TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/7 W178 2221787-1

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Veröffentlicht am 07.07.2020
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Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §2
FPG §52 Abs5
FPG §53 Abs3

Spruch

W178 2221787-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin. Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch seinen Erwachsenenvertreter, RA Dr. Wolf Dietrich MAZAKARINI, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl: 645974002-181049843 vom 19.06.2019, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.10.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., II., III. und V. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Herr XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer bzw. Bf), ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans ist im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie nach Österreich eingereist und seit Mitte 2001 im österreichischen Bundesgebiet behördlich gemeldet. Er verfügt seit 2008 über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) wurde mit Verständigung vom 11.05.2017 von der zuständigen Niederlassungsbehörde (MA 35) mit einer Anfrage gemäß § 28 NAG (Rückstufung eines unbefristeten Aufenthaltsrechts) betraut. Aufgrund der Einträge im Strafregister wurde ein amtswegiges Verfahren zur Prüfung bzw. Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot eingeleitet.

3. Am 03.09.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das BFA in der Sprache Dari niederschriftlich einvernommen und hinsichtlich Artikel 8 EMRK befragt. Er gab an, ledig zu sein, keine Kinder zu haben und einen Bruder in Österreich zu haben.

4. Mit Beschluss vom 25.06.2018 bestellte das Bezirksgericht Leopoldstadt Dr. Wolf MAZAKARINI zum Sachwalter des Beschwerdeführers für die Vertretung vor Gerichten und die Verwaltung von Vermögen.

5. Der Beschwerdeführer brachte am 02.10.2018 einen Verlängerungsantrag für seinen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ ein.

6. Nach erfolgloser Ladung zu einer weiteren Einvernahme am 20.12.2018 versuchte das BFA dem Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zuzustellen. Nach mehreren gescheiterten Zustellversuchen an den Beschwerdeführer, fand das BFA heraus, dass ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt worden war. Das BFA übermittelte in der Folge dem Erwachsenenvertreter am 18.02.2019 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Das BFA räumte eine Frist zur Stellungnahme binnen 14 Tagen ein, die ungenutzt verstrich.

7. Am 15.04.2019 stellte das BFA dem Erwachsenenvertreter neuerlich eine Verständigung zu. Diesbezüglich brachte der Erwachsenenvertreter am 25.04.2019 eine Stellungnahme ein. Darin bestreitet der Beschwerdeführer, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu sein und ersucht das BFA von der Erlassung eines Einreiseverbotes abzusehen.

8. Mit Bescheid vom 19.06.2019, erließ das BFA eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Sie gewährte keine Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt III.), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.) ab und verhängte ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.).

9. Gegen diesen Bescheide brachte der Beschwerdeführer durch seinen Erwachsenenvertreter fristgerecht am 09.07.2019 Beschwerde. Darin ficht er den Bescheid zur Gänze an und macht insbesondere eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

10. Mit Beschluss vom 31.07.2019 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.10.2019 zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Erwachsenenvertreters befragt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde ordnungsgemäß geladen, ein Vertreter des Bundesamtes nahm entschuldigt nicht teil. In der Verhandlung bekräftigte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bisherigen Angaben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:


1.1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger und wurde in der Stadt Kabul in Afghanistan am XXXX geboren. Seine Muttersprache ist Deutsch, die Muttersprache seiner Eltern ist Farsi/Dari. Im Alter von zwei Jahren kam er gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern nach Österreich. Zwei weitere Geschwister wurden in Österreich geboren. Bis zum Alter von 6 Jahren lebte er mit seiner Familie in einem gemeinsamen Haushalt, später lebte er abwechselnd in einem Krisenzentrum, in einer Wohngemeinschaft oder bei seiner Familie. Er wurde auch in verschiedenen Kriseneinrichtungen betreut. Der Beschwerdeführer lebte durchgehend in Österreich. Der Vater des Bf verstarb 2014.

1.1.2. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt ebenso in Österreich. Für sie wurde in Angelegenheiten der Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, der Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten und der Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen mit Beschluss des Pflegschaftsgerichtes vom 11.01.2016 RA Dr. Wolf Dietrich MAZAKARINI als Sachwalter (Erwachsenenvertreter) bestellt.

1.1.3. Mit Beschluss des Pflegschaftsgerichtes Leopoldstadt vom 25.06.2018 wurde RA Dr. Wolf Dietrich MAZAKARINI auch zum Sachwalter (Erwachsenenvertreter) des Beschwerdeführers in Angelegenheiten der Vertretung vor Gerichten sowie der Verwaltung von Vermögen bestellt.

