TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/14 W233 2233701-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2020
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Entscheidungsdatum

14.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch



W233 2233701-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2020, Zl. 1261702106-200216448, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, brachte am 25.02.2020 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.2. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Dabei führte er aus, dass er aus der Stadt XXXX im Bezirk XXXX stamme, der Volksgruppe der Georgier angehöre und sich zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas bekenne. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, er habe Gehprobleme, welche im Herkunftsstaat medizinisch nicht behandelt werden hätten können. In Österreich sei er bei drei Ärzten gewesen. Politische oder andere Probleme habe er nicht. Nach der medizinischen Behandlung werde er Österreich wieder freiwillig verlassen.

I.3.Mit Verfahrensanordnung vom 25.02.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen. Gleichzeitig wurde ihm ein Mitteilungsblatt über die Folgen der Missachtung der Anordnung zur Unterkunftnahme ausgehändigt. Ferner wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnungen vom selben Tag mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, und er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum 27.02.2020 in Anspruch zu nehmen.

I.4. Bei seiner Einvernahme am 05.03.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seiner Person, seinem Gesundheitszustand, den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, seinen Familienangehörigen sowie zu seinem Leben in Österreich befragt. Im Zuge dieser Einvernahme hielt der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen aufrecht und brachte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen in Vorlage.

I.5. Am 13.03.2020 wurden dem Bundesamt weitere medizinische Unterlagen des Beschwerdeführers übermittelt.

I.6. Mit Schreiben vom 13.05.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, dem Bundesamt sämtliche Befunde zu seinem Gesundheitszustand binnen drei Tagen vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nach, indem er am 15.05.2020 sowie am 24.05.2020 weitere Unterlagen vorlegte.

I.7. Am 29.06.2020 wurden dem Beschwerdeführer die verfahrensrelevanten Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Georgien vom 12.09.2019 mit letzter Kurzinformation vom 16.03.2020 persönlich zugestellt.

I.8. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 05.07.2020 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.02.2020 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Georgien gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Ferner wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen wurde, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt (Spruchpunkt VIII.). Unter Spruchpunkt IX. wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein für die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen.

I.9. Der Beschwerdeführer erhob im Wege seiner Vertretung gegen den oben angeführten Bescheid fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtigen Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

I.10. Am 06.08.2020 langten die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.11. Mit Schriftsatz vom 04.08.2020 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Vertretung ein weiteres Konvolut an medizinischen Unterlagen in Vorlage.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Sachverhalt:

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

II.1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist am XXXX in XXXX geboren und ist Staatsangehöriger von Georgien. Er gehört der Volksgruppe der Georgier an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Seine Erstsprache ist Georgisch. Ferner verfügt er über einfache Russischkenntnisse. Er hat acht Jahre die Grundschule sowie dreieinhalb Jahre eine veterinär-technische Schule besucht. Daraufhin hat er für die Dauer von zwei Jahren Militärdienst geleistet. In den vergangenen zehn Jahren hat er im Herkunftsstaat als Frisör den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestritten. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Söhne im Alter von 13 und 15 Jahren. Zuletzt hat er im Herkunftsstaat im Haus seines Schwiegervaters in der Stadt XXXX in der Region XXXX gewohnt.

Seine Ehefrau, seine Kinder sowie seine zwei Brüder leben nach wie vor im Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer pflegt regelmäßigen Kontakt zu seinen Angehörigen.

Im Jänner 2020 hat der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat verlassen und ist am 11.01.2020 unter Verwendung seines georgischen Reisepasses über den Luftweg von Georgien nach Österreich gereist. Seither hält er sich durchgehend in Österreich auf. Am 25.02.2020 hat der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Am selben Tag wurde er mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes aufgefordert in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen. Gleichzeitig wurde ihm ein Mitteilungsblatt über die Folgen der Missachtung dieser Anordnung ausgehändigt.

II.1.1.2. Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat keine gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private.

Zudem droht dem Beschwerdeführer auch für den Fall seiner Rückkehr nach Georgien keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention, welche für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat festgestellt werden.

