TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/8 W192 2200813-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.2020
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Entscheidungsdatum

08.07.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W192 2200813-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2018, Zl.: 1138314900-161697476, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 mit nachstehender Maßgabe als unbegründet abgewiesen: Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkten IV. bis VII. stattgegeben und diese behoben. Die Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG bis zum 23.07.2020 vorübergehend unzulässig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgehaltenen Erstbefragung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie der georgischen Volksgruppe angehöre und christlich-orthodox sei. Im Herkunftsstaat habe sie acht Jahre lang die Grundschule besucht und keine Berufsausbildung absolviert. Ihre Eltern, ein Bruder und eine Schwester würden im Herkunftsstaat leben. Die Beschwerdeführerin habe den Herkunftsstaat im Dezember 2016 verlassen und sei über die Türkei und andere unbekannte Länder nach Österreich gekommen, weil hier ihr Freund lebe und sie an den Augen operiert werden müsse. Im Herkunftsstaat sei sie nicht unterstützt worden und habe allein gelebt. Ihr Vater sei alkoholsüchtig und habe sie von zu Hause hinausgeschmissen, weil sie blind sei. Die Beschwerdeführerin verfügte laut einer Eintragung im CVIS des Bundesministeriums für Inneres über ein vom 07.12.2016 bis 11.01.2017 gültiges griechisches Schengen Visum für einen Aufenthalt in der Dauer von 21 Tagen.

Am 05.09.2017 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), welche sie in Begleitung ihres nunmehrigen Ehemannes, eines georgischen Staatsangehörigen, absolvierte.

Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass sie nur auf einem Auge ganz wenig sehe und deshalb Probleme habe. Sie gehe in Österreich einmal im Monat zum Psychologen und auch zum Augenarzt und erhalte eine medikamentöse Therapie. Die Beschwerdeführerin habe im Herkunftsstaat bis zum 30. Lebensjahr in ihrem Elternhaus gelebt, danach zwei Jahre lang mit ihrem nunmehrigen Ehemann in Tiflis. Nach der Ausreise ihres nunmehrigen Ehemannes habe sie nicht mehr an der ursprünglichen Adresse bleiben können. Zuletzt habe sie im Alter von 33 bis 35 Jahren allein ebenfalls in Tiflis gelebt und sei dann ausgereist. Die Beschwerdeführerin habe in Georgien eine sehr geringe Invalidenrente bekommen. Sie wisse nicht, wovon ihre Eltern und Geschwister im Herkunftsstaat leben würden, sie nehme an, dass sie noch in ihrem Geburtsort leben würden, wo die Eltern ein kleines Häuschen bewohnt hätten.

Die Beschwerdeführerin habe keine Probleme mit den Behörden des Herkunftsstaates gehabt. Sie sei im Alter von 15 oder 16 Jahren erblindet und habe deswegen ihre Schulausbildung nicht beenden können. Sie habe seitens der Eltern und von staatlicher Seite keine Unterstützung bekommen. Zum Vorhalt, dass die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben bis im Alter von 30 Jahren bei den Eltern gelebt habe, gab sie an, dass diese sie nur minimal unterstützt hätten. Weiters sei auch die staatliche Unterstützung sehr gering gewesen und sie habe Ärzte und Medikamente selbst bezahlen müssen. Man habe die Erkrankung der Beschwerdeführerin in Georgien nicht gut behandeln können und sie hoffe, dass sie hier eine Therapie bekomme. Außerdem habe sie Schmerzen in den Augen und benötige Kontrollen beim Augenarzt. Sie habe in den letzten zwei Jahren vor der Ausreise alleine gewohnt und von der staatlichen Unterstützung gelebt, ihre gesundheitliche Lage sei aber immer schlimmer geworden und die staatliche Unterstützungsleistung sei zu wenig zum Leben gewesen. Sie habe psychische Probleme bekommen und wolle auch mit ihrem nunmehrigen Mann zusammen sein und bleiben. In Georgien gebe es keine Möglichkeit für Blinde, Unterstützung in staatlichen Einrichtungen zu finden. Der nunmehrige Ehegatte der Beschwerdeführerin sei ebenfalls blind, er leide an Nierenkrankheit und sei Dialysepatient. Im Falle einer Rückkehr fürchte die Beschwerdeführerin, dass sie in Georgien sterbe. Sie wolle mit ihrem Ehemann zusammenleben und Hilfe für ihre Augen bekommen.

In Österreich wohne die Beschwerdeführerin mit ihrem nunmehrigen Ehemann und ihrer Schwägerin zusammen und habe auch Bekannte und Freunde. Sie lerne mit Freunden und ihrem Ehemann Deutsch und lerne auch die Blindenschrift. Die Beschwerdeführerin wolle in Österreich eine Augenoperation und beabsichtige, mit ihrem Ehemann ein Kind zu haben. Ihre Wohnung und die Aufenthaltskosten würden von der Caritas bezahlt.

Durch den nunmehrigen Ehegatten der Beschwerdeführerin wurde vorgebracht, dass er seit der Trennung vor zwei Jahren über Skype mit der Beschwerdeführerin gesprochen habe. Es wäre ein großer Schlag für ihn, wenn die Beschwerdeführerin zurückgeschickt würde.

Die Beschwerdeführerin verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme zu Feststellungen über die Situation im Herkunftsstaat.

