TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/15 W112 1417415-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2020
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Entscheidungsdatum

15.07.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W112 1417415-3/34E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 19.12.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN alias RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2018, ZI. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird im Hinblick auf die Spruchpunkte l. und II. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 06.11.2014 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen war.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 und 9 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner ersten Lebensgefährtin und seinem Sohn aus dieser Beziehung am 30.10.2010 mit dem Flugzeug erstmals in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 30.10.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.11.2010 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein. Er habe nicht mehr in seinem Land bleiben können, da es für ihn und seine Familie dort gefährlich gewesen sei. Oft seien tschetschenische Kämpfer zu ihm gekommen, während er Schafe gehütet habe und er habe ihnen immer zu essen gegeben. Eines Tages sei er von der Regierung mitgenommen, verhört und geschlagen worden. Er hätte der Regierung die Namen der Kämpfer verraten sollen. An einem Tag sei ein Kämpfer zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, für alle ein traditionelles Abendessen zu organisieren. Von dieser Aktion habe die tschetschenische Regierung erfahren und habe das Haus des Beschwerdeführers während dieses Essens umzingeln lassen. Der Onkel des Beschwerdeführers habe ihn und seine Familie noch aus dem Haus holen können und sie weggebracht. Später habe es wilde Kämpfe der tschetschenischen Kämpfer gegen die Regierung im Haus gegeben. Dabei sei das Haus komplett zerstört worden. Im Falle einer Rückkehr würde er mit seiner Familie umgebracht werden.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde am 09.11.2010 vom Bundesasylamt, XXXX , im Zulassungsverfahren niederschriftlich einvernommen und gab an, im Dorf XXXX in Tschetschenien gelebt zu haben. Am 20.09.2010 habe er in Begleitung seiner Frau, seines Sohnes und seines Onkels väterlicherseits das Dorf verlassen, sich ungefähr ein Monat lang bei Verwandten seiner Mutter im Dorf XXXX aufgehalten und schließlich Tschetschenien verlassen. In Tschetschenien leben die Mutter, die Großmutter und ein Onkel des Beschwerdeführers. In Österreich habe er keine Verwandten.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass oft Rebellenkämpfer zu ihm gekommen seien und er diese ungefähr ein Jahr lang mit Lebensmitteln unterstützt habe. Die Behörden haben davon erfahren und ihn vor ungefähr zwei oder drei Monaten mitgenommen und zu den Kämpfern befragt. Er sei geschlagen, erniedrigt, mit dem Messer bedroht und nach den Namen und dem Aufenthaltsort der Kämpfer befragt worden. Er habe die Daten der Rebellen nicht bekannt gegeben und sei dann freigelassen worden. Nach seiner Freilassung sei er von der Behörde beobachtet worden. Die Regierungsleute seien zwei oder drei Mal zu ihm nach Hause gekommen und haben sein Haus durchsucht. Die Kämpfer haben den Beschwerdeführer um ein Abendessen bei ihm im Haus gebeten. Er habe die Widerstandskämpfer unterstützt, weil sie seine Glaubensbrüder seien. Das Abendessen habe am 20.09.2010 um Mitternacht stattgefunden. Die Mutter und die Frau des Beschwerdeführers seien auch dabei gewesen, haben sich aber in einem anderen Raum aufgehalten. Die Regierungsleute haben von dem Abendessen mit den Rebellen erfahren und hätten sein Haus eingekreist. Sein Onkel habe bemerkt, dass Regierungsleute sein Haus umkreisen und habe dem Beschwerdeführer von draußen zugerufen und ihn gewarnt. Die Regierungsleute haben seinen Onkel gehört und dem Beschwerdeführer gesagt, dass die Familie rausgehen solle. Danach haben die zwei Kämpfer mit den Regierungsleuten gekämpft und das Haus sei komplett zerstört worden. Die Regierungsleute haben den Beschwerdeführer später gesucht.

1.4. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 13.12.2010 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass es keine Neuigkeiten gebe und er auch nichts zu ergänzen habe und wiederholte sein Fluchtvorbringen: Sein Haus sei am 20.09.2010 von der tschetschenischen Regierung bzw. uniformierten tschetschenischen Milizangehörigen umstellt worden, weil er den Freiheitskämpfern Unterstützung gewährt habe. Er habe die beiden Freiheitskämpfer, die er namentlich gekannt habe und, die seines Wissens nach zu XXXX gehören, seit ungefähr einem Jahr, die anderen bereits länger unterstützt. Er habe die Kämpfer unterstützt, obwohl er bereits einmal verhört und es im Vorfeld Hausdurchsuchungen gegeben habe, weil er ihnen wegen seines Glaubens diese Bitte nicht abschlagen habe können. Im Falle seiner Rückkehr werde er sicher umgebracht.

1.5. Das Bundesasylamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 17.12.2010 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) ab und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen aufgrund der im Verfahren aufgetretenen Widersprüche und der Vagheit seines Vorbringens nicht habe glaubhaft machen können. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, erwachsenen Mann handle, der über eine mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Viehhaltung verfüge. Darüber hinaus könne er auf Angehörige im Herkunftsstaat zurückgreifen. Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, da seine Familienangehörigen im selben Umfang wie er von aufenthaltsbeenden Maßnahmen betroffen seien. Ebenso greife die Rückkehrentscheidung auch nicht in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privatlebens ein. Er habe keine Kurse, Schulen, Universitäten oder sonstige Bildungseinrichtungen besucht und habe auch sonst keine Bindungen zu Österreich.

1.6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und focht den Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

1.7. Der Asylgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 01.02.2013 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte er aus, dass das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen aufgrund der unkonkreten, unplausiblen und widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung nicht den Tatsachen entsprach und keine glaubhaften Gründe für einen asylrelevanten Verfolgungsgrund erkannt werden konnten. Beim Beschwerdeführer handelte es sich um einen gesunden, jungen Mann im arbeitsfähigen Alter, der an keinen sein Alltagsleben und seine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankungen litt und nach wie vor über umfassende familiäre Anknüpfungspunkte in Tschetschenien verfügte, sodass er im Falle einer Rückkehr in keine ausweglose Lebenssituation geraten wäre. Die Ausweisung stellte sich auch nicht als unzulässiger Eingriff iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK dar, zumal die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers im selben Umfang wie er von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen war. Zudem war die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers mit lediglich etwas mehr als zwei Jahren als relativ kurz zu werten. Zudem musste er sich seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein, verfügte nur über rudimentäre Deutschkenntnisse und war weder am Arbeitsmarkt integriert noch hat er eine Ausbildung begonnen, sich um die Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung gekümmert oder war Mitglied in einem Verein.

1.8. Der Beschwerdeführer nahm am 14.02.2013 gemeinsam mit seiner Familie eine Rückkehrberatung in Anspruch. Der Beschwerdeführer war nicht rückkehrwillig. Da die Frau des Beschwerdeführers hochschwanger war, wurde festgestellt, dass eine Abschiebung bis sechs Monate nach der Niederkunft nicht statthaft war und ihr Aufenthalt in Österreich bis dahin geduldet wurde.