1.1.4. Der Beschwerdeführer lebt derzeit bei seiner Mutter. Für die Mutter wurde ebenfalls ein Erwachsenenvertreter bestellt. Zu seinen Geschwistern hat er derzeit keinen Kontakt. Weiters befinden sich einige Cousins des Beschwerdeführers in Österreich, mit denen er in regelmäßigem Kontakt steht.

1.1.5. Der Beschwerdeführer hat in Österreich vier Jahre lang die Volksschule und anschließend die Hauptschule besucht, allerdings ohne Schulabschluss. Der Beschwerdeführer hat eine Lehre als Restaurantfachmann (Kellner) begonnen und nach einiger Zeit wieder abgebrochen. Er hat einen Motivationskurs und einen Kurs zur Arbeitsmarkt-Vorbereitung beim AMS absolviert.

1.1.6. Der Beschwerdeführer wurde bisher sechsmal rechtskräftig verurteilt. Es handelt sich sämtlich um Jugendstraftaten, deren Strafhöhe von 1 bis 16 Monaten Freiheitsstrafe reicht. So wurde er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18.08.2014 wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB, des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, des Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall SMG, § 15 StGB, des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 2. Fall und Abs 2 SMG, des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahles teils durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2, 130 erster Fall, 15 StGB und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten (davon 12 Monate bedingt auf 3 Jahre und 4 Monate unbedingt) verurteilt. Mildernd wirkten sich dabei seine vorhergehende strafrechtliche Unbescholtenheit, das umfassende Geständnis sowie der Umstand aus, dass es bei den Taten teilweise beim Versuch geblieben ist. Erschwerend wertete das Gericht das Zusammentreffen von Verbrechen mit Vergehen, die Vielzahl der Angriffe sowie die neuerliche Delinquenz bei bereits anhängigem Strafverfahren trotz verspürtem Haftübel nur wenige Tage nach Enthaftung.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.11.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten unterlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall und Abs 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Mildernd wertete das Gericht die teils überschießend geständige Verantwortung als Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie den Umstand, dass es bei den Taten teilweise beim Versuch geblieben ist. Erschwerend wertete das Gericht die einschlägige Vorstrafe und den raschen Rückfall.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30.07.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall, Abs 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Mildernd wertete das Gericht das Geständnis sowie den Umstand, dass es bei den Taten teilweise beim Versuch geblieben ist. Erschwerend wertete das Gericht den sofortigen Rückfall, die zwei einschlägigen Vorstrafen sowie die Tatbegehung bei anhängigem Verfahren.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.07.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall, Abs 2a und Abs 3 SMG und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Mildernd wertete das Gericht den Umstand, dass es bei den Taten teilweise beim Versuch geblieben ist sowie die ungünstige Erziehungssituation des Beschwerdeführers. Erschwerend wertete das Gericht die drei einschlägigen Vorstrafen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 03.05.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall, Abs 2a und Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt. Mildernd wertete das Gericht das Geständnis, erschwerend die fünf einschlägigen Vorstrafen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12.09.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 03.05.2017 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 1 Monat verurteilt. Mildernd wertete das Gericht das umfassende Geständnis, erschwerend die einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen.

Seit seiner letzten Verurteilung im Jahre 2017 weist er drei weitere Anzeigen auf.

2.       Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere aus den übermittelten Urteilsausfertigungen des Landesgerichts fürs Strafsachen Wien sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 22.10.2019.

Geburtsdatum, -ort und Staatsangehörigkeit ergeben sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Ebenso ergeben sich daraus durchgehende Haupt- bzw. Nebenwohnsitze in Österreich seit dem August 2001, sohin dem zweiten Lebensjahr des Beschwerdeführers.

Entgegen seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung ist Deutsch als seine Muttersprache zu sehen; das ergibt sich auch daraus, dass er den Großteil seines bisherigen Lebens nicht in der Herkunftsfamilie verbracht hat, sondern in österreichischen Familien und Einrichtungen.