Laut einer Übersetzung von vorgelegten georgischen Arztschreiben, befand sich die Beschwerdeführerin im März 2016 zur operativen Entfernung eines submukösen Leiomyoms und eines Polypen des Gebärmutterkörpers in stationärer Behandlung in einer georgischen Klinik. Laut einem Attest einer weiteren georgischen Klinik vom 11.11.2016 wurde bei der Beschwerdeführerin ein Zustand nach chirurgischen Eingriffen wegen Netzhautablösung, Traktionsablösung der Netzhaut, hochgradige Myopie, Optikusatrophie und Netzhautabiotrophie diagnostiziert. Nach dem ärztlichen Zeugnis eines Zentrums für psychophysiologische Rehabilitation vom 24.11.2016 leide die Beschwerdeführerin an innerer Unruhe, Anspannung, Ängstlichkeit und psychosomatischen Schmerzen. Sie könne sich ohne fremde Hilfe nicht durch die Stadt bewegen und sei nicht imstande, Güter des täglichen Bedarfs zu kaufen. Sie brauche eine psychotherapeutische Behandlung oder andere entsprechende medizinische Versorgung und dazu noch spezielle Unterstützung.

Gemäß einer vorgelegten Heiratsurkunde hat die Beschwerdeführerin mit ihrem nunmehrigen Ehegatten im März 2017 in Österreich die Ehe geschlossen. Aus einem vorgelegten Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom Mai 2017 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin nach ab dem 15. Lebensjahr erfolgter Netzhautablösung und zwei operativen Eingriffen praktisch blind und zu 100 % behindert ist. Zufolge diesem Gutachten bedarf die Beschwerdeführerin einer Begleitperson, kann aber trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb, allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen, einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Zufolge dem fachärztlichen Befund eines psychosozialen Zentrums von 10.07.2017 steht die Beschwerdeführerin mit der Diagnose einer schweren depressiven Episode, Angststörung und Blindheit in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung. Die „Übersiedlung nach Österreich" habe das Leben der Beschwerdeführerin positiv beeinflusst, sie habe Unterstützung durch ihre Familie und ihr Zustand habe sich unter medikamentöser Therapie allmählich gebessert. Eine Rückschiebung könnte mit großer Wahrscheinlichkeit zu drastische Verschlechterung ihres psychischen Zustandes führen und auch ein Selbstmordversuch könne nicht ausgeschlossen werden.

Aus von der Behörde eingeholten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation des BFA vom 02.05.2017 und vom 30.04.2018 ergibt sich, dass in Georgien Institutionen für Blinde und Sehbehinderte eingerichtet seien. Die von der Beschwerdeführerin benötigten Medikamente seien in Georgien erhältlich. Die Behebung des Schadens am Auge sei nicht möglich. Bei den Institutionen für Erblindete handle es sich um private Unterkünfte, die durch entsprechende finanzielle Unterstützung des zuständigen Ministeriums mitfinanziert werden. Dazu werden durch eine Kommission Bewertungen und Einstufungen vorgenommen und der finanzielle Zuschuss bestimmt. Die Kosten für erforderliche Medikamente werden nach Bewilligung durch eine vom zuständigen Ministerium eingesetzte Expertenkommission vom Staat für den jeweiligen Patienten übernommen.

Nach der vorgelegten Bestätigung eines neurologisch-psychiatrischen Zentrums vom 08.05.2018 werde die Beschwerdeführerin bei Diagnose Verdacht auf Depressio mit Somatisierungstendenz medikamentös behandelt.

Ab 20.05.2018 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA. Dabei gab die Beschwerdeführerin an, dass sich ihre gesundheitliche Situation seit der letzten Einvernahme ein bisschen gebessert habe. Der Grund für die Stellung des Asylantrages sei ebenso wie ihre privaten Lebensverhältnisse unverändert. Sie wolle gern die deutsche Sprache lernen und einen Massagekurs absolvieren, um eine Arbeit ausführen zu können.

Zum Vorhalt der Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation brachte die Beschwerdeführerin vor, dass man in Österreich medizinische Versorgung und Medikamente kostenlos erhalte, während in Georgien alles sehr kostspielig sei. Weiters sei das medizinische Niveau in Georgien nicht so entwickelt wie in Österreich. Außerdem seien Gehsteige und Zebrastreifen nicht so blindengerecht gestaltet wie in Österreich, weshalb es für Blinde im Straßenverkehr hier sicherer sei als in Georgien. Die Beschwerdeführerin verzichtete neuerlich auf die Abgabe einer Stellungnahme zu Feststellungen über die Situation im Herkunftsstaat.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrage der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass deren Abschiebung gem. § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkte V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG verfügt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beschwerdeführende Partei hätte Georgien aufgrund des Gesundheitszustandes und schwieriger Lebensbedingungen verlassen und sei nach Österreich gereist, da die medizinische Versorgung hier kostenfrei und besser als in ihrer Heimat wäre. Weiters wolle sie mit ihrem nunmehrigen Gatten zusammenleben. Die beschwerdeführende Partei sei im Falle einer Rückkehr nach Georgien keiner Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt.

Die Beschwerdeführerin sei nicht lebensbedrohlich erkrankt. Sie sei infolge einer seit dem 15. Lebensjahr erfolgten Netzhautablösung praktisch blind, wobei eine Wiederherstellung der Sehfähigkeit aus medizinischer Sicht nicht möglich ist. Weiters stehe die Beschwerdeführerin bei Verdacht auf Depressio mit Somatisierungstendenz in psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlung. Die Beschwerdeführerin habe auch in Georgien Zugang zu erforderlichen Kontrolluntersuchungen beim Augenarzt sowie zu den benötigten Medikamenten. Im Hinblick etwaige Unterkunftsmöglichkeiten seien in Georgien Institutionen für Blinde und Sehbehinderte verfügbar, wobei es sich um private Unterkünfte handle, die durch finanzielle Unterstützung des zuständigen Ministeriums mitfinanziert werden, für die je nach Grad der Behinderung finanzielle Unterstützungen gewährleistet werde. Die Kosten benötigter Medikamente würden im Herkunftsstaat nach vorhergehenden Zustimmung durch eine Expertenkommission vom zuständigen Ministerium getragen. Bezüglich der Depressio seien in Georgien stationäre und auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten durch Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen vorhanden. Die medizinische Versorgung für alle georgischen Staatsangehörigen sei durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung kostenlos gewährleistet.

