Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Gheorghe Onofrei, geboren am 20. Oktober 1949, vertreten durch den Sachwalter Mag. Harald Schierer-Poindl in Linz, dieser vertreten durch DDr. Gunter Peyrl, Rechtsanwalt in Freistadt, Salzgasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1996, Zl. 4.134.820/3-III/13/94, betreffend Feststellung nach § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reiste am 20. Oktober 1977 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte ein Asylansuchen. Als Fluchtgründe gab er an, am 3. November 1976 einen Fluchtversuch aus Rumänien unternommen zu haben. Er sei in Ungarn "erwischt" und nach Rumänien abgeschoben worden. Anschließend habe ihn ein rumänisches Gericht zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Er hätte "heuer im Mai" (das wäre Mai 1977) nach dem neuen Gesetz aus der Haft entlassen werden sollen, doch habe er noch zwei weitere Monate in Haft verbringen müssen. Kurz vor der generellen Entlassung aller jener Häftlinge, die wegen des illegalen Grenzübertrittes eine Freiheitsstrafe verbüßten, habe jeder die Gelegenheit erhalten, sich über die Freilassung zu äußern. Das hieße, man habe jedem die Möglichkeit gegeben, sich darüber zu bedanken. Er habe dies nicht "fertiggebracht" und wiederholt, daß er nicht mehr in Rumänien bleiben wolle, worauf man ihn noch zwei weitere Monate in Haft belassen habe. Der Beschwerdeführer lehne das derzeitige Regime in Rumänien aus persönlicher Einstellung ab und habe deshalb schon vorher zu flüchten versucht. Er wolle endlich frei sein. Diesen Ausspruch habe er auch den Behörden gegenüber getan, dies habe ihm "sicher nicht geholfen". Er habe in Rumänien "den Mund nicht aufmachen" dürfen, weshalb er solange keine Ruhe gegeben habe, bis er endlich über zwei andere kommunistische Länder sein Ziel erreicht habe.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 2. Jänner 1978 fest, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer zuträfen.
In der Folge wurde der Beschwerdeführer wiederholt wegen strafrechtlicher Delikte rechtskräftig verurteilt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Pregarten vom 15. Jänner 1992 wurde für den Beschwerdeführer ein Sachwalter unter anderem zur Vertretung vor Gericht, Behörden und Ämtern bestellt.
Im Zuge des vom Bundesasylamt eingeleiteten Aberkennungsverfahrens brachte der Sachwalter des Beschwerdeführers vor, daß dieser an Schizophrenie leide und in Österreich unter ärztlicher Betreuung stehe. Im Falle einer Rückkehr nach Rumänien würde die Wirkung der Medikamente ca. drei bis vier Wochen anhalten, anschließend entstünde ein Krankheitsschub. Die zur Behandlung in Österreich verwendeten Medikamente und die nötige ärztliche Versorgung würde der Beschwerdeführer in Rumänien nicht bekommen. Zum Delikt der Republiksflucht bzw. zur politischen Situation oder der Gesetzeslage in Rumänien sowie zu den Verhältnissen des Beschwerdeführers im Zuge einer Rückkehr und einer damit verbundenen Verfolgung von seiten des Staates Rumänien könne der Sachwalter nichts anführen.
Das Bundesasylamt stellte mit Bescheid vom 21. April 1994 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 fest, daß im Fall des Beschwerdeführers der in Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Konvention genannte Tatbestand eingetreten sei. Das Bundesasylamt gab die oben wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme vom 7. November 1977 inhaltlich wieder. Nunmehr befinde er sich im Landespflegeheim Schloß Haus, wo er medizinisch betreut werde. Der Beschwerdeführer leide an paranoider Schizophrenie.