Bezüglich seiner familiären Verhältnisse machte der Beschwerdeführer bei der Einvernahme durch das BFA vom 03.09.2017 und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 22.10.2019 teils widersprüchliche Angaben. So gab er in der Einvernahme an, dass lediglich ein Bruder in Österreich lebe und seine Eltern und drei Geschwister in Afghanistan leben würden. Dies steht allerdings im Widerspruch zu seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, wo er angab, dass er gemeinsam mit seiner Mutter in Österreich lebe, sein Vater vor fünf Jahren (also bereits 2014) verstorben sei und seine Geschwister in Österreich lebten. Dass seine Mutter in Österreich lebt kann anhand der gerichtlichen Bestellung eines Erwachsenenvertreters nachvollzogen werden. Auch weitere im Rahmen der Einvernahme durch das BFA gemachte Angaben, wie etwa die Behauptung, sich (erst) seit 8 Jahren im Bundesgebiet aufzuhalten, entsprechen nachweislich nicht den Tatsachen. Generell lässt sich aufgrund der fehlerhaften Protokollierung der Einvernahme durch das BFA weder das Ende der Amtshandlung, noch ihre genaue Dauer feststellen – aus dem Umfang des Protokolls lässt sich aber auf eine vergleichsweise kurze Einvernahme von wenig Minuten schließen. Darüber hinaus scheinen bei der Wiedergabe des Standes des Ermittlungsverfahrens Kopierfehler vorzuliegen und überdies ein Dolmetscher bestellt worden zu sein, obwohl der Beschwerdeführer seit seinem zweiten Lebensjahr in Österreich lebt und seine Schulausbildung hier absolviert hat. Die mündliche Verhandlung vor dem BVwG fand demgegenüber in Deutsch (sohin ohne Risiko einer Verfälschung durch die Übersetzung) statt und dauerte über eine Stunde. Vor diesem Hintergrund erscheinen die in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben hinsichtlich der familiären Verhältnisse glaubhafter. Im Übrigen war bei der Vernehmung vor dem BVwG sein Erwachsenenvertreter anhängig, der die Einvernahme des Bf ausdrücklich empfahl und der die Angaben im Bedarfsfall korrigiert hätte.

Die strafrechtlichen Verurteilungen samt Milderungs- und Erschwernisgründen ergeben sich zweifelsfrei aus den übermittelten gekürzten Urteilsausfertigungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien.

2.       Rechtliche Beurteilung:

3.1 Gesetzliche Grundlagen

§ 52 Abs 5 FPG lautet:

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

§ 53 FPG Abs 3 FPG lautet:

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.

ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.

ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.

ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.

ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.

ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.

auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.

auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8.

ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9.

der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

Art. 8 der EMRK (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten): Recht auf Achtung des Privat— und Familienlebens

(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat— und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

§ 9 Abs. 4 Z 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (außer Kraft getreten am 31.08.2018) lautete: Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

2.

er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

3.2 Judikatur:

3.2.1 Nach VwGH, Zl Ra 2018/21/0067 vom 29.05.2018 kommt Personen, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügen, nach § 20 Abs. 3 NAG 2005 in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesem Aufenthaltstitel entsprechenden Dokumentes - ein unbefristetes Niederlassungsrecht zu (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024). Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist in diesem Fall am Maßstab des § 52 Abs. 5 FrPolG 2005 zu prüfen, wobei sich Einschränkungen der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung auch noch aus § 9 BFA-VG 2014 ergeben (Anmerk. seit 01.09.2018 außer Kraft).

3.2.2 Aufgrund der Verweisung im § 52 Abs 5 FPG ist Judikatur, die zu § 53 Abs. 3 FPG entwickelt wurde, auch in einem Fall wie dem gegenständlichen anzuwenden:

Die Erlassung eines mit der Rückkehrentscheidung zu verbindenden Einreiseverbotes setzt gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Diese Bestimmung stellt daher auf einen hohen Gefährdungsmaßstab ab, nämlich auf das Vorliegen einer "schwerwiegenden" Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. Als bestimmte, eine solche Gefährdung indizierende Tatsache hat nach der Z 1 des § 53 Abs. 3 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl VwGH vom 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, Rz 9)

In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH vom 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, Rz. 10; VwGH vom 24. März 2015, Ra 2014/21/0049, Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe, mwN).

3.2.3 Die Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK auf ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG bzw. des Art 8 Abs 2 EMRK zu prüfen. Nach § 9 Abs. 1 ist nämlich (u.a.) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. das Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101, Punkt 3.2. der Entscheidungsgründe. Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige - Einreiseverbot im Sinne des § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 EMRK angesprochen wird (vgl. VwGH vom 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, Rz. 11).

Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121, Rn. 9, mit dem Hinweis auf VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152, Rn. 20), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG bedürfe (siehe neuerlich VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152, Rn. 20). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG allgemein unterstellt wurde, diesfalls habe die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme dürfe in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. dazu noch einmal RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo diesbezüglich von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach den Z 6, 7 und 8 des § 53 Abs. 3 FPG, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (vgl. VwGH vom 19.12.2019, Ra 2019/21/0238, Rz. 12).

3.3 Im konkreten Fall:

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Da er über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt bzw. setzt eine Rückkehrentscheidung gegen ihn nach § 52 Abs. 5 FPG voraus, dass die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass sein weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde. Dies ist (soweit hier relevant) gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG dann der Fall, wenn er von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; weiters ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden vorzunehmen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, um die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung zu prüfen.

Würde durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung einer solchen Maßnahme gemäß § 61 Abs. 1 FPG (in der - wie schon erwähnt - gemäß § 125 Abs. 22 FPG anzuwendenden Fassung des FrÄG 2011) aber nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gegen den BF ist an § 9 BFA-VG zu messen: Erweist sich eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 5 FPG - aus welchem Grund auch immer - als unzulässig, besteht das Aufenthaltsrecht aufgrund des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" weiter. Allenfalls kann nach § 28 Abs. 1 NAG von der Niederlassungsbehörde eine "Rückstufung" vorgenommen werden.

3.4. Eine gewichtende und abwägende Individualprüfung kommt hier zu folgendem Ergebnis:

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich hier, dass der BF seit seiner frühesten Kindheit („von klein auf“) in Österreich niedergelassen ist, sich viele Jahre rechtmäßig hier aufhält und daueraufenthaltsberechtigt ist. Es musste ihm nicht bewusst sein, dass sein Aufenthalt nur von vorübergehendem Charakter ist. Er hat in Österreich die Schule besucht und sein Lebensmittelpunkt hat sich unzweifelhaft nach Österreich verlegt.

Die 6 strafrechtlichen Verurteilungen, von denen 5 auf der gleichen schädlichen Neigung (Suchtmitteldelikte) beruhen, mit Freiheitsstrafen zwischen 1 einem 16 Monaten bedingt bzw. 12 Monate unbedingt, wiegen schwer. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei Verurteilungen aufgrund des SMG in keinem Fall die Grenzmenge gemäß § 28b überschritten wurde, somit vergleichsweise geringe Mengen vorlagen und die Schwelle zum Suchtgifthandel nicht erreicht wurde. Darüber hinaus handelt es sich durchwegs um Jugendstraftaten. Letztlich ist auch auf die umfassenden Geständnisse, die bei fast allen Verurteilungen als Milderungsgrund angeführt wurden, hinzuweisen.

Aufgrund seines langen rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich und seiner Sozialkontakte, insbesondere zu seiner hier lebenden Mutter und seinen übrigen hier lebenden Angehörigen, hat er ein erhebliches privates Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet. Durch seine Deutschkenntnisse ist er hier auch sprachlich verankert. Zum Herkunftsstaat besteht keinerlei Bindung, da er in diesem lediglich bis zu seinem zweiten Lebensjahr gelebt hat und dort keine nahen Bezugspersonen (mehr) hat. Er hat seine Sozialisation in Österreich bekommen und auch seine – wenn auch abgebrochene – Ausbildung.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht das große öffentliche Interesses an der Verhinderung von (Suchtmittel-)Kriminalität sowie am Schutz der öffentlichen Ordnung. Trotz der fehlenden strafrechtlichen Unbescholtenheit und der Wirkungslosigkeit strafgerichtlicher Sanktionen greift die Rückkehrentscheidung angesichts der familiären und sozialen Integration des BF während seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich unverhältnismäßig in seine Rechte nach Art. 8 EMRK ein und ist daher unzulässig.

Sein privates Interesse an einem Verbleib überwiegt, auch unter Bedachtnahme auf die wiederholten strafgerichtlichen Verurteilungen, gerade noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Es ist daher von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn Abstand zu nehmen.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Rückkehrentscheidung auf Basis auf Dauer unzulässig ist; Der Bescheid des BFA war daher, was die Rückkehrentscheidung betrifft und die daran anknüpfenden Spruchpunkte, zu beheben.

Eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung hatte zu unterbleiben, da der Bf Deutsch spricht und Dari (die Sprache seiner Eltern) nicht beherrscht.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2221787.1.00

Im RIS seit

18.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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