Die Beschwerdeführerin verfüge im Herkunftsstaat über familiäre Bindungen zu ihren Eltern und Geschwistern. Es sei nicht plausibel, dass ihre Familie sich nicht mehr um sie gekümmert habe, zumal die Beschwerdeführerin bis zu ihrem 30. Lebensjahr mit der Familie im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Überdies habe die Beschwerdeführerin im Alter von 33 bis 35 Jahren alleine gelebt, woraus sich ergebe, dass es ihr möglich gewesen sei, ihr Leben über einen langen Zeitraum alleine und weitgehend selbstständig zu organisieren. Sie sei lediglich durch eine Bekannte unterstützt worden, die ihr auch bei ihrer Ausreise geholfen habe. Im Falle einer Rückkehr verfüge die Beschwerdeführerin über einen engen sozialen Anknüpfungspunkt zu dieser Bekannten. Sie sei im Herkunftsstaat der Lage gewesen, ihr Leben selbstständig für zwei Jahre zu finanzieren und zu organisieren. Bei einer Rückkehr könne sie wieder auf eine Invaliditätsrente und weitere staatliche Programme zurückgreifen.

Die Beschwerdeführerin sei im erwerbsfähigen Alter und arbeitswillig. Im Falle einer Rückkehr könne sie den nach ihren Angaben in Österreich angestrebten Beruf einer Masseurin ebenfalls erlernen und ausüben und somit ein Einkommen erwirtschaften. Der Ehegatte könne die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr ebenfalls finanziell unterstützen.

Die Beschwerdeführerin verfüge in Österreich über familiäre Bindungen zu ihrem nunmehrigen Gatten und ihrer Schwägerin. Dieses Familienleben sei jedoch zu einem Zeitpunkt und unter Umständen begründet worden, zu denen ein weiterer legaler Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich nicht gesichert gewesen sei. Zudem habe das Familienleben im Herkunftsstaat vor der Ausreise nicht bestanden. Eine weitere Pflege des Familienlebens könne die Beschwerdeführerin vom Herkunftsstaat aus durch regelmäßige Besuchsaufenthalte bei Möglichkeit einer visumsfreien Einreise erfolgen, darüber hinaus seien regelmäßige Kontakte über elektronische Kommunikation möglich.

Eine Abschiebung würde unter medizinischer und psychologischer Aufsicht und Begleitung durch einen Arzt erfolgen, wobei betroffene Personen auch Medikamente erhalten, um die erste Zeit nach der Rückkehr bis zur Beschaffung neuer Medikation im Herkunftsstaat zu überbrücken.

Die elementare Grundversorgung im Herkunftsstaat sei gewährleistet und Georgien gelte als sicherer Herkunftsstaat. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr nicht in eine Notlage im Sinne von Art. 2 oder Art. 3 EMRK gelangen werde.

Die Beschwerdeführerin sei in Österreich nicht berufstätig, würde ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung bestreiten und aufgrund ihrer erst kurzen Aufenthaltsdauer keine nachhaltige Integration im Bundesgebiet aufweisen.

3. Gegen diesen Bescheid wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Schriftsatz vom 11.07.2018 fristgerecht Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ergeben hätte, dass es für die Beschwerdeführerin in Georgien wieder eine Heiltherapie noch irgendeine Form der häuslichen Unterstützung gebe. Ebenso gebe es keine vom Staat unterstützten Institutionen für Erblindete in Georgien. Bei den in der Anfragebeantwortung genannten privaten Unterkünften, die durch Unterstützung des Ministeriums mitfinanziert würden, sei unklar, was mit dem letzten Satz überhaupt gemeint sei. Die Beschwerdeführerin bestreite, dass die angeblichen Institutionen in der Lage seien, außer allgemeinen Informationen irgendeine Leistung anzubieten. Die angegebene Organisation "Hera" beschäftige sich laut der Website www.ipf.org überhaupt nicht mit Hilfe für Sehbehinderte.

Die Medikamentenkosten würden laut der Anfragebeantwortung unter Vorbehalt einer Genehmigung einer ministeriellen Expertenkommission stehen. Von den seitens der Beschwerdeführerin aktuell benötigten Medikamenten seien Dextran und Hyaluronic Serum laut Anfragebeantwortung nicht in Georgien erhältlich, was die Behörde nicht erörtert hätte. Die Beschwerdeführerin habe sich von ihrer Rente einen Teil der minderwertigen Medikamente leisten können, sei aber im Zusammenhang mit ihren Lebenshaltungskosten in eine Situation existenzieller Armut geraten. Wegen der schwerwiegenden Depression und der völligen Absenz von Betreuungsmaßnahmen sei wohl von unwürdigen Lebensumständen auszugehen. Die Beschwerdeführerin habe ihren Ehegatten bereits im Jahr 2012 kennengelernt, eine Beziehung geführt und auch häufig bei ihrem damaligen Lebensgefährten in dessen Wohnung gelebt. Zufolge einer Internetrecherche habe es kaum objektivierbare Bericht über die Lage von Personen wie der Beschwerdeführerin in Georgien gegeben. Die Anfragebeantwortung sei mangelhaft und es werde daher die Beiziehung eines länderkundliche Sachverständigen beantragt zum Beweis dafür, dass für die Beschwerdeführerin die gewährte Unterstützung zu einer menschenwürdigen Lebensführung nicht ausreiche und keinerlei Möglichkeiten der Unterbringung und Betreuung für die Beschwerdeführerin effektiv bestehen.

