TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/10 W174 2126256-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2020
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Entscheidungsdatum

10.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W174 2126256-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria Mugli-Maschek, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2016, Zl. 1097927604/151927997, nach einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 04.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er im Wesentlichen an, konfessionslos, im Iran geboren und ledig zu sein sowie der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören. Viereinhalb Jahre lang sei er zu Hause unterrichtet worden und zuletzt Bauarbeiter gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, als im Iran geborener afghanischer Staatsangehöriger keinen Reisepass bekommen zu haben. Die iranischen Behörden hätten ihn jederzeit nach Afghanistan abschieben können, wo er keine Rechte habe und sein Leben in Gefahr wäre. Bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte er gezwungen zu werden, Mitglied einer Taliban-Gruppierung zu werden und er fürchte um sein Leben.

3. Am 06.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und erklärte im Wesentlichen zunächst, im Iran geboren, Atheist, Paschtune, ledig und kinderlos zu sein. Im Iran sei er Hilfsarbeiter gewesen und wäre handwerklich sehr geschickt. Seine Verwandten befänden sich im Iran, in Afghanistan gebe es auch welche, zu denen er selbst jedoch nicht in Kontakt stehe. Ob er Verwandte in Kabul habe, wisse er nicht.

Zu seiner Familie habe er keinen Kontakt, weil sie strenggläubige Moslems seien und er Schwierigkeiten mit ihnen gehabt habe und geflüchtet sei.

Aus dem Iran ausgereist sei der Beschwerdeführer im Spätsommer 2015. Im Bundesgebiet habe er schon Deutschkurse besucht. Dazu legte er eine Kursbesuchsbestätigung Basiskurs/Vorbereitung auf A1 vor.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass die allgemeine Sicherheit in Afghanistan sehr schlecht sei. Es gebe viele Gründe, warum er nicht zurückkönne: Erstens sei er Atheist, zweitens wegen der Familie, dann wegen des Glaubens und schließlich wegen der Einwohner im Iran. In Afghanistan sei er selbst noch nie gewesen. Er fürchte sich vor den Taliban und vor seinem Onkel, der bei diesen Kommandant sei und den Beschwerdeführer im Iran für den Dschihad in Afghanistan habe rekrutieren wollen. Zwei Mitglieder der iranischen Geheimpolizei und dieser Onkel hätten zusammengearbeitet. Die Extremisten würden von Iran unterstützt, um den Dschihad in Afghanistan zu fördern.

In der Heimat würde der Beschwerdeführer bestimmt auch deshalb bedroht, weil er nicht an Gott glaube. Zudem würde ihn sein Onkel bestimmt finden und in den Krieg schicken, was der Beschwerdeführer ablehne, weil er keine Unschuldigen töten wolle.

Bei einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst, getötet zu werden und könne auch kein gutes Leben führen, weil er dort niemanden habe und Afghanistan nicht als Heimat wahrnehme.

Ob es ein fluchtauslösendes Ereignis für die Ausreise seiner Familie aus Afghanistan gegeben habe wisse der Beschwerdeführer nicht. Es sei 30 Jahre her.

4. Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

5. Am 3.5.2016 langte bei der belangten Behörde ein Schreiben des Beschwerdeführers ein, in dem er im Wesentlichen ausführte, er sei in einem islamischen Staat aufgewachsen und von seinen Eltern und Verwandten (Onkeln väterlicherseits) gezwungen, motiviert und emotional beeinflusst worden, gegen die amerikanischen und europäischen Allianzen in islamischen Ländern zu kämpfen. Er wolle jedoch an keinem Krieg teilnehmen und habe einen Hass gegenüber dem Islam entwickelt. Dieser habe sein Leben komplett eingeschränkt. Der Beschwerdeführer habe nicht das Recht, selbst etwas zu entscheiden oder seine Meinung zu äußern. Er wolle mit anderen Menschen in Frieden und Freiheit leben, was ihm der Islam aber nicht gestatte. Der Beschwerdeführer sei vor diesem Glauben, den Islamisten und den islamischen Gesetzen geflüchtet.

6. Gegen den gegenständlichen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fluchtgründe des Beschwerdeführers in der Verfolgung aus religiösen Gründen sowie wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bestünden. Er sei im Iran geboren und aufgewachsen, Afghanistan kenne er nur aus Erzählungen und habe dort weder familiäre noch soziale Bindungen.