II.1.1.3. Der Beschwerdeführer hat im Bereich des oberen und unteren linken Sprunggelenks ausgeprägte arthrotische Veränderungen mit teils deutlichen Deformierungen. Weiters wurden bei ihm perimalleolär ausgeprägte Weichteilschwellungen und kleine Verknöcherungen diagnostiziert. Insgesamt zeigt sich eine inhomogene Knochenstruktur im Bereich des Sprunggelenks sowie eine deutliche Fehlstellung im Bereich der Zehen.

Bereits im Herkunftsstaat hat sich der Beschwerdeführer aufgrund des oben wiedergegebenen Krankheitsbildes in ärztlicher Behandlung befunden. Den Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer verlassen, um sich in Österreich einer Operation zu unterziehen.

Somit wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Georgien in keine existenzbedrohende Situation geraten wird. Abgesehen von den Veränderungen und Deformierungen an seinem Fuß ist der Beschwerdeführer gesund, sodass er grundsätzlich arbeitsfähig ist. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, ist dort sozialisiert worden und verfügt über mehrjährige Schulbildung sowie über Berufserfahrung. Ferner hat er in Georgien ein familiäres Netzwerk, welches ihn im Fall seiner Rückkehr unterstützen kann. Es ist sohin davon auszugehen, dass er im Fall der Rückkehr in der Lage ist, durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sowie durch die Unterstützung seiner Angehörigen seine Existenz zu sichern.

II.1.1.4 Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen und lebt auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft. Einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit geht er nicht nach. Er verfügt auch nicht über sonstige ausreichende Existenzmittel, sondern bestreitet seinen Lebensunterhalt aus den Leistungen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Deutschkenntnisse und nimmt nicht aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teil. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich vor.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Zur maßgeblichen Situation in Georgien:

Sicherheitslage

[…]

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

[…]

Grundversorgung

[…]

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, die staatliche Sozialhilfe liegt bei GEL 180 (ca. EUR 60) im Monat, bei Rentnern bei GEL 200 [ca. EUR 70]. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 19.10.2019).

Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Knapp 22 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigranten machen mit rund 11,8% einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 11.2018).

Die Arbeitslosenquote betrug 2018 12,7% (2017: 13,9%) (GeoStat 17.5.2019). Laut der Daten des nationalen Statistikamtes von 2018 sind 63,9% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig (Geostat 17.5.2019; vgl. GT 21.10.2019). Die Arbeitslosenrate ist im ländlichen Raum (2018: 5,8%) geringer als im städtischen Raum (2018: 19,3%) (Geostat 17.5.2019). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären. Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter 15-25-Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren (IOM 2018).

Zu Jahresbeginn 2020 nahm eine Agentur zur Beschäftigungsförderung (Employment Support Agency), die im Ministerium für Binnenflüchtlinge aus den besetzten Gebieten, Arbeit, Gesundheit und Soziales angesiedelt ist (MOH 24.12.2019; vgl. KP 1.2020, GT 21.10.2019). Die neue Agentur soll u.a. durch Fortbildungen, Umschulungen, Beratung und Karriereplanung die Beschäftigung im Land fördern (KP 1.2020). Die Agentur soll auch legale Arbeitsmigration fördern (GT 21.10.2019; vgl. KP 1.2020). Eine Priorität der Agentur ist es, Arbeitsmöglichkeiten für sozial benachteiligte Personen zu erschließen (GT 21.10.2019).

Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2018). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbständig Beschäftigten lag im ersten Quartal 2019 bei den Männern bei GEL 1.294 [rund EUR 400] und bei den Frauen bei GEL 876 [rund EUR 270] (GeoStat 2019).

[…]

Sozialbeihilfen

[…]

Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:

?        Existenzhilfe

?        Re-Integrationshilfe

?        Pflegehilfe

?        Familienhilfe

?        Soziale Sachleistungen

?        Sozialpakete

Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von GEL 10-60 pro Familienmitglied rechnen. Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt (IOM 2018).

Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 und alle anderen GEL 48 pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Pensionssystem:

Es gibt nur ein staatliches Pensionssystem. Voraussetzungen (nicht alle müssen erfüllt sein):

?        Rentenalter: 65 Jahre für Männer; 60 Jahre für Frauen;

?        Behindertenstatus;

?        Tod des Hauptverdieners

Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2018).

Die staatliche Alterspension (universal) beträgt GEL180 pro Monat. Die Leistungen werden ad hoc angepasst. Eine Invaliditätsleistung als Sozialhilfe beträgt GEL 180 pro Monat für eine Invalidität erster Stufe und GEL 100 für eine zweiter Stufe, wobei die Leistungen ad hoc angepasst werden (US-SSA 3.2019).

Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h., sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten und der Staat schießt weitere zwei Prozent zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor. Am 1.1.2018 stiegen die staatlichen Pensionen um GEL 20 und beliefen sich auf GEL 200 pro Monat (Agenda.ge 3.1.2019).

Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).

Das Recht auf Mutterschaftskarenz- und Pflegeurlaub gewährleistet 730 Tage Freistellung, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal GEL 1.000 (SSA o.D.b, vgl. US-SSA 3.2019).

[…]

Medizinische Versorgung

[…]

Bis 2010 war das Gesundheitswesen bis auf wenige Ausnahmen privatisiert. Der Staat überließ es dem freien Markt, das Gesundheitswesen zu regulieren. Die Privatisierung hatte als Kehrseite, dass einem wesentlichen Teil der Bevölkerung der Zugang zum Gesundheitswesen aus finanziellen Gründen verwehrt blieb oder ein Krankheitsfall zu existenzbedrohenden finanziellen Engpässen führte. Ab 2007 steuerte der georgische Staat gegen, indem er kostenlose Krankenversicherungen und kostenlose medizinische Dienstleistungen für bestimmte vulnerable Gruppen einführte. 2013 schließlich wurde das Universal Health Care (UHC) Program eingeführt. Es ist ein staatlich geleitetes, hauptsächlich staatlich finanziertes, allgemeines Gesundheitssystem mit überwiegend privaten medizinischen Institutionen. Diese staatliche Krankenkasse soll den finanziellen Zugang zur medizinischen Grundversorgung für alle Georgier sicherstellen, die noch nicht durch private Versicherungen oder über den Arbeitgeber versichert sind. Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Über die UHC sind grundsätzlich alle georgischen Staatsbürger automatisch krankenversichert. Eingeschlossen sind alle Bewohner der de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, denen der georgische Staat neutrale Identitäts- und Reisepapiere ausstellt. Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC. Nur einen Teil der Leistungen erhält, wer vor dem 1.1.2017 eine private Krankenversicherung besaß oder über den Arbeitgeber krankenversichert war. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen. Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen (SEM 21.3.2018).

Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen „Letter of Garantee“ (dt. Garantiebrief) über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018).

Das staatliche Gesundheitssystem (UHC) umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen, wie folgt:

?        Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus

?        Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt

?        Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten

?        Dialyse ist ebenfalls gewährleistet

?        Für Drogenabhängige ist ein staatlich gefördertes Methadon-Ersatzprogramm kostenfrei verfügbar. Lediglich eine einmalige Registrierungsgebühr von GEL 70 muss entrichtet werden.

?        Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit.

Kontaktinformationen erhält man beim Ministerium für Gesundheit (Ministry of Health). Informationen über Anbieter finden sich hier: http://cloud.moh.gov.ge/Default.aspx?languagePair=en-US (IOM 2018)

Hat man Anrecht auf die gesamten Leistungen der UHC, werden Kosten in den drei Bereichen Notfallbehandlung, stationäre Behandlung und ambulante Behandlungen ganz oder zum Teil übernommen. Eine Kostenübernahme von 100% bedeutet in den meisten Fällen, dass der Staat der medizinischen Institution einen fixen Betrag zurückerstattet. Für die Berechnung dieses Betrags analysiert der Staat, wie viel die Dienstleistung in der Vergangenheit kostete und nimmt davon einen tiefen Durchschnittswert. Kommt die Behandlung teurer, muss der Patient die Differenz selber bezahlen (SEM 21.3.2018). Ambulante und stationäre Notfallbehandlungen werden zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018; vgl. IOM 2018). Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt werden zu 70-100% übernommen, einige Notfallbehandlungen zu 100% (IOM 2018). Von den stationären Behandlungen werden spezifische Operationen und die stationäre Nachbetreuung zu 100% übernommen. Andere Leistungen werden zu 70% übernommen (SEM 21.3.2018). Notwendige Operationen werden zu 70% übernommen (IOM 2018). Divergierende Angaben gibt es beim Thema Chemotherapie und Geburten. So werden laut SEM onkologische Behandlungen und Geburten zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018), laut IOM hingegen werden bei Chemotherapie 80% bis zu Gesamtkosten von GEL 12.000, und bei Geburten Kosten nur bis zu GEL 500 bzw. bei Kaiserschnitten nur bis zu GEL 800 übernommen (IOM 2018).