2.1. Der Beschwerdeführer reiste nach Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes im Jahr 2013 nach DEUTSCHLAND und stellte dort am 07.07.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Österreich stimmte nach Dublin-Konsultationen dem Ersuchen DEUTSCHLANDS um Übernahme des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 14.10.2013 zu. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in DEUTSCHLAND wurde vom deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (in Folge: BAMF) mit Bescheid vom 18.11.2013 als unzulässig zurückgewiesen und die Abschiebung nach Österreich angeordnet.

2.2. Der Beschwerdeführer stellte in DEUTSCHLAND am 06.08.2014 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BAMF vom 06.04.2017 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert, festgestellt, dass keine Abschiebeverbote vorlagen und ein auf 36 Monate befristetes Einreiseverbot in den Schengenraum erlassen. Das BAMF stellte fest, dass dem Beschwerdeführer keine Gefahr iSd Art. 2, 3 EMRK drohte.

3.1. Der Beschwerdeführer reiste am 05.11.2014 eigenständig von DEUTSCHLAND nach Österreich, wo er am 06.11.2014 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Im Rahmen der Erstbefragung am 08.11.2014 erklärte der Beschwerdeführer vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht bleiben und sich nichts geändert habe. Er könne keine neuen Gründe vorbringen. Er bekäme im Fall einer Rückkehr Probleme mit der Polizei. Er werde verdächtigt, mit Widerstandskämpfern zusammen gearbeitet zu haben. Diese Gründe seien ihm seit seiner ersten Flucht nach Österreich bekannt. Er stelle jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag, da er von DEUTSCHLAND nach Österreich gekommen sei und seine Familie hier sei.

3.2. Der Beschwerdeführer wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) im Zulassungsverfahren am 23.01.2015 niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an im März 2013 gemeinsam mit seiner Familie nach DEUTSCHLAND gereist zu sein, nachdem sie in Österreich negative Asylentscheidungen erhalten haben. Sie haben in DEUTSCHLAND Anträge gestellt, die negativ entschieden worden seien, weshalb sie sich für eine Rückkehr in ihr Herkunftsland entschieden hätten. Bei der Einreise in RUSSLAND sei er von seiner Familie getrennt worden und seien ihm alle Papiere abgenommen worden. Er sei von russischen Polizisten nach Tschetschenien ins Gefängnis nach XXXX gebracht worden. Er habe von November 2013 bis 23.06.2014 im Gefängnis bleiben müssen. Er sei am 23.06.2014 vom Gefängnis zum Flughafen in XXXX und von dort mit dem Flugzeug in die Ukraine nach XXXX gebracht worden, wo er bis 29.07.2014 gewesen sei. Es sei ihm gesagt worden, er und andere müssten aufgrund eines Befehls des Präsidenten KADYROW an der Seite der russischen Soldaten für die RUSSISCHE FÖDERATION in der UKRAINE am Krieg teilnehmen. Er sei dann wieder nach DEUTSCHLAND gereist, wo er im August 2014 einen Asylantrag gestellt habe. Er habe den Aufenthaltsort seiner Familie ausfindig machen können, weshalb er am 06.11.2014 von DEUTSCHLAND nach Österreich gereist sei und hier neuerlich einen Asylantrag gestellt habe.

3.3. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 20.04.2015 erneut vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer führte aus, keine neuen Fluchtgründe zu haben. Er habe aber Ergänzungen zu machen, über die Zeit nach dem Verlassen von Österreich im Jahr 2013. Nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens in Österreich seien er und seine Familie am 17.03.2013 nach DEUTSCHLAND gefahren, um dort Asyl zu beantragen. Auch dort haben sie einen negativen Bescheid erhalten, weshalb er mit seiner Familie im Oktober 2013 von DEUTSCHLAND nach Tschetschenien zurückgereist sei. Bei der ersten russischen Grenzkontrolle seien sie ersucht worden, den Bus zu verlassen. Der Beschwerdeführer sei von seiner Familie getrennt und am nächsten Tag in ein Militärgefängnis in XXXX in einen Keller gebracht worden. Er sei während seiner Anhaltung immer wieder nach Widerstandskämpfern befragt worden. Am 23.06.2014 sei er und weitere 27 oder 28 Männer mit dem Hubschrauber in die Ukraine nach XXXX gebracht worden, wo sie Militäruniformen erhalten hätten und kämpfen hätten müssen. Er sei mit den anderen Männern bis 08.07.2014 in einem Militärlager in XXXX untergebracht worden, wo sie auf einen dem Beschwerdeführer nicht bekannten Befehl gewartet hätten. Er habe dort aber nicht gekämpft und auch auf niemanden geschossen. Er sei am 08.07.2014 mit einem weiteren Insassen aus dem Lager geflohen. Der Onkel des Insassen habe ihnen geholfen die UKRAINE zu verlassen. Sie haben sich bis zum 29.07.2014 an einem näher bezeichneten Ort aufgehalten und seien dann von einem Schlepper nach DEUTSCHLAND gebracht worden, wo sie am 04. oder 05.08.2014 einen Asylantrag gestellt hätten. Während seines Aufenthaltes in DEUTSCHLAND habe er einige Tschetschenen kennengelernt, die ihm vom Aufenthalt seiner Familie in Österreich berichtet hätten. Er sei dann mit einem Taxi nach Österreich gereist.

Zum Fluchtgrund befragt, gab er an, erneut nach Österreich gekommen zu sein, da sich seine Familie hier aufhalte. Tschetschenien habe er neuerlich verlassen, weil er nicht freiwillig in die Ukraine gebracht worden sei, wo er unter Zwang kämpfen hätte sollen. Da er ein friedlicher Mensch sei, habe er nicht kämpfen wollen, weshalb er aus dem Militärlager in XXXX geflüchtet sei. Gegen die Ukraine habe er nichts. In Tschetschenien sei ihm vor dem Jahr 2010 zudem vorgeworfen worden, die Widerstandskämpfer mit Lebensmittel zu unterstützen. Er habe seine gesamte Landwirtschaft verloren und sein Haus sei am 20.09.2010 abgebrannt worden. Er wisse nicht wer es gewesen sei, es seien jedoch Leute von KADYROW gewesen.

Für den Fall einer Rückkehr nach Tschetschenien würde er spurlos verschwinden. Es halten sich in Tschetschenien auch keine Verwandten mehr auf. Seine Großmutter und sein Vater seien schon verstorben und seine Mutter halte sich in der TÜRKEI auf.

