TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/30 W195 2218673-1

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Veröffentlicht am 30.06.2020
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Entscheidungsdatum

30.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W195 2218673-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. und Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides betreffend die Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit einer Abschiebung sowie gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 52 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.

V. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 03.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am Tag der Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass er seit 2014 in Österreich als Student sei. Als der BF hörte, dass seine Mutter krank sei, sei er am XXXX nach Bangladesch geflogen. Am 15.04.2016 sei die Polizei gekommen und wollte ihn verhaften, „da ich seit 2014 nicht mehr in Bangladesch war“. Sie hätten den BF mehrerer Taten beschuldigt und auch des Mordes, wobei der BF ja seit 2014 nicht mehr in Bangladesch gewesen sei. „Mitglieder der jetzigen Regierungspartei“ hätten den BF geschlagen und wollten ihn zur Polizei zerren. Er habe sofort seinen Flug nach Wien vorverlegt und sei am XXXX wieder nach Wien geflogen. Bis dahin habe er sich bei seinem Onkel versteckt gehalten. Deshalb suchte er am 03.05.2016 um internationalen Schutz an.

Die Aufenthaltsbewilligung als Studierender sei bis 06.09.2016 befristet.

Seine Familie bestünde aus seinen Eltern, zwei Brüdern sowie zwei Schwestern.

I.2. Wie dem ZMR entnommen werden kann, war der BF von 06.09.2016 bis 09.02.2017 in Österreich nicht gemeldet.

I.3. Am 28.09.2017 erfolgte die Einvernahme des BF durch das BFA. Im Zuge dieser Einvernahme gab der BF – zusammengefasst – zu Protokoll, dass er grundsätzlich gesundheitlich in Ordnung sei, nur habe man ihm 2014 mit einen Holzteil auf die Nase geschlagen, welche damals „eingedrückt“ worden sei und er könne seit damals nicht gut atmen. Schon in Bangladesch wollte man ihn deshalb operieren, was er jedoch verweigert habe. Er habe in Bangladesch Nasentropfen bekommen, die er auch in Österreich verwende, aber nicht zu oft, weil man davon süchtig werden könne.

Hinsichtlich einer weiteren Verletzung aus 2016 konnte der BF lediglich die erforderlichen Medikamente angeben. Wegen seines Gesundheitszustandes habe er jedoch keine Probleme in Bangladesch. Er könne auch dies alles in Bangladesch behandeln lassen.

Im Zuge der weiteren Einvernahme legte der BF Dokumente vor, angebliche Anzeigen aus Bangladesch.

Zu seiner Ausbildung gab der BF an, dass er von 1999 bis 2004 die Grundschule absolvierte, bis 2009 die Mittelschule, bis 2011 das College und danach die Universität XXXX bis 2014, in der Fachrichtung Business Administration. Von Oktober bis 2016 habe er in Wien „Informatik“ studiert, was er nachgefragt detailliert folgendermaßen darstellt: „Ich habe in Österreich im Oktober das Semester an der Uni Wien begonnen. Das ging bis Februar 2015“. Den Uni-Abschluss habe er nicht gemacht.

Derzeit mache er gerade eine Lehre als Restaurantfachmann in Österreich. In Bangladesch habe er nur die Schule besucht, und keine Berufsausbildung gemacht. Aber er kenne sich in indischer Küche gut aus, er könne kochen.

Seit 2012 habe sich der BF für die Chattro Dal, einem politischen Zweig der BNP, interessiert. Nach den Wahlen am 05.01.2014 hätten sie demonstriert, wobei der BF an der Nase verletzt worden sei. Er habe sich deshalb überlegt, Bangladesch zu verlassen und sei auf Österreich gestoßen, weil die Studiengebühren im Vergleich zu anderen Universitäten billiger seien. Seine Eltern hätten ihn finanziell unterstützt, sein Vater habe als Beamter genug Geld. Darüber hinaus habe seine Familie Grundstücke.