Überdies sei der Beschwerdeführer Atheist und laufe daher Gefahr, Opfer religiöser Verfolgung wegen Apostasie zu werden. Mit diesem zentralen Vorbringen habe sich das Bundesamt im bekämpften Bescheid jedoch nicht einmal in rudimentärer Weise auseinandergesetzt. Die Gefahr des Beschwerdeführers, aufgrund seiner religiösen Ausrichtung bzw. des Fehlens einer religiösen Überzeugung sei in keinster Weise in die Beurteilung einbezogen worden. Es bestünde insbesondere in Fällen wie dem des Beschwerdeführers weder eine Schutzwilligkeit noch eine Schutzfähigkeit des afghanischen Staates. Apostasie sei nach afghanischem Gesetz weiterhin strafbar, zudem werde eine Bestrafung häufig inoffizieller Weise durch Private durchgeführt. Jedenfalls laufe der Beschwerdeführer Gefahr, von den Taliban wegen dieses angeblichen Verbrechens getötet zu werden.

7. in weiterer Folge langten beim Bundesverwaltungsgericht diverse Integrationsdokumente des Beschwerdeführers ein: Mitgliedschaft in einem Kampfsportverein (am 14.6.2017) und ein ÖSD Zertifikat A2 vom 1.8.2017 (am 12.9.2017).

Am 3.6.2020 folgte ein weiteres Konvolut von Unterlagen: Bestätigung der Caritas über ehrenamtliche und unentgeltlich geleistete Tätigkeiten; Zeugnis zur Integrationsprüfung vom 9.3.2020; Detailergebnisse zur ÖSD Integrationsprüfung B1 vom 23.3.2020; Bestätigung der Caritas darüber, dass der Beschwerdeführer in Planung und Durchführung einer offenen A1 Lerngruppe für Deutsch (Anfänger) unentgeltlich mitarbeitet vom 17.4.2020; Bestätigung des Roten Kreuzes darüber, dass der Beschwerdeführer seit Oktober 2017 regelmäßig bei der Team Österreich Tafel engagiert ist, vom 22.5.2020; Arbeitsplatzzusage als Hilfsarbeiter eines Installateurbetriebes vom 27.5.2020; Nachweis über freiwillige Tätigkeiten bei der Caritas vom 28.8.2018.

8. Am 10.6.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst im Wesentlichen wie bisher, im Iran geboren und noch nie in Afghanistan gewesen zu sein. Seine Familie stamme aus Maidan Wardak. Von seiner Geburt bis zur Ausreise im Alter von 20 Jahren habe der Beschwerdeführer mit seinen Eltern gemeinsam im Iran gelebt und keine Kenntnis darüber, warum die Familie ursprünglich Afghanistan verlassen habe. Als der Beschwerdeführer aus dem Iran ausgereist sei, hätten sich seine Eltern und Geschwister noch dort befunden. Nunmehr lebe eine Schwester in Österreich. Die Großeltern väterlicherseits seien verstorben, die Großeltern mütterlicherseits vermutlich noch in Afghanistan, er habe jedoch keinen Kontakt. Ab und zu telefoniere der Beschwerdeführer mit seiner Mutter. Zudem gebe es Onkel und Tanten väterlicher- als auch mütterlicherseits, die nach wie vor in Afghanistan aufhältig seien.

Bis zur fünften Klasse sei der Beschwerdeführer von einem Privatlehrer zu Hause unterrichtet worden. Er habe schon in der Kindheit begonnen zu arbeiten, zunächst als Aushilfe in einer Tischlerei, dann mit seinem Vater in einer Ziegelfabrik und zuletzt gemeinsam mit seinem Bruder auf Baustellen.