Eine Familienzusammenführung nach dem NAG sei mangels Unterhaltsmittel nicht möglich. Ihr nunmehriger Ehegatte habe ein Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigter, da er aus medizinischen Gründen in Georgien in eine ausweglose Lage geraten würde. Diese Umstände hätte die Behörde zu berücksichtigen gehabt, anstatt vom fehlenden dauerhaften Charakter des Aufenthaltsrechtes der Familienangehörigen auszugehen. Die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK sei daher grob mangelhaft geblieben.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei nicht nachvollziehbar, da die Beschwerdeführerin sehr wohl Gründe für Asyl bzw. subsidiären Schutz vorgebracht habe. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung und zeugenschaftliche Befragung des Ehegatten zur Intensität und Dauer des Familienlebens durchzuführen sowie eine für die Beschwerdeführerin günstige Entscheidung zu einzelnen näher bezeichneten Spruchpunkten der angefochtenen Entscheidung zu treffen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen.

4. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 13.07.2018 vorgelegt. Die damals zuständige Gerichtsabteilung hat am 17.07.2018 entschieden, dass keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen würden, denen zufolge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei.

Mit Schriftsatz ihres Rechtsvertreters vom 23.07.2018 legte die Beschwerdeführerin eine durch mehrere Personen unterzeichnete Erklärung vor, dass sie mit ihrem nunmehrigen Ehegatten 2013 bis 2014 an einer näher bezeichneten Adresse in Tiflis gewohnt habe. Weiters wurde dem Schriftsatz ein Attest eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 19.07.2018 angeschlossen, demzufolge die Beschwerdeführerin seit Jahren an einer schwer therapierbaren Angststörung und Depressionen leide, wobei trotz medikamentöser Therapie eine ausgeprägte Neigung zu Panikattacken bestehe. Zusätzlich sei vor ca. einem Jahr eine chronische Urticaria (Nesselausschlag) mit Neigung zu einem Angionödem (Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe) aufgetreten. Eine Änderung der sozialen Unterstützung und eine Abschiebung nach Georgien wäre für die Beschwerdeführerin eine Katastrophe, die sich auch medizinisch sehr negativ auswirken würde.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Verwaltungsgerichts vom 25.09.2018 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Das BFA hat dem Ehegatten der Beschwerdeführerin mit rechtskräftigem Bescheid vom 09.10.2018 neuerlich die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte mit Gültigkeit bis zum 23.07.2020 erteilt. Begründend führt die Behörde aus, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin nach wie vor an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide, die Vornahme einer kombinierten Nieren- und Pankreastransplantation beabsichtigt sei und diese medizinischen Eingriffe im Herkunftsstaat nicht durchgeführt würden.

5. Mit Erkenntnis vom 25.04.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag auf internationalen Schutz in Bestätigung eines Bescheides des BFA ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei, legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest und bestätigte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde durch das BFA gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

Dagegen wurde außerordentliche Revision erhoben, die in der Zulassungsbegründung mit näherer Begründung eine Verletzung der Verhandlungs- und der Begründungspflicht geltend machte.

Der Verwaltungsgerichtshof wies die Revision mit Beschluss vom 18.09.2018 insoweit als unzulässig zurück, als sie (formal auch) die Nichtzuerkennung von Asyl bekämpfte. Im Übrigen wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit nachstehender Begründung aufgehoben:

„Die Revisionswerberin hat sich in der Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid ausdrücklich und substantiiert gegen die behördliche Einschätzung gewandt, ihr drohe - ungeachtet der festgestellten Erkrankungen - bei Rückkehr nach Georgien keine Notlage, die eine Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde. Der Revisionswerberin sei, wie näher begründet wurde, in der Vergangenheit in Georgien nur ein "Dahinvegetieren" mit Schmerzmitteln möglich gewesen. Zusammen mit der entstandenen schwerwiegenden Depression und der Absenz von Betreuungsmaßnahmen müsse sie bei Rückkehr in den Herkunftsstaat ein unwürdiges Leben führen.

Die Revisionswerberin hat außerdem in der Beschwerde mit näherer Begründung die Beurteilung des BFA bekämpft, wonach die Rückkehrentscheidung trotz ihrer Ehe mit einem in Österreich subsidiär Schutzberechtigten kranken Ehemann keinen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Rechte nach Art. 8 EMRK darstelle. Sie hat in diesem Zusammenhang die zeugenschaftliche Einvernahme des Ehemannes zur Intensität und Dauer des Familienlebens im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ungeachtet dessen hat das BVwG von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG Abstand genommen, obwohl die Voraussetzungen dafür nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018) nach dem bisher Gesagten nicht vorgelegen sind.