Zu seinem Familienstand führte der BF aus, dass er nicht verheiratet sei und auch keine Kinder habe.

Befragt zu den Kontakten zu seiner Familie meinte der BF, dass er versucht habe, seinen Vater zwischen April 2016 und November 2016 zu kontaktieren, dieser jedoch von ihm sehr enttäuscht gewesen sei. Er habe sich dann entschuldigt und seit Dezember 2016 ginge es wieder. Es kämen immer wieder Mitglieder der Awami League sowie Polizisten bei ihnen vorbei, welche den BF suchen würden.

Zu seinem konkreten Fluchtgrund führte der BF aus, dass er am XXXX nach Bangladesch geflogen sei, weil seine Mutter schwer erkrankt sei. Am 15.04.2016 sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen, weil sie den BF suchten, welcher sich danach bei seinem Onkel versteckt hielt. Am 23.04.2016 sei er auf der Straße unterwegs gewesen, als ihn eine Gruppe von Mitgliedern der Awami League bedroht habe. Er habe damals schon versteckt bei seinem Onkel gewohnt. Einige Leute der Awami League hätten ihn gesehen und gesagt, dass sie ihn jetzt gefunden hätten und ihn zur Polizei bringen würden. Sie hätten ihn geschlagen, auch mit Stöcken, und erst dann von ihm abgelassen, als andre Leute dazu liefen. Es seien vier Personen der Awami League gewesen, die ihn geschlagen hätten, ihn schwer verletzten und ihn liegen ließen. Danach habe er sich gleich bei einem anderen Onkel versteckt. Er habe seinen Parteivorsitzenden kontaktiert, welcher ihm zur sofortigen Ausreise geraten habe. Er habe deshalb seinen Flug nach Österreich auf den XXXX umgebucht.

Auf Grund von Recherchen seines Vaters und eines beauftragten Anwaltes sei herausgefunden worden, dass der BF am 16.02.2015 angezeigt worden sei, weil er Bomben geworfen, Autos zerstört und verbrannt habe. Er sei in der Anzeige die Nr 7, als „versteckter Beschuldigter“. Er sei zu diesem Zeitpunkt nicht in Bangladesch gewesen und trotzdem angezeigt worden.

Zwar existiere die Anzeige seit Februar 2015, aber die Polizei sei erst zum BF gekommen, als dieser wieder im April 2016 in Bangladesch gewesen sei.

Seit 2012 bis 2013 sei der BF einfaches Mitglied der BNP gewesen, danach bis zu seiner Ausreise „Assistenzsekretär“.

In Österreich sei er zurzeit kein Mitglied der BNP, da ihn Mitglieder der AW blöd angesprochen hätten. Dies sei auch der Grund, warum er nach Innsbruck gegangen sei, weil er sein Leben besser gestalten möchte.

Hinsichtlich seiner Ausreise nach Österreich nach diesen Vorfällen hätte er beim Boarding am Flughafen keine Probleme gehabt, da er „Glück“ hatte.

Wegen all seiner Probleme habe sich der BF jedoch nie an die Polizei gewandt.

Hinsichtlich der innerstaatlichen Fluchtalternative gab der BF an, dass er keine anderen Leute kenne, zu denen er hätte gehen können. Nachdem er zusammengeschlagen worden sei, sei er so schwer verletzt gewesen, dass er keinen anderen Ausweg sah, als das Land so schnell wie möglich zu verlassen.

Nach seiner Flucht aus Bangladesch sei der BF sehr depressiv gewesen, und er sah keine Lösung für sein Leben. Er sei von AW-Mitgliedern in Wien beschimpft worden. Er sei auch sehr depressiv gewesen, weil er mit dem Vater keinen Kontakt hatte.

Gefragt, was er zwischen Februar 2015 und Februar 2016 gemacht habe, meinte – nach Nachfrage – der BF, er habe an der Uni Wien studiert.

