 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Er hat als Beamter der Verwendungsgruppe D begonnen und sich zum Beamten der Verwendungsgruppe A3/8 hochgearbeitet. Zuletzt war er sogar mit einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe A2/3 betraut und Zollabfertigungsbeamter in der Finanzverwaltung. Ihm wurde anlässlich der Bestellung im Juli 2004 aufgetragen sich entsprechenden Zusatzausbildungen zu unterziehen (AS 771). Die Arbeitsplatzbeschreibung sieht „Umfassende Kenntnisse des einschlägigen EU-Zollrechts (ZK, ZK-DVO und ZT) sowie der übrigen von den Zollbehörden anzuwendenden nationalen Gesetzen und Verordnungen sowie der internen Weisungen (Arbeitsrichtlinien, Erlässe und Verfügungen)“ vor, weiters Eigenverantwortlichkeit (AS 768).

Er ist strafrechtlich, disziplinär und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten und hatte eine positive Dienstbeschreibung. Zuletzt hat er € 4.429,-- brutto verdient und ist seit 01.05.2020 im Ruhestand, wo er rund € 2.700,-- netto Ruhebezug bekommt (VHS 4).

Er leidet an psychischen Problemen aufgrund der Belastungen des bereits lange dauernden Straf- bzw Disziplinarverfahrens im Gegenstand (VHS 4).

Er hat Verbindlichkeiten für ein renovierungsbedürftiges geerbtes Haus von rund € 6.000,-- im Jahr, sowie Mietkosten für eine Genossenschaftswohnung in XXXX von € 550,-- im Monat. Weiters hat er Schulden bei seinen Geschwistern, die ihm die Anwaltskosten von bisher € 43.000,-- (im Wesentlichen für das von 2012 bis 2018 dauernde gerichtliche Strafverfahren) vorgestreckt haben und die er jetzt in Raten von ca. € 1.000,--/Monat an diese zurückzahlt (VHS 3).

Er hat keine Sorgepflichten mehr (VHS 4).

1.2. Zum Sachverhalt

1.2.1. Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang ist unstrittig. Wesentlich davon ist, dass der BF rund 5 Jahre und 4 Monate (07.12.2012 – 27.04.2018) suspendiert war und das Strafverfahren mit einem Freispruch in allen Anklagepunkten, sowohl zu § 214 FinStrG als auch zu § 302 StGB geendet hat.

Das Strafgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt (Anonymisierung und Hervorhebungen durch BVwG):

„[Der BF] war zu den angeklagten Tatzeiträumen als Abfertigungsbeamter am Zollamt [I] tätig. Aufgrund des naheliegenden XXXX lag der Schwerpunkt der Verzollung bei Lebensmittel, insbesondere Gemüse. [Der BF] hatte keine über das übliche Maß hinausgehende, besondere Einschulung betreffend der Wertfeststellung von Computer und sonstigem technischem Zubehör. [Dem BF] war jedoch bekannt, dass er durch Recherche im Internet die maßgeblichen Verzollungswerte erheben konnte. [Dem BF] war auch bekannt, dass ihm zur Unterstützung die- elektronische Datenbank FINDOK zur Verfügung stand.

Die Firma [F], deren Geschäftsführer [C], war, befasste sich mit der Verzollung von nach Österreich getätigten Einfuhren von verschiedenen Handelswaren, wie fotografische Platten und Filme, Film- und Videoaufnahmegeräte, Sendegeräte mit eingebautem Empfangsgerät, Verbindungs- und Kontaktelemente für Drähte und Kabel, etc mit Ursprung China, USA, Kanada, Südafrika, Japan etc. in das Zollgebiet der Gemeinschaft.

Gemäß den einschlägigen Zollvorschriften sind diese Gegenstände, die bei Eintritt in das Bundesgebiet mit einem T1-Dokument versehen wurden, binnen gesetzlicher Frist zu gestellen, das heißt, dem Zollamt vorzuführen.

Seit 1.4.2006 werden in Österreich Verzollungen im neuen e-ZolI System durchgeführt. Das Verfahren e-zoll bietet Unternehmen und Speditionen die Möglichkeit einer vereinfachten und effizienten Zollabfertigung und stellt die Grundlage für einen EU-weiten Datenaustausch dar. Für die Teilnahme an e-zoll ist eine Bewilligung der Zollbehörde erforderlich. Die Spedition [F] hatte im tatgegenständlichen Zeitraum keine derartige Bewilligung (AS 1 in ON 175). In diesem Fall ist eine Abfertigung nur am Amtsplatz möglich und bedarf es für die Überführung von Waren in ein Zollverfahren grundsätzlich einer schriftlichen Zollanmeldung, für die ein Vordruck nach amtlichen Muster, in Österreich der Vordruck ‚Einheitspapier/AT Za 58A‘, zu verwenden ist. Die schriftlichen Zollanmeldungen sind vom jeweiligen Zollbeamten beim Zollamt grundsätzlich unverzüglich in der Eingabemaske (Transaktionsmonitor) des e-zoll Systems zu erfassen und zu kontrollieren. In der Folge kommt ein automatisiertes Risiko-Analyse-Modul zum Einsatz. Dieses Analyse-Modul funktioniert nach einem Rot-Grün-Prinzip. Der rote Kanal hat eine obligatorische Kontrolle der Ware durch den Zoll zur Folge. Neben dem automatisierten Risiko-Analyse-Modul hat der einzelne Abfertigungsbeamte die Möglichkeit, nach freiem Ermessen die zu verzollenden Waren zu begutachten,

Die Firma [F] meldete zu folgenden CRN-Nummern Verzollungen beim Zollamt [I] an: 09AT1 004001N7XlD37, 09AT1 004001 N7YOGA2, 09AT1 004001 N85V3B7, 09AT1 004001N88EOC3, I0AT1 004001 N8BZ2F4, 1 OAT1 004001N8RDFNO, 1 OAT1 004001N8XOYCO, 11AT1 004001NDF7SH7, 12AT1 004001NDQJHD3, 12AT1 004001NFH9ER3, 12AT1 004001 NFQWCUO.

