Entscheidungsdatum
06.08.2020Norm
AsylG 2005 §35 Abs1Spruch
W212 2188030-1/3E
W212 2188026-1/3E
W212 2188028-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 22.12.2017, GZ: Damaskus-ÖB/KONS/1864/2017 aufgrund des Vorlageantrages von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , sämtliche StA. Syrien, allesamt vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 25.09.2017, GZ: Damaskus-ÖB/KONS/1864/2017, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige Syriens, stellten am 20.04.2017 elektronisch und am 19.06.2017 persönlich bei der österreichischen Botschaft in Damaskus (im Folgenden „ÖB Damaskus“) unter Anschluss diverser Unterlagen Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin beziehungsweise der Vater der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, als anerkannter Flüchtling in Österreich aufhalte. Diesem sei mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden „BFA“) vom 27.10.2016, ZI. 1071451500-150586563, rechtskräftig seit 02.12.2016, der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden.
2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG vom 21.08.2017 führte das BFA aus, dass betreffend die Beschwerdeführer die Gewährung des Status der Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Beschwerdeführer die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG 2005 nicht nachweisen hätten können und die Einreise der Antragstelle zur Aufrechterhaltung des Privat – und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine.
Aus der beiliegenden Stellungnahme wurde diesbezüglich näher ausgeführt, dass ein Auskunftsverfahren beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger vom 16.08.2017 bestätigt habe, dass die Bezugsperson Mindestsicherungsempfänger sei und derzeit keiner Beschäftigung nachgehe. Die Einreise der Beschwerdeführer würde zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen.
3. Mit Schreiben vom 23.08.2017, übernommen am 24.08.2017, wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihnen wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung ihrer Anträge beziehungsweise des Sachverhaltes mitgeteilt habe, dass die Stattgebung der Anträge auf internationalen Schutz durch Zuerkennung der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Es werde hiermit die Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die in der Mitteilung und der Stellungnahme des BFA angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
4. In einer firstgerecht am 08.09.2017 eingebrachten Stellungnahme wurde vorgebracht, dass die Familie bereits am 28.11.2016 um einen Termin an der ÖB Damaskus angefragt und sich somit nachweislich innerhalb der 3-Monatsfrist betreffend ihre Antragstellung bemüht habe. Dass es den Familienmitgliedern erst ab 19.06.2016 möglich gewesen sei, einen Termin auch tatsächlich wahrzunehmen, liege lediglich daran, dass mehrere Familienmitglieder zuvor erkrankt seien; was den Beschwerdeführern nicht zur Last gelegt werden könne. Des Weiteren sei von der Behörde nicht konkretisiert worden, weshalb kein aufrechtes Familienleben vorliegen würde beziehungsweise weshalb nicht eine Familienzusammenführung im Sinne des Art. 8 EMRK geboten erscheine. Die Familie sei allein aufgrund fluchtauslösender Ereignisse gezwungen gewesen sich zu trennen und könne das gemeinsame Familienleben in keinem anderen Staat fortgesetzt werden. Eine Familienzusammenführung sei eindeutig im Sinne des Art. 8 EMRK sowie im Sinne des Kindeswohles gelegen und müsse daher der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z 3 zur Anwendung gelangen. Diesbezüglich werde auch die zeugenschaftliche Einvernahme der Bezugsperson beantragt.
5. Nach Übermittlung dieser Stellungnahme an das BFA teilte dieses in seiner Rückmeldung vom 20.09.2017 mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe.
Begründend wurde ausgeführt, dass schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren nicht vorliegen würden, weil die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1- 3 AsylG 2005 nicht erfüllt worden seien und eine Einreise im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine, zumal kein aufrechtes Familienleben mehr mit der Bezugsperson vorliege. Die Bezugsperson habe Syrien wegen des dortigen innerstaatlichen Konflikts verlassen, ohne dass es eine konkrete die Bezugsperson betreffende Bedrohung gegeben habe. Sie habe dabei ihre schwangere Frau und ihren Sohn in Syrien zurückgelassen, obwohl es ihr möglich gewesen wäre mit der Familie gemeinsam in einen Nachbarstaat zu fliehen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem fluchtauslösenden Ereignis und der Trennung der Familie sei somit nicht zu erkennen. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer ihre Einreiseanträge mehr als 7 Monate nach Rechtskraft des Bescheides der Bezugsperson gestellt. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass kein regelmäßiger Kontakt zwischen den Familienmitgliedern mehr bestanden habe, zumal die Anträge ansonsten wohl bereits früher gestellt worden wären.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.09.2017, zugestellt am 28.092017, verweigerte die ÖB Damaskus die Erteilung der Einreisetitel gemäß § 26 idgF iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass durch das Vorbringen der Beschwerdeführer nicht unter Beweis gestellt werden hätte können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich sei.