Er habe jedoch nach seiner Depression nicht mehr weiter studieren können und auch wegen seiner erlittenen Todesangst nicht mehr normal denken. Er konnte den Stress nicht mehr aushalten.

Zu den Bildern und einen angeblichen Zeitungsbericht befragt gab der BF an, dass ein Reporter einer On-Line-Zeitung ihn interviewt habe, als er im Spital gewesen sei. Der BF habe ihn daraufhin seine Geschichte erzählt. Auf die Frage, wieso der BF ein Interview einem Reporter gegeben haben soll, obwohl er von der bengalischen Polizei und den Mitgliedern der Awami League gesucht werde, konnte der BF keine schlüssige Antwort geben.

Zu seiner Ausbildung und Lehre befragt gab der BF an, dass er sehr beschäftigt sei. Er bekomme sein Lehrgeld (ca € 600 bis 700 pro Monat).

Seine Deutschkenntnisse seien auf Niveau B1. Er habe viele Arbeitskollegen, welche auch seine Freunde seien. Verwandte würden keine in Österreich leben.

I.4. Am 28.03.2019 erfolgte eine neuerliche Einvernahme des BF vor dem BFA.

Zwischenzeitig wurde der BF an seiner Nase operiert und es gehe ihm diesbezüglich bereits viel besser. Medikamente nehme er für gewöhnlich keine mehr.

Gleichzeitig legte der BF das Schulabschlusszeugnis sowie einen Lohnzettel vor. Sonst habe sich an seinen Lebensumständen, weder in Bangladesch, noch in Österreich, nichts geändert. Seine Mutter sei zwischenzeitig verstorben.

Der BF habe die Berufsschule abgeschlossen, seine Lehre würde noch bis Oktober 2019 dauern. Er arbeite in einem Restaurant in Innsbruck.

Ansonsten wiederholte der BF im Wesentlichen seine Aussagen entsprechend der vorangegangenen Einvernahme.

I.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.04.2019, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1–3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Konkret vermeinte die belangte Behörde, dass das asylrelevante Vorbringen, nämlich die behauptete politische Verfolgung, in Folge von Widersprüchen des BF nicht glaubwürdig sei. Die Angaben des BF seien zu vage und zu allgemein gewesen. Der BF habe keine detaillierten Kenntnisse über Zielsetzungen, Aufbau, Struktur und Arbeitsweisen einer Partei gezeigt. Darüber hinaus seien die behaupteten Verfolgungshandlungen vage und widersprüchlich gewesen. So gab etwa bei der ersten Befragung der BF an, sich zu Hause vor der Polizei versteckt zu haben, während er bei der zweiten Befragung zum gleichen Termin gar nicht zu Hause gewesen sein will. Aber auch während der Zeit des Versteckens bei seinem Onkel habe ihn vier Personen der Awami League auf der Straße erkannt und massiv geschlagen; der BF sei ins Spital gebracht worden und habe einem Reporter ein Interview gegeben – obwohl er sich angeblich verstecken wollte. Dies sei widersprüchlich und unglaubwürdig, ebenso wie die problemlose Ausreise per Flugzeug nicht auf eine Verfolgung durch staatliche Autoritäten hindeute.

I.6. Mit Schriftsatz vom 03.05.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch die eingangs zitierten Rechtsanwälte vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Neben der Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und der behaupteten Fluchtgründe wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, dass das BFA ein einseitiges Ermittlungsverfahren geführt habe. Wie das BFA zu dem Schluss, dass der BF nicht glaubwürdig sei, komme, sei nicht erklärlich. Der BF habe ein glaubhaftes, detailliertes Vorbringen erstattet und es sei ihm objektiv gelungen, die Verfolgung glaubhaft zu machen. Das BFA habe seine Feststellungen auf eine antizipierende und nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung gestützt. Das BFA habe es auch unterlassen, den vom BF in Bangladesch namhaft gemachten Anwalt als Zeugen zu vernehmen zumindest nicht das komplette Vorbringen außer Acht zu lassen.