Ausgehend davon ist die angefochtene Entscheidung in Bezug auf den subsidiären Schutz und die darauf aufbauenden Spruchpunkte mit der Verletzung eines tragenden Verfahrensgrundsatzes belastet und es kann auch die Bestätigung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde mangels einer verfahrensrechtlich einwandfreien Auseinandersetzung mit der möglichen Verletzung von Art. 2, 3 und 8 EMRK keinen Bestand haben.“

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 09.12.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der die Beschwerdeführerin als Partei und ihr Ehegatte als Zeugen einvernommen wurden. Dabei wurden die Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerin, der jeweilige Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten sowie deren privaten und familiären Verhältnisse erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

1.1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Georgien und Angehörige der georgischen Volksgruppe sowie der christlich-orthodoxen Religionsgemeinschaft. Sie ist im Dezember 2016 im Besitz eines griechischen Schengen-Visums in das Bundesgebiet eingereist und hat am 19.12.2016 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Es halten sich im Herkunftsstaat nach wie vor die Eltern und eine Schwester der Beschwerdeführerin auf, bei denen die Beschwerdeführerin bis zu ihrem 30. Lebensjahr gelebt hatte. Danach lebte die Beschwerdeführerin mit ihrem nunmehrigen Ehegatten zwei Jahre lang in Tiflis, bis ihr nunmehriger Ehegatte 2014 gemeinsam mit seiner Schwester nach Österreich reiste und einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, um hier Leistungen der Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen. Die Beschwerdeführerin lebte zuletzt bis zu ihrer Ausreise alleine in einer Wohnung einer Bekannten ihres Ehegatten in Tiflis. Sie wurde in dieser Zeit vom Schwager ihres Ehegatten und den beiden Kindern dieses Schwagers unterstützt. Beim Eintreten medizinischer Notfälle konnte sie Hilfe eines Rettungsdienstes in Anspruch nehmen. Es trifft nicht zu, dass die Beschwerdeführerin in dieser Zeit im Herkunftsstaat nur ein „Dahinvegetieren“ mit Schmerzmitteln möglich gewesen sei.

1.1.2. Die Beschwerdeführerin ist nach einer seit dem 15. Lebensjahr erfolgten Netzhautablösung praktisch blind, wobei eine Wiederherstellung der Sehfähigkeit aus medizinischer Sicht nicht möglich ist. Sie steht bei Diagnose von Depression, Angst- und Schlafstörung, Cephalae als Absetzeffekt von Escitalopram in medikamentöser und fachärztlicher Behandlung. Die Beschwerdeführerin hat – wie vor ihrer Ausreise - auch in Georgien Zugang zu erforderlichen Kontrolluntersuchungen beim Augenarzt, zu psychologischer und psychotherapeutischer Behandlung sowie zu benötigten Medikamenten. Im Herkunftsstaat wird durch die Blindenunion Georgien Unterkunft und durchgehende Betreuung für Blinde zur Verfügung gestellt.

Die Beschwerdeführerin, welche sich nicht in dauernder stationärer Behandlung befindet, hat nicht dargetan, dass sie zum Entscheidungszeitpunkt eine medizinische Behandlung benötigen würde, welche in Georgien nicht erhältlich oder für sie nicht individuell zugänglich ist. Die von der Beschwerdeführerin derzeit benötigten Medikamente sind in Georgien erhältlich.

Die Beschwerdeführerin zählt angesichts ihres Alters und des Fehlens einschlägiger Vorerkrankungen nicht zum Kreis der durch die COVID-19-Pandemie besonders gefährdeten Personen, wobei ihr Herkunftsstaat Georgien nach den zur Vergewisserung getroffenen Feststellungen auch zu den von der Pandemie vergleichsweise wenig betroffenen Ländern zählt.

Die beschwerdeführende Partei hat vorgebracht, ihren Herkunftsstaat ausschließlich aufgrund des Wunsches nach einer kostenfreien und qualitativ hochwertigen medizinischen Behandlung verlassen zu haben und keine darüberhinausgehenden Rückkehrbefürchtungen aufzuweisen. Die beschwerdeführende Partei hat keine Furcht vor individueller Verfolgung behauptet.

Es ist durch den insoweit rechtskräftigen Teil der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.04.2019 festgestellt worden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach Georgien nicht von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wären.

1.1.3. Es besteht für die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Georgien jeweils keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Die beschwerdeführende Partei liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin – auch unter Berücksichtigung künftig notwendig werdender Behandlungs- und Medikamentenkosten – als derart desolat erwiesen hätte, dass die beschwerdeführende Partei, welche im Herkunftsstaat Zugang zu Sozialleistungen und zu medizinischer Grundversorgung hat, im Falle einer Rückkehr Gefahr liefe, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Die Beschwerdeführerin ist zu einer eingeschränkten Teilnahme am Erwerbsleben fähig; es wäre der beschwerdeführenden Partei zudem möglich, wieder in ihrer früheren Wohnregion Wohnsitz zu nehmen, wo sie nach der 2014 erfolgten Ausreise ihres nunmehrigen Ehemannes zwei Jahre lang – bis zu ihrer Reise nach Österreich - allein gelebt hatte.

1.1.4. Die unbescholtene beschwerdeführende Partei lebt in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem nach Eheschließung am 29.03.2017 nunmehrigen Ehegatten, einem georgischen Staatsangehörigen, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, und dessen ebenfalls subsidiär schutzberechtigter Schwester. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung. Beim Ehegatten der Beschwerdeführerin ist die Vornahme einer kombinierten Nieren- und Pankreastransplantation am 25.02.2019 erfolgt und er wurde nach mehreren stationären Begutachtungen und Splint- und Kathederentfernung laut einem Patientenbrief und Pflegebrief eines Krankenhauses vom 07.11.2019 an diesem Tag unter Empfehlung engmaschiger Kontrollen entlassen, wobei festgehalten wurde, dass er zum Zeitpunkt der Entlassung selbstständig war und keiner Unterstützung durch professionelle Pflege bedürfe. Im Hinblick auf seine gesundheitliche Beeinträchtigung wurde dem Ehegatten der Beschwerdeführerin zuletzt mit Bescheid des BFA vom 09.10.2018 die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter mit Gültigkeit bis zum 23.07.2020 erteilt.

