Entscheidungsdatum
02.07.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
I408 2173067-1/15E
I408 2173069-1/13E
I408 2173072-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerden der XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, des XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. IRAK und der XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 07.09.2017, ZI. 1086555103/151307336, 1068512207/150507558 und 1086556405/151307344, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2020, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) sind irakische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist Mutter des mittlerweile volljährigen Drittbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF3 und BF4). Die Verfahren sind gemäß § 34 AsylG als Familienverfahren zu führen.
BF2, der mit seinem schon zum damaligen Zeitpunkt volljährigen Bruder schlepperunterstützt in Österreich einreiste, stellte am 14.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem Bruder wurde vom BFA der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Im Rahmen seiner Erstbefragung gab BF1 an, dass er den Irak verlassen habe, weil sein Vater vor zehn Jahren erschossen wurde und in seiner Heimat Krieg herrsche, weswegen er Angst um sein Leben hatte.
BF1, die zunächst in der Türkei zurückblieb, folgte dann mit ihrer Tochter (BF3) den beiden Söhnen nach und stellte am 09.09.2015 für sich und ihrer damals noch minderjährigen Tochter ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.
In ihrer Erstbefragung brachte BF1 vor, dass sie aus Mossul stamme und ihr Ehemann 2005 vor der Haustür von bewaffneten Personen erschossen worden sei. Im Irak würden sich Sunniten und Schiiten ohne Rücksicht auf Zivilisten bekriegen. Im Juli 2014 sei dann der IS eingedrungen und habe ihre Söhne zwangsrekrutieren und ihre Tochter versklaven wollen. BF3 gab dieselben Fluchtgründe an.
In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 24.07.2017 führte BF1 aus, dass der IS nach dem Einmarsch in Mossul den Menschen die Freiheit genommen habe. Der IS rekrutiere Kinder, bringe den Leuten den Umgang mit Waffen bei, vergewaltige und verkaufe Frauen. Sie habe nur ihr Geschäft gehabt, um ihre Familie zu ernähren, jedoch verbiete der IS Frauen ein Geschäft zu führen. Es habe Vollverschleierungspflicht geherrscht und sie habe das Haus nicht verlassen dürfen. Sie habe Angst gehabt ihre Kinder auf die Straße zu lassen. Persönlich sei sie jedoch nicht bedroht und verfolgt worden, weil sie sich an die Gesetze gehalten und die Stadt rechtzeitig verlassen habe. Bei einer Rückkehr fürchte sie sich vor der allgemeinen Sicherheitslage. Auch BF2 brachte keine persönliche Bedrohung vor. Es habe lediglich Gespräche mit IS-Angehörigen gegeben und er und seine Familie haben die Stadt noch rechtzeitig verlassen, bevor etwas passieren habe können.
Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 07.09.2017 wurde die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Es wurden den BF aber der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide) und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.09.2018 erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide).
Die am 09.10.2017 fristgerecht eingebrachten Beschwerde richten sich ausschließlich gegen Spruchpunkt I:
Am 10.06.2019 erfolgte beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der BF, ihrer Rechtsvertretung sowie einer Vertreterin des BFA. In dieser wiederholten die BF, dass ihr Ehemann bzw. Vater ermordet worden sei und schilderten die Situation in Mossul nach dem Einmarsch des IS. BF3 habe aus Angst vor Entführung durch den IS das Haus nicht mehr verlassen und der IS habe versucht, BF2 zu rekrutieren und ihn in diesem Zusammenhang mit einem Messer an der Hand verletzt habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF sind Staatsangehörige der Republik Irak. Ihre Identitäten stehen fest.
Die BF stammen aus XXXX , Mossul. BF1 arbeitete vor ihrer Ausreise selbstständig in einem Textilfachgeschäft, BF2 war als Elektriker, in einem Shisha-Lokal und im Geschäft seiner Mutter erwerbstätig. BF3 besuchte bis zu ihrer Ausreise 2014 die Schule.
Die BF sind strafrechtlich unbescholten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurden oder werden würden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF einer konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt waren oder eine solche zu befürchten hätten.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Einvernahmeprotokolle der BF sowie dem eingeholten Bescheid und Einvernahmeprotokoll aus dem Verfahren des ältesten Sohnes von BF1 zu Zl. 1068529803-150506551 und der Erörterung und Befragung der BF in der mündlichen Verhandlung am 10.06.2020.
Die Feststellungen zur Identität und Ihren Verhältnissen im Herkunftsstaat ergeben sich aus den Angaben der BF im Verfahren vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.
Die von allen drei geschilderte Lage nach dem Einmarsch der IS in Mossul ist glaubhaft und entspricht den dazu vorhandenen Informationen und wurde auch in der mündlichen Verhandlung erörtert.
Eine persönliche Verfolgung war und ist den Angaben der BF aber nicht zu entnehmen. Alle schildern übereinstimmend die damalige Lage („sie bringen Leute um“), Rekrutierungsversuche („sie haben Jugendliche und Männer rekrutiert; sie bringen den Leuten bei, wie man mit Waffen umgeht“) und die Situation der Frauen („sie verkaufen Frauen; Sie vergewaltigen Mädchen, Frauen werden verkauft; sie verbieten Frauen ein Geschäft zu führen; ich hatte Angst vor Entführungen“).
In der mündlichen Verhandlung brachte dann BF2 erstmals vor, dass er und sein Bruder von IS-Mitgliedern in den ersten Tagen nach ihrem Einmarsch in Mossul angesprochen und dabei mit einem Messer an der Hand verletzt wurde, worauf er blutverschmiert zu seiner Mutter gerannt wäre. Unabhängig davon, dass dieser Vorfall von seinem älteren Bruder, dem das BFA mit Bescheid vom 26.09.2016 der Status eines Asylberechtigten zuerkannte, mit keinem Wort in seiner Niederschrift vom 13.08.2015 erwähnt wurde, kam auch von den bei der Befragung anwesenden BF1 und BF3 keine Bestätigung. Daraus ist aber noch keine unmittelbare, persönliche Verfolgung abzuleiten. Hinzu kommt, dass BF2 vor dem BFA selbst von mehreren Rekrutierungsversuchen gesprochen hat, sodass dieses Vorbringen nur als ein weiterer Versuch gesehen wird, den gleichen Schutz wie sein älterer Bruder, der in Österreich mit den BF zusammenlebt, zu erhalten.
Eine asylrelevante Verfolgung gemäß § 3 AsylG ist den Schilderungen der BF damit nicht zu entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, vermochten die BF keine konkrete individuelle Verfolgung ihrer Person iSd Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Anhaltspunkte für das tatsächliche Vorliegen asylrelevanter Fluchtmotive sind weder im Verfahren vor dem BFA noch in jenem des Gerichts hervorgekommen.
Aus diesem Grund waren die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Familienangehöriger Familienverfahren Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit mündliche Verhandlung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2173072.1.00Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020