Auch habe es die Behörde unterlassen, den erfolgreichen Abschluss der Lehre des BF, seine Selbsterhaltungsfähigkeit, sein Freundeskreis, seine tiefe soziale Verwurzelung, seine Deutschkenntnisse auf Niveau B1, seine Unbescholtenheit in Österreich in Beziehung zu setzen mit dem schützenswerten Privatleben, welches es trotz dieses Vorbringens als nicht gegeben erachtet habe.

Das BFA habe seien Antrag auf internationalen Schutz zu Unrecht abgewiesen. Darüber hinaus habe das BFA eine unrichtige Interessenabwägung vorgenommen, es habe das Privat- und Familienleben des BF nicht berücksichtigt. Der BF sei seit fünf Jahren durchgehend im Bundesgebiet. Er habe einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag und könne für den Fall der Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung Plus“ einer geregelten Arbeit nachgehen.

Es wurden die Anträge gestellt, den Bescheid zu beheben und dem BF Asyl bzw. subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu, den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu, dem BF einen humanitären Aufenthaltstitel zu gewähren, festzustellen, dass eine Abschiebung nach Bangladesch unzulässig sei sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

I.7. Mit Schreiben vom 06.05.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem BVwG wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt (Stand April 2020) der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 29.06.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.9. Am 29.06.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Substituten des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Der BF legte zahlreiche Dokumente vor, die seine gelungene Integration darlegen sollten. Dazu zählten etwa eine Ein Lehrabschlussprüfungszeugnis zum Restaurantfachmann der WKÖ Tirol vom XXXX („mit gutem Erfolg“ bestanden), ein B2-Zertifikat des ÖSD vom XXXX , der Bescheid des AMS Innsbruck vom XXXX betreffend Beschäftigungsbewilligung bis XXXX , ein Lohnzettel (Jänner 2020) über ein Einkommen von € 2.236,36; ein Empfehlungsschreiben des derzeitigen Arbeitgebers mit der Anmerkung, dass der BF für eine Geschäftsführertätigkeit vorgesehen wäre; ein Mietvertrag des BF für drei Jahre, abgeschlossen 01.05.2020; diverse Mitgliedschaftsbestätigungen ( XXXX ) sowie drei Jahreszeugnisse der XXXX (Notendurschnitt in der ersten Fachklasse: 2,17; in der zweiten Fachklasse: 1,34; in der dritten Fachklasse: 1,45). Diesem Konvolut waren noch zahlreiche Empfehlungsschreiben angeschlossen, die belegen, dass der BF auch zur österreichischen Bevölkerung Kontakt hat und teilweise gemeinsame Aktivitäten (zB Bergwanderung, Kochen) durchführt.

Weiters legte der BF vier bengalisch-sprachige Dokumente mit englischsprachiger Übersetzung vor, die seine politische Verfolgung in Bangladesch belegen sollten.

Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes gab der BF an, dass er noch immer Probleme mehr mit der Nasenatmung habe; eine weitere Operation sei in Planung, derzeit aber nicht konkretisiert. Eine lebensbedrohliche Erkrankung wurde vom BF nicht angeführt.

Zu seinem Familienstatus bemerkte der BF, dass er ohne Lebenspartnerin sei und auch keine Kinder habe. Seine Familie – Vater, zwei Brüder, eine Schwester sowie verschiedene weitere Verwandte – würden in Bangladesch leben, eine Schwester in Kanada. Die Familie sei wirtschaftlich finanziell sehr gut abgesichert, der Vater des BF sei Beamter gewesen, nunmehr sei er in Pension, betreibe aber einen Handel mit Steinen.

Der BF sei ursprünglich nach Österreich gekommen, um in Wien Informatik zu studieren. Der Studienerfolg sei mangels Sprachkenntnissen (zum damaligen Zeitpunkt) ausgeblieben, der BF legte keine einzige Fachprüfung ab. Das Visum sei am 06.09.2016 abgelaufen.