7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 24.10.2017 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen moniert wurde, dass die Behörde nicht hinreichend auf die in der Stellungnahme der Beschwerdeführer angeführten Argumente eingegangen sei und in keinster Weise eigene Ermittlungen sowie Feststellungen getroffen habe. Bezüglich der Rückmeldung vom 20.09.2017 werde zudem angemerkt, dass die Behörde mit ihrer darin befindlichen Begründung gegen das Überraschungsverbot verstoße, da ein solches Vorbringen nicht bereits in der Aufforderung zur Stellungnahme enthalten gewesen sei und es den Beschwerdeführern folglich nicht möglich gewesen sei, dazu Stellung zu nehmen. Es sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, weshalb kein aufrechtes Familienleben bestehe und sei die Bezugsperson auch nicht zur zeugenschaftlichen Einvernahme geladen worden, obwohl dies beantragt worden sei.
8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22.12.2017 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.
Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer jeweils einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt hätten und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Als alleintragender Grund für die Abweisung der von den Beschwerdeführen gestellten Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des BFA die Erfolgsaussichten der Anträge der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.
Jenseits und unabhängig von der obangeführten Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht erfüllt worden seien, da die Bezugsperson derzeit Mindestsicherungsbezieher sei und auch sonst über kein eigenes Einkommen verfüge. Es sei demnach nicht ausgeschlossen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Überdies sei das BFA ausführlich darauf eingegangen, dass eine Einreise der Beschwerdeführer gemäß Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine, da kein aufrechtes Familienleben mehr mit der Bezugsperson gegeben sei.
9. Am selben Tag wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Begründend werde auf die Stellungnahme vom 08.09.2017 sowie auf die Beschwerde vom 24.10.2017 verwiesen.
10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 01.03.2018, eingelangt am 05.03.2018, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakten übermittelt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde die Rechtssache der erkennenden Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der oben unter I. dargestellte und sich vollständig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt erschließliche Verfahrensgang wird festgestellt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:
2.1. § 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“
2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4)-(9) […]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:
„Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35.(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“
„Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
„§ 60. (1) […]
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
(3) […]“
2.4. Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.
Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: „Verwaltungsverfahren Band I2“, E 84 zu § 39 AVG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.
Hinzu kommt, dass der VfGH in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert hat, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 06.06.2014, B 369/2013, und vom 23.11.2015, E 1510-1511/2015-15).
2.5. Zunächst ist festzuhalten, dass der Bezugsperson mit Bescheid des BFA vom 27.10.2016, rechtskräftig seit 02.12.2016, der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Zumal die Beschwerdeführer ihren Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten stellten, haben sie nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nachzuweisen.
Sofern diesbezüglich vorgebracht wurde, dass es den Beschwerdeführern aufgrund von Erkrankungen mehrerer Familienmitglieder nicht möglich gewesen sei, einen Termin binnen Dreimonatsfrist wahrzunehmen, so ist darauf hinzuweisen, dass der VwGH erst kürzlich im Erkenntnis vom 25.06.2019, Ra 2018/19/0568, ausgesprochen hat, dass sich die Ansicht des BVwG als unzutreffend (erweist), wonach es fallbezogen bei der Versäumung der Dreimonatsfrist zur Stellung von Anträgen gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 unter keinen Umständen auf die Gründe für diese Versäumung ankommen könne. Bei der Beurteilung der Versäumung der dreimonatigen Frist ist daher auf – von den Parteien im Verfahren vor der Vertretungsbehörde vorgebrachte – besondere Umstände Bedacht zu nehmen, aufgrund derer die Versäumung durch revisionswerbende Parteien objektiv entschuldbar gewesen sein könnte.