Bei Kostenübernahmen von weniger als 100% kommt der Patient für den Rest auf. Für Pensionisten zahlt der Staat zusätzlich monatlich GEL 100 für drei Monate, erstattet bei den Bürgerämtern (IOM 2018).

Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 19.10.2019).

Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert. Allerdings ist eine Registrierung notwendig, um alle Leistungen des Programms beanspruchen zu können. In diesem Zusammenhang sollten Rückkehrer die 15-05 Hotline des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales anrufen oder sich direkt an die nächstgelegene Poliklinik oder Krankenhaus wenden (IOM 2018).

Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die allgemeine Krankenversicherung nicht alle Bereiche abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede Klinik aufsuchen, jedoch müssen die Leistungen dann bezahlt werden. Vorzugsweise sollten Termine vereinbart werden. Bei Notfällen ist eine Behandlung ohne Termin mit Wartezeiten möglich. Patienten können einen Termin vereinbaren, für die staatliche Versicherung muss der Hausarzt kontaktiert werden, welcher eine Überweisung zu spezialisierten Ärzten verfassen kann. Große Apotheken stellen eine Vielzahl von Medikamenten. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann anhand ihrer Handelsbezeichnung online oder telefonisch überprüft werden: Medical Information Service http://www.mis.ge/ka/FindDrug.jsp?Clear=True TEL: +995 032 2 252233. Die meisten Medikamente werden nicht vom staatlichen Programm erfasst. Daher müssen die Patienten die Kosten für diese selbst tragen. Für einige Medikamente ist eine Verschreibung nötig. In diesem Fall, sollte zunächst ein zuständiger Arzt aufgesucht werden, um von diesem das Rezept zu erhalten (IOM 2018).

Für Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, kann bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden. Dazu muss das erforderliche Formular ausgefüllt werden. Als Beilagen müssen neben den gesicherten Personalien des Antragstellers (Kopie des Reisepasses oder Personalausweises) auch die im laufenden Jahr angefallenen Rechnungen und vorhandenen Kalkulationen, bzw. im Falle der Beantragung von Kostenersatz für Medikamente die Originalrechnung, vorgelegt werden. Zusätzlich ist noch der soziale Status des Antragstellers (Pensionisten, sozial bedürftige Personen, Binnenvertriebene, Personen mit eingeschränktem Status) und die entsprechenden Zeugnisse vorzulegen. Die Kommission entscheidet dann (mindestens zweimal im Monat) über eine allfällige Finanzierung der vorgelegten Kosten, wobei hier keine generelle Festlegung über die Höhe der Rückerstattung besteht und diese Entscheidungen individuell, von Fall zu Fall, getroffen werden (VB 31.5.2018).

[…]

Rückkehr

[…]

Rückkehrer und Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen bieten ebenfalls Unterstützung an. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme). Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft zur Verfügung gestellt. Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung. Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen (AA 19.10.2019).

Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden GEL 650.000 (ca. EUR 216.460) aus dem Staatshaushalt 2018 bereitgestellt, die an förderungswürdige NGOs verteilt werden. Um den Wiedereingliederungsprozess der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, sollen die NGOs für das gesamte Staatsgebiet folgende Dienstleistungen für die Begünstigten erbringen: Bereitstellung von medizinischer Behandlung und Medikamenten, Finanzierung einkommensgenerierender Projekte, Unterstützung der beruflichen Weiterbildung/Umschulung und Qualifizierung der Begünstigten und die Bereitstellung von temporären Unterkünften (SCMI 9.3.2018). Am staatlichen Programm sind jene teilnahmeberechtigt, die georgische Bürger oder staatenlos sind und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen; sich mehr als ein Jahr illegal im Ausland aufgehalten haben oder im Ausland um Asyl angesucht haben, und seit weniger als einem Jahr in Georgien sind (MRA o.D.).

[…]

Bewegungsfreiheit

[…]

Georgier können im Allgemeinen frei ins Ausland und innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums reisen. Sie können ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 10.3.2020).

