TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/3 W215 2149320-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2020
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Entscheidungsdatum

03.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch

W215 2149320-4/3E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2020, Zahl 1074828606-190830374 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. wird wegen entschiedener Sache als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkte II. bis VIII. stattgegeben und diese gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018,
§ 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, § 53 Abs. 1 und 2 FPG, in der Fassung
BGBl. I Nr. 68/2013, und § 55 Abs. 1a FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, behoben.

B)

Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Tochter illegal in das Bundesgebiet. Der Tochter wurde mittlerweile in Österreich Asyl gewährt. Das Verfahren des Sohnes ist inhaltlich mit diesem Verfahren verbunden, wird aber - aber auf Grund gewisser inhaltlicher Abweichungen - in einem eigenen Erkenntnis vom heutigen Tag, Zahl
W215 2149323-4/3E, entschieden.

1. Asylverfahren

Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn reisten zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet und stellten am 24.06.2015 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz. In ihrer Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin am selben Tag zu ihren Fluchtgründen an, Afghanistan ca. 1991 aufgrund des Krieges verlassen zu haben und in den Iran übersiedelt zu sein. Den Iran habe die Beschwerdeführerin verlassen, weil ihre Kinder dort nicht hätten arbeiten dürfen. Ihr Sohn gab zu seinen Fluchtgründen an, die Lebensumstände im Iran seien sehr schlecht gewesen. Die iranischen Behörden hätten ihn in den Krieg nach Syrien schicken wollen. Dies habe der Sohn jedoch nicht gewollt und daher den Iran verlassen.

In ihren niederschriftlichen Befragungen am 09.12.2015 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachten die Beschwerdeführerin und ihr Sohn zu ihren Fluchtgründen zusammengefasst vor, die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten Afghanistan 1991 aufgrund des Krieges und der Herrschaft der Taliban verlassen und seien in den Iran gezogen, wo der Sohn und die Tochter geboren worden seien. Im Iran sei die Familie jedoch nicht respektiert, sondern schlecht behandelt worden; als Afghane habe man im Iran keinerlei Rechte. Weder die Beschwerdeführerin, noch der Sohn oder die Tochter, hätten im Iran eine Arbeit finden können. Nach Afghanistan könnten sie nicht zurückkehren, weil dort nach wie vor Krieg herrsche und es keine (berufliche) Sicherheit gebe.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2017, Zahlen
1) 1074828606–150730389 (Beschwerdeführerin) und 2) 1074829004-150730443 (Sohn), wurden die ersten Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten
(Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. der Bescheide wurden den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß
§ 57 AsylG nicht erteilt, gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm
§ 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß
§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). In der Begründung der Bescheide wurde jeweils zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn nicht gelungen sei, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft zu machen. Zu Spruchpunkt II. wurde jeweils ausgeführt, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführer nach Afghanistan möglich und zumutbar sei, zumal sie in der Heimatprovinz der Erstbeschwerdeführerin XXXX über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Auch sei XXXX von Österreich aus mit dem Flugzeug gut erreichbar. Zudem bestehe die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe. Beim Sohn handle es sich um einen jungen arbeitsfähigen Mann. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass er bei einer Rückkehr imstande sei, für eine ausreichende Lebensgrundlage für sich und die Beschwerdeführerin zu sorgen.

In fristgerecht gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, sie wolle das freie Leben, welches sie in Österreich kennen und schätzen gelernt habe, nie wieder aufgeben. Aus diesem Grund komme eine Rückkehr nach Afghanistan für sie nicht in Frage. Ihr Sohn führte zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst aus, er habe für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan die konkrete Befürchtung, aufgrund seiner XXXX ins Visier der Taliban zu geraten. Viele XXXX würden von den Taliban entführt, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Zudem gehöre er der sozialen Gruppe jener Personen an, welche großteils im Iran aufgewachsen seien.

Diese Beschwerden wurden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2017, wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2018, Zahlen 1) W248 2149320-1/16E (Beschwerdeführerin) und 2) W248 2149323-1/13E (Sohn), abgewiesen und Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. In diesen Erkenntnissen wurde zusammengefasst festgestellt, dass die Beschwerdeführerin und ihr Sohn der Volksgruppe der Tadschiken angehören und sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam bekennen. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari. Die Beschwerdeführerin stammt aus XXXX , und verließ vor etwa 30 Jahren (alias ca. 1991) Afghanistan und lebte seitdem im Iran. Ihr Sohn wurde im Iran geboren. Dort besuchter er elf Jahre lang die Schule und hielt sich daraufhin eineinhalb Jahre in XXXX auf. Nach seiner Rückkehr in den Iran besuchte er fünf Jahre lang die Universität und schloss ein XXXX ab. Im Iran leben noch der Ehemann und die Schwestern der Beschwerdeführerin. In Afghanistan, XXXX , leben noch der Bruder der Beschwerdeführerin sowie ihre Schwiegermutter samt Familie. Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn stehen mit ihren Verwandten in Afghanistan und im Iran in regelmäßigem Kontakt. Die Beschwerdeführerin leidet an XXXX , wogegen sie Medikamente einnimmt. Ihr Sohn ist gesund.