Die beschwerdeführende Partei verfügt neben ihrem Ehegatten und ihrer Schwägerin über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, sie hat Kontakte zu Bekannten geknüpft, darüber hinaus verfügt sie über keine Bezugspersonen in Österreich. Die Beschwerdeführerin hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, ist keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen und in keinem Verein Mitglied.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt.(FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei „Georgischer Traum“ sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die „Allianz der Patrioten Georgiens“ (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der „Georgische Traum“ 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche soziale Unterstützung (Einzelpersonen: 60 GEL (ca. 24 EUR) monatlich; Vier-Personen-Haushalt: 200 GEL (ca. 80 EUR) bleibt weit unter dem festgestellten durchschnittlichen Existenzminimum (160 GEL für einen Erwachsenen). Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 11.12.2017).

Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Knapp 22 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigrant machen mit rund 11,8% einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 11.2018).

Laut der Daten des nationalen Statistikamtes von 2016 sind 67,5% der Bevölkerung über 15 Jahren erwerbstätig (in Städten 59,9% und in ländlichen Gegenden 75,2%). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären. Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter 15-25- Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren. Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2018).

Die Arbeitslosenquote betrug 2018 12,7% (2017: 13,9%) (GeoStat 2019a). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbständig Beschäftigten lag im ersten Quartal 2019 bei den Männern bei 1.294 Lari [rund 400 €] und bei den Frauen bei 876 [rund 270 €] (GeoStat 2019b).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

ADA – Austrian Development Agency (11.2018): Georgien – Länderinformation, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/LI_Georgien_Nov2018.pdf, Zugriff 30.8.2019

GeoStat – National Statistics Office of Georgia (2019a): Employment and Unemployment, https://www.geostat.ge/en/modules/categories/38/employment-and-unemployment, Zugriff 30.8.2019

GeoStat – National Statistics Office of Georgia (2019b): Wages, https://www.geostat.ge/en/modules/categories/39/wages, Zugriff 30.8.2019

IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt GEORGIEN, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Georgia_DE.pdf, Zugriff 30.8.2019

21.1.Sozialbeihilfen

Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:

Existenzhilfe

Re-Integrationshilfe

Pflegehilfe

Familienhilfe

Soziale Sachleistungen

Sozialpakete

Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von 10-60 GEL pro Familienmitglied rechnen. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft Schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt (IOM 2018).

Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden.

Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: 60 GEL für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied 60 GEL und alle anderen 48 GEL pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Pensionssystem:

Es gibt nur ein staatliches Pensionssystem. Voraussetzungen (nicht alle müssen erfüllt sein):

Rentenalter: 65 Jahre für Männer; 60 Jahre für Frauen;

Behindertenstatus;

Tod des Hauptverdieners

Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2018).

Die staatliche Alterspension (universal) beträgt 180 Lari pro Monat. Die Leistungen werden ad hoc angepasst. Die Invaliditätsleistung als Sozialhilfe beträgt 180 Lari pro Monat für eine Gruppeninvalidität erster Stufe und 100 Lari für eine zweiter Stufe. Die Leistungen werden ad hoc angepasst (US-SSA 3.2019).

Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h. sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten, und der Staat schießt weitere zwei Prozent zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor. Am 1.1.2018 stiegen die staatlichen Pensionen um 20 GEL und beliefen sich auf 200 GEL pro Monat (Agenda.ge 3.1.2019).

Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).

Das Recht auf Karenz- und Pflegeurlaub gewährt 730 Tage, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal 1.000 GEL (SSA o.D.b, vgl. US-SSA 3.2019).

Quellen:

Agenda.ge (3.1.2019): Georgia’s new pension system comes into play, https://www.agenda.ge/en/news/2019/13, Zugriff 30.8.2019

IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt GEORGIEN, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Georgia_DE.pdf, Zugriff 30.8.2019

OCM - Open Caucasus Media (14.12.2018): Opinion | Georgia’s pension reforms do nothing for most Georgians, https://oc-media.org/opinion-georgia-s-pension-reforms-do-nothing-for-most-georgians/, Zugriff 30.8.2019

SSA – Social Service Agency (o.D.a.): Pecuniary Social Assistance (Subsistence Allowance), http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=35, Zugriff 30.8.2019

SSA – Social Service Agency (o.D.b.): Reimbursement of leave for maternity and childcare, as well as for adoption of a new-born child, http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=375, Zugriff 30.8.2019

US-SSA – US Social Security Administration (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, Georgia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005493/georgia.pdf, Zugriff 12.9.2019