Es ist nach dem georgischen Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wenn man auf diese Weise nach Georgien kommt, kann man mit Strafverfolgung rechnen, die mit potenziell hohen Bußgeldern und/oder einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang betrachten (Gov.UK 28.8.2019).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 19.10.2019).

Die de-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten Abchasien und Südossetien schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Pensionsleistungen, Gottesdienste und Bildung zeigen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 10.3.2020). Dorfbewohner, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 3.7.2019, FH 10.3.2020). Der Übertritt über offizielle Kontrollpunkte an den de-facto-Grenzen zu Abchasien und Südossetien wird seitens der separatistischen Behörden immer wieder gesperrt oder eingeschränkt (z.B.: Agenda 28.6.2019, AI 3.7.2019, Agenda 22.8.2019, KU 16.9.2019, DFW 28.9.2019, AI 22.11.2019, ATV 30.12.2019).

In Georgien gibt es keine Meldepflicht und eine Änderung des Wohnsitzes wird nicht angezeigt (z.B. bei Änderung des Wohnsitzes, ungenauer Anschrift – auch wegen eines fehlenden zentralen Melderegisters, veralteter Daten in den Melderegistern der Behörden und häufiger Wechsel von Straßennamen) (AA 19.10.2019).

[…]

II.1.3. Zur Situation aufgrund der Covid-19-Pandemie

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Mit Stichtag vom 11.08.2020 werden von der World Health Organization (WHO) in Georgien 1.264 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei im Fall von 17 der infizierten Personen der Todesfall bestätigt worden ist. Ebenso zeigt eine von der „Johns Hopkins University“ veröffentlichte Statistik, dass mit Stichtag 11.08.2020 in Georgien 1.278 bestätigte COVID-19 Erkrankungen gezählt werden bzw. 17 Todesfälle in diesem Zusammenhang zu beklagen sind.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit) stützen sich auf die im Akt aufliegenden Auszüge aus dem Reisepass.

Ferner ergeben sich die Feststellungen zu seinem Familienstand, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Religionszugehörigkeit, seiner Herkunft aus der Stadt XXXX in der Region Kachetien, seiner Schulbildung, seinen Sprachkenntnissen, seinem Leben und seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat sowie zum aufrechten Kontakt zwischen ihm und seinen Angehörigen aus dem Akteninhalt sowie aus dem bezüglich dieser Feststellungen widerspruchsfreien und daher glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, insbesondere in der mündlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 05.03.2020.

Auch die Feststellungen zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat sowie zur Dauer seines Aufenthalts in Österreich beruhen auf seinen dahingehend konsistenten Angaben in Verbindung mit den Auszügen aus seinem Reisepass, aus welchen ersichtlich ist, dass er am 11.01.2020 mit dem Flugzeug von Georgien aus nach Wien-Schwechat gereist ist (vgl. AS 28f.). Die Feststellungen zur Stellung des gegenständlichen Antrags sowie zur Anordnung der Unterkunftnahme stützen sich auf den unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich beruhen ebenso auf den dahingehend glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowie den amtswegig eingeholten Auskünften. Dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 06.08.2020 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus den Mitteln der Grundversorgung bestreitet und keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Bereits vor diesem Hintergrund war festzustellen, dass er nicht über ausreichende Mittel zur Sicherung seiner Existenz verfügt. Gegenteiliges wurde weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Beschwerde behauptet. Vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer überdies explizit an, in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandte zu haben, in keiner Familiengemeinschaft zu leben und über keine Deutschkenntnisse zu verfügen. Ebenso wenig sei er in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation Mitglied (Einvernahme 05.03.2020, AS 107). Seiner Beschwerde lässt sich im Übrigen nicht entnehmen, dass er seit der Einvernahme am 05.03.2020 entscheidungswesentliche Integrationsschritte gesetzt hätte. Anhaltspunkte für eine berufliche, sprachlicher oder soziale Integration des Beschwerdeführers liegen sohin nicht vor.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 06.08.2020.

II.2.2. Zu den Ausreisegründen sowie zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers

Vorwegzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Beschwerde behauptet hat, aufgrund seiner Religion, seiner Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund seiner politischen Gesinnung jemals verfolgt worden zu sein oder aktuell verfolgt zu werden. Im Verfahren sind auch keine sonstigen Hinweise hervorgekommen, die Rückschlüsse auf eine konkrete Verfolgungsgefahr zuließen.