Die Beschwerdeführerin ist verheiratet, hat eine Tochter und ihren Sohn; der Sohn ist ledig und kinderlos. Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn halten sich seit Juni 2015 in Österreich auf. Die Tochter der Beschwerdeführerin ist ebenfalls im Bundesgebiet aufhältig. Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn verfügen über soziale Kontakte in Österreich. Ihr Sohn hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 abgelegt, die Beschwerdeführerin besuchte einen Deutschkurs, hat aber noch keine Prüfungen abgelegt; beide nahmen an einem Werte- und Orientierungskurs teil. Ihr Sohn war ehrenamtlich beim XXXX tätig und besuchte im Schuljahr XXXX . Die Beschwerdeführer leben von der Grundversorgung und sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn in Afghanistan einer konkreten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sind oder eine solche im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätten. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer illegalen Einreise nach Österreich im Juni 2015 eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt und welche eine so intensive „westliche Orientierung“ begründen würde, dass deren Aufgabe für die Erstbeschwerdeführerin entweder unmöglich wäre oder ihr einen unzumutbaren Leidensdruck auferlegen würde. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Verbringung in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden. Begründend wurde auszugsweise wörtlich ausgeführt:

„… Die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Fluchtgründe widersprechen sich im Wesentlichen zwar nicht und erscheinen daher weder unglaubwürdig noch konstruiert, jedoch entsprechen sie nicht den Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, da dem Kernvorbringen der Beschwerdeführer (Schikanen und Diskriminierungen durch Iraner, schlechte Sicherheitslage und Berufsaussichten in Afghanistan) kein Vorbringen entnommen werden kann, welches eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, d.h. aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, darstellen würde (siehe rechtliche Beurteilung). Selbiges gilt für den vom Zweitbeschwerdeführer geschilderten Vorfall mit einem Reisenden während seines Aufenthalts in Afghanistan.

Das den Iran betreffende Fluchtvorbringen bezieht sich zudem nicht auf den Herkunftsstaat der Beschwerdeführer, sondern auf einen Drittstaat, weshalb dem diesbezüglichen Vorbringen bereits aus diesem Grund keine asylrechtliche Relevanz zukommt (siehe rechtliche Beurteilung).

Auch mit der vom Zweitbeschwerdeführer geäußerten generellen Befürchtung, als XXXX in Afghanistan von den Taliban entführt zu werden, wurde eine konkrete, gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung nicht dargetan.

Die von der Erstbeschwerdeführerin als möglicher Verfolgungsgrund angegebene „westliche Orientierung“ liegt nach Ansicht des erkennenden Gerichts eindeutig nicht vor. Von einer diesbezüglichen Orientierung konnte nämlich in der mündlichen Verhandlung bei der Erstbeschwerdeführerin nichts bemerkt werden. Auch wenn die Erstbeschwerdeführerin zu der Verhandlung ohne Kopftuch erschien, gilt es darauf hinzuweisen, dass daraus für sich alleine betrachtet noch nicht erkannt werden kann, dass die Erstbeschwerdeführerin von ihrer persönlichen Wertehaltung her nunmehr überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert wäre. So hat die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen ihres bald dreijährigen Aufenthalts noch keinen Deutschkurs abgeschlossen und auch hinsichtlich sonstiger Fortbildungsmaßnahmen keine Initiativen gesetzt. Der Erklärung, ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu wollen, kann angesichts der sehr bescheiden gebliebenen Integrationsbemühungen und der damit einhergehenden sozialen Abgrenzung (was wiederum letztlich auf eine faktische Abhängigkeit von ihren Kindern und ihrem Mann hinausläuft) nur wenig Glauben geschenkt werden.

Auch der behauptete Wunsch, eine Arbeit als XXXX finden zu wollen, lässt noch nicht erkennen, dass die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich einen Wertewandel durchgemacht hätte, der es ihr unzumutbar machen würde, in ihrer afghanischen Heimat zu leben. Die von ihr beschriebenen Aktivitäten (Lebensmitteleinkauf, Spaziergänge, Kochen, Haushaltstätigkeiten) lassen noch nicht erkennen, dass die Erstbeschwerdeführerin eine „westliche Orientierung“, der eine selbstbestimmte und selbstverantwortliche Lebensweise immanent ist, bereits stark verinnerlicht hätte. Die eben angeführten Aspekte, die die tatsächlich von der Erstbeschwerdeführerin gelebten Umstände widerspiegeln, stellen aber bedeutsamere Merkmale einer – letztlich inneren – Geisteshaltung dar als die plakativ nach außen wahrnehmbare Art der Bekleidung oder Frisur.

Auch kann aus den sehr allgemeinen Aussagen der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie in Österreich frei leben könne und dorthin gehen könne, wohin sie möchte, weder abgeleitet werden, dass sie eine selbstbestimmte „westliche“ Lebensweise anstrebt, noch kann dadurch eine Verinnerlichung einer „westlichen Lebensweise“ angenommen werden. Derart stereotype Aussagen müssten ansonsten automatisch dazu führen, dass Beschwerdeführerinnen in jedem Fall Asyl aufgrund der Zugehörigkeit zur „sozialen Gruppe Frauen“ zu gewähren wäre (vgl. Bundesverwaltungsgericht 09.12.2014, W123 2007531-1).

Zudem wirkte das Verhalten der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung einstudiert und aufgesetzt, sie wiederholte ständig vermeintlich zur Dokumentation einer „westlichen“ Orientierung dienende Aussagen, ohne dass der Eindruck entstanden wäre, die Erstbeschwerdeführerin hätte die Bedeutung dieser – wohl auswendig gelernten – Aussagen begriffen.

Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen und aus dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindruck von der Erstbeschwerdeführerin lässt sich ein Bestreben nach einer selbstbestimmten „westlichen Lebensweise“ bzw. eine Verinnerlichung einer solchen jedoch nicht ableiten, auch wenn sie mit ihrem optischen Auftreten, das im Widerspruch zum Gesamteindruck der Befragung stand, versucht haben mag, eine derartige Gesinnung glaubhaft zu machen.

Dass die Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, ergibt sich aus einer Zusammenschau der wiedergegebenen Länderberichte und den festgestellten persönlichen Umständen der Beschwerdeführer (siehe rechtliche Beurteilung)

[…]

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte von den Beschwerdeführern jedoch nicht glaubhaft gemacht werden.

Hinsichtlich des sich auf den Iran beziehenden Fluchtvorbringens (Schikanen und Diskriminierungen durch Iraner) ist anzumerken, dass eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen hier schon deshalb nicht besteht, weil sich die begründete Furcht vor Verfolgung auf jenes Land beziehen muss, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt (in diesem Fall Afghanistan). Die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt (VwGH 08.11.1989, 89/01/0338). Zudem ist eine Abweisung eines Asylantrages nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sich die vom Asylwerber konkret geschilderten, seine Person betreffenden Fluchtgründe nicht auf eine Bedrohung in seinem Herkunftsstaat beziehen, sodass insofern keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde (VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

Bei dem vom Zweitbeschwerdeführer geschilderten Vorfall mit einem Reisenden während seines Aufenthalts in Afghanistan handelt es sich weder um eine von einer staatlichen Behörde Afghanistans ausgehende noch um eine dem afghanischen Staat zurechenbare Verfolgung, die von den staatlichen Einrichtungen allenfalls auch geduldet würde. Eine Verfolgung aus Gründen, wie sie in der GFK genannt sind, liegt hier nicht vor.

Der Zweitbeschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde zudem vor, er gehöre der sozialen Gruppe „jener Personen …, welche großteils im Iran aufgewachsen sind“ an. In einer bestimmten „sozialen Gruppe“ befinden sich normalerweise Personen mit ähnlichem Hintergrund, Gewohnheiten oder sozialer Stellung. Der Ausdruck „soziale Gruppe“ wurde als Auffangtatbestand in die GFK eingefügt. Gewisse Überschneidungen zur Rasse, Religion und Nationalität sind in weiten Bereichen möglich.

Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie äußert sich ausführlich zur „sozialen Gruppe“: Eine Gruppe wird demnach dann zur „sozialen Gruppe“, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemeinsam haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.

Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie, die sexuelle Ausrichtung oder die Existenz eines (angeborenen) persönlichen Merkmals (z.B. Behinderung) oder aber die Geschlechtszugehörigkeit kann eine „soziale Gruppe“ ausmachen. Der „sozialen Gruppe“ ist eine Unabänderbarkeit durch den Betroffenen inhärent. Die Mitglieder haben die Zugehörigkeit nicht bewusst herbeigeführt, sondern gehören dieser aufgrund vorliegender persönlicher Eigenschaften an. Schon daraus ergibt sich, dass es sich bei der vom Zweitbeschwerdeführer geltend gemachten sozialen Gruppe „jener Personen …, welche großteils im Iran aufgewachsen sind“ nicht um eine „soziale Gruppe“ im Sinne der Statusrichtlinie bzw. der GFK handelt.

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin als afghanischer Frau ist im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan festzuhalten, dass sich jedenfalls keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben haben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat und "außer Frage" steht, dass gewisse Fortschritte gemacht wurden.

Bezogen auf Afghanistan führt die Eigenschaft des Frau-Seins an sich gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht zur Gewährung von Asyl. Lediglich die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, wird als asylrelevant erachtet.

In diesem Zusammenhang führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.06.2015, E 573/2015-9, aus:

„Die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten hängt davon ab, mit welchen Konsequenzen die Asylwerberin aufgrund ihrer Haltung im Herkunftsstaat zu rechnen hat und ob diese als Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind. Nach einer Stellungnahme des UNHCR von Juli 2003 sollten afghanische Frauen, von denen angenommen wird, dass sie soziale Normen verletzen oder dies tatsächlich tun, bei der Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (zur Indizwirkung dieser konkreten Empfehlung vgl. VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182 mwN). Daraus leitet der VwGH ab, dass einer afghanischen Frau Asyl zu gewähren ist, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommenen oppositionellen Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung droht. Es komme aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob sich eine Asylwerberin den gesellschaftlichen Normen ihres Heimatstaates anzupassen hat oder nicht (VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994; 16.01.2008, 2006/19/0182).“

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017-0018). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388).

Dabei führt nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301). So sprach der VwGH in diesem Erkenntnis aus, das Vorbringen, die Asylwerberin könne im Falle einer Rückkehr nach XXXX – ohne männliche Begleitung – nicht mehr den Freizeitsport Nordic Walking ausüben, ist für sich betrachtet jedenfalls kein Grund, ihr asylrechtlichen Schutz zu gewähren. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388).

