TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/11 I415 2233765-1

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Veröffentlicht am 11.08.2020
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Entscheidungsdatum

11.08.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I415 2233765-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Algerien, vertreten durch RA Mag. Dr. Bernhard ROSENKRANZ, Plainstraße 23, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 5 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

II. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste laut eigenen Angaben im März 2019 legal mit gültigem Visum C in das österreichische Bundesgebiet ein und verblieb nach Ablauf der zulässigen 90-tägigen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet. Seit dem 18.06.2020 ist er mit Hauptwohnsitz melderechtlich im Bundesgebiet erfasst.

2.       Er stellte am 24.04.2020 einen Antrag gemäß § 55 Abs. 1 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK.

3.       Daraufhin leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ein und teilte dies dem Beschwerdeführer mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 26.05.2020 mit. Der Beschwerdeführer wurde darüber informiert, dass er zur sofortigen Ausreise verpflichtet sei. Gleichzeitig wurde ihm ein Fragenkatalog zu seinen persönlichen Verhältnissen übermittelt und eine zweiwöchige Frist zur Erstattung einer Stellungnahme eingeräumt.

4.       Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 16.06.2020 nach.

5.       Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 16.07.2020, Zl. XXXX , erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

6.       Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 28.07.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Er machte inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und führte zusammengefasst aus, dass das BFA nicht über seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abgesprochen habe. Die belangte Behörde verkenne, dass eine amtswegige Prüfung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht zu erfolgen habe, vielmehr hätten die Voraussetzungen des § 55 AsylG geprüft werden müssen. Der Beschwerdeführer verfüge über ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet im Sinne des Art. 8 EMRK, sodass seinem Antrag stattzugeben sei. Der Beschwerdeführer führe eine Lebensgemeinschaft mit einem in Österreich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten schwedischen Staatsangehörigen. Dadurch stehe ihm ein von seinem Lebenspartner abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Aus diesen Gründen sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig. Zudem würden die Voraussetzungen für die Verhängung eines zweijährigen Aufenthaltsverbotes nicht vorliegen.

7.       Mit Schriftsatz vom 28.07.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 06.08.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. Das BFA führte in seiner Stellungnahme zusammengefasst aus, dass sich der Beschwerdeführer wissentlich seit eineinhalb Jahren illegal im Bundesgebiet aufhalte und sich unter Berufung auf Art. 8 EMRK einen Aufenthaltstitel erzwingen wolle. Die Voraussetzungen hierfür würden nicht vorliegen. Die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers verkenne, dass nicht zusätzlich eine Entscheidung über § 55 AsylG zu treffen sei, wenn wie im gegenständlichen Fall, so wie gesetzlich vorgesehen, über § 57 AsylG entschieden wurde. Das Verfahren zum Antrag des Beschwerdeführers nach § 55 AsylG sei ausgesetzt worden, da im gegenständlichen Verfahren eine Entscheidung zu treffen gewesen sei. Die aufschiebende Wirkung sei völlig zu Recht aberkannt worden, da der Beschwerdeführer über mehrere Monate die Möglichkeit gehabt habe, das Land zu verlassen. Somit sei mit der Rückkehrentscheidung auch ein Einreiseverbot zu verhängen gewesen, was zugegebenermaßen bei dem vorliegenden Sachverhalt etwas über das Ziel hinausschieße, aber sonst wäre die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht möglich gewesen.

8.       Am 10.08.2020 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung eine Beschwerdeergänzung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus wird festgestellt, dass das BFA bislang nicht über den Antrag des Beschwerdeführers vom 24.04.2020 gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK abgesprochen hat.

Das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde vom BFA erst nach der Antragstellung des Beschwerdeführers eingeleitet.

Zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Entscheidung war das Verfahren zum Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK noch offen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR) und dem Schengener Informationssystem wurden ergänzend eingeholt.

Im Zentralen Fremdenregister wird der Status des Verfahrens zum Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK seit dem 11.05.2020 als „laufend“ bezeichnet. Somit war die Feststellung zu treffen, dass dieses Verfahren zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Entscheidung offen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Der Beschwerdeführer stellte am 24.04.2020 einen Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, über den bislang von der belangten Behörde nicht abgesprochen wurde.

Das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde vom BFA erst nach der Antragstellung des Beschwerdeführers eingeleitet. Zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Entscheidung waren noch beide Verfahren offen.

Für den erkennenden Richter ist nicht ersichtlich, weswegen die belangte Behörde bisher nicht über den noch offenen Antrag gemäß § 55 AsylG abgesprochen hat, da durch die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Entscheidung über den Antrag gemäß § 55 AsylG vorweggenommen wird, zumal die Behörde nunmehr bei nicht geänderten Sachverhalt nur mehr formell und nicht inhaltlich entscheiden muss.

In einem Verfahren nach § 55 AsylG 2005 ist eine amtswegige Prüfung gemäß § 57 AsylG 2005 ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") nicht vorgesehen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101). Im Hinblick darauf hätte das VwG gemäß § 27 VwGVG 2014 den Ausspruch der Behörde zu § 57 AsylG 2005 ersatzlos beheben müssen.

Die belangte Behörde hätte die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und den Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zusammenfallen lassen müssen und gegebenenfalls bei Abweisung des Antrages eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen können, um die Vorwegnahme der Entscheidung zu dem Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zu vermeiden.

Da über den Antrag gemäß § 55 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK bislang nicht abgesprochen wurde und der gegenständliche Bescheid über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot) die Entscheidung bezüglich des Antrages vorwegnehmen würde, war der Bescheid ersatzlos zu beheben.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Kassation Rückkehrentscheidung Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2233765.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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