3.4. Das Bundesamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 28.10.2015 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt (Spruchpunkt III.). Ihm wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

Begründend führte das Bundesamt aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei eine asylrelevante Verfolgung oder eine drohende Verfolgung glaubhaft zu machen. Aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in der Russischen Föderation und den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers (junger, arbeitsfähiger Mann) sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werden würde. Die Lebensgefährtin und Kinder des Beschwerdeführers seien im selben Umfang wie er von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen. Der Beschwerdeführer habe sich nur relativ kurz im Bundesgebiet aufgehalten, habe hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und sei nicht hervorgekommen, dass er selbsterhaltungsfähig sei. Zudem würden die Beziehungen des Beschwerdeführers zur Russischen Föderation jene – wenn überhaupt vorhandene – Beziehung zu Österreich bei weitem überwiegen. Die Rückkehrentscheidung sei daher kein unzulässiger Eingriff iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK.

3.5. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, infolge dessen mangelhafter Beweiswürdigung, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

3.6. Am 19.11.2015 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt über seine Ausreiseverpflichtung belehrt. Im Zuge dessen gab der Beschwerdeführer an, Österreich nicht freiwillig zu verlassen.

3.7. Am 06.06.2016 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im Besitz einer weißen Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 sowie einer grünen Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 50 AsylG 2005 angehalten.

3.8. Das Bundesverwaltungsgericht behob in Erledigung der Beschwerde mit Erkenntnis vom 10.01.2017 den Bescheid vom 28.10.2015 und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurück.

Begründend führte es aus, dass es das Bundesamt unterlassen habe den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln und sich dadurch um die Möglichkeit gebracht habe, diesen beurteilen zu können. So sei lediglich auf das rechtskräftig abgeschlossene Erstverfahren Bezug genommen worden, obwohl der Beschwerdeführer behauptet habe, in der Zwischenzeit im Herkunftsstaat aufhältig gewesen zu sein, wo er mit neuen Problemen konfrontiert gewesen sei.

4.1. Der Beschwerdeführer wurde am 13.02.2017 vom Bundesamt neuerlich einvernommen.

4.2. Gegen den Beschwerdeführer wurde am 05.07.2017 wegen des Verdachts XXXX StGB Untersuchungshaft verhängt.

4.3. Am 28.11.2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer legte ein Unterstützungsschreiben auf Tschetschenisch, eines auf Deutsch sowie eine Einstellungszusage vor.

4.4. XXXX fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer gab bezüglich seiner Fluchtgründe an, dass er nachdem er in DEUTSCHLAND ebenfalls einen negativen Bescheid erhalten habe, mit einem Bus in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückkehren habe wollen. Der Bus sei an der Grenze angehalten und er aus dem Bus gewiesen worden. Er sei am nächsten Tag mit dem Flugzeug nach XXXX gebracht und von November 2013 bis XXXX in einem Keller untergebracht worden. Er sei vom Militär gefoltert und zu XXXX befragt worden, weil das Militär davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Unterstützung der Widerstandskämpfer im Jahr 2009/2010 diesbezüglich Informationen habe. Im XXXX sei dem Beschwerdeführer seine Freilassung unter der Bedingung der Teilnahme am Krieg in der Ukraine versprochen worden. Der Beschwerdeführer sei dann mit ca. 24 anderen Männern in die Ukraine geflogen worden, wo sie in Zelten untergebracht worden seien und ihnen der Umgang mit Waffen beigebracht worden sei. Bevor der Beschwerdeführer an Kampfhandlungen teilgenommen habe, sei er mit einem Tschetschenen, den er im Lager kennengelernt habe, und der Hilfe dessen Onkel geflohen. Der Beschwerdeführer und sein Komplize haben sich dann versteckt und sie seien Ende Juli 2014 aus der Ukraine ausgereist. In DEUTSCHLAND habe der Beschwerdeführer erfahren, dass sich seine Familie in Österreich aufhalte, weshalb er nach Österreich gefahren sei und neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Im Falle einer Rückkehr werde er umgebracht werden, weil er sich der Vorgabe KADYROWs am Krieg in der UKRAINE teilzunehmen, widersetzt habe.

4.5. Das Bundesamt wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 06.11.2014 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in sein Herkunftsland zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung oder eine drohende Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ebenso wenig glaubhaft gemacht habe wie eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung. Dem Beschwerdeführer drohe im Falle seiner Rückkehr auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertige, da es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, arbeitsfähigen Mann handle, der familiäre Anknüpfungspunkte in Tschetschenien habe. Er könne somit von seinem Familienverband aufgenommen werden. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zwar über ein schützenswertes Familienleben, jedoch seien seine Familienangehörigen im selben Umfang wie er von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keinen Deutschkurs besucht, sei kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und sei bisher in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Er habe sich in Österreich in Untersuchungshaft befunden und gegen ihn sei Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben worden. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet überwiege daher sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet.

4.6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Begründend führte die Beschwerde aus, dass das Bundesamt kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen würden sich nicht ausreichend mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers – nämlich der Zwangsrekrutierung tschetschenischer Männer für die russische Armee in der UKRAINE – beschäftigen. Ferner habe das Bundesamt jene Länderfeststellungen, welche sich mit dem Fluchtvorbringen – Verfolgung von als Oppositionell wahrgenommenen und Folter – beschäftigen, nicht als Grundlage für die Beweiswürdigung herangezogen. Hätte das Bundesamt die zitierten Länderberichte und die getroffenen Länderfeststellungen herangezogen, hätte es zum Schluss kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei. Zudem habe das Bundesamt bei der Einvernahme betreffend die Foltererfahrungen auf die besonderen Bedürfnisse des Beschwerdeführers als Folteropfer keine Rücksicht genommen. Es wurde der Antrag auf medizinische Begutachtung der Folterspuren ( XXXX , XXXX ) zum Beweis der Foltererfahrung des Beschwerdeführers gestellt. Der Beschwerdeführer fürchte im Falle einer Rückkehr erneut inhaftiert, gefoltert oder umgebracht zu werden. Er gelte aufgrund seiner Flucht nach der Zwangsrekrutierung als Verräter bzw. als Oppositioneller. Auch seine Mutter habe das Land verlassen müssen und sei die Familie enteignet worden. Mangels ausreichender Offenlegung der Beweiswürdigung sei nicht ersichtlich, wie das Bundesamt zu den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen gelangt sei.

Dem Beschwerdeführer drohe zudem aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung sowie eine Verletzung seines Rechts auf Leben. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei im Falle des Beschwerdeführers ausgeschlossen, da die Behörden im ganzen Staatsgebiet in der Lage wären, den Beschwerdeführer ausfindig zu machen. Ihm sei jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren.

Eine Rückkehrentscheidung würde insbesondere in das Recht auf Familienleben des Beschwerdeführers eingreifen. Darüber hinaus habe er zahlreiche soziale Kontakte geknüpft und sich bestens in die österreichische Gesellschaft eingelebt. Er sei unbescholten und beabsichtige sobald ihm dies möglich sei, zu arbeiten. Dem Beschwerdeführer sei jedenfalls ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen.

Der Beschwerdeführer stellte daher die Anträge eine mündliche Beschwerdeverhandlung – inklusive nochmaliger Einvernahme des Beschwerdeführers – durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes II. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt werde; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

4.7. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 27.06.2018 wegen des Verbrechens d XXXX StGB und des Vergehens XXXX StGB zu einer Freiheitstrafe von XXXX verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von XXXX Jahren bedingt nachgesehen.