Wie oben ausgeführt, konnte im Fall der Erstbeschwerdeführerin jedoch nicht festgestellt werden, dass diese seit ihrer Einreise nach Österreich im Juni 2015 eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, somit eine "westliche" Lebensführung angenommen hätte. Den bisherigen Aktivitäten bzw. der Lebensweise der Erstbeschwerdeführerin seit ihrer Einreise ist nicht zu entnehmen, dass diese einen "westlichen", selbstbestimmten Lebensstil pflegt. Auch eine entsprechende innere Wertehaltung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Infolgedessen verletzt die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht bzw nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung ihres derzeitigen Lebensstils) eine Verfolgung iSd GFK drohen würde. Soweit in Afghanistan vorherrschende Kleidungsvorschriften ins Kalkül zu ziehen sind, kam im Verfahren nicht hervor, dass die Erstbeschwerdeführerin bei Einhaltung dieser Vorschriften geradezu ihre Identität verleugnen müsste. Vielmehr gab die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung hierzu an, sich während ihres etwa dreißigjährigen Aufenthalts im Iran mehr oder minder damit abgefunden zu haben, Tschador oder Maghnee tragen zu müssen.

Auch aus der von den Beschwerdeführern als möglicher Verfolgungsgrund angeführten allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für die Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkte – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist (dies gilt gleichermaßen für die von den Beschwerdeführern angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

[…]

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:

Aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich, dass die XXXX als vergleichsweise sichere und über den dortigen Flughafen gut erreichbare Stadt anzusehen ist. In der XXXX werden militärische Operationen durchgeführt, um manche Gegenden (meist abgelegene Distrikte) von Aufständischen zu befreien. Eine allfällige Rückführung der Beschwerdeführer in diese Region ist folglich mit keiner ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden. Es kann ihnen daher eine Rückkehr dorthin zugemutet werden, zumal sie in XXXX über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen, und die Erstbeschwerdeführerin etwa die ersten 20 Jahre ihres Lebens und der Zweitbeschwerdeführer etwa eineinhalb Jahre dort verbracht haben.

Darüber hinaus besteht für die Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative für die XXXX . Dies aus nachfolgenden Erwägungen:

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der XXXX kann nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste.

XXXX ist für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, eine vergleichsweise sichere und über den Flughafen gut erreichbare Stadt. Aufgrund der vorliegenden Länderberichte ist XXXX als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Innerhalb XXXX existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Die afghanische Regierung behält jedoch die Kontrolle über XXXX , größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in XXXX verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahbereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der XXXX als ausreichend sicher zu bewerten ist.

Zudem ist nicht zu erkennen, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK), haben doch die Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihnen im Falle einer Rückführung nach Afghanistan jegliche Existenzgrundlage – im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059 – fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.

Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine arbeitsfähige Frau, bei der die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es ist daher anzunehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin sowohl in ihrer XXXX als auch in XXXX in der Lage sein wird, sich ein ausreichendes Auskommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen. Aufgrund ihrer Arbeitsfähigkeit hat sie die Möglichkeit, sich durch Hilfs- und Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern und ein „relativ normales Leben“ ohne unangemessene Härte zu führen (vgl. jüngst VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001-5 mit Hinweis auf UNHCR Richtlinien Nr. 4., Rz 22 ff und Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie [2009], 226 ff). Das BFA hat bereits (in der Verfahrensanordnung vom 14.02.2017) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erstbeschwerdeführerin Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann XXXX , wodurch sie Unterstützung für die Existenzgründung bei einer Rückkehr erlangen kann. Darüber hinaus verfügt die Erstbeschwerdeführerin in XXXX über familiäre Anknüpfungspunkte (Schwiegermutter, Bruder), aber auch durch ihre im Iran lebende Familie (als XXXX tätiger Ehemann, der bereits im Iran für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt hat, sowie ihre Schwestern) wird der Erstbeschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr jedenfalls eine wirtschaftliche Unterstützung zuteil werden. Ebenso ist zu erwarten, dass die Erstbeschwerdeführerin im Bedarfsfall durch ihren jungen, gesunden, arbeitsfähigen, akademisch gebildeten Sohn unterstützt werden kann.

Zu den gesundheitlichen Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin ist auszuführen, dass es sich hierbei nicht um dermaßen akute und schwerwiegende Erkrankungen handelt, welche im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten.

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat auch - aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist - vgl. dazu etwa VwGH 10.12.2009, 2008/19/0809 ua. und VwGH 28.04.2010, 2008/19/0139 ua.). Letzteres ist hier der Fall: Aus den herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich, dass eine Behandlung solcher Erkrankungen, wie sie die Erstbeschwerdeführerin vorgebracht hat, zumindest in XXXX möglich ist. Das Bestehen von Behandlungsmöglichkeiten einer XXXX sowie die Verfügbarkeit der hierfür benötigten Medikamente in Afghanistan ergeben sich außerdem auch aus einer vom BFA in das Verfahren eingebrachten Anfragebeantwortung vom Bundesasylamt vom 19.03.2013.

Beim Zweitbeschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Dadurch, dass der Zweitbeschwerdeführer im Iran mit seiner afghanischen Familie zusammenlebte sowie aufgrund eines eineinhalbjährigen Aufenthalts bei seiner Familie in XXXX , ist er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates hinreichend vertraut. Der Zweitbeschwerdeführer verfügt über eine Schulbildung sowie ein abgeschlossenes Universitätsstudium XXXX . Es ist daher anzunehmen, dass der Zweitbeschwerdeführer zumindest in XXXX in der Lage sein wird, sich ein ausreichendes Auskommen zu sichern und somit nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal er jedenfalls eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung durch seine in XXXX lebende Familie (Großeltern, Onkel), aber auch durch seine im Iran lebenden Familienangehörigen (Vater und Tanten), finden wird. Zudem steht auch ihm eine Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe ( XXXX zur Verfügung.