22.Medizinische Versorgung

Im Jahr 2010 war das Gesundheitswesen bis auf wenige Ausnahmen privatisiert. Der Staat überließ es dem freien Markt, das Gesundheitswesen zu regulieren. Die Privatisierung hatte als Kehrseite, dass einem wesentlichen Teil der Bevölkerung der Zugang zum Gesundheitswesen aus finanziellen Gründen verwehrt blieb oder ein Krankheitsfall zu existenzbedrohenden finanziellen Engpässen führte. Ab 2007 steuerte der georgische Staat gegen, indem er kostenlose Krankenversicherungen und kostenlose medizinische Dienstleistungen für bestimmte vulnerable Gruppen einführte. 2013 schließlich wurde das Universal Health Care (UHC) Program eingeführt. Es ist ein staatlich geleitetes, hauptsächlich staatlich finanziertes, allgemeines Gesundheitssystem mit überwiegend privaten medizinischen Institutionen. Diese staatliche Krankenkasse soll den finanziellen Zugang zur medizinischen Grundversorgung für alle Georgier sicherstellen, die noch nicht durch private Versicherungen oder über den Arbeitgeber versichert sind. Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Über die UHC sind grundsätzlich alle georgischen Staatsbürger automatisch krankenversichert. Eingeschlossen sind alle Bewohner der de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, denen der georgische Staat neutrale Identitäts- und Reisepapiere ausstellt. Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC. Nur einen Teil der Leistungen erhält, wer vor dem 1.1.2017 eine private Krankenversicherung besaß oder über den Arbeitgeber krankenversichert war. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen.

Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen (SEM 21.3.2018).

Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen Letter of Guarantee über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018).

Das staatliche Gesundheitssystem umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen. Universal Health Care:

Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus

Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt

Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten

Dialyse ist ebenfalls gewährleistet

Für Drogenabhängige ist ein staatlich gefördertes Methadon-Ersatzprogramm kostenfrei verfügbar. Lediglich eine einmalige Registrierungsgebühr von 70 GEL muss entrichtet werden.

Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit

Kontaktinformationen erhält man beim Ministerium für Gesundheit (Ministry of Health). Informationen über Anbieter finden sich hier: http://cloud.moh.gov.ge/Default.aspx?languagePair=en-US (IOM 2018)

Hat man Anrecht auf die gesamten Leistungen der UHC, werden Kosten in den drei Bereichen Notfallbehandlung, stationäre Behandlung und ambulante Behandlungen ganz oder zum Teil übernommen. Eine Kostenübernahme von 100% bedeutet in den meisten Fällen, dass der Staat der medizinischen Institution einen fixen Betrag zurückerstattet. Für die Berechnung dieses Betrags analysiert der Staat, wie viel die Dienstleistung in der Vergangenheit kostete und nimmt davon einen tiefen Durchschnittswert. Kommt die Behandlung teurer, muss der Patient die Differenz selber bezahlen (SEM 21.3.2018). Ambulante und stationäre Notfallbehandlungen werden zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018; vgl. IOM 2018). Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt werden zu 70-100% übernommen, einige Notfallbehandlungen zu 100% (IOM 2018). Von den stationären Behandlungen werden spezifische Operationen und die stationäre Nachbetreuung zu 100% übernommen. Andere Leistungen werden zu 70% übernommen (SEM 21.3.2018). Notwendige Operationen werden zu 70% übernommen (IOM 2018). Divergierende Angaben gibt es beim Thema Chemotherapie und Geburten. So werden laut SEM onkologische Behandlungen und Geburten zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018), laut IOM hingegen werden bei Chemotherapie 80% bis zu Gesamtkosten von 12.000 GEL, und bei Geburten Kosten nur bis zu 500 GEL, bzw. bei Kaiserschnitten nur bis zu 800 GEL übernommen (IOM 2018).

Bei Kostenübernahmen von weniger als 100% kommt der Patient für den Rest auf. Für Pensionisten zahlt der Staat zusätzlich monatlich 100 GEL für drei Monate, erstattet bei den Bürgerämtern (IOM 2018).

Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 27.8.2018).

Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert. Allerdings ist eine Registrierung notwendig, um alle Leistungen des Programms beanspruchen zu können. In diesem Zusammenhang sollten Rückkehrer die 15-05 Hotline des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales anrufen oder sich direkt an die nächstgelegene Poliklinik oder Krankenhaus wenden. Dokumente: nur gültiger Ausweis (IOM 2018).

Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die allgemeine Krankenversicherung nicht alle Bereiche abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede Klinik aufsuchen, jedoch müssen die Leistungen dann bezahlt werden. Vorzugsweise sollten Termine vereinbart werden. Bei Notfällen ist eine Behandlung ohne Termin mit Wartezeiten möglich. Patienten können einen Termin vereinbaren, für die staatliche Versicherung muss der Hausarzt kontaktiert werden, welcher eine Überweisung zu spezialisierten Ärzten verfassen kann. Große Apotheken stellen eine Vielzahl von Medikamenten. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann anhand ihrer Handelsbezeichnung online oder telefonisch überprüft werden: Medical Information Service http://www.mis.ge/ka/FindDrug.jsp?Clear=True TEL: +995 032 2 252233. Die meisten Medikamente werden nicht vom staatlichen Programm erfasst. Daher müssen die Patienten die Kosten für diese selbst tragen. Für einige Medikamente ist eine Verschreibung nötig. In diesem Fall, sollte zunächst ein zuständiger Arzt aufgesucht werden, um von diesem das Rezept zu erhalten (IOM 2018).