Der Angeklagte führte bezüglich dieser Waren tatsächlich eine Warenbeschau durch. Sofern eine Unterlage für die Verzollung fehlte, erteilte er den Auftrag, diese Nachzubringen. Aufgrund der Vielzahl der Abfertigungen kam es gelegentlich dazu, dass die EDV-mäßige Erfassung erst am nächsten Arbeitstag erfolgte. Die Erfassung erfolgte jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem [dem BF] alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt wurden. [Der BF] gab dem jeweiligen Mitarbeiter der Fa [F] zu erkennen, dass wenn die tatsächliche Warenbeschau erfolgt ist, jedoch noch nicht sämtliche Unterlagen für die Verzollung vorlagen, die Ware an den Empfänger zugestellt werden konnte.

[Der BF] erkundigte sich beim Teamleiter bzw bei einem anderen Vorgesetzten, ob in [I] die Möglichkeit einer unvollständigen Zollanmeldung besteht. Er erhielt zur Antwort, dass eine unvollständige Anmeldung möglich sei.

[Der BF] verwendete jedoch nicht das vorgesehene Formular, sondern vermerkte auf dem T1 — sofern er die Ware tatsächlich gesehen und beschaut hatte — den Beschau: Erst wenn er die Unterlagen vollständig erhielt, trug er diese in die Computermaske ein. Dadurch kam es zu einem Auseinanderfallen des Beschaudatums und des Verzollungsdatums. [Der BF] achtete darauf, dass die gesetzliche Gestellungsfrist nie überschritten wurde. [Der BF] war der Ansicht, dass [er] — wenngleich er die Formalitäten für den einfachen Beschau verwendete — durch die Nichtanwendung der unvollständigen Verzollung der Republik keinen Schaden zufügte.

Aber auch die Kollegen des [BF] verwendeten im Tatzeitraum nie die unvollständige Anmeldung. Bei der Zollstelle [I] wurde im relevanten Tatzeitraum nie versucht, eine unvollständige Zollanmeldung zu erfassen. Bundesweit gab es im Tatzeitraum drei derartige Versuche die aber wegen fehlender Prozesse abstürzten (AS 3 in ON 175).

Auch [der BF] wandte das Verfahren der unvollständigen Zollanmeldung nicht an; vielmehr wartete er mit der Erfassung der Verzollung, bis sämtliche Unterlagen vorliegen. Der Angeklagte [BF] hatte zu keinem Zeitpunkt den Vorsatz, sein Amt als Zollorgan wissentlich zu missbrauchen und der Republik Österreich einen Schaden zuzufügen. Der Zeuge W XXXX (Seite 21 in ON 166) bestätigt in seiner Aussage, dass eine vorzeitige Überlassung der möglich ist.

Um eine ordnungemäße Nacherfassung im e-Zoll System zu gewährleisten, wurde im Jahre 2007 (Seite 22 in ON 166) das Fall-Back-Verfahren eingeführt. Der BF wurde auf dieses System nicht eingeschult. Seitens der Zollverwaltung wurde eine bestimmte Anzahl von Beamte geschult, die ihr Wissen wiederum im ‚Schneeballsystem‘ an die Kollegen weitergeben sollten (Seite 23 in ON 166).

Wenngleich bei der Zollstelle [I] im Zeitraum 5.1.2009 bis 2.12.2012 über 170 Mal das Fallback-Verfahren verwendet wurde, so betreffen diese Fälle ausschließlich Zollanmeldungen anderer Anmelder. Für die Firma [F] wurden im oben genannten Zeitraum keine Fallback-Zahlen vergeben (AS 3 in ON 175).

Im Zeitraum 2007 bis 2012 wurden bei der Zollstelle [I] insgesamt 15 unvollständige Zollanmeldungen mit Code IM B und nachfolgend ergänzte Zollanmeldungen mit Code IM X von Informatikbewilligungsinhabern elektronisch eingereicht. Keine dieser unvollständigen Zollanmeldungen wurde [vom BF] bearbeitet.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens konnte der für die Erfüllung des jeweiligen Tatbildes erforderliche Vorsatz bei[m] [BF] nicht festgestellt werden.

Auch bei den elf Verzollungen, wo der Warenwert von jenen Beträgen abweicht, die der Verzollung zugrunde gelegt wurden, konnte nicht festgestellt werden, dass [der BF] vorsätzlich unter Verwendung anderslautender Wertbeträge eine Hinterziehung von Eingangsabgaben erfüllen wollte.

Mag [der BF] die einschlägigen Zollvorschriften in formeller Hinsicht nicht eingehalten haben, so liegt kein Vorsatz vor, der die Tatbestände des § 35 Abs 1 oder 2 FinStrG oder § 302 StGB erfüllt.

Der festgestellte Sachverhalt und die innere Tatseite gründet auf die Einvernahme der vernommenen Zeugen und der eigenen Verantwortung.