Vielmehr brachte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren vor, den Herkunftsstaat verlassen zu haben, um sich in Österreich einer Operation zu unterziehen. Konkret gab er zu seinem Gesundheitszustand an, sich als Jugendlicher beim Fußballspielen am Fuß verletzt zu haben und falsch behandelt worden zu sein, weshalb er im Jahr 2019 Schmerzen bekommen habe und nunmehr eine Operation benötige. Dieses Vorbringen untermauerte der Beschwerdeführer durch die Vorlage des Untersuchungsberichts eines medizinischen Zentrums in Tiflis sowie verschiedener medizinischer Unterlagen des Diagnosezentrums XXXX , der Ordination XXXX , des Landesklinikums XXXX sowie des Diagnosezentrums XXXX . Die vorgelegten Unterlagen stimmen in den wesentlichen Punkten miteinander überein und zeigen sohin ein schlüssiges Bild des Gebrechens des Beschwerdeführers. Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der vorgelegten medizinischen Unterlagen konnte daher festgestellt werden, dass sich beim Beschwerdeführer im Bereich des oberen und unteren Sprunggelenks am linken Fuß ausgeprägte arthrotische Veränderungen mit teils deutlichen Deformierungen des oberen und unteren Sprunggelenks sowie perimalleolär ausgeprägte Weichteilschwellungen und kleine Verknöcherungen zeigen. Ferner wurden im Bereich der Zehen deutliche Fehlstellungen diagnostiziert (vgl. insbesondere Bericht des Diagnose Zentrums Liesing vom 14.07.2020).

Vor dem Hintergrund dieser Diagnose ist es auch glaubhaft, dass der Beschwerdeführer nach Österreich gereist ist, um sich einer Operation am linken Fuß zu unterziehen. Die weiteren Angaben des Beschwerdeführers, wonach er in Georgien keinen Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung habe, daher einer Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat nicht mehr nachgehen könne und sohin im Fall der Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten werde, ist jedoch – wie bereits vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid ausgeführt - nicht glaubhaft.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer vorbrachte, sich bereits im Herkunftsstaat medizinischen Untersuchungen sowie einer medikamentösen Behandlung unterzogen zu haben. Dieses Vorbringen bescheinigte er auch durch die Vorlage des Untersuchungsberichts eines medizinischen Zentrums in Tiflis, in welchem der zuständige Arzt – wie bereits dargelegt – im Wesentlichen zur selben Diagnose wie die vom Beschwerdeführer in Österreich konsultierten medizinischen Einrichtungen gekommen ist. Ferner gab er explizit an, Schmerztabletten erhalten zu haben. Bereits aus seinen persönlichen Angaben lässt sich sohin schließen, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Zugang zu medizinischer Versorgung hat.

Auch den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung in Georgien gewährleistet ist. Ferner wird darin ausgeführt, dass in Georgien im Jahr 2013 das Universal Health Care (UHC) Program, ein staatlich geleitetes, hauptsächlich staatlich finanziertes, allgemeines Gesundheitssystem mit überwiegend privaten medizinischen Institutionen, eingeführt worden ist. Diese staatliche Krankenkasse soll den finanziellen Zugang zur medizinischen Grundversorgung für alle Georgier sicherstellen, die noch nicht durch private Versicherungen oder über den Arbeitgeber versichert sind. Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Über die UHC sind grundsätzlich alle georgischen Staatsbürger automatisch krankenversichert. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen. Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen.

Insgesamt steht sohin nicht fest, dass dem Beschwerdeführer in Georgien jegliche Behandlung seines Gebrechens vorenthalten wird und/oder ihm der Zugang zu medizinischer Versorgung aufgrund exorbitanter Kosten verwehrt wäre.

Ferner hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht glaubhaft gemacht, dass er aufgrund seiner körperlichen Einschränkung nicht mehr arbeitsfähig ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei der Suche einer für ihn geeigneten Erwerbstätigkeit aufgrund seines Gebrechens aktuell eingeschränkt ist, er jedoch grundsätzlich in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, zumal er im Verfahren – abgesehen von den Deformierungen, Verknöcherungen und Schwellungen an seinem linken Fuß - keine gesundheitlichen Einschränkungen dargetan hat. Zudem gab der Beschwerdeführer an, im Herkunftsstaat im Haus seines Schwiegervaters gelebt zu haben (Einvernahme 05.03.2020 AS 105), und kann daher angenommen werden, dass er auch im Fall seiner Rückkehr dort wieder unterkommen kann. Neben seiner Ehefrau und seinen Söhnen leben überdies seine beiden Brüder in Georgien. Er verfügt sohin im Herkunftsstaat über ein familiäres Netzwerk, welches ihn unterstützen kann. Insgesamt war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in keine existenzbedrohende Lage geraten wird.