Auch wenn der Zweitbeschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens im Iran verbracht hat, ist davon auszugehen, dass er sich in Kenntnis der Sprache Dari (somit eine der beiden Amtssprachen Afghanistans) und der afghanischen Kultur rasch Kenntnisse über die dortigen (insbesondere infrastrukturellen) Gegebenheiten aneignen kann. Zudem gehört der Zweitbeschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Eine Rückkehr nach Afghanistan und insbesondere nach XXXX ist dem Zweitbeschwerdeführer daher durchaus zumutbar.

Im gegenständlichen Fall haben sich in einer Gesamtschau der Angaben der Beschwerdeführer und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass unmittelbar nach erfolgter Rückkehr Gefahren drohen, die nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für die Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: zB Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, Zl. BVerwG 10 C 10.09; weiters EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 84; 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 48839/09, Rz 55).

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht ihnen in ihrem Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten, von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide gemäß
§ 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

[…]

Die Beschwerdeführer sind zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund ihrer Anträge auf internationalen Schutz, die sich als nicht begründet erwiesen haben, berechtigt gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass ihnen ein nicht auf asylrechtliche Bestimmungen gestütztes Aufenthaltsrecht zukäme, sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus sind keine Hinweise für eine ausreichend intensive Beziehung zu in Österreich aufhältigen, ihnen besonders nahestehende Personen hervorgekommen, zumal ihre Familienangehörigen – bis auf die Tochter der Erstbeschwerdeführerin – im Iran und in Afghanistan leben.

Im Hinblick auf die Zeitspanne, in der sich die Beschwerdeführer bereits in Österreich aufhalten (ab Juni 2015), kann selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale – wie etwa eine durch den Zweitbeschwerdeführer abgelegte Deutschprüfung A1, Besuch eines Werte- und Orientierungskurses, ehrenamtliche Tätigkeiten und Besuch einer XXXX hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers sowie der Besuch eines Deutschkurses und eines Werte- und Orientierungskurses hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin – eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, 2008/21/0533; VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse der Beschwerdeführer am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, 2007/18/0305), zu geben ist.

Die Beschwerdeführer gehen in Österreich keiner geregelten Arbeit nach und leben von der Grundversorgung. Im Übrigen bewirkt der Umstand, dass die Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden sind, keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Es ist davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im Fall der Beschwerdeführer geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig ...“

Diese Erkenntnisse wurden den Beschwerdeführern am 09.04.2018 zugestellt und erwuchsen damit in Rechtskraft.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 12.06.2018, Ra 2018/01/0254 bis 0255-4, wurde auf Grund beim Verwaltungsgerichtshof gegen diese Erkenntnisse vom 03.04.2018, Zahlen 1) W248 2149320-1/16E (Beschwerdeführerin) und 2) W248 2149323-1/13E (Sohn), fristgerecht außerordentliche Revisionen zurückgewiesen.

2. Asylverfahren

Nach rechtskräftigem Abschluss der ersten Asylverfahren kamen die Beschwerdeführer ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern blieb illegal in Österreich und stellten am 07.08.2018 die zweiten (Folge) Anträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich ihrer Erstbefragung am selben Tag gaben die Beschwerdeführerin und ihr Sohn zu ihren Fluchtgründen befragt, an, der volljährigen Tochter der Beschwerdeführerin sei der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden und die Beschwerdeführerin wolle in Österreich bei ihrer Tochter leben. Im Zeitpunkt der ersten Antragstellung habe die Beschwerdeführerin ihre Verfolgung nicht nachweisen können, nunmehr verfüge sie aber über Dokumente, mit denen sie eine ihr drohende Verfolgung nachweisen könne. Diese Dokumente könne sie bei Bedarf auch vorlegen.

Ihr Sohn sei in Afghanistan gegen seinen Willen mit einer Frau verheiratet worden sei, deren Familie streng religiös sei. Ihr Sohn sei aber damals bereits ohne Religionsbekenntnis gewesen. Er habe keine Wahl gehabt, er habe sie heiraten müssen, da dies bereits nach seiner Geburt beschlossen worden sei. Den Vater seiner Frau habe es gestört, dass der Sohn nicht streng gläubiger Moslem sei. Sein Schwiegervater habe gemeint, dass der Beschwerdeführer eine Schande für ihn darstelle. Er habe dann deshalb einen Streit mit seiner Ehefrau gehabt. Da ihn sein Schwiegervater mit dem umbringen bedroht habe, sei der Sohn aus XXXX weggelaufen. Seine Familie habe zu diesem Zeitpunkt bereits im Iran gelebt. Der Schwiegervater habe die Familie des Beschwerdeführers angerufen und sie und der Sohn mit dem Umbringen bedroht. Ihr Sohn habe auch nicht mehr in XXXX bleiben können, da der Schwiegervater überall nach ihm gesucht habe und ihn habe umbringen wollen. Deshalb habe der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen. Als Beleg für seine Behauptungen legte der Sohn eine (schlechte) Kopie einer Heiratsurkunde vor. Die nunmehr angegebenen Fluchtgründe habe der Sohn in seinem ersten Asylverfahren nicht genannt, weil er sie nicht nachweisen habe können. Nun liege ihm jedoch seit eineinhalb Monaten die Heiratsurkunde vor, sodass er jetzt einen neuerlichen Asylantrag stelle.