Den Iran habe der Beschwerdeführer verlassen, weil er Angst gehabt habe, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Er sei illegal aufhältig gewesen und zudem habe sein Onkel väterlicherseits Beziehungen zur iranischen Polizei gehabt, sei in den Iran gekommen und als der Beschwerdeführer eines Tages nach Hause zurückgekehrt sei, hätten sich dort neben seinem Vater und dem Onkel väterlicherseits noch ein Paschtune mit einem langen Bart sowie zwei weitere Iraner befunden. Vor dem Haus sei ein Auto der iranischen Geheimpolizei gestanden, zu der die beiden Iraner gehört hätten. Sie hätten angefangen darüber zu reden, dass sie gegen die Ungläubigen in Afghanistan kämpften und starke Leute wie den Beschwerdeführer bräuchten. Sowohl der Onkel väterlicherseits als auch der Mann, der diesen begleitet habe, hätten diese Aussage gemacht. Der Onkel habe ihn auch aufgefordert, sich vorzubereiten, Anfang des Frühlings nach Afghanistan zu gehen und im Dschihad zu kämpfen. Da auch die Geheimpolizei (Sepa) dabei gewesen sei, wäre die Gefahr höher gewesen, dass sie den Beschwerdeführer abschieben. Wegen seines illegalen Aufenthalts hätten sie die Möglichkeit dazu gehabt. Der Onkel väterlicherseits sei Mitglied der Taliban gewesen und in den Iran gekommen, um den Beschwerdeführer zu rekrutieren. Ungefähr zehn oder fünfzehn Tage nach diesem Gespräch habe der Beschwerdeführer den Entschluss gefasst, den Iran zu verlassen.

Zudem gebe es einen weiteren Fluchtgrund, nämlich, dass der Beschwerdeführer kein Moslem, sondern Atheist sei. Deswegen habe er natürlich auch Probleme mit seinen moslemischen Eltern, vor allen Dingen wegen der Gebete und des Fastens. Seine Eltern seien in diesem Punkt sehr genau gewesen. Ungefähr ab seinem sechsten oder siebenten Lebensjahr sei dem Beschwerdeführer gezwungenermaßen das Gebet beigebracht worden. Er habe beten und fasten müssen. Das Gebet sei in arabischer Sprache gewesen, er verstehe es bis heute nicht. Zum Gebet hätten sie den Beschwerdeführer gezwungen, als er es habe lernen müssen, sei er auch öfter geschlagen worden. Für das Morgengebet, welches manchmal um 4:00 Uhr in der Früh gewesen sei, seien sie aufgeweckt worden und manchmal habe der Vater Wasser über sie gegossen, damit sie aufstünden. Der Vater habe immer betont, das Gebet sei Pflicht und deswegen müsse man es verrichten.

Als er mit seinem Vater zusammengearbeitet habe, sei der Beschwerdeführer ca. zwölf Jahre alt gewesen und habe gleichzeitig arbeiten und fasten müssen. Beispielsweise sei es ihm nicht erlaubt gewesen, von 3:00 Uhr morgens bis 8:00 oder 9:00 Uhr nachts zu essen oder zu trinken. Er sei immer zu allem gezwungen worden, obwohl er noch ein Kind gewesen sei. Deswegen habe er keine glückliche Kindheit gehabt und nie verstanden, warum Gott wolle, dass er fünfmal täglich bete oder 17 bis 18 Stunden lang faste und denke sich, wenn es einen Gott gebe, dann müsse auch klar definiert sein, wer dieser Gott sei, wo er hergekommen sei, oder seit wann es ihn gebe. Das Ganze passe einfach nicht mit den Gedanken des Beschwerdeführers zusammen. Der Beschwerdeführer habe alles unter Zwang lernen müssen und sei von seinem Vater deswegen beschimpft und geschlagen worden. Später habe er nicht verstanden, warum man als Märtyrer gelte und ins Paradies komme, wenn man in den Dschihad ziehe oder Amerikaner umbringe.

Seine Eltern und Geschwister wüssten, dass er kein gläubiger Moslem sei. In seiner Kindheit habe man ihm immer gesagt, dass Personen mit blauen Augen oder hellen Haaren gegen Muslime wären und man sich gegen sie verteidigen müsse. Hier habe der Beschwerdeführer jedoch das genaue Gegenteil erlebt und ihm sei von unterschiedlichen Personen geholfen worden, worüber er auch viel mit seiner Mutter gesprochen und dieser dann mitgeteilt habe, dass er nicht mehr an den Islam glaube. Sie habe zunächst dahingehend reagiert, dass der Beschwerdeführer ungläubig geworden sei und Gott und den Propheten vergessen habe. Er solle um Vergebung bitten und seine Gebete verrichten, denn wenn er eines Tages sterbe, käme er auf keinen Fall ins Paradies. Auch später habe sie ihn immer wieder aufgefordert, um Vergebung zu bitten, wieder zurückzukehren und nicht im Land der Ungläubigen zu bleiben. Die gesamte Familie und Verwandtschaft wisse durch seine Mutter davon, dass der Beschwerdeführer Atheist sei.