4.8. Das Bundesamt sprach mit Bescheid vom 17.04.2019 aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 03.07.2018 verloren habe.

4.9. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 18.09.2019 auf, gravierende Veränderungen an seinem Gesundheitszustand bekanntzugeben sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Beweismittel vollständig vorzulegen und Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu seinen Fluchtgründen und seiner Identität sowie Unterlagen und Dokumente betreffen seine aktuellen Lebensverhältnisse und familiären Beziehungen in Österreich zu übermitteln.

Mit Stellungnahme vom 01.10.2018 gab der Beschwerdeführer an getrennt von seiner Ex-Frau und ihren drei gemeinsamen Kindern zu leben. Er lebe nunmehr bei seiner Lebensgefährtin, mit der er zwei Kinder habe. Die Pflegschaft für seinen Sohn mit seiner Lebensgefährtin liege beim Jugendamt, da er Behandlung benötige.

4.10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 18.12.2019 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch sowie im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers durch.

Die Befragung des Beschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

„R: Sie stellten den ersten Asylantrag am 30.10.2010, weil Sie Kämpfern zu essen gegeben haben und Sie von der Regierung mitgenommen wurden, die von Ihnen die Namen von Kämpfern wissen wollte. Sie wurden von Ihrem Onkel „herausgeholt“, bevor es um Ihr Haus Kämpfe zwischen Rebellen und der Regierung gab. Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Mit Bescheid vom 17.12.2010 wies das Bundesasylamt Ihren Antrag auf internationalen Schutz als unbegründet ab und wies Sie in die Russische Föderation aus. Sie hatten einen Rechtsberater. Ihre von der von Ihnen bevollmächtigten XXXX verfasste Beschwerde vom 30.12.2010 wies der Asylgerichtshof nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.10.2012 und Ihrer Stellungnahme vom 30.10.2012 mit Erkenntnis vom 01.02.2013, Ihnen zugestellt am 05.02.2013 als unbegründet ab und stellte fest, dass Ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft war. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich habe wirklich einen negativen Bescheid bekommen, deshalb bin ich ausgereist.

R: Der Verfassungsgerichtshof gab Ihrem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht Folge. Bei der Rückkehrberatung am 14.02.2013 waren Sie aber nicht rückkehrwillig. Warum?

BF: Ich wollte nicht zurück. Ich wollte nicht freiwillig zurückfahren, ich will hierbleiben, ich hatte Probleme und wollte deshalb nicht zurück. Meine Kinder wurden hier geboren, deshalb.

R: Die BH XXXX stellte fest, dass Ihre Abschiebung bis XXXX wegen der Schwangerschaft Ihrer damals nach traditionellem muslimischen Ritus angetraute[n] Lebensgefährtin nicht zulässig war. Warum reisten Sie dessen ungeachtet am 16.03.2013 nach DEUTSCHLAND weiter?

BF: Ich sagte, dass meine Frau schwanger ist. Ich kann mich nicht auf Russisch ausdrücken. Sie war schwanger. Man hat mir gesagt, dass ich nicht von hier wegfahren darf. Man sagte mir, dass ich wegfahren muss, dass man mich sowieso abschieben wird, daher wusste ich, dass ich wegfahren muss. (Ich kann mich auf Deutsch nicht ausdrücken).

R: Mit welchen Dokumenten reisten Sie nach DEUTSCHLAND?

BF: Mit der weißen Karte.

R: Für das Überschreiten der Grenzen von Schengenstaaten braucht man einen Personalausweis oder Reisepass!

BF: Niemand hat mich angehalten, deswegen. Ich habe nur Geld bezahlt, 500 Euro für die ganze Familie.

R: Wem bezahlten Sie das Geld?

BF: Ich habe es dem Taxi bezahlt.

R: Man hat das Recht auf ein Asylverfahren in den Mitgliedstaaten. Warum stellten Sie in DEUTSCHLAND am 07.07.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, wenn über Ihren Antrag in Österreich doch schon entschieden wurde?

BF: Wir sind ausgereist. Wir haben dort um Asyl angesucht. Ich wollte nicht von hier abgeschoben werden. Deshalb bin ich ausgereist. Ich wollte kein neues Asylverfahren in DEUTSCHLAND. Wir haben dort neu um Asyl angesucht. Man sagte mir, dass ich hier keine Chance habe.

R: Mit Bescheid vom 18.11.2013 wies das BAMF Ihren Antrag auf internationalen Schutz vom 07.07.2013 als unzulässig zurück. Wo hielten Sie sich 07.07.2013 – 01.08.2014 auf?

BF: Ich habe es nicht verstanden, können Sie es wiederholen?

R: Wo hielten Sie sich 07.07.2013 – 01.08.2014 auf? DEUTSCHLAND hat Ihren Asylantrag abgelehnt!

BF: Ich verstehe kein Russisch, ich kann es auch nicht genau erklären.

Die Frage wird langsam wiederholt.

BF: Wir wollten von Deutschland nach Tschetschenien fahren. Von XXXX nach XXXX . Ich wollte nicht, dass ich abgeschoben werde, ich wollte selbst ausreisen. Ich kann mich nicht ausdrücken, es fällt mir schwer es auf Russisch zu sagen.

R: Dann machen Sie es langsam.

BF: Ich kann es nicht, ich kann mich nicht auf RUSSISCH ausdrücken.

R: Wo waren Sie zwischen 07.07.2013 und 01.08.2014?

BF: Am 30.11. reisten wir aus, im Oktober reisten wir aus, an die russische Grenze. Dort haben wir uns getrennt. Danach war ich im Gefängnis bis zum 24 oder 25. Juli. Es ist viel Zeit vergangen, ich habe es mittlerweile schon vergessen. Ich reiste dann in die UKRAINE aus und dann war ich wieder hier, zuerst war ich in DEUTSCHLAND, dann kam ich hierher.

R: Haben Sie Belege dafür?

BF: Nein, ich habe nichts.

R: Warum kehrten Sie in die RUSSISCHE FÖDERATION zurück, statt nach Österreich?

BF: Es war so, es ist eine Dublin-Verfahren, wir hatten Angst, dass wir abgeschoben werden. Man sagte uns hier, dass wir überhaupt keine Chance haben.

R: (AS II 371 ff) Am 01.08.2014 stellten Sie in DEUTSCHLAND Ihren insgesamt dritten Antrag auf internationalen Schutz. Laut AZR-Mitteilung der Ausländerbehörde waren Sie ab 12.11.2014 unbekannten Aufenthalts. Ihr zweiter Asylantrag wurde mit Bescheid vom 06.04.2017 nach Durchführung einer Anhörung, zu der Sie unentschuldigt nicht erschienen, vom BAMF als unzulässig abgelehnt, Sie wurden zur Ausreise binnen einer Woche aufgefordert und es wurde festgestellt, dass keine Abschiebeverbote vorliegen und ein auf 36 Monate befristetes Einreiseverbot in den Schengenraum erlassen und Ihnen damit der Aufenthalt – auch in Österreich – untersagt. Das BAMF stellte fest, dass Ihnen keine Gefahr iSd Art. 2, 3 EMRK droht. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich verstehe die Frage nicht, ich kann nicht RUSSISCH.