Der Aussage des XXXX B XXXX , dass [der BF] von der Unterfakturierung Kenntnis hatte und diese Rechnungen der Verzollung bewusst zugrunde legte, konnte nicht gefolgt werden. Das Gericht überzeugte sich von der Person der B XXXX . Das Gericht folgte nur insoweit den Angaben des B XXXX , als diese objektiv in den Unterlagen ihre Deckung fanden. Somit vertritt der Senat die Ansicht, dass B XXXX aufgrund seiner eigenen Wahrnehmungen falsche Schlüsse zog und [den BF] fälschlicherweise der (Mit)Täterschaft bezichtigte.“

1.2.2. Hinsichtlich des vorgeworfenen Verstoßes gegen Zollvorschriften wird darüber hinaus vom BVwG das Folgende festgestellt:

Bei allen 11 dem BF vorgeworfenen Fällen, handelte es sich um handschriftliche Anmeldungen, weil die Firma F nicht zum elektronischen Verfahren zugelassen war.

Die Fälle 1, 4, 7, 8, 9, 10 waren vollständige handschriftlichen Anmeldungen.

Die Fälle 2, 3, 5, 6, 11 waren unvollständige handschriftliche Anmeldung, was bedeutet, dass bei der Anmeldung noch Unterlagen bzw notwendige Angaben gefehlt haben.

Der BF verantwortet sich insofern, dass er es so gemacht, wie ihm erfahrene Kollegen dies mitgeteilt hätten (VHS 6) und sich darauf verlassen habe. Selber habe er nicht die Zeit gehabt alles (gemeint alle Vorschriften) zu lesen. Es sei viel los gewesen, er sei von den Papierbergen überlastet gewesen und hätten ihn auch die Computerprobleme mit dem „e-zoll“ belastet (VHS 11).

Zur Arbeitsbelastung hat die DK keine Erhebungen getätigt (VHS 10). Der BF hat nachvollziehbar angeführt, dass an der Zollstelle I immer viel los war und es Papierberge auch am Boden gab (VHS 11). Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass die zwei Fälle um die es geht (4 und 10) dabei versehentlich liegen geblieben und erst beim Wiederauffinden elektronisch im „e-zoll“ bearbeitet wurden.

Zum Ausfall des „e-zoll“ wurde von der DK erhoben, dass an den Tagen, wo der BF Zollabfertigungen angenommen habe, keine Anzeichen für eine technische Störung vorlagen (Disziplinarerkenntnis, Seite 13, mit Hinweis auf die vom Zollamt XXXX vorgelegte Tabelle „e-zoll Nachrichtenverarbeitung“ [AS 764, 765, 765a-765c]). Die DK schloss dies daraus, dass in den Tabellen an den jeweiligen Tagen österreichweit jeweils tausende Nachrichtenverarbeitungen durchgeführt wurden. Eine konkrete Aussage zum Zollamt I ist den Tabellen jedoch nicht zu entnehmen, sodass nicht feststeht, ob es im Zollamt I zu (zumindest zeitlich begrenzten) Ausfällen gekommen ist oder nicht.

1.2.2.1. Zum Spruchpunkt a) betreffend Fälle 1-11:

NCTS bedeutet „New Computerised Transit System“ und ist ein elektronisches Versandverfahren, dass 2003 in allen Zollstellen eingeführt wurde, um Vorgaben der EU umzusetzen. Nach den Ausführungen der DK sind ungeachtet dessen, ob es sich bei den Abfertigungsfällen 1-11 um handschriftlich unvollständige Zollanmeldungen oder handschriftlich vollständige Zollanmeldungen gehandelt habe, diese nach den ua Vorschriften der Arbeitsrichtlinie NCTS elektronisch zu erledigen, was der BF grob fahrlässig nicht getan habe.

Die dazu erlassene Arbeitsrichtlinie NCTS, BMF-010313/0027-IV/6/2007 v. 01.02.2007 (ZK-0917) idF GZ BMF-010313/0096-1V/6/2009 v. 11.02.2009 führt auf der Seite 2 Punkt 1.1. „Anwendungsfälle“ (AS 468) das Folgende aus:

„Die Abgabe einer schriftlichen Versandmeldung ist nur im Notfallverfahren (ZK-0917) Abschnitt 3.) […] zulässig. […] Diese Erfassung ist vorrangig in der Anwendung ‚e-zoll‘ vorzunehmen, ist jedoch vorerst auch noch in der Anwendung ‚ZEUS‘ zulässig.

Alle vereinfachten Verfahren sind vom NCTS ausgenommen (Abschnitt 1.2.).

Das NCTS gilt für Warenbeförderungen im gemeinschaftlichen und im gemeinsamen Versandverfahren.

Grundsätzlich sollen im NCTS sowohl externe und interne gemeinschaftliche Versandverfahren als auch gemeinsame Versandverfahren abgewickelt werden, in denen das Einheitspapier als ‚T1‘ oder ‚T2‘ verwendet wird. […]“

Auf Seite 17 Punkt 2.7. „Ablage der Versandbegleitdokumente“ (gemeint hier das T-1) findet sich folgende Anordnung (AS 484):

„[…] Die Ablage der erledigten Versandbegleitdokumente erfolgt bei Abfertigungen am Amtsplatz nach korrekter Erledigung und Eingabe in das NCTS System insofern, dass sie den nachfolgenden Anmeldungen haltbar angeschlossen werden […].“

Weiters auf der Seite 19 Punkt 3.6. „Zollstelle Beendigung“ (AS 486)

„[…] Einlangende Versandbegleitdokumente (im Versandverfahren T-1), die nicht als Notfallverfahren gekennzeichnet sind, wurden von den Abgangsstellen im NCTS erfasst. Diese sind bei einem Systemausfall nachträglich als NCTS Verfahren im System in der Bestimmung zu erfassen. […]“

Wobei unter „System der Bestimmung“, jenes im Ankunftszollamt zu verstehen ist (VHS 7).