Als der Onkel versucht habe, ihn zu rekrutieren, habe die Familie noch nichts davon gewusst, dass der Beschwerdeführer den Glauben ablehne. Jetzt würde ihn der Onkel väterlicherseits nicht mehr rekrutieren, sondern töten wollen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer in erster Linie von seiner Familie, dem Onkel väterlicherseits und anderen Verwandten umgebracht werden. Dies gelte auch für seinen Vater, der ein sehr religiöser Mensch sei.

In Österreich habe der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht, arbeite bei der Tafel beim Roten Kreuz freiwillig sowie seit über drei Jahren als Übersetzer. Er habe sehr viele Kontakte zur Österreichern und viele Freunde, die er in seinem ehemaligen Boxverein kennen gelernt habe. Der Beschwerdeführer gehe auch regelmäßig ins Fitnessstudio.

Religiöse Vorschriften habe er hier keine eingehalten, er habe überhaupt kein Interesse daran und es nicht einmal gewollt, als er sich noch im Iran befunden habe. Er habe mit seinen hiesigen Freunden über seine Konfessionslosigkeit gesprochen, unter anderem sehr viel mit seinem bei der Verhandlung anwesenden Lehrer. Der Beschwerdeführer habe hier sehr viele Freiheiten, keiner zwinge ihn, zu beten oder eine Religion zu verfolgen. Er besuche mit seinen Freunden auch die Disco und trinke Alkohol.

Im Rahmen der Verhandlung wurde der ehrenamtliche Deutschhelfer, der den Beschwerdeführer seit ca. vier bis viereinhalb Jahren kennt und immer wieder unterrichtet, als Zeuge einvernommen.

Dabei gab der Zeuge an, der Beschwerdeführer habe ihm außerhalb des Deutschkurses, wenn das Gespräch darauf gekommen sei, mitgeteilt, dass er Atheist sei. Er selbst erlebe den Beschwerdeführer als nicht religiösen Menschen und der Beschwerdeführer habe erwähnt, dass er nicht bete und den muslimischen Glauben nicht aktiv lebe. Weiters habe der Beschwerdeführer ihm auch erzählt, dass er schon sehr früh nicht beten habe wollen und darin auch keinen Sinn sehe.

Der Beschwerdeführer sei ein sehr empathischer Mensch, der sich sofort bereit erklärt habe, bei der Tafel mitzuhelfen und auch sonst noch vieles gemacht habe, was seine empathische Haltung bestätige, wie seine vorgelegten Dokumente zeigten.

Seitens der erkennenden Richterin wurde nochmals auf das vorab mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersendete Informationsmaterial hingewiesen.

Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers führt aus, dass der Beschwerdeführer bereits im Rahmen seiner Erstbefragung am 4.12.2015 angegeben habe, konfessionslos zu sein. Im Falle einer Ausreise nach Afghanistan würde er sich nicht wieder zum islamischen Glauben bekennen und diesen auch nicht wieder ausüben. Somit wäre er dort als Apostat sowohl von staatlicher als auch von privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Zudem habe der Beschwerdeführer sein bisheriges Leben zur Gänze außerhalb Afghanistans verbracht und wäre dort als Fremder im eigenen Land exponiert.

Vorgelegt wurde eine undatierte Bestätigung eines Kampfsportvereins darüber, dass der Beschwerdeführer seit 2016 Mitglied ist und regelmäßig an Wettkämpfen teilnimmt.

9. Am 15.6.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den vorliegenden Länderberichten ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichem Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und wurde im Iran geboren, wo er bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern und Geschwistern lebte. Der Beschwerdeführer wurde ca. vier bis fünf Jahre zu Hause unterrichtet und war viele Jahre in verschiedenen Bereichen als Hilfsarbeiter tätig.

Die Familie des Beschwerdeführers stammt ursprünglich aus Maidan Wardak, er selbst war noch nie in Afghanistan aufhältig.

Der Beschwerdeführer ist aus innerer Überzeugung vom islamischen Glauben abgefallen. Er konnte glaubhaft machen, dass er nicht nur die muslimischen Riten – wie Beten und Fasten – sowie den Dschihad ablehnt, sondern sich intensiv innerlich damit beschäftigt und eine Aversion gegen den Islam entwickelt hat, sodass es ihm nicht zugemutet werden kann, seine Ansichten im Heimatland zu verbergen und die Religion dort ausüben zu müssen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsland:

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 18.5.2020, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlage) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde, dem vorliegenden Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.