R: In Österreich stellten Sie am 06.11.2014 Ihren insgesamt VIERTEN Antrag auf internationalen Schutz. Mit welchen Dokumenten reisten Sie von DEUTSCHLAND nach Österreich?

BF: Ich hatte einen Freund mit. Er hat das gemacht. Ich hatte ein falsches Dokument mit.

R: Sie beziehen in Österreich Grundversorgung wegen Mittellosigkeit sowohl bis 2013 als auch seit 2014. Womit finanzierten Sie die Reisen?

BF: Nach Tschetschenien oder zurück?

R: Alle Ihre Reisen!

BF: Meine Freunde haben mir geholfen, sie gaben mir ein bisschen Geld. Sonst hatte ich nichts. Ich habe ja nicht gearbeitet. Als ich zurückkam, wurde ich auch von Freunden unterstützt.

R: Laut Aussage von BF 1 finanzierte deren Vater Ihre Reise von ÖSTERREICH nach DEUTSCHLAND. Warum?

BF: Das war nur das erste Mal. Das zweite Mal weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob er dann geholfen hat, davon weiß ich nichts.

R: Warum ließen Sie sich nicht legal im Wege des Dublin-Verfahrens zu Ihrer Familie nach Österreich überstellen?

BF: Ja, aber wir hatten Angst, dass wir abgeschoben werden. Wenn ich abgeschoben worden wäre, hätte ich keine Chance zurückzukommen. Dort hätte ich viele Probleme. Hätte man mich abgeschoben, dann hätte die Polizei vielleicht beim Flugzeug auf mich gewartet.

BFV an D: Haben Sie den Eindruck, dass Sie der BF versteht und verstehen Sie den BF?

D: Ich kann den BF im Großen und Ganzen verstehen, aber es gibt Teile, bei denen ich nachfragen muss, weil sie nicht klar sind. Er sagt, dass er Schwierigkeiten hat.

BF: Sie können mir nachher keine Fehler vorwerfen, weil ich gleich gesagt habe, dass ich nicht alles verstehe.

R: Sie gaben am 08.11.2014 an, keine neuen Fluchtgründe zu haben. Warum stellen Sie dann den VIERTEN Asylantrag?

BF: Ich hatte ja die erste Einvernahme in XXXX . Dort habe ich alles gesagt. Dort war es zuerst eine kurze Einvernahme. Dort war ein russischer Dolmetscher, deshalb konnte ich nicht alles sagen. Wäre ein Tschetschene dabei, könnte ich alles vollständig sagen.

R: DEUTSCHLAND stimmte am 10.12.2014 Ihrer Wiederaufnahme zu, Österreich erließ aber keine Anordnung der Außerlandesbringung und führte das Verfahren durch. Warum gaben Sie aber in der Einvernahme am 13.02.2017 an, dass Sie noch in keinem anderen Land einen Asylantrag gestellt haben?

BF: Ich sagte damals außer DEUTSCHLAND.

R: Im ersten Asylverfahren gaben Sie am 02.11.2010 an, nur TSCHETSCHENISCH zu sprechen, im zweiten am 06.11.2014, dass Sie TSCHETSCHENISCH und RUSSISCH sprechen. Wann und wo haben Sie RUSSISCH gelernt?

BF: Ich habe nicht Russisch gelernt. Ich habe mit Freunden gesprochen. So habe ich gelernt, aber ich kann nicht viel Russisch, ich verstehe nur ein bisschen.

R: Im ersten Asylverfahren gaben Sie bei der Erstbefragung an, Analphabet zu sein und gaben statt einer Unterschrift den Fingerabdruck ab, im zweiten Asylverfahren unterschrieben Sie bei der Erstbefragung. Wann haben Sie lesen und schreiben gelernt?

BF: Ich habe hier gelernt mit meiner Frau, ein bisschen, aber nicht viel.

R: Verfügen Sie über einen Lichtbildausweis, der Ihre Identität belegt?

BF: Nein, ich habe nichts.

R: Laut Ihrer Erstbefragung am 02.11.2010 gaben Sie an, dass Sie nur einen Inlandsreisepass hatten und diesen im Flugzeug nach XXXX zerrissen und im WC hinuntergespült haben. Warum?

BF: Weil wir nicht zurückkommen wollten. Wir wollten hierbleiben. Ich habe Probleme. Wir wollten hierbleiben und Asyl bekommen.

R: Mit einem Inlandsreisepass kann man nicht nach XXXX fliegen. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich hatte noch andere Pässe, aber die waren schon abgelaufen. Ich weiß es nicht. Ich habe das alles selbst gemacht, ich spülte es im Klo runter.

R: Wer ist XXXX (AS I 29)?

BF: XXXX ?

R: Ja.

Die R zeigt dem BF ein Foto von der genannten Person. (AS91)

BF: Ich weiß nicht wer das ist. Es ist kein gutes Foto. Jetzt kann ich mich erinnern. Das war am Flughafen. Ich habe sie dort das erste Mal gesehen, ich lernte sie dort kennen, vorher sah ich sie nicht. Ich habe sie vorher nie in meinem Leben gesehen.

R: Sie reisten gemeinsam mit gefälschten Pässen ein und kennen Sie nicht?

BF: Ich lernte sie dort das erste Mal kennen.

R: Sie reisten mit einem GEORGISCHEN Reisepass auf den Namen XXXX ein. Warum?

BF: Nein, ich weiß nichts davon, weil ich nicht lesen kann. Wurde dort Russisch geschrieben?

R: Den Reisepass habe ich nicht […]. Das sind nur die Nachforschungen der Polizei vom Flughafen.

BF: Ich weiß es nicht, ich machte den Pass nicht, sondern die anderen.

R: Welche anderen?

BF: Mein Onkel mit der Frau meines Vaters. Sie halfen mir.

R: Sind Sie RUSSE oder GEORGIER?

BF: Ich bin Tschetschene, kein Russe.

R: In der HV im Strafverfahren haben Sie Fragen immer wieder auf GEORGISCH beantworten wollen, aber die Dolmetscherin hat Sie mehrfach ermahnt, Russisch zu sprechen, weil Ihr GEORGISCH mangelhaft ist. Woher können Sie GEORGISCH?

BF: Russisch? Ich weiß nichts.

R wiederholt die Frage.

BF: Wo? Bei der Einvernahme?

R: Bei der HV im Strafgericht.

BF: Ich weiß es nicht.

R: Im ersten Asylverfahren gaben Sie an, dass Sie Analphabet waren und nie in der Schule waren. In der Beschuldigteneinvernahme gaben Sie an, dass Sie neun Jahre die Schule in Tschetschenien besuchten, was stimmt?