Allein der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin sich um ihre erkrankten Familienmitglieder kümmern habe müssen und ihr deshalb die persönliche Einbringung der Anträge nicht möglich gewesen sei, wird aber keinen besonderen Umstand darstellen, der die verspätete Antragstellung objektiv entschuldigt, zumal es prima vista auch möglich und zumutbar gewesen wäre, die Anträge schriftlich einzubringen.
Da die Bezugsperson – unbestritten – Mindestsicherungsempfänger ist und derzeit keiner Beschäftigung nachgeht und zumal auch die Beschwerdeführer über keine festen Einkünfte oder sonstiges Vermögen verfügen, würde deren Einreise zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen (§ 11 Abs. 5 NAG).
Die Voraussetzungen des § 60 AsylG liegen sohin nicht vor.
Gemäß § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 gilt jedoch, dass der Einreise zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz im Rahmen der Familienzusammenführung trotz Nichterfüllens der Erteilungsvoraussetzungen auch dann stattzugeben ist, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens „dringend geboten“ erscheint.
Diesbezüglich ist anzumerken, dass die Behörde offenkundig keine Zweifel am rechtsgültigen Zustandekommen (und auch am weiterhin vorliegenden Bestand) der Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson sowie an der ehelichen Abstammung der gemeinsamen minderjährigen Kinder, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer, hegt.
Das Bundesamt und die ÖB Damaskus gelangt jedoch zu der Ansicht, dass im gegenständlichen Fall, die Einreise der Beschwerdeführer gemäß Art 8 EMRK nicht geboten erscheint, da seit der Ausreise der Bezugsperson aus ihrem Herkunftsstaat kein aufrechtes Familienleben mehr vorliegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH erlischt bei einer umständehalber - etwa im Zuge einer Flucht - erfolgten Trennung das Familienband der Ehegatten nicht automatisch; das Eheband ist daher bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (VwGH 27.6.2017, Ra 2016/18/0277 u.a.). Nach EGMR 28.5.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali v. UK, kann die in der Eheschließung enthaltene Absichtserklärung das faktische Zusammenleben ersetzen, mit der Folge, dass die eheliche Beziehung auch dann, wenn sie noch nicht voll zur Entfaltung gekommen ist, als Familienleben geschützt ist. Wurde das Zusammenleben nämlich durch die Flucht oder diese auslösende Ereignisse vereitelt, muss dennoch davon ausgegangen werden, dass ein Familienleben existiert. Ansonsten ist eine gewisse Nähe der Angehörigen zueinander nötig (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht Kommentar, K.18 zu § 34 AsylG).
Für die Frage, ob ein schützenswertes Familienleben (weiterhin) vorliegt ist demnach darauf abzustellen, ob ein maßgebliches familiäres Verhältnis im Sinne des Art. 8 EMRK vor der Trennung der Familie bestanden hat, ob diese auf ein fluchtauslösendes Ereignis zurückzuführen ist, und wie sich der Kontakt der Familie seither gestaltet.
Hinsichtlich der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer ist in dem Zusammenhang auch auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]) hinzuweisen. Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]).).
Nach den Angaben der Beschwerdeführer, welche von der Behörde auch nicht bestritten wurden, lebte die Familie bis zur Flucht der Bezugsperson nach Österreich im selben Haushalt in Syrien.
Wenn nun die Behörde in weiterer Folge erklärt, dass die Bezugsperson betreffend gar keine unmittelbar konkrete Bedrohung im Herkunftsstaat vorgelegen sei, die sie zu ihrer Flucht bewegt hätte, so steht dies klar im Widerspruch zum Bescheid mit welchem der Bezugsperson der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Dafür, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem fluchtauslösenden Ereignis und der Trennung der Familie gegeben habe, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor und ließ die Behörde auch eine substantiierte Begründung dieser Behauptung vermissen. Es handelt sich somit um eine fluchtbedingte Trennung, welche allein nicht zur Verneinung des Familienlebens führen kann. Weitere Umstände, welche zum Zerreißen des Familienbandes geführt hätten, kann das Gericht auf Grundlage der vorhandenen Aktenlage jedenfalls nicht erkennen.