2.1. Die oben genannten Feststellungen zu Person und Herkunft des Beschwerdeführers resultieren aus dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten und den diesbezüglich vom Beschwerdeführer getätigten einheitlichen und glaubwürdigen Angaben und sowie seinen Sprachkenntnissen.

Die Feststellungen zur Apostasie des Beschwerdeführers beruhen auf seinen durch das ganze Verfahren hindurch einheitlichen Angaben. Bereits im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte der Beschwerdeführer, konfessionslos zu sein, dann brachte vor dem Bundesamt vor, er sei Atheist und würde unter anderem wegen des Glaubens verfolgt und später betonte er in seinem am 3.5.2016 beim Bundesamt eingelangten Schreiben nochmals, vor dem Islam, den Islamisten und den islamischen Gesetzen geflüchtet zu sein und einen Hass gegenüber diesem Glauben entwickelt zu haben.

Diese Ausführungen werden zudem durch den persönlichen Eindruck bestätigt, den die erkennende Richterin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewinnen konnte (siehe Punkt I.8.). Der Beschwerdeführer vermochte darzulegen, dass er sich bereits seit seiner Jugend intensiv mit der Thematik beschäftigt hat und zur Einhaltung der Riten, wie Beten oder Fasten, seitens seiner religiösen Familie unter anderem durch Schläge gezwungen wurde, sodass er eine innere Abneigung dagegen entwickelte, die zu unterdrücken ihm nicht mehr zuzumuten ist.

Diese Ablehnung des Glaubens ist zu solch einem Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden, dass nicht erwartet werden kann, seine Ansichten im Heimatland zu unterdrücken und den Glauben, wenn auch nur formell, auszuüben.

Auch der im Rahmen der mündlichen Verhandlung einvernommene Zeuge bestätigte, dass er den Beschwerdeführer nicht als religiösen Menschen erlebe, sich dieser als konfessionslos bezeichne und erklärt habe, keinen Sinn im Glauben zu sehen.

2.2. Die getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan beruhen auf den angeführten Quellen. Diese Berichte verschiedener anerkannter und zum Teil in Afghanistan agierenden Institutionen, ergeben in ihrer Gesamtheit ein nachvollziehbares und schlüssiges Bild über die Lage im Heimatland des Beschwerdeführers. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Die Länderfeststellungen wurden dem Beschwerdeführer vorgehalten und es wurde ihnen nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 idgF ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht. Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Als Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "begründete Furcht vor Verfolgung" (VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthalts zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011 ua).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233, mwH).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH vom 17.06.1993, Zl. 92/01/1081; VwGH vom 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Die Verfolgung aus Gründen der Religion, wozu auch atheistische Glaubensüberzeugungen zählen, kann zur Gewährung von Asyl führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Asylwerber aufgrund seiner atheistischen Lebensweise im Herkunftsstaat tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt zu werden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Asylwerber seine Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch im Herkunftsstaat leben wird. Die Tatsache, dass einem Asylwerber im Herkunftsstaat etwa aufgrund eines Gesetzes über Apostasie eine Todes- oder Freiheitsstrafe droht, kann für sich genommen eine asylrelevante Verfolgung darstellen, sofern eine solche Strafe in dem Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, mwN; 30.04.2020, Ra 2020/18/0124).

Für die Annahme einer Verfolgung wegen Apostasie ist jedenfalls Voraussetzung, dass der Revisionswerber seine Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch in seinem Heimatstaat leben wird (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, Rn. 15, mit Verweis auf EuGH 4.10.2018, Bahtiyar Fathi, C-56/17, Rn. 88; 19.05.2020, Ra 2019/14/0599).

Wie in den Feststellungen im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung ausgeführt, ist der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung vom Islam abgefallen. Er versteht seine Konfessionslosigkeit als identitätsstiftendes Merkmal und würde sie auch in Afghanistan leben.

Den getroffenen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass der Abfall vom Glauben in Afghanistan zu einer asylrelevanten Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden religiösen Normen führen würde.

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung, nämlich aus Gründen seiner Religion, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für den Beschwerdeführer nicht, weil im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer derartigen Verfolgung auszugehen wäre.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Deshalb war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage Konversion ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Zudem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen oder es steht in vielen Punkten die Tatfrage im Vordergrund.

Schlagworte

Apostasie asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Religion wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W174.2126256.1.00

Im RIS seit

20.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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