Der BF führte aus, dass er ohne Meldeadresse vom 05.09.2016 bis 09.02.2017 bei einem Freund in Innsbruck gelebt habe.

Nach Abschluss der Lehre arbeitet der BF derzeit in einem Gastgewerbebetrieb und hat auch die Arbeitsbewilligung (bis 27.11.2020) des AMS Innsbruck vorgelegt. Er verdient brutto über € 2.200,- pro Monat.

In seiner Freizeit trifft er sich sowohl mit bengalischen als auch österreichischen Freunden und hat zahlreiche Aktivitäten, wie etwa Bergwandern, Kochen, Sport etc. Darüber hinaus legte er Mitgliedsausweise vor, die weitere Interessenslagen (zB städtische Bücherei) bekunden. Der BF legte diverse glaubwürdige Empfehlungsschreiben vor.

Im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG wurde der BF teilweise auch in Deutsch einvernommen. Der VP stellte fest, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache sehr gut möglich war, weil der Sprachwortschatz vielfältig ist. Die Antworten erfolgten zumeist mit vollen Sätzen. Der BF stellte unter Beweis, dass seine Deutschkenntnisse das Niveau B2, wie vom ÖSD bescheinigt, auch anwenden kann. Der BF stellte damit unter Beweis, dass seine Deutschkenntnisse auf dem Niveau waren, wie er diese Qualifikation mittels ÖSD-Zertifikat formell nachwies.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF – zusammengefasst – in der Verhandlung vor dem BVwG aus:

Er sei bereits vor 2014 Mitglied der BNP gewesen, später sogar „stellvertretender Generalsekretär“ im Polizeiverwaltungsbezirk.

Seine Nase sei schwer verletzt worden bei einer (politischen) Schlägerei in Folge einer Demonstration nach den Wahlen Anfang 2014.

Bereits 2013 habe er sich überlegt, nach Österreich zu gehen, und habe sich dieser Entschluss 2014 (vermutlich im April) verdichtet. Er habe in Delhi, Indien, bei der Botschaft um ein Studentenvisum angesucht. Bei der Ein- und Ausreise per Flugzeug habe es keine Probleme gegeben.

Nachdem er das Visum erhalten habe, sei er nach Österreich geflogen; auch damals hatte er keine Probleme mit der Ausreise, aus Bangladesch, genauso wenig wie mit der Einreise im Jahr 2016, als er nach Hause flog, um seine kranke Mutter zu besuchen.

Als er im Zuge dieses Heimaturlaubes beim Onkel wohnte hätten ihn vier Mitglieder der politischen Gegner, der Awami-League, zusammengeschlagen. Er habe dann sein Flugticket vorverlegt, um noch unbehelligt aus dem Land zu kommen. Er sei bei seinem Abflug nicht behindert worden.

Der BF gab an, er würde aus politischen Gründen verfolgt werden; es gäbe gegen ihn eine Anzeige aus 2015 „nach dem Antiterrorismusgesetz“, somit zu einem Zeitpunkt, in dem er in Österreich gewesen sei. Es sei dies eine falsche Anzeige gegen ihn, aber man könne sich dagegen nicht wehren. Es gäbe mittlerweile auch gegen ihn einen Haftbefehl aus dem Jahr 2017. Zur Bestätigung seines Vorbringens legte der BF vier bengalisch-sprachige Dokumente in englisch-sprachiger Übersetzung vor sowie einen englisch-sprachigen Begleitbrief seines Anwalts. Diese politisch motivierte Anzeige sei deshalb erfolgt, weil man die Mitglieder der BNP in Bangladesch systematisch verfolgen würde. Bei der Einvernahme bleib der BF zumeist in einer allgemeinen Darstellung der politischen Geschehnisse. Darüber hinaus wollte der BF einen USP-Stick dem Gericht übergeben, auf dem eine politische Diskussion aus 2014 in Anwesenheit des BF, in bengalischer Sprache, aufgenommen mit einem Mobiltelefon, zu verfolgen sei, die der BF auf einem älteren Computer wieder gefunden habe.