BF: Ich schämte mich, deshalb sagte ich das. Auch jetzt ist es für mich beschämend, dass ich das nicht kann. Deshalb kann ich keinen Deutschkurs besuchen, deshalb kann ich schlecht Russisch und Deutsch. Ich kann nicht gut Russisch schreiben. Ich lerne die Sprache auf der Straße.

R: In einer späteren Einvernahme 07.02.2018 im zweiten Strafverfahren gaben Sie an, dass Sie die Schule ein Jahr lang besuchte. Das ist die dritte Variante.

BF: Ich schämte mich und sagte das deshalb. Als ich zuerst sagte, dass ich nicht schreiben kann, wurde ich aufgefordert, meinen Vor- und Nachnamen aufschreiben. Ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern, dass ich sagte, dass ich die Schule neun Jahre besuchte. Ich kann mich an die Einvernahme nicht mehr erinnern. Wenn ich neun Jahre in der Schule gewesen wäre, könnte ich gut Russisch sprechen und auch gut schreiben.

R: Sie gaben an, 2010 in einer unbekannten Stadt in das Flugzeug gestiegen zu sein. Wie kann es sein, dass Sie nicht wissen, auf welchem Flughafen Sie waren?

BF: Ich weiß es nicht. Ich war dort das erste Mal in meinem Leben. Das war in einer großen Stadt. Ich weiß bis heute nicht, wo ich war. ich weiß bis zum heutigen Tag nicht, wo ich war. Dort war ich das erste Mal.

R: Sie reisten also im Auto Ihres Schwiegervaters mit [ihrer damaligen Ehefrau und ihrem erstgeborenen Sohn] 2010 aus der Russischen Föderation aus, Ihr Schwiegervater zeigte bei jeder Kontrolle Ihre Pässe her und Sie hatten keine Probleme. Stimmt das?

BF: Das ist korrekt, aber ich weiß nicht, welches Dokument sie gezeigt haben. Ich bin gesessen und sie haben es gezeigt. Mich interessiert es selber.

R: Sie gaben am 09.11.2010 an, dass Sie im Flugzeug den INLANDSREISEPASS zerrissen haben. Heißt das, Sie flogen die Maschine der XXXX mit Reisepässen auf zwei verschiedene Identitäten?

BF: Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob die Pässe auf verschiedene Namen liefen. Ich kann nicht lesen, deshalb nicht. Aber dort war mein Foto.“

Nach Rückübersetzung der Niederschrift erhob der Beschwerdeführer dagegen folgende Einwendungen:

„Zur Seite 59 gebe ich an, dass ich damals nicht zur Verhandlung erschienen bin, weil ich keine Ladung bekommen habe. Das fällt mir jetzt ein. Man hat mir nichts gegeben. Erst, als ich dort war, fragte man mich, warum ich nicht vorher gekommen bin.

Zur Seite 59 gebe ich weiters an: Zur Aussage, dass ich nicht Russisch kann, ich kann schon Russisch, aber nicht normal.

Zu den Pässen möchte ich noch angeben, dass sie nicht abgelaufen waren, sondern falsch oder echt. Ich weiß es nicht, ich habe dort nur mein Foto gesehen.

Zur Seite 60 gebe ich an, dass es auf Russisch nur eine kurze Einvernahme gab, weil ich Russisch nicht gut verstanden habe. Dann wurde ein zweiter Termin festgelegt, das war 2018, da war ein Tschetschene dabei, dann habe ich alles vollständig ausgesagt.

Die Verhandlung wurde unterbrochen und am ladungsgemäß am 19.12.2019 fortgesetzt. Dem Beschwerdeführer wurden die Länderinformationsblätter RUSSISCHE FÖDERATION und GEORGIEN ausgefolgt. Die Fortsetzung der Befragung des Beschwerdeführers unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache RUSSISCH und einer Dolmetscherin für die Sprache TSCHETSCHENISCH gestaltete sich wie folgt:

„R: Sie wurden am 08.11.2014 polizeilich erstbefragt, und am 23.01.2015, 20.04.2015, 19.11.2015, 13.02.2017, 28.11.2017 und 12.02.2018 vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben? Gab es Probleme?

BF: Es gab Probleme.

R: Welche Probleme gab es bei Ihren Einvernahmen?

BF: Nein.

R: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung vor dem Bundesasylamt und dem Bundesamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtigstellen oder ergänzen?

BF: Ich habe wirklich die Wahrheit gesprochen, so gut ich konnte. Ob etwas falsch geschrieben wurde, weiß ich nicht.

R: Mit Bescheid vom 28.10.2015 wies das Bundesamt Ihren Antrag auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, stellte fest, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation rechtmäßig ist, erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen Sie und räumte Ihnen eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ein. Mit Beschluss vom 10.01.2017 verwies das Bundesverwaltungsgericht in Erledigung Ihrer Beschwerde die Angelegenheit zur Erfassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurück. Mit Bescheid vom 07.05.2018 wies das Bundesamt Ihren Antrag auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status der Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, stellte fest, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation rechtmäßig ist, erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen Sie und räumte Ihnen eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ein. Gegen diesen Bescheid erhoben Sie mit Schriftsatz vom 08.06.2018 Beschwerde. Halten Sie diesen Schriftsatz und die darin gestellten Anträge aufrecht?

BF: Ich kann nicht sagen, dass das richtig gewesen ist, aber ich habe angenommen, was ich bekommen habe. Ich bin in einem fremden Land, in Österreich. Ich kann nicht sagen, ob es richtig oder falsch ist, was ich bekommen habe.

RV2: Beschwerde und Anträge werden aufrechterhalten.

R: Hat sich Ihre Situation seit der Bescheiderlassung am 06.04.2017 bzw. der Beschwerdeerhebung am 08.06.2018 geändert?

BF: Ich weiß nicht, ob es einen Bescheid 2017 gab. Aber ich weiß, dass ich 2017 in XXXX ein Interview hatte.

R: Hat sich an Ihren Umständen seit 2017 irgendetwas geändert?

BF: 2017 habe ich ein kurzes Interview gehabt. Da war eine russische Dolmetscherin. Diese konnte ich nicht gut verstehen. Dieses wurde dann zurückgezogen und 2018 hatte ich ein langes Interview mit einer tschetschenischen Dolmetscherin.

R: Wurden Sie jemals aufgrund Ihrer Rasse verfolgt?

BF: Nein, ich weiß davon nichts.

R: Wurden Sie jemals aufgrund Ihrer Nationalität verfolgt?

BF: Meinen Sie in Österreich?

R: Überhaupt.

BF: Ja, als Tschetschene wurde ich verfolgt.

R: Wo und wann wurden Sie als Tschetschene verfolgt?

BF: Ich verstehe die Frage nicht richtig.

R wiederholt die Frage.

BF: In Österreich wurde ich als Tschetschene nie verfolgt.

R wiederholt die Frage.

BF: Nur von Russen wurde ich als Tschetschene verfolgt, von der tschetschenischen Polizei.