Der BF zeigte sich zum Vorwurf er habe nur die Kontrollvermerke gesetzt, das T1-Dokument an seinem Arbeitsplatz abgelegt ohne die elektronische Erledigung abgelegt, die elektronische Erledigung erst später als die mündliche Freigabe durchgeführt und damit das NCTS Versandverfahren nicht ordnungsgemäß beendet, geständig. Die verspätete Eingabe hatte keine Folgen, hätte aber allenfalls zu Beanstandungen durch Kontrollorgane des Rechnungshofes führen können, da es um die Umsetzung von EU-Zollrichtlinien ging (VHS 8).

1.2.2.2. Zum Spruchpunkt b) die unvollständigen Anmeldungen zu den Fälle 2, 3, 5, 6, 11

Hier geht es um den Vorwurf der grob fahrlässigen falschen Codierung und Datierung der handschriftlich unvollständigen Anmeldung entgegen den im Spruch angeführten Vorschriften, insbesondere für das „Vereinfachte Verfahren“.

Der BF hat diese, von der Firma F entgegen den Vorschriften mit „IM A“ codierten und nicht wie vorgesehen mit „IM B“ und „50500-Vereinfachte Zollanmeldung; fehlende Unterlage zur Ermittlung des Zollwertes“ sowie die ergänzende Zollanmeldung (bei Nachreichung der Unterlagen) nicht mit „IM“ oder „EU“ und „X“, angenommen und nicht korrigiert.

Die relevanten Bestimmungen des Zollkodex, Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992, GZ BMF-010313/0029-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0494-IV/6/2012 v. 01.07.2009 (und nicht wie im Spruch der DK irrtümlich angeführt GZ BMF-010313/0327-IV/6/2013 v. 01.07.2013) lauten (vgl Beilagenkonvolut zur VHS Beilagen 1):

„Artikel 74 (1) Entsteht durch die Annahme einer Zollanmeldung eine Zollschuld, so dürfen die Waren, die Gegenstand dieser Anmeldung sind, dem Anmelder erst überlassen werden, wenn der Zollschuldbetrag entrichtet oder eine Sicherheit geleistet worden ist […].

II. Vereinfachtes Verfahren

Artikel 76

(1) Um die Förmlichkeiten und Verfahren möglichst zu vereinfachen, ohne dass die Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge dadurch beeinträchtigt wird, lassen die Zollbehörden unter den nach dem Ausschussverfahren festgelegten Voraussetzungen zu dass,

a) die Anmeldung nach Artikel 62 einige der Angaben nach Absatz 1 des genannten Artikels nicht enthält oder einige Unterlagen nach Absatz 2 des genannten Artikels nicht beigefügt sind […]

(3) Die ergänzenden Anmeldungen bilden mit den vereinfachten Anmeldungen nach Absatz 1 Buchstaben a), b), und c) eine untrennbare rechtliche Einheit, die zum Zeitpunkt der Annahme der vereinfachten Anmeldung wirksam wird; […]“

Die Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO), GZ BMF-010313/0056-1V/6/2007 idF GZ BMF-010313/0593-/IV/6/2009 v. 01.07.2009 (und nicht wie im Spruch der DK irrtümlich angeführt idF GZ BMF-010313/0827-/1V/6/2015 v. 08.12.2015) enthält folgende Anordnungen für unvollständige Zollanmeldungen seit dem 01.01.2007 (vgl Beilagenkonvolut zur VHS Beilagen 2 – 9, dass die jeweiligen im Wesentlichen unveränderten Versionen wiedergibt):

„Artikel 254 […] Diese Anmeldungen müssen jedoch mindestens die nach Anhang 30a für die unvollständige Zollanmeldung erforderliche Angaben enthalten […].

Artikel 255 […] Die fehlenden Unterlagen müssen in jedem Fall in der Zollanmeldung bezeichnet werden.“

Dem Anhang 30a (AS 194) der ZK-DVO und dem Anhang 38 (AS 197, AS 198) - allerdings in der im Erkenntnis irrtümlich zitierten Fassung BMF-010313/0056-IV/6/2007 idF GZ BMF-010313/0827-/IV/6/2015 v. 08.12.2015 - sind die oa Codierungen (B für eine unvollständige Zollanmeldung und X für eine ergänzende Meldung) zu entnehmen. Ob diese Anhänge mit dem gleichen Inhalt auch zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Taten vorhanden waren, kann nicht festgestellt werden, weil dazu – weder im Akt noch in der Verhandlung – entsprechende Unterlagen vorgelegt wurden, sondern nur eine Vorschrift mit dem Namen „Zolldokumentation Vereinfachtes Annahmeverfahren (ergänzende Anmeldung), ZK-0762, mit Stand 15.08.1999 (VHS, Beilage 10 - dazu gleich unten).

