Entscheidungsdatum
14.07.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
I415 2232624-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Bosnien und Herzegowina, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer ist bosnischer Staatsangehöriger. Er wurde am XXXX in Österreich geboren und lebt seit seiner Geburt in Österreich. Seine Identität steht fest.
2. Mit Urteil des Landesgerichtes für XXXX vom 06.11.2018, Zl. XXXX , wurde er wegen des Verbrechens des teils versuchten Raubes nach §§ 142 Abs. 1, teils 15 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.
3. Mit Urteil des Landesgerichtes für XXXX vom 06.05.2019, Zl. XXXX , wurde er wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurde die bedingte Nachsicht der mit der vorangegangenen Verurteilung verhängten Freiheitsstrafe widerrufen.
4. Mit Schreiben vom 23.07.2019 teilte das Amt der XXXX Landesregierung, Abteilung Aufenthalts- und Sicherheitswesen, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) mit, dass der Beschwerdeführer um Verlängerung seines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ angesucht habe und erkundigte sich, ob seitens der belangten Behörde Bedenken bestehen bzw. aufenthaltsbeendigende Maßnahmen eingeleitet werden (AS 95).
5. Das BFA informierte die Aufenthaltsbehörde mit Schreiben vom 29.07.2019, dass sich der Beschwerdeführer derzeit in einem Zentrum für Rehabilitation und Integration suchtkranker Menschen aufhalte. Das BFA werde eine Ermahnung erlassen und von einer Rückkehrentscheidung bis zu einer neuerlichen Verurteilung absehen (AS 97).
6. Am 02.12.2019 verlängerte das Amt der XXXX Landesregierung den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ des Beschwerdeführers bis zum 01.12.2020.
7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 21.01.2020 teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit, dass gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot beabsichtigt sei. Gleichzeitig wurde ihm die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben im Bundesgebiet zu übermitteln. Das Parteiengehör wurde dem Beschwerdeführer am 24.01.2020 durch Hinterlegung zugestellt und am 13.02.2020 mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das BFA retourniert.
8. Mit Bescheid vom 05.06.2020, Zl. XXXX , erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 29.06.2020. Der Beschwerdeführer machte zusammengefasst geltend, über ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich und innerhalb des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaaten zu verfügen, vor dessen Hintergrund die angefochtene Entscheidung ohne vorangegangene Durchführung einer Einvernahme unzulässig sei.
10. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden am 02.07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und langten am 03.07.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Auskünfte aus dem Strafregister, dem zentralen Melderegister (ZMR) und dem zentralen Fremdenregister (IZR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Die Verurteilungen sind den im Akt inneliegenden Strafurteilen und dem Strafregister zu entnehmen.
Aus der aktuellen Auskunft aus dem zentralen Fremdenregister geht hervor, dass der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ des Beschwerdeführers vom Amt der XXXX Landesregierung zuletzt am 02.12.2019 verlängert wurde und bis zum 01.12.2020 gültig ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Am 02.12.2019 wurde sein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zuletzt verlängert.
§ 58 Abs 1 AsylG legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen ist. Da diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen und insbesondere der Tatbestand des § 58 Abs 1 Z 5 AsylG aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht erfüllt ist, kommt eine amtswegige Überprüfung der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG nicht in Betracht.
Daher war Spruchpunkt I., wonach dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird, ersatzlos zu beheben.
Die belangte Behörde hat ihre Rückkehrentscheidung auf die Bestimmung des § 52 Abs. 5 FPG gestützt, wonach gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Der vom BFA zur Begründung der Rückkehrentscheidung angewandte § 52 Abs. 5 FPG ist jedoch nicht maßgeblich, weil der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und nicht über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, sondern lediglich über eine jährlich zu verlängernde "Rot-Weiß-Rot - Karte plus“.
Bei einem rechtmäßigen Aufenthalt auf Grundlage eines solchen Aufenthaltstitels kommt allenfalls eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG in Betracht, etwa, wenn
- nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1) oder
- wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht (Z 4).
Allerdings ist im Falle des Beschwerdeführers keiner dieser Tatbestände erfüllt.
Zwar wären die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 06.11.2018 und vom 06.05.2019 grundsätzlich geeignet, der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG entgegenzustehen.
Dennoch wurde dem Beschwerdeführer sieben Monate nach seiner letzten Verurteilung, und zwar am 02.12.2019, die bis zum 01.12.2020 gültige „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ erteilt. Wie aus dem Verwaltungsakt hervorgeht, war der Niederlassungsbehörde zum Zeitpunkt der Verlängerung des Aufenthaltstitels das den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegende Verhalten des Beschwerdeführers bekannt (AS 95). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die belangte Behörde der Aufenthaltsbehörde auf entsprechende Rückfrage mit Schreiben vom 29.07.2019 mitteilte, dass keine aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen eingeleitet werden, der Beschwerdeführer vorerst ermahnt werde und das BFA erst im Falle einer neuerlichen Verurteilung eine Rückkehrentscheidung erlassen werde (AS 97). Wohl auch aus diesem Grund erteilte die Niederlassung dem Beschwerdeführer trotz seines strafrechtlichen Fehlverhaltens einen weiteren Aufenthaltstitel. Der Beschwerdeführer hat sich seither wohlverhalten, sodass auch kein nachträglicher Versagungsgrund eingetreten ist. Die Bestimmung des § 52 Abs. 4 Z 1 FPG ist somit nicht anwendbar.
Der Rückkehrentscheidungstatbestand des § 52 Abs. 4 Z 4 FPG kommt nur im Rahmen eines noch anhängigen Verlängerungsverfahrens in Betracht, was jedoch gegenständlich nicht der Fall ist (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0227).
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der Spruch auch keine Angaben enthält, wohin der Beschwerdeführer abgeschoben werden soll. Die im Rahmen der rechtlichen Ausführungen angegebene Abschiebung nach Serbien widerspricht seiner Staatsangehörigkeit Bosnien und Herzegowina, sodass verfahrensgegenständlicher Bescheid grob mangelhaft ist und einer Effektuierung nicht zugänglich ist.
Im Ergebnis hätte gegen den Beschwerdeführer keine Rückkehrentscheidung erfolgen dürfen. Die Aufhebung der Rückkehrentscheidung bedingt auch den Entfall der übrigen, darauf aufbauenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).
Da bereits aufgrund der Aktenlage der Bescheid ersatzlos zu beheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Raub Rot-Weiß-Rot-Karte plus Rückkehrentscheidung schwere Straftat Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat VerbrechenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2232624.1.00Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020