R: Das heißt, die Verfolgung bezieht sich ausschließlich auf die Russische Föderation?

BF: Ja.

R: Wurden Sie jemals aus religiösen Gründen verfolgt?

BF: Ich kann nicht direkt sagen, dass ich wegen meiner Religion verfolgt wurde.

R: Wie wurden Sie indirekt wegen Ihrer Religion verfolgt?

BF: Wegen der Religion bin ich nicht direkt verfolgt worden. Ich wurde nur verfolgt, weil ich den Kriegskämpfern geholfen habe.

R: Haben Sie sich im Herkunftsland politisch betätigt und/oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder Bewegung?

BF: Nein.

R: Wurden Sie verfolgt, weil Sie sonst einer bestimmten sozialen Gruppe angehören?

BF: Als Angehöriger einer sozialen Gruppe wurde ich nicht verfolgt, nur, weil ich Kämpfern geholfen habe.

R: Wurden Sie wegen Ihres Geschlechts oder Ihrer sexuellen Orientierung verfolgt?

BF: Nein.

R: Waren Sie jemals Militärangehöriger?

BF: Nein.

R: Waren Sie jemals Mitglied einer bewaffneten Gruppierung?

BF: Nein.

R: Haben Sie sich jemals an Kampfhandlungen beteiligt?

BF: Nein.

R: Warum sind Sie am 06.11.2014 nach Österreich eingereist?

BF: Ich bin 2015 nach Österreich eingereist. Das glaube ich.

R: Warum sind Sie 2015 nach Österreich eingereist?

BF: In Österreich war zu dieser Zeit auch meine Familie. Ich wollte in Österreich um Asyl ansuchen.

R: Warum wollten Sie in Österreich um Asyl ansuchen?

BF: Ich wollte mit meiner Familie zusammen sein.

R: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

BF: Ich kann nicht zurück wegen der tschetschenischen Regierung. Ich hätte ihretwegen Probleme.

R: Warum hätten Sie Probleme wegen der tschetschenischen Regierung?

BF: Es hat alles damit angefangen, dass ich den Kriegskämpfern mit Essen geholfen habe. Das ist der Grund für alles Weitere.

R: Wann war das?

BF: 2009. In dieser Zeit hat es angefangen.

R: Wer konkret sollte Ihnen, warum konkret, etwas antun wollen, wenn Sie in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren?

BF: Mich wird die Regierung verfolgen, wenn ich nach Hause zurückkehre.

R: Warum?

BF: Weil ich den Kriegskämpfern geholfen habe und danach bin ich geflüchtet. Das ist der Grund.

R: Haben Sie zwischen 2010 und 2019 das Gebiet der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union jemals verlassen?

BF: Ja.

R: Wann sind Sie wohin gereist?

BF: 2013 nach Tschetschenien.

R: Beschreiben Sie mir das!

BF:2013, am 29.oder 30. Oktober, ich kann es nicht genau sagen, bin ich mit dem Regionalbus nach Tschetschenien gefahren.

R: Wann sind Sie wieder in das Gebiet der Europäischen Union zurückgereist?

BF: 2014 im August bin ich nach DEUTSCHLAND zurückgereist und habe um Asyl angesucht. An das genaue Datum kann ich mich nicht erinnern.

R: Schildern Sie mir, was zwischen 29.10.2013 und August 2014 passiert ist.

BF: Ich war zusammen mit der Familie unterwegs nach Hause. Dann wurde ich aber an der Grenze verhaftet und so wurde ich von meiner Familie getrennt. Meine Familie und ich waren zusammen unterwegs, aber an der Grenze wurde ich verhaftet. Ich wurde ins Gefängnis gebracht. Ich habe gar nicht gewusst, was mit meiner Familie ist, bis XXXX war ich im Gefängnis. Danach bin ich in die Ukraine gekommen, habe mich mit einem Freund getroffen. Dieser Freund und sein Onkel haben mir geholfen, nach DEUTSCHLAND zu kommen. Ich bin mit den Freunden zusammen nach DEUTSCHLAND gekommen.

R: Können Sie mir das genauer schildern, den Aufenthalt von Oktober 2013 bis August 2014?

BF: Soll ich erzählen, was im Gefängnis mit mir gemacht wurde?

R wiederholt die Frage.

BF: Ich kam ins Gefängnis. Dort wurde ich gefoltert und gefragt über die Sachen, die ich gemacht habe. Ich war ein Schäfer in den Bergen und ich wurde immer gefragt, was ich genau gemacht habe und wie ich den Kriegskämpfern geholfen habe. XXXX wurde im Krieg getötet. Seit XXXX getötet wurde, wurde ich immer nach dem Lager der Kämpfer gefragt. Sie haben mich gefragt, mit welchen der Leute von XXXX ich mich getroffen habe, wo ich das Essen dieser Kämpfergruppe übergeben habe, was ich ihnen zum Essen gegeben habe, wie wir die Treffen ausgemacht haben, um wie viel Uhr. Seit XXXX , wie ich gesagt habe, getötet wurde, hat sich meine Lage geändert. Dann habe sie gesagt, ich muss von da weg und haben mir empfohlen, in die Ukraine zu gehen. Dort im Gefängnis war auch ein Kämpfer, der in derselben Lage war wie ich. Ich habe ihn damals nicht gekannt. Wir wurden inoffiziell hingeschickt. Wir waren gemeinsam mit Leuten, die offiziell hingeschickt. Ich und Leute, die in derselben Lage waren wie ich, im Gefängnis. Dort in UKRAINE, als wir schon in die UKRAINE eingereist waren, habe ich XXXX kennengelernt. Der war, so wie ich, im Gefängnis. Dort haben wir geredet und festgestellt, dass wir in derselben Situation sind. Dann hat er so gesprochen, dass er vorhat, von dort wegzugehen. Dieser XXXX hatte dort Angehörige, einen Onkel. XXXX hat gesagt: „Mein Onkel wird mir helfen, von hier wegzugehen. Wenn du willst, dir auch." Er hat mich gefragt: „Willst du dableiben oder nicht? Wenn nicht, werde ich dir helfen. Denn ich werde von hier weggehen, mit Hilfe meines Onkels. Wenn du willst, können wir zu zweit weggehen." Ich war dann einverstanden und habe gesagt, dass ich es auch will. Wir haben es geschafft, von dort zu flüchten. Wir waren dort in einem Lager. Der Onkel von XXXX hat einen Freund geschickt, ca. einen Kilometer von dem Lager entfernt oder etwas weiter. XXXX hat mir geholfen und mich mitgenommen. Der Freund oder Bekannte vom Onkel, der hat uns Zivilgewand gebracht, damit wir uns umziehen konnten. Er hat uns mit dem Auto von dort weggebracht. Er hat uns zum Onkel von XXXX gebracht. Beim Onkel haben wir uns dann aufgehalten. Mit Geld und allem hat uns der Onkel von XXXX geholfen. Aber wir haben versucht, durch den Onkel von XXXX auch Kontakt zu meiner Familie zu suchen, aber es ist nicht gelungen. Egal, was wir versucht, hatten wir aber keine Chance. Mit Geld und so hat er uns geholfen. Er hat uns nach Europa gebracht. Nach Deutschland sind wir zurück. Der Onkel von XXXX war nicht dabei. XXXX und ich, wir sind zu zweit nach DEUTSCHLAND. Wir sind nach DEUTSCHLAND hingekommen und haben um Asyl angesucht. Ich habe darum gebeten, meine Familie zu finden und die Daten meiner Familie angegeben. Sie haben gesagt, dass sie nicht in DEUTSCHLAND sind und nichts wissen. Dann habe ich gebeten, zu schauen, ob sie sich in einem anderen EU-Staat aufhalten, aber sie sagten, dass sie das nicht wissen. Ich weiß nicht, wie lange ich dort, wie viele Monate, aber die ganze Zeit, als ich in DEUTSCHLAND war, habe ich mich meine Familie gesucht und gefragt, wo sie sein könnten. Dann habe ich irgendwie von jemandem erfahren, dass sie in Österreich sind. Dann wurde ich nach XXXX geschickt und ich habe jemanden gebeten, dort nachzufragen. Aber es wurde gesagt, sie sind nicht dort. Dann habe ich weiter gefragt. Dann habe ich von jemandem erfahren, dass sie XXXX sind. Aber dann, als ich das gehört habe, bin ich von dort weggereist und XXXX . Ich korrigiere: Zuerst habe ich gefragt, ob ich nach Österreich kommen kann. Dann wurde gesagt: „Nein, das geht nicht.“ Dann habe ich entschieden, alleine hinzugehen und sie zu suchen.