Zur „Arbeitsrichtlinie Vereinfachtes Verfahren“ ZK 0760 (BMF- 010313/1006-IV/6/2008 v. 30.08.2011) konnte die DK nur die bereits oben erwähnte Vorgängerversion „Zolldokumentation Vereinfachtes Anmeldeverfahren“ ZK 0762 vorlegen (VHS, Beilage 10 und die Anmerkungen der Vorsitzenden der DK auf Seite 2 der Dokumentenvorlage) die seit 01.05.2004 in Geltung stand. Dieser ist für den Spruchpunkt zu entnehmen, dass gemäß Art 76 Abs 3 Zollkodex die vereinfachte Anmeldung und die ergänzende Anmeldung eine untrennbare Einheit darstellen (Seite 31), die ergänzende Anmeldung binnen drei Tagen zu erfolgen hat weil sonst ein Versäumungszuschlag fällig wird (Seite 31) und hinsichtlich der Codierung die Code 50 (fristgerecht und richtig ergänzte Anmeldung), 51 (verspätete vorgelegt), 52 (fristgerecht jedoch fehlerhaft bzw abweichend) und 59 (verspätet und fehlerhaft bzw abweichend) bestehen. Es muss daher festgestellt werden, dass die DK – ausgenommen Fall 11 - nicht nachweisen konnte, welchen konkreten Inhalt die Weisungen zu den Tatzeitpunkten (2009 und 2010), betreffend Codierung, hatten.

Zum ebenfalls im Spruch der DK genannten OHB 112.7.1 hat die Vertreterin der DK in der Verhandlung eingeräumt, dass es sich um ein irrtümliches Fehlzitat handle, das OHB betreffe nur Spruchpunkt d) (VHS 9).

Der BF hat angegeben, dass ihm die Notwendigkeit unterschiedlicher Codierung nicht bewusst gewesen sei. Da der BF zu diesem Spruchpunkt ein Geständnis abgelegt und den Schuldspruch dazu ausdrücklich nicht bekämpft hat, ist darauf nicht näher einzugehen.

1.2.2.3. Zum Spruchpunkt c) die unvollständigen Anmeldungen zu den Fälle 2, 3, 5, 6, 11

Hier geht es um die grob fahrlässige Nichtanwendung des Fallbackverfahrens (Notfallverfahrens) in den Fällen 2, 3, 5, 6, 11. Dem BF wird dazu vorgeworfen die Vorschriften der Arbeitsrichtlinie Zollanmeldung im Informatikverfahren (BMF-010313/0044-IV/6/2007 v. 17.07.2006), Arbeitsrichtlinie NCTS (BMF-010313/0027-IV/6/2007 idF BMF-010313/0096-IV/6/2009 v. 11.02.2009) und des OHB nicht eingehalten zu haben. Dazu hat die Vertreterin der DK in der Verhandlung eingeräumt, dass die Zitierung des OHB irrtümlich erfolgt sei, das OHB treffe nur auf den Spruchpunkt d) zu (VHS 9).

In der Arbeitsrichtlinie - Zollanmeldung im Informatikverfahren (auch als ZK-0612 bezeichnet) findet sich der Hinweis, dass, um die Durchführbarkeit von Import/Exportabfertigungen im Informatikverfahren – „e-zoll“ – auch bei einem Systemausfall zu ermöglich, das so genannte Notfallverfahren, auch „Fallback“ genannt, entwickelt wurde. Weiters, dass dieses auf der Verwendung eines Papierdokuments beruht und eine Ausnahme darstellt (AS 200). Die ZK-0612 enthält sodann eine Reihe von Anordnungen für das „zuständige Zollamt-Kundenteam“, unter anderem, dass eine Fallback Reference Number (FRN) zu vergeben, Listen zu führen, entsprechende Etiketten anzubringen, die Daten nachträglich im System zu erfassen sind usw (AS 201ff).

Aus der Arbeitsrichtlinie NCTS ergibt sich wiederum, dass die Abgabe von schriftlichen Versandmeldungen nur im Notfallverfahren zulässig ist (AS 469).

Es steht fest, und gesteht der BF ein, dass er das Fallback-Verfahren in den angeführten Fällen nicht angewendet hat, weil er es nicht kannte und nicht geschult wurde (AS 330).

1.2.2.4. Zum Spruchpunkt d) Fälle 4 und 10 (vollständige handschriftliche Zollanmeldungen),

Hier wird dem BF ein Verstoß gegen den Zollkodex 01.07.2013, die ZK-DVO 08.12.2015, die Arbeitsrichtlinie Vereinfachte Verfahren 30.08.2011, die Arbeitsrichtlinie NCTS 11.02.2009 und Punkt 112.7.1 des Organisationshandbuches (OHB) vorgeworfen.

Im Kern geht es dabei um die „nicht umgehende“ bzw „nicht unmittelbare“ Eingabe in das „e-zoll“. Die Eintragung zu Fall 4, ist 17 Tage später (am 21.12.2009 nach Anmeldung am 04.12.2009) und zu Fall 10, 3 Tage später (am 20.09.2012 nach Anmeldung am 17.09.2012) erfolgt. Das wird vom BF auch nicht bestritten, er rechtfertigt sich aber damit, dass die Arbeitsbelastung hoch gewesen sei, möglicherweise habe es Systemausfälle gegeben und außerdem sei nirgends ein konkreter Zeitraum festgelegt, wann einzugeben sei. Die Fachvorständin vertrat in ihrer Zeugenaussage dazu in der Verhandlung die Ansicht, dass eine Erfassung sieben Tage grundsätzlich schon sehr lang sei, es aber keine Weisung oder Definition zum Zeitraum gebe. Ein oder zwei Tage später sei in der Toleranzgrenze. Der DA argumentierte, dass sich die Notwendigkeit der sofortigen Eingabe aus der gesamten Systematik der Zollvorschriften ergebe, weil die Zollschuld sofort entstehe (VHS 9). Er räumte aber auch ein, dass der entsprechende Erlass erst 2013 (also nach dem Fall) angepasst wurde, wenngleich das auch vorher zu auszulegen gewesen wäre, die konkreten Dienstbesprechungen, wo das gesagt worden sei, seien aber nicht „greifbar“ (VHS 10).