Der BF befürchtet im Falle seiner Rückkehr nach Bangladesch verhaftet zu werden und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt zu werden.

Andere, als die genannten politischen Gründe, wurden nicht geltend gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in Bangladesch geboren. Er hat in seinem Heimatland für zehn Jahre die Grundschule besucht, zwei Jahre College gemacht und ist danach auf die Universität XXXX gegangen; er hat jedoch keinen Universitätsabschluss in „Business Administration“ gemacht. Der BF hat in Bangladesch keine Berufsausbildung gemacht.

In Bangladesch hält sich der Vater des BF (die Mutter ist verstorben), zwei Brüder und eine Schwester sowie eine Vielzahl sonstiger Verwandte auf. Zwischen dem BF und seiner Familie besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt, zumeist zweimal die Woche. Eine Schwester wohnt in Kanada.

Der BF ist 2014 legal in das Bundesgebiet mittels Studentenvisum eingereist. Der BF hat sein Studium in Österreich nicht erfolgreich geführt, er hat keine einzige Fachprüfung abgelegt. Der BF hat eine Lehre zum Restaurantfachmann mit gutem Erfolg absolviert, welche mittels Lehrabschlusszeugnis vom 02.10.2019 dokumentiert ist.

In Österreich geht der BF aktuell einer Beschäftigung nach und hat monatlich ein Einkommen von über € 2.300,- brutto. Für Wohnmietkosten hat der BF Aufwendungen von ca. € 250,-

In Österreich ist der BF Mitglied in diversen Vereinen; er hat viele bengalische und österreichische Bekannte und Freunde, mit denen er in seiner Freizeit viel unternimmt.

In Österreich hat der BF das ÖSD-Zertifikat B2 erworben. Der BF verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse und kann sich verständlich ausdrücken. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, sollte jedoch nochmals sich einer Nasenoperation unterziehen.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, seit 2011 Mitglied und ab 2013 Assistenzsekretär (vor dem BFA), oder stellvertretender Generalsekretär im Polizeiverwaltungsbezirk (vor dem BVwG) der BNP gewesen zu sein.

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet wegen einer Anzeige („nach dem Antiterrorismusgesetz“) aus dem Jahr 2015 von der Polizei gesucht worden zu sein.

Es wird festgestellt, dass der BF 2016 während eines Heimaturlaubes in Bangladesch problemlos ein- und ausgereist ist, ebenso zur Beschaffung seines Visums (2014) zuvor.

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, während dieses Heimaturlaubes 2016 von Mitgliedern der Awami-League verfolgt und geschlagen worden zu sein. Es wird festgestellt, dass der BF als Beweismittel einen Zeitungsbericht, der auf ein Interview mit dem schwer verletzten BF beruht, vorgelegt zu haben.

Der BF legte in der Verhandlung vor dem BVwG am 29.06.2020 weitere bengalisch-sprachige Dokumente (in englischsprachiger Übersetzung) zum Beweis der politischen Verfolgung vor. Ebenso wollte der BF ein Video über eine politische Diskussion mittels USP vorlegen.

Sonstige Anzeigen oder eine sonstige politische Verfolgung sei nach Aussagen des BF nicht gegeben.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 6.4.2020

bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020

BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

DS – Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 6.4.2020

DS – Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 6.4.2020

DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

PA – Prothom Alo (8.9.2019): BNP to join upazila polls: Fakhrul, https://en.prothomalo.com/bangladesh/news/201499/BNP-to-join-upazila-polls-Fakhrul, Zugriff 6.4.2020

Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

HRW – Human Rights Watch (18.9.2019):

Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020

SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,

Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,

Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 06.04.2020

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 06.04.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteid

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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