R: An welcher Grenze wurden Sie festgenommen?

BF: An der russischen Grenze.

R: An der russischen Grenze zu welchem Staat?

BF: Ich weiß es nicht. Es war die russische Grenze und dort waren Russen. Wenn es UKRAINER gewesen wären, hätten sie mich nicht verhaftet.

R: Woher wussten Sie, dass es Russen waren?

BF: Weil sie erstens Russisch gesprochen haben und als sie nach meinem Namen gefragt haben, wussten sie schon, wer ich bin.

R: Eine Grenze befindet sich zwischen zwei Staaten. Es gibt keine deutsch-russische Grenze. Wo waren Sie also?

BF: Ich habe nicht gesehen, welcher Staat es noch war, aber es war jedenfalls die russische Grenze, wo ich aufgehalten wurde.

R: Gab es dazwischen keine Grenzkontrollen?

BF: Dort war es nicht so, dass jeder aufgehalten und nach dem Ausweis gefragt wurde.

R: Sie erzählen Sie mir also, dass Sie in die UKRAINE oder nach WEISSRUSSLAND einreisten, ohne Grenzkontrollen?

BF: Ich weiß es nicht. Wegen der anderen Grenze weiß nichts. Dort haben sie gleich meinen Namen wissen wollen und nach meinem Ausweis gefragt, mir den Ausweis weggenommen und mich gleich festgenommen.

R: Welchen Ausweis? In Österreich hatten Sie nie einen Ausweis!

BF: Ich habe den Ausweis von DEUTSCHLAND gehabt.

R: Was für einen Ausweis haben Sie in DEUTSCHLAND gehabt?

BF: Ich hatte den russischen Pass.

R: Wo haben sie den russischen Pass ausgestellt bekommen?

BF: Es gab Russen dort. Ich habe Geld bezahlt und sie haben ihn mir ausgestellt.

R: Was meinen Sie mit „es gab Russen" dort, die Botschaft, Freunde oder den Schwarzmarkt?

BF: Man kann sagen Freunde. In der Botschaft war ich nicht.

R: Wo waren Sie im Gefängnis?

BF: XXXX .

R: Wie kamen Sie von der russischen Grenze nach XXXX ?

BF: Russische Behörden haben mich hingebracht, Tschetschenen haben mich abgegeben.

R: Wie lange hat die Fahrt gedauert?

BF: Einen Tag und eine Nacht. Einen Tag.

R: Beschreiben Sie mir die Fahrt.

BF: Ich wurde nicht gleich hingebracht. Dort, wo ich zunächst verhaftet wurde, war ich ca. zwei Tage lang und dann wurde ich von dort nach Tschetschenien gebracht.

R wiederholt die Frage.

BF: Mit dem Hubschrauber wurde ich hingebracht.

R: Sie wurden mit dem Hubschrauber von der Grenze nach XXXX gebracht?

BF: Ja und mein Kopf wurde mit einem Sack zugebunden.

R: Ein Hubschrauber ohne Helm und ohne Gehörschutz. Ich habe Zweifel, dass wir uns noch unterhalten könnten, wenn das stimmen würde […

BF:] Nein, ich hatte keinen Helm auf. Ich hatte nur einen Sack, sodass ich nichts sehen konnte.

R: Vor dem Bundesamt haben Sie angegeben, dass Sie von der Grenze nach XXXX mit dem Auto und erst von XXXX in die UKRAINE mit dem Hubschrauber gebracht wurden. Was sagen Sie dazu?

BF: Nicht, dass ich wüsste. Ich kann mich erinnern. Ich habe es so gesagt, dass ich von XXXX zum Flughafen mit dem Auto gebracht wurde. Vielleicht haben Sie das falsch verstanden. So wurde ich zu der Gruppe gebracht, die von XXXX in die UKRAINE flog.

R: Sie wurden mit dem Hubschrauber von der Grenze nach XXXX gebracht. Stimmt das?

BF: Ja.

R: War irgendetwas besonderes an dem Flug? Zwischenlandungen, ruppiges Wetter ...

BF: Störungen hatten wir nicht.

R: Zwischenlandungen?

BF: Nein.

[…]

R: Warum sollte Sie das russische Militär derart teuer nach XXXX überstellen und nicht einfach mit einem Gefangenentransport?

BF: Ich weiß es nicht, warum. Vielleicht, weil es zu weit gewesen wäre, mit einem Transport zu fahren. Das würde es wahrscheinlich zu lange.

R: Russland ist auf lange Wegstrecken eingestellt und verfügt sogar über Gefangenenzüge. Warum sollte man Sie mit dem Hubschrauber nach XXXX überstellen?

BF: Ich wurde nicht alleine dorthin gebracht. Die Anderen wurden auch so transportiert. Es ist auch bequemer für sie, wegen der Entfernung und der Wege.

R: Warum sollte man Sie über die Verpflegung der Leute des toten XXXX befragen. Worin sollte das Interesse der russischen Behörden bestehen?

BF: Zu diesem Zeitpunkt war er nicht tot, als ich über ihn befragt wurde.

R: Warum wurden Sie dann nicht verurteilt?

BF: Wenn Sie mich so beurteilen werden ... Nach dem Tod von XXXX war ich nicht mehr notwendig für sie. Sie brauchten nichts mehr von mir, denn XXX

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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