Feststeht, dass die im Spruch zitierte OHB Stelle (112.7.1 GZ BMF-280000/0015-1V/2/2010 idF GZ BMF-280000/251-1/8/2018 v. 29.11.2018), wonach „mit Beendigung des Fallbackverfahrens, die am Amtsplatz vorgelegten Zollmeldungen von Wirtschaftsbeteiligten ohne e-zoll Zugang vom Kundenteam unmittelbar in e-zoll zu erfassen [sind]“ erst in einer nach den relevanten Zeitpunkten erstellten Fassung in das OHB aufgenommen wurde.

Davor gab es die OHB-Fassung GZ BMF-280000/0013-IV/2/2007 idF BMF-280000/0075-IV/2/2008 vom 08.08.2008 (VHS 9 und Beilage 11), wo zu schriftlichen Zollanmeldung auf Seite 11 ausgeführt ist „Im Falle der Annahme der Zollanmeldung: bei Anmeldung mit Einheitspapier: Erfassung im e-zoll-System.“

Der DK ist es nicht gelungen, nachzuweisen, dass der BF eine konkrete Weisung hatte, vollständige handschriftliche Zollanmeldungen spätestens am nächsten Tag ins System einzugeben (VHS 10). Die nicht sofortige Erfassung im „e-zoll“ wird dem BF schon mit dem Spruchpunkt a) vorgeworfen „… nur die Kontrollvermerke angesetzt […] sowie die elektronische Erledigung erst zu einem späteren Zeitpunkt […] durchgeführt zu haben.“

Zusammengefasst ist festzustellen, dass der BF in den angeführten Fällen Formalvorschriften zur elektronischen Bearbeitung nicht eingehalten hat, weil er sich damit aufgrund deren Komplexität und seiner Arbeitsbelastung nicht ausreichend auseinandergesetzt hat oder sie nicht kannte (dazu später in der rechtlichen Beurteilung). Ein finanzieller Schaden ist dadurch nicht entstanden, allerdings hätten sich bei einer Überprüfung der Einhaltung der Zollrichtlinien durch die EU bzw den Rechnungshof Beanstandungen ergeben können (VHS 8). Entscheidend ist die richtige Eingabe des Datums der vollständigen Anmeldung (allenfalls nach Ergänzung bei einer unvollständigen Anmeldung) weil je nach Datum unterschiedliche zoll- abgabe- und außenwirtschaftsrechtliche Normen anwendbar sein können.

2. Beweiswürdigung:

Zunächst ist auf die in Klammern bei den jeweiligen Feststellungen angeführten Beweismittel zu verweisen. Der Sachverhalt ist durch das Strafgericht mit Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren festgestellt.

Die Vorschriften gegen die der BF verstoßen hat, wurden in den relevanten Auszügen wiedergegeben, konnten teilweise aber nicht (mehr) in der damalig gültigen Fassung vorgelegt werden, sind komplex und wenig konkret formuliert (dazu in der rechtlichen Beurteilung).

Wenn sich der BF mit den ihm über die ab 2006 in der FINDOK zugänglichen Vorschriften auseinandergesetzt und bei seinen zuständigen Fachvorgesetzten detailliert (nicht bloß allgemein) informiert und Besprechungsprotokolle gelesen hätte, hätte er die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen zum größten Teil vermeiden können.

Bezeichnend für die Komplexität der anzuwendenden Vorschriften ist, dass es in der Strafverhandlung 9 Verhandlungen und im Disziplinarverfahren 3 Verhandlungen bedurfte, um Klarheit zu erlangen. Letztlich finden sich noch im Disziplinarerkenntnis Fehlzitate, weil verschiedene Versionen der anzuwendenden Rechtsvorschriften und Erlässe vorhanden waren.

Dass eine Arbeitsüberlastung bzw teilweise Überforderung des BF vorlag, ergibt sich aus den konkret, bildhaft und glaubhaften Schilderungen in der Verhandlung vor dem BVwG (VHS 11), denen weder die belangte Behörde noch der DA substantiiert entgegengetreten ist:

„BF: Ab Ende 2006 war an der Zweigstelle [I] immer viel los. Es gibt dort den Großmarkt […]. Es kam dann auch noch die Firma [R] dazu. Ich kann mich erinnern, wir hatten an einem Tag 35 LKW-Züge abzufertigen, an Papierberge, die in Paketen am Boden gelegen sind, weil am Schreibtisch kein Platz mehr war. Wir haben dann auch Abfertigungen für andere EU-Länder durchführen müssen. Eine Reduzierung der Teammitglieder ist erst 2016 erfolgt.

Haben Sie irgendwann einmal gemeldet, dass Sie überlastet sind?

BF: Man hat mit dem Teamleiter geredet, wenn viel los war. Er hat gesagt, ihr schafft das schon.

RV: War es auch eine Belastung, dass es Probleme mit dem e-Zoll gab?