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer 49 Jahre alt ist, an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet und sohin nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit relevanten Vorerkrankungen fällt. Ferner kann in Zusammenhang mit der weltweiten Ausbreitung des COVID-19-Erregers unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportieren Entwicklungen (auch) im Herkunftsland des Beschwerdeführers bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 2 und Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt.

II.2.3. Zu den Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Der Beschwerdeführer ist den Länderinformationen in der Beschwerde überdies nicht konkret entgegengetreten.

II.2.4. Zu den Feststellungen zur Covid-19-Pandemie

Die unstrittigen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (s. jeweils mit einer Vielzahl weiterer Hinweise u.a.):

?        https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html

?        https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/

?        https://coronavirus.jhu.edu/map.html

?        https://covid19.who.int/

(Zugriff jeweils am 12.08.2020).

3. Rechtliche Beurteilung

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 31.07.2020 beim Bundesamt eingebracht, ist nach Vorlage am 06.08.2020 beim BVwG eingegangen und der Gerichtsabteilung W233 zugewiesen worden.

II.3.1. Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht. Sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dem Staat zurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. VwGH vom 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf einem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030). Ob in diesem Zusammenhang eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 08.09.2009, 2008/23/0027, mwN). Eine mangelnde staatliche Schutzgewährung setzt nicht voraus, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036). Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative - nicht notwendigerweise auf Konventionsgründen beruhende – Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art. 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2007/20/0913). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt voraus, dass nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Betroffenen in dem in Frage kommenden Gebiet getroffen werden (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 07.07.1987, Nr. 12877/87, Kalema/Frankreich).

Subsumiert man die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgebrachten Ausreisegründe den relevanten und im Lichte der zitierten Judikatur auszulegenden Rechtsvorschriften, ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Der Beschwerdeführer hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in seiner Beschwerde behauptet, aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe verfolgt zu werden, und sind hierfür im Verfahren auch keine sonstigen Hinweise hervorgekommen. Auch in der Beschwerde wurde die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht konkret bemängelt.

In einer Gesamtschau sämtlicher Umstände und mangels Vorliegens einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids

Wird Fremden der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.

§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates der Antragsteller, in dem für die Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit die Fremden besitzen oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Wird der Antrag der Fremden auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass den Fremden der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in ihren Herkunftsstaat für sie eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in ihrem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für die Fremden als Zivilpersonen eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass die Fremden einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wären, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation der Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.02.2005, 2002/20/0582). Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR 06.02.2001, 44599/98, Bensaid gg. Vereinigtes Königreich; VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es den betroffenen Personen, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behaupten, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gericht eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR 05.07.2005, 2345/02, Said gg. Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, haben die betroffenen Personen auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR 26.07.2005, 38885/02, N. gg. Finnland).

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EKMR 15.11.1996, 22414/93, Chahal gg. Vereinigtes Königreich).

Das Bundesverwaltungsgericht hatte somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass die Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen haben, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person der Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH 26.06.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht der Antragsteller bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre der Asylwerber gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers zu den Gründen, die für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene, gemäß der Judikatur des EGMR geforderte, Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).

Ausgehend von den dargestellten allgemeinen Länderberichten zum Herkunftsstaat besteht auch kein Grund, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsangehörige Georgiens einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Eine völlige Perspektivenlosigkeit für den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat kann nicht erkannt werden. Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer aktuell durch sein Gebrechen am linken Fuß zwar bei der Suche nach einer Erwerbstätigkeit eingeschränkt ist. Da er jedoch – abgesehen von diesem Gebrechen – gesund ist und sowohl über Schulbildung als auch über Berufserfahrung verfügt, ist es ihm möglich und zumutbar, im Herkunftsstaat eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Georgien im Haus seines Schwiegervaters Unterkunft nehmen