In den niederschriftlichen Befragungen am 05.09.2018 wurden die Beschwerdeführerin und ihr Sohn zu den Grünen für die zweiten Asylantragstellungen befragt. Die Beschwerdeführerin gab zusammengefasst an, in ihrem Leben habe sich seit der rechtskräftigen Entscheidung nichts geändert. Vom Schwiegervater von des Sohnes gehe eine Bedrohung aus. Dieser habe gesagt, er werde sie alle töten, da der Sohn „keinen Glauben hatte, nicht betete du fastete, deswegen wurde er bedroht und ist geflüchtet“. Auf nähere Nachfrage präzisierte die Beschwerdeführerin dies wie folgt; „[M]ein Sohn und meine Schwiegertochter [waren] füreinander versprochen, vor sieben Jahren haben sie im Iran geheiratet. Er lebte nach der Heirat im Iran ca. ein Jahr, danach weil er keinen Job hatte, sagte der Schwiegervater, dass er nach Afghanistan gehen sollte um zu studieren oder für einen Job, weil die Afghanen das im Iran nicht dürfen. Er ging mit den Schwiegereltern und seiner Frau nach Afghanistan und dort ca. 1,5 Jahre. Mein Sohn war mit der Heirat nicht einverstanden, meine Schwiegertochter schon. Nachgefragt kann man sich gegen eine solche Vereinbarung in Afghanistan nicht wehren.“ Auf die Frage, warum sie glaube, dass ihr Sohn bisher nicht vorgebracht hatte, dass er verheiratet ist, beantwortete die Beschwerdeführerin: „Weil wir keinen Beweis hatten. [… D]ie Schwiegereltern [haben] den Tanten gesagt, die Sachen meines Sohnes abzuholen. Der Sohn meiner Schwester schickte die Unterlagen per Telefon an meinen Sohn. [M]ein Sohn und wir (die Eltern) [wurden] von den Schwiegereltern bedroht.“

Ihr Sohn gab an, seine afghanischen Schwiegereltern seien ebenso wie die Bevölkerung sehr gläubig gewesen, während er selbst aber keinen Glauben gehabt habe. Das habe keiner gewusst, aber in der Zeit des Ramadan sei es aufgefallen, dass er nicht gebetet und gefastet habe. Es habe Diskussionen mit seiner Frau und seinen Schwiegereltern gegeben, und seine Schwiegereltern hätten ihm gesagt, wenn die Leute wissen, dass er nicht bete und faste, wäre das eine Schande für seine Schwiegereltern. Eines Abends habe es einen Streit mit seiner Ehefrau gegeben, nach welchem der Beschwerdeführer in der Wohnung Möbel zerstört habe. Seine Nachbarn hätten davon erfahren, sogar der Dorfmullah habe davon erfahren und habe wissen wollen, ob der Beschwerdeführer „diese Ideologie verbreite an andere“, und er habe sich an die Polizei wenden wollen. Auf die Frage, warum der Sohn in seinem ersten Asylverfahren erklärt habe, Moslem zu sein, führte der Sohn aus, er habe damals nicht gewusst, dass man offen sprechen könne. Nachdem der Sohn 2016 einen Kurs besucht habe, habe er gewusst, dass er frei sprechen könne. Seine Ehe habe P2 im ersten Verfahren nicht erwähnt, da er keine diesbezüglichen Dokumente gehabt habe und daher nicht hätte sagen können, dass er verheiratet sei. Ihr Sohn bekräftigte nochmals, dass sich seit der rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren nichts Wesentliches in seinem Leben geändert habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019, Zahlen
(Beschwerdeführerin) und 2) (Sohn)07.08.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihr nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkte V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkte VI.).

Gegen diese Bescheide fristgerecht erhobene Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 1) 12.02.2019 (Beschwerdeführerin) und 2) 04.02.2019 (Sohn), Zahlern 1) W230 2149320-2/4E (Beschwerdeführerin) und 2) W248 2149323-2/3E (Sohn), in den Spruchpunkten I. als unbegründet abgewiesen und in Spruchpunkten II. die Anträge auf Zuerkennung von aufschiebender Wirkung zurückgewiesen. Revisionen wurden gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Im Erkenntnis von P1 wurde festgestellt, dass neues (relevantes) Tatsachenvorbringen und neue Tatsachen, die eine gegenüber der rechtskräftigen Entscheidung vom 03.04.2018 in wesentlichen Punkten geänderte Sachlage begründen, nicht gegeben sind. Weiters konnte auch eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht festgestellt werden. Begründend wurde dazu auszugsweise ausgeführt: „…Als Vergleichsentscheidung ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN), hier also das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2018. In diesem Erkenntnis wurde für die Beschwerdeführerin zur Begründung der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch bezüglich der Gewährung von subsidiärem Schutz (unter anderem) eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in XXXX angenommen, wobei darauf abgestellt wurde, dass XXXX relativ (ausreichend) sicher und auch für die Beschwerdeführerin sicher erreichbar sei (S. 66) und dass ihr dort als erwerbsfähiger Frau, unter Berücksichtigung der Rückkehr ihres Sohnes (dessen Verfahren gleichzeitig negativ erledigt wurde), zur Verfügung stehender Rückkehrhilfe, aber auch möglicher Hilfeleistungen durch Familienangehörige im Iran (S. 68) ein „relativ normales Leben“ möglich wäre.