BF: Eine enorme Belastung, manchmal ist etwas zwei bis drei Stunden gehängt.“

Es erscheint dem BVwG vor diesem Hintergrund nicht abwegig, dass schriftliche Formulare beim Vorliegen von Papierbergen und Computerproblemen, die die sofortige Eingabe verhindert haben, für einige Zeit in Verstoß geraten und erst nach dem Wiederauffinden bearbeitet werden konnten.

Die Tabellen hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des „e-Zoll“ (AS 765 ff) sind im Hinblick auf die Zollstelle I nicht aussagekräftig, weil sie lediglich die Gesamtzahlen der Nachrichtenverarbeitungen an den jeweiligen Tagen in ganz Österreich wiedergeben, sodass ein zumindest kurzfristiger Ausfall an den jeweiligen Tagen, der eine sofortige elektronische Verarbeitung verunmöglicht hat, nicht ausgeschlossen werden kann. Das Fazit der DK, dass das „e-Zoll“ an diesem Tag einwandfrei funktioniert hat, wird daher nicht geteilt.(AS 764).

Konkret zum Spruchpunkt d) ist unstrittig, dass der im Diziplinarerkenntnis zitierte Erlass OHB, Punkt 112.7.1., erst ab der Version 2013 das Wort „unmittelbar“ erhielt und der davor gültige Erlass (der allerdings erst in der Verhandlung vor dem BVwG vorgelegt wurde) nur allgemein vorsieht, dass bei Anmeldung mit Einheitspapier eine Erfassung im e-Zoll-System vorzunehmen ist. Daraus könnte zwar geschlossen werden, dass damit der Anmeldezeitpunkt gemeint ist, ebenso kann aber dem Argument der Verteidigung nicht entgegengetreten werden, dass diese – wenn Gründe dafür vorliegen – nicht auch später erfolgen könne. Wie bereits oben angeführt, ist auch ein versehentliches Liegenlassen nicht auszuschließen.

Dass es keine klaren Regeln und unterschiedliche Auslegungen gab, unterstreicht die Aussage der Zeugin Fachvorständin, die von Toleranzgrenzen zuerst von einem dann bis zu zwei Tagen gesprochen hat (AS 881), was dann ebenso mit der Erlassregelung nicht vereinbar wäre, und auch eingeräumt hat, dass es keine Definition der Unmittelbarkeit gebe (AS 880) und keine Weisung (AS 881).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim BVwG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht. Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 135a BDG ist im vorliegenden Fall – Beschwerde (nur) des Beschuldigten gegen eine Geldstrafe – keine Senatsentscheidung vorgesehen. Es besteht daher Einzelrichterzuständigkeit.

Zu A)

3.2. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

3.2.1. Zur Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung im Spruchpunkt d)

Wie festgestellt, ist die im Spruch zitierte OHB-Stelle (112.7.1), deren Inhalt sich erst aus der Begründung (Seite 22) erschließt, in der Fassung GZ BMF-280000/0015-1V/2/2010 idF GZ BMF-280000/251-1/8/2018 v. 29.11.2018), wonach „mit Beendigung des Fallbackverfahrens, die am Amtsplatz vorgelegten Zollmeldungen von Wirtschaftsbeteiligten ohne e-zoll Zugang vom Kundenteam unmittelbar in e-zoll zu erfassen [sind]“, erst in einer nach den relevanten Zeitpunkten erstellten Fassung 2013 in das OHB aufgenommen worden. Spätestens im Diszipliarerkenntnis hätte jedoch der konkrete Inhalt der zum Tatzeitpunkt gültigen Weisung präzise angeführt werden müssen (VwGH 17.11.2004, 2001/09/0035; 18.06.2014, Ro 2014/09/0037).

Die Formulierung in der anwendbaren Vorgängerversion des OHB, Fassung GZ BMF-280000/0013-IV/2/2007 idF BMF-280000/0075-IV/2/2008 vom 08.08.2008, wo zur schriftlichen Zollanmeldung auf Seite 11 ausgeführt ist „Im Falle der Annahme der Zollanmeldung: bei Anmeldung mit Einheitspapier: Erfassung im e-zoll-System.“; ist – auch vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen – nicht ausreichend bestimmt, um daraus eine grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Befolgung einer Weisung nach § 44 Abs 1 BDG, bei einer Erfassung in zwei Fällen erst 3 Tage (Fall 10 - 2012) bzw 17 Tage (Fall 4 – 2009) nach Anmeldung ableiten zu können.

Der Verstoß gegen die Arbeitsrichtlinie NCTS ist bereits vom Spruchpunkt a) erfasst („[…] elektronische Erledigung erst zu einem späteren Zeitpunkt […] durchgeführt […]“) und darf nicht doppelt verwertet werden.

Die DK hat in ihrem Erkenntnis nicht angeführt auf welchen konkreten Vorschriften des Zollkodex, der ZK-DVO und der Arbeitsrichtlinie „Vereinfachtes Verfahren“ sich ihr Vorwurf im Spruch gründet und ist dies auch für das BVwG nicht erkennbar. Die zum Spruchpunkt b) zitierten Auszüge tragen diese Beurteilung ebenfalls nicht. Der bloße Umstand, dass eine Zollschuld bei der Annahme entsteht, sagt nichts über die umgehende (im Sinne einer sofortigen oder innerhalb gewisser Toleranzgrenzen) zu erfolgenden Eingabe aus, ebensowenig die zitierten Vorschriften zu unvollständigen Anmeldungen bzw zum vereinfachten Verfahren.