In seinem Heimatstaat hätten sich die politischen Verhältnisse grundsätzlich soweit geändert, daß davon ausgegangen werden könne, daß aufgrund der nunmehrigen Rechtslage und Rechtsanwendung in diesem Staat in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung wegen der politischen Gesinnung bestehe. Es habe sich in Rumänien nach der Revolution ein demokratisch gewähltes Parlament, in der Hauptsache bestehend aus ehemaligen Oppositionsparteien, etablieren können und es bestehe eine auf demokratischer Basis entstandene Regierung sowie volle Reisefreiheit. Zum damaligen Fluchtgrund des Beschwerdeführers (Verurteilung aufgrund des illegalen Grenzübertrittes) werde festgestellt, daß Verstöße gegen Art. 245 (illegales Verlassen des Landes - Strafmaß zwischen sechs Monaten und drei Jahren), welche zur Zeit der Diktatur als politische Straftat verstanden worden seien, unter die Amnestie gefallen seien, welche der Rat der Front der Nationalen Rettung am 4. Jänner 1990 erlassen habe. Am 31. Dezember 1989 sei die Wiedereinbürgerung rumänischer Staatsangehöriger dekretiert worden. Aufgrund der Abschaffung des Deliktes der Republikflucht könne jeder Rumäne jederzeit mit seinem gültigen Reisepaß in seinen Heimatstaat zurückkehren. Bezüglich der Krankheit werde festgestellt, daß derartige Umstände weder in der Genfer Flüchtlingskonvention noch im Asylgesetz 1991 Beachtung fänden und somit für das gegenständliche Verfahren irrelevant seien. Das Bundesasylamt komme zur Auffassung, daß jene Gründe, die zur Entscheidung vom 2. Jänner 1978 geführt hätten, nunmehr weggefallen seien.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer - nach Bestreitung der Zuständigkeit des Bundesasylamtes - folgendes vor:
"2. Aber auch in der Sache selbst kann keinesfalls davon die Rede sein, daß der Tatbestand des Art. 1 Abs. c Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention in meinem Fall erfüllt wäre. Tatsache ist, daß sich die politischen Verhältnisse in meinem Heimatland Rumänien keinesfalls grundsätzlich geändert haben. Jene Strukturen, die meine damalige Verfolgung begründeten, sind nach wie vor in Rumänien maßgeblich, sodaß von geänderten politischen Verhältnissen, damit einem Wegfall meiner Fluchtgründe, nicht die Rede sein kann.
3. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, aus welchen konkreten Informationsquellen und Beweismitteln die belangte Behörde ableiten will, daß tatsächlich in Rumänien geänderte Verhältnisse herrschen. Insoweit wird eine Verletzung des Parteiengehörs geltendgemacht bzw. geltendgemacht, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungs- und erläuterungsbedürftig ist, da konkrete Erhebungen zur politischen Situation in Rumänien fehlen und durchgeführt werden müssen, um für die Entscheidung im gegenständlichen Fall eine taugliche Beweisgrundlage zu schaffen. Insoweit mache ich entscheidungswesentliche Verfahrensfehler geltend, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid gelangt wäre."
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung abwies.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der im Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Den - im übrigen auch sachlich unrichtigen - Einwand der Unzuständigkeit des Bundesasylamtes für die Führung des gegenständlichen Verfahrens in erster Instanz hält der Beschwerdeführer nicht weiter aufrecht.
Im gegenständlichen Fall hat die Behörde erster Instanz spätestens in ihrem Bescheid vom 21. April 1994 neben Ausführungen über die grundsätzliche Änderung der politischen Verhältnisse dem Beschwerdeführer konkret unter Eingehen auf die von ihm am 7. November 1977 geäußerten Fluchtgründe - im wesentlichen Haft wegen unerlaubten Verlassen Rumäniens - vorgehalten, daß der zur Zeit der Diktatur als politische Straftat verstandene Verstoß des illegalen Verlassens des Landes unter die Amnestie gefallen sei, welche der Rat der Front der Nationalen Rettung am 4. Jänner 1990 erlassen habe. Zudem bestehe volle Reisefreiheit.
Diesem konkreten Vorhalt hat der Beschwerdeführer nur in allgemein gehaltener Form entgegnet, daß sich die politischen Verhältnisse keinesfalls grundsätzlich geändert hätten, weil jene Strukturen, welche seine damalige Verfolgung begründet hätten, nach wie vor in Rumänien maßgeblich seien, sodaß von geänderten politischen Verhältnissen, damit einem Wegfall seiner Fluchtgründe, nicht die Rede sein könne. Daß aber die Amnestie betreffend früheres illegales Verlassen des Landes bzw. Reisefreiheit nicht gegeben wäre, wurde nicht konkret behauptet.
Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid unter anderem - gleich wie die Erstbehörde - darauf, daß die ideologisch motivierten Restriktionen des Reiseverkehrs und damit im Zusammenhang stehende der Deliktsschwere inadäquat hoch bemessene Strafandrohungen nach der Revolution anno 1989 entfallen seien.
Insofern der Beschwerdeführer in der Beschwerde (wie auch in der Berufung) den Mangel der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens rügt, verkennt er, daß er den konkreten Vorhaltungen des Bundesasylamtes nicht mit einer diesbezüglichen Bestreitung entgegengetreten ist. Daher war die belangte Behörde nicht verpflichtet, diesbezüglich ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Damit unterläge ein in der Beschwerde neues Sachverhaltsvorbringen dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Darüber hinaus läßt aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde, die politischen Verhältnisse in Rumänien hätten sich keinesfalls grundsätzlich geändert, weil "der Verwaltungsapparat in Rumänien (zumindest die mittlere und untere Führungsschichte) mit Personen besetzt" sei, die "bereits im totalitären Staatssystem beschäftigt" gewesen wären, keine Bestreitung der Feststellungen der Behörden bezüglich Reisefreiheit und Amnestie bei illegaler Ausreise zu. Denn aus dem bloßen Hinweis auf jetzt weiterhin im Staatsdienst beschäftigte Personen ist nicht der Schluß ableitbar, daß sich diese Personen nicht den Anordnungen der neuen Staatsführung angepaßt hätten. Somit ist der darauf bezogene Schluß des Beschwerdeführers, er wäre im Falle seiner Rückkehr nach Rumänien als Flüchtling den Behörden ausgeliefert und weiterhin der Verfolgung ausgesetzt, nicht nachvollziehbar. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer seine Furcht vor Verfolgung ausschließlich mit seiner Verurteilung und "verlängerten" Inhaftierung aufgrund illegalen Verlassens Rumäniens im Jahre 1976 begründet. Die belangte Behörde durfte diesbezüglich wegen der vom Bundesasylamt konkret vorgehaltenen und vom Beschwerdeführer in der Folge (daß der Beschwerdeführer im Aberkennungsverfahren erster Instanz überhaupt keine Angaben zu den politischen Verhältnissen in Rumänien gemacht hat, bleibt angesichts des Umstandes, daß aus dem Verwaltungsakt nicht genau zu ersehen ist, welche Vorhaltungen ihm während des Verfahrens gemacht wurden, außer Betracht) nicht bestrittenen Änderungen hinsichtlich Reisefreiheit und Amnestie bei illegalen Verlassen des Landes zu Recht davon ausgehen, daß die Umstände, aufgrund derer der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestünden und er es daher nicht weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.
Insoweit der Beschwerdeführer für den Fall, daß man von demokratischen Verhältnissen in Rumänien ausginge, vorbringt, daß ihm aufgrund seiner damaligen Flucht die ärztliche Hilfe verweigert würde, was einem Angriff auf sein Leben und seine Gesundheit gleichkomme, sodaß er sich zumindest mittelbar aufgrund dieser Gesundheitsbedrohung in wohlbegründeter Furcht außerhalb seines Heimatlandes befände, übersieht der Beschwerdeführer, daß diese Umstände im Verfahren, das zur Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft geführt hatte, keine Berücksichtigung gefunden haben, weshalb das gegenständliche Aberkennungsverfahren hierauf nicht Bezug zu nehmen hat. Zudem wurde im Verfahren erster Instanz nicht behauptet, daß die medizinisch schlechte Versorgung des Beschwerdeführers in Rumänien auf asylrechtlich relevanter Verfolgung basiere, sodaß sich die nunmehrige, erstmalig in der Beschwerde vorgenommene Verknüpfung als unzulässige Neuerung darstellt.
Schon aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997010220.X00Im RIS seit
20.11.2000