In einem solchen Fall einer weiblichen afghanischen Staatsangehörigen aus der Herkunftsprovinz XXXX , die sich zur sunnitischen Richtung des Islam bekennt und der tadschikischen Volksgruppe zugehörig ist, folgt aus den seit Ergehen der zuletzt gegenüber der Beschwerdeführerin getroffenen rechtskräftigen Entscheidung (03.04.2018) hervorgekommenen Länderberichten (inklusive der UNHCR-Richtlinien 2018) nichts, was auf eine seit diesem Zeitpunkt eingetretene Lageänderung hinweisen würde, die bereits unabhängig von einem neuen individuellen Vorbringen aus der Sphäre der Antragstellerin Relevanz hätte und eine schon von Amts wegen wahrzunehmende geänderte Sache begründen könnte. Auch in der – von einem Rechtsanwalt verfassten – Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid wird nicht dargetan, in welchen Punkten sich die tatsächliche Lage vor Ort seit 03.04.2018 konkret geändert habe. Für sich genommen ist das Hervorkommen neuer Berichte über die Lage mit einer Veränderung der Lage nicht gleichzusetzen. Der Hinweis auf die UNHCR-Richtlinien 2018 als solcher ist ein Verweis auf ein neues Beweismittel. Aus diesen Richtlinien ist nicht die Aussage ableitbar, dass sich die Lage seit 03.04.2018 in einer für die Beschwerdeführerin relevanten Weise geändert hat. Es handelt sich dabei um eine – zum Teil neue – Bewertung einer Vielzahl von Beweismitteln (zB Berichten), von denen viele bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses vom 03.04.2018 vorlagen, insbesondere jene zur Lage in XXXX , die im Erkenntnis vom 03.04.2018 aber so bewertet wurden, dass der Beschwerdeführerin eine Niederlassung in XXXX zumutbar sei. Die UNHCR-Richtlinien 2018 sind daher für sich genommen nicht geeignet, eine seit 03.04.2018 eingetretene Lageänderung darzutun (uzw. auch nicht mit Blick auf die die Landwirtschaft u.a. in XXXX treffende Dürresituation, weil die Beschwerdeführerin nicht auf landwirtschaftliches Einkommen angewiesen ist und die Berichtslage diese Problematik nicht auch – etwa im Sinne einer Hungersnot – auf die Gesamtbevölkerung bezieht). Umso weniger sind sie geeignet, eine Lageänderung darzutun, die schon ohne zusätzliches neues individuelles Vorbringen der Antragstellerin (also bereits von Amts wegen) zur Annahme einer „neuen Sache“ zwänge. Die belangte Behörde hatte (und das Bundesverwaltungsgericht hat) daher keine Verpflichtung, schon von Amts wegen eine geänderte Sache anzunehmen.

[…]

Daraus folgt, dass die erst in der Beschwerde (nicht aber bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren) neu vorgebrachte Tatsache einer inzwischen weiter verfestigten „westlichen Orientierung“ und die erst in der Beschwerde vorgebrachten Hinweise auf Änderungen infolge der am 31.08.2018 erschienenen UNHCR-Richtlinien im Beschwerdeverfahren unbeachtlich sind und nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Zurückweisungsbescheides führen können (dazu, dass die aktuelle Berichtslage nicht bereits als „allgemeine Tatsache“ zur amtswegigen Pflicht der Berücksichtigung als neue Tatsache führt, siehe oben). Dasselbe gilt für die (erst in der Beschwerde) vorgebrachte Verschlechterung der gesundheitlichen Lage, die sich außerdem laut dem ausdrücklichen Vorbringen der Beschwerde nicht auf die Beschwerdeführerin bezieht (diese wird in der Beschwerde als „BF2“ bezeichnet), sondern auf den „BF1“, also ihren Bruder (dessen Verfahren der Gerichtsabteilung W248 zugewiesen wurde). Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beschwerde in diesem Punkt ungenau war, sich in der Bezeichnung vergriffen hat und in Wirklichkeit auf die Beschwerdeführerin („BF1“) Bezug nehmen wollte, wurde dieses Vorbringen in dem von der Verwaltungsbehörde zu prüfenden Folgeantrag noch nicht erstattet, so dass es im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Davon abgesehen ist das Vorbringen unsubstantiiert.

Zu den bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren als Begründung des Folgeantrags vorgebrachten Tatsachen ist auszuführen, dass es sich dabei nicht um das Vorbingen neuer Tatsachen handelt, sondern um die Behauptung, dass zu einer bereits im Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung existierenden Verfolgungs- oder Bedrohungssituation nunmehr erstmals Beweismittel vorlägen. Daran ändert auch die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung nichts, dass dieses Vorbringen im ersten Verfahren deswegen unterblieben sei, weil die Beschwerdeführerin „Angst hatte, dass niemand [ihr] glauben wird, ohne etwaige Beweismittel vorzulegen“.