Ein Verstoß gegen eine ausreichend konkretisierte Weisung iSd § 44 Abs 1 BDG liegt daher nicht vor.

Selbst wenn man vom Vorliegen einer ausreichend bestimmten Vorschrift zur „umgehenden“ Eintragung ausgehen sollte, würde - angesichts der nicht widerlegten Arbeitsbelastung, des möglichen zumindest kurzfristigen Ausfalls des „e-zoll“ durch Computerprobleme, wodurch es zu einer nicht möglichen sofortigen Eingabe sowie in der Folge zu einem Verstoß der Papieranmeldung in den Papierbergen kommen konnte und erst zu einem späteren Auffinden - eine verzögerte elektronische Bearbeitung einen Fehler darstellen, der bei hunderten Abfertigungsfällen pro Jahr ab und zu einmal (hier einmal 2009 und einmal 2012) auch einem sorgfältigen Beamten passieren kann, sodass kein eine disziplinäre Verurteilung tragendes Verschulden festgestellt werden kann.

Mit einzelnen „schwachen Leistungen“ kann normalerweise die Pflicht zur treuen, gewissenhaften und unparteiischen Besorgung der dienstlichen Aufgaben im Sinne des § 43 Abs 1 BDG nicht verletzt werden (vgl VwGH 21.02.1991, 90/09/0171, 21.02.1991, 90/09/0181, VwGH 19.09.2001, 99/09/0202).

Aus diesen Gründen ist der BF zum Vorwurf des Spruchpunktes d) gegen § 44 Abs 1 iVm § 43 Abs 1 BDG verstoßen zu haben, freizusprechen.

3.2.2. Zur Strafbemessung

3.2.2.1. Im Gegensatz zum Straf- oder Verwaltungsstrafrecht zeichnet sich das Disziplinarrecht dadurch aus, das es kein Typenstrafrecht kennt; es kann daher der einzelnen Dienstpflichtverletzung kein jeweils genau definierter Strafrahmen zugeordnet werden. Daher muss, wird das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung festgestellt, zuerst ein Strafrahmen festgelegt und die Strafe in weiterer Folge innerhalb dieses Strafrahmens durch die Bedachtnahme auf Milderungs- und Erschwernisgründen festgelegt werden.

Der Strafrahmen bestimmt sich anhand der Schwere der Dienstpflichtverletzung sowie im Lichte der zu beachtenden spezial- und generalpräventiven Gründe.

Die Strafzumessung ist eine Ermessensentscheidung der Disziplinarbehörde, grundsätzlich steht es dem Verwaltungsgericht nur zu, die Ermessensübung darauf zu kontrollieren, ob diese im Sinne des Gesetzes erfolgt ist. Ist dies der Fall, liegt keine vom Verwaltungsgericht aufzugreifende Rechtswidrigkeit vor und ist die Beschwerde diesbezüglich auch dann abzuweisen, wenn das Verwaltungsgericht das Ermessen anders geübt hätte. Allerdings hat das Verwaltungsgericht die Ermessenskontrolle vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage durchzuführen. Erfolgte die behördliche Ermessensübung nicht im Sinne des Gesetzes, ist das Verwaltungsgericht bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst befugt, eigenes Ermessen zu üben (VwGH 15.12.2016, Ra 2015/11/0059).

3.2.2.2. Die Behörde hat die Disziplinarstrafe mit einer Geldstrafe in der Höhe von € 5.000,-- festgesetzt. Zum Verschulden ist sie zu allen Punkten davon ausgegangen, dass das vom BF behauptete Unwissen über die einschlägigen Vorschriften eine Schutzbehauptung wäre und hat das mit der erlassmäßig angeordneten verpflichtenden regelmäßigen Kenntnisnahme der einschlägigen Inhalte der FINDOK sowie der Anordnung, dass die Dienststellen verpflichtet worden wären, die Verordnungen, Richtlinien und Erlässe zur Kenntnis zu bringen und daher davon ausgegangen werden könne, dass dies auch so geschehen sei. Wenngleich sie keinen Nachweis für letzteres – etwa unterschriebenen Belehrungslisten etc. – erbringen konnte, ist davon auszugehen, dass der BF aufgrund seiner Aufgaben, Funktion und Arbeitsplatzbeschreibung die Möglichkeit und Verpflichtung gehabt hat, sich über die einschlägigen Vorschriften zu informieren, sobald sie erlassen und dort kundgemacht wurden.

Die DK hat – zutreffend - auf die gemäß § 43 Abs 1 BDG bestehende Pflicht des Beamten hingewiesen, dass der Beamten jene Vorschriften, die er zu Dienstausübung brauche, in Eigeninitiative zur Kenntnis zu nehmen habe. Der BF habe diesbezüglich trotz seiner Funktion als Teamexperte Spezial und der entsprechenden Arbeitsplatzbeschreibung, diesbezüglich eine auffallende Sorglosigkeit an den Tag gelegt. Sodann trifft die DK die Feststellung, dass sich der BF in Kenntnis der Vorschriften, grob fahrlässig über einen Zeitraum von mehreren Jahren über deren Inhalt hinweggesetzt habe.

3.2.2.3. Zunächst ist festzustellen, dass ein Verstoß gegen § 44 Abs 1 BDG als speziellere Norm einem Verstoß gegen § 43 Abs 1 BDG vorgeht und ein Verhalten nicht gleichzeitig beiden Normen unterstellt werden darf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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