Für Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, kann bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden. Dazu muss das erforderliche Formular ausgefüllt werden. Als Beilagen müssen neben den gesicherten Personalien des Antragstellers (Kopie des Reisepasses oder Personalausweises) auch die im laufenden Jahr angefallenen Rechnungen und vorhandenen Kalkulationen, bzw. im Falle der Beantragung von Kostenersatz für Medikamente die Originalrechnung, vorgelegt werden. Zusätzlich ist noch der soziale Status des Antragstellers (Pensionisten, sozial bedürftige Personen, Binnenvertriebene, Personen mit eingeschränktem Status) und die entsprechenden Zeugnisse vorzulegen. Die Kommission entscheidet dann (mindestens zweimal im Monat) über eine allfällige Finanzierung der vorgelegten Kosten, wobei hier keine generelle Festlegung über die Höhe der Rückerstattung besteht und diese Entscheidungen individuell, von Fall zu Fall, getroffen werden (VB 31.5.2018).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

IOM – International Organization for Migration (2018): Länderinformationsblatt GEORGIEN, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_Georgia_DE.pdf, Zugriff 30.8.2019

SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration) (21.3.2018): Focus Georgien: Reform im Gesundheitswesen: Staatliche Gesundheitsprogramme und Krankenversicherung, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europa-gus/geo/GEO-reform-gesundheitswesen-d.pdf, Zugriff 2.9.2019

VB - Verbindungsbeamter des BM.I für Georgien und Aserbaidschan (31.5.2018): Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales per E-Mail

22.1.Behandlungsmöglichkeiten: Hepatitis C

Seit Februar 2015 existiert in Georgien ein staatliches Programm zur Eliminierung von Hepatitis C. Bis ins Jahr 2020 sollen 95 % aller infizierten Personen behandelt und vom Virus geheilt worden sein. Die georgische Regierung arbeitet dafür mit dem US Center for Disease Control lCDC und der WHO zusammen. Pro Jahr können 20.000 Personen gegen Hepatitis C behandelt werden (SEM 21.3.2018).

Alle georgischen Staatsbürger mit Hepatitis C haben Zugang zum Programm. Vor Juni 2016 waren nur Hepatitis-C-Patienten mit fortgeschrittener Leberfibrose (Leberverhärtung) zugelassen . Eingeschlossen sind auch Personen aus den de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, die im Besitz von neutralen Identitäts- oder Reisepapieren sind. Eine beliebige für Hepatitis C zuständige Klinik gilt als erste Anlaufstelle. Dort wird ein Arztzeugnis ausgestellt. Es ist zusammen mit einem Antragsformular an das georgische Gesundheitsministerium zu richten. Eine Kommission entscheidet, ob und für welche Behandlungsart eine Person zugelassen wird (SEM 21.3.2018).

Den Teilnehmern des Programms stehen folgende Leistungen kostenlos zur Verfügung: Screening (erster Test); Behandlung der Hepatitis C mit der neusten Generation von antiviralen Medikamenten; Diagnostik/Überwachung während der Behandlung. Nicht vollständig übernommen werden die Kosten für den Bestätigungstest, der dem Screening folgt, sowie die Kosten für weitere Laboruntersuchungen vor und nach der Behandlung. Letzteres sind zum Beispiel Tests auf Antikörper und die Bestimmung der Viruslast und des Genotyps. IOM Tbilisi nennt Kosten von GEL 363 für Personen mit leichter Leberschädigung und von GEL 401 für Patienten mit schwerer Leberschädigung oder Genotyp 3. Für sozial schwache Personen entfallen GEL 187 für die Analyse der Leberschädigung und Bestimmung des Genotyps (SEM 21.3.2018).

Kostenlos zur Verfügung gestellt werden folgende antivirale Medikamente bzw. Kombinationsmedikamente: Kombination von Ledipasvir und Sofosbuvir namens Harvoni; Sofosbuvir in Kombination mit Peginterferon oder in Kombination mit Ribavirin. Laut georgischer Regierung war vorgesehen, dass zukünftig Sofosbuvir in Kombination mit Velpatasvir (Epclusa) eingeführt wird (SEM 21.3.2018).

Seit September 2018 werden folgende Untersuchungen zu 100% durch das staatliche Programm zur Eindämmung der Hepatitis C abgedeckt: die Antikörper-Untersuchung, die Untersuchung mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechnologie (NAT), der Antigen-Test, weitere Untersuchungen einschließlich der Genotypisierung des Hepatitis-C-Virus (HCV) sowie Untersuchungen im Rahmen der Nachbehandlung. Untersuchungen zum Status der Leberfibrose müssen die Patienten bis zu einer Summe von maximal 160 € zu 70% selbst übernehmen. Ebenfalls zu 70% müssen die Kontrolltests von den Patienten getragen werden. Für Kriegsveteranen und vulnerable Personen besteht noch die Sonderregelung, dass die Kosten für alle Untersuchungen zu 70% vom staatlichen Programm, und die restlichen 30% von der Gemeinde getragen werden. Die Medikamentenkosten werden zur Gänze vom staatlichen Programm übernommen (PLOS ONE 29.4.2019).

Quellen:

PLOS ONE. ChikovaniI, OmpadDC, Uchaneishvili M,SulaberidzeL, Sikharulidze K, HaganH, et al. (29.4.2019): On the way to Hepatitis C elimination in the Republic of Georgia—Barriers and facilitators for people who inject drugs for engaging in the treatment program: A formative qualitative study, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0216123, Zugriff 2.9.2019

SEM – Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (ehemals: Bundesamt für Migration) (21.3.2018): Focus Georgien: Reform im Gesundheitswesen: Staatliche Gesundheitsprogramme und Krankenversicherung, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/europa-gus/geo/GEO-reform-gesundheitswesen-d.pdf, Zugriff 30.8.2019

22.2.Behandlungsmöglichkeiten: Hepatitis B

Hepatitis B ist in Georgien behandelbar, und die notwendigen Medikamente sind vorhanden. Die Kostendeckung bei den Medikamenten beträgt zumindest 80%, kann aber je nach sozialer Bedürftigkeit bis auf 100% steigen. Dies gilt auch für Vertriebene im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzung im Jahr 2008

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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