[…]

Sowohl mit Blick auf die rechtskräftig entschiedene Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigte als auch mit Blick auf die rechtskräftige Nichtgewährung des Status der subsidiär Schutzberechtigten kam es somit weder in der maßgeblichen Sachlage noch in den anzuwendenden Rechtsnormen zu einer Änderung, aufgrund derer eine andere rechtliche Beurteilung des Vorbringens möglich gewesen wäre.

Die belangte Behörde durfte keine neue Sachentscheidung treffen, sodass sie den gegenständlichen Folgeantrag zutreffend wegen entschiedener Sache zurückwies.

[…]

Auch wenn sich die Beschwerdeführerin vor ihrer Reise nach Österreich mehrere Jahre bereits im Iran aufgehalten hat, wurde sie in Afghanistan geboren und ist dort im Kreise ihrer afghanischen Familie aufgewachsen und wurde dementsprechend sozialisiert. Die Beschwerdeführerin verfügt nicht nur im Iran, sondern auch noch in ihrer Heimatprovinz über Verwandte, mit denen sie nach wie vor in Kontakt steht. Mit der afghanischen Kultur ist sie daher jedenfalls vertraut.

Die Beschwerdeführerin reiste im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein. Was ihren Aufenthalt im Bundesgebiet betrifft, ist festzuhalten, dass dieser allein dadurch gerechtfertigt war, dass sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, der mit dem rechtkräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2018 als unbegründet abgewiesen wurde. Der daraus resultierenden Ausreiseverpflichtung binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieser Entscheidung kam die Beschwerdeführerin nicht nach, sondern stellte am 07.08.2018 den nunmehrigen Folgeantrag. Die Beschwerdeführerin verfügte außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes im Asylverfahren nie über ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

Die Dauer des vorliegenden Asylverfahrens liegt mit etwas mehr als dreieinhalb Jahren nicht erheblich über dem, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist (vgl. VfSlg. 19.752/2013; § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG).

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und war auch noch nie erwerbstätig. Sie hat sich noch nie ehrenamtlich engagiert und ist auch nicht Mitglied in einem Verein. Dass die Beschwerdeführerin abgesehen von ihren Bemühungen Deutsch zu lernen und der Teilnahme an einem Werte- bzw Orientierungskurs sonstige Integrationsschritte gesetzt hätte, konnte nicht festgestellt werden, weshalb auch von keiner stark verfestigten Integration im sozialen Leben in Österreich ausgegangen werden kann (§ 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG). Zu beachten ist weiters, dass sich die Beschwerdeführerin (und auch ihr soziales Umfeld in Österreich) sämtliche in Österreich unternommenen Schritte, Dispositionen und Bindungen zu ihr allesamt in einer Phase unternommen hat, in der sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten (§ 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG), was bei der hier eingehaltenen Asylverfahrensdauer (§ 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG) entsprechend stark in die Waagschale fällt. Dass sich die nach Art. 8 EMRK zu beachtenden Umstände seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens maßgeblich geändert hätten, behauptet die Beschwerdeführerin nur mit Blick auf die Tatsache, dass ihre in Österreich lebende (erwachsene) Tochter nunmehr asylberechtigt sei.

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Tochter der Beschwerdeführerin inzwischen asylberechtigt ist lässt sich aber (auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass diese Tochter bereits erwachsen ist) unter Berücksichtigung der Umstände des Falles bei einer gewichtenden Gegenüberstellung der vorhandenen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich mit den erwähnten öffentlichen Interessen (unter erschwerender Veranschlagung der Verletzung der rechtskräftig festgestellten Ausreiseverpflichtung) nicht sagen, dass der mit der Rückkehrentscheidung verbundene Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin unverhältnismäßig wäre.

Aus diesem Grund sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG nicht gegeben und ging die belangte Behörde zu Recht davon aus, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig ist.

[…]

Das Bundesverwaltungsgericht geht überdies davon aus, dass Umstände, die im Abschiebungsfall zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK führen würden, aber für eine Zuerkennung von subsidiären Schutz nicht in Betracht kommen (zu dieser Trennung siehe VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106), beim Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG zu berücksichtigen wären. Dass derartige Umstände vorliegen, ist im Verfahren allerdings nicht hervorgekommen.

[…]

Zur Beurteilung im Lichte des § 52 Abs. 9 FPG kann daher – zumal dazu auch nichts gesondert vorgebracht wurde und auch (iSd. § 50 Abs. 3 FPG) keine Empfehlung des EGMR vorliegt – auf die Ausführungen iZm. § 8 AsylG verwiesen werden (vgl. auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht.

Im Fall einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG, besteht gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Wie bereits ausgeführt, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall den Folgeantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zu Recht zurückgewiesen und ist die Beschwerde somit auch soweit sie sich gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides richtet als unbegründet abzuweisen.

[…]

Gemäß § 17 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung nach Abs. 1 oder gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG binnen acht Wochen zu entscheiden.

Die genannten Vorschriften sehen jedoch kein Antragsrecht des Asylwerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor. Ausgehend davon kam der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall kein Antragsrecht in Bezug auf die begehrte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu. Aus diesem Grund war der Antrag zurückzuweisen (vgl. dazu auch VwGH vom 21.02.2017, Fr 2016/18/0024) …“

Im Erkenntnis von des Sohnes wurde zusammengefasst ausgeführt, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Sohn an schweren psychischen Störungen und/oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leidet. Ihr Sohn lebt seit (späteste

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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