Auch ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu der Annahme gelangt, dass die Familie seit der Flucht der Bezugsperson keinen Kontakt mehr zueinander pflegen würde. Denn wenn sie als Begründung hiefür allein den Umstand anführt, dass sich die Beschwerdeführer andernfalls wohl viel früher um eine Antragstellung bemüht hätten, so ist dem entgegenzuhalten, dass seitens der Bezugsperson bereits vor rechtskräftiger Entscheidung ihres Asylbescheides erste „Versuche“ zur Vereinbarung eines Termins zur Einbringung der Einreiseanträge unternommen wurden. Zwar konnten die hierfür von der Bezugsperson an die Botschaft gesendeten Fotokopien der Unterlagen der Beschwerdeführer, nicht bereits als schriftliche Antragstellung gewertet werden, diese Bemühungen hinsichtlich der Familienzusammenführung deuten aber jedenfalls darauf hin, dass die Familie schon zu dieser Zeit wieder in Verbindung stand.
Es liegen sohin keine hinreichenden Indizien vor, welche am aufrechten Familienleben der Beschwerdeführer und der Bezugsperson zweifeln ließen, und hätte die Behörde zur Untermauerung ihrer Annahmen, jedenfalls nähere Ermittlungen anstreben müssen. So wurden von ihr weder Ermittlungen zum Familienleben in Syrien geführt noch Erhebungen darüber angestellt, wie sich der Kontakt der Familie seit Ausreise der Bezugsperson konkret gestaltet. Eine Einvernahme der Bezugsperson wurde – trotz Antrag – nicht anberaumt.
Schließlich wären von der Behörde auch weiterreichende Ermittlungen zu den rechtlichen Bedingungen der Einreise und hinsichtlich des Aufenthaltsrechtes in den Nachbarstaaten zu Syrien zu führen gewesen, um beurteilen zu können, ob es den Beschwerdeführern – wie vom BFA behauptet - tatsächlich möglich gewesen wäre, ihr Familienleben dort fortzuführen.
Die Behörde hat demnach ihre Ermittlungstätigkeit unterlassen und sohin den maßgeblichen Sachverhalt nicht (zur Gänze) erhoben und einer gesamtheitlichen Würdigung zugrunde gelegt.
Zwar ist darauf hinzuweisen, dass das Grundrecht auf Privat- und Familienleben nicht absolut verbürgt ist und Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes durchaus ein hoher Stellenwert zukommen kann - so hat insbesondere auch der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C-558/14 ausgesprochen, dass Anträge auf Familienzusammenführung wegen prognostizierter nicht ausreichender Einkünfte abgelehnt werden können – dennoch hätte das BFA das öffentliche Interesse am wirtschaftlichen Wohl des Landes jedenfalls mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen gewichtend abwiegen müssen.
Eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen und eine in weiterer Folge vorzunehmende Beurteilung darüber, ob die Einreise der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens „dringend geboten“ erscheint, wird aber erst dann möglich sein, wenn die Behörde hinreichende Feststellungen bezüglich des Familienlebens zwischen den Beschwerdeführern und der Bezugsperson sowie hinsichtlich ihrer Möglichkeiten, dieses in einem anderen Staat fortzuführen, getroffen haben wird und sohin auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht genommen werden kann.
Da es sich bei den Zweit- und Drittbeschwerdeführern um minderjährige Kinder handelt, wäre letztlich auch auf das Kindeswohl Bedacht zunehmen, welches nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes im Rahmen der gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK durchzuführenden Interessenabwägung vorrangig zu berücksichtigen ist (vgl. EGMR 28.6.2011, Fall Nunez, Appl. 55.597/09; Fall El Ghatet, Rz 46 f.), (vgl. VfGH 9.6.2016, E 2617/2015; 12.10.2016, E 1349/2016). Ungeachtet dessen, dass daraus nicht per se auf ein Recht des Kindes auf Einreise abgestellt werden kann.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung des Art. 8 EMRK keineswegs vorschreibt, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre und kommt im Regelfall vielmehr ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgeschriebenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, (so kann etwa Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenhaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen).
Wenn sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG 2005 als nicht möglich erweist und von einem Antragsteller ein anderer Weg und zwar insbesondere nach § 46 NAG zu beschreiten ist, um eine Familienzusammenführung zu erreichen (zur Betonung dieses anderen Weges vgl. VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0609), so steht dieser andere Weg auch nicht im Widerspruch zu Art. 8 EMRK.
Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.
2.6. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Familienverband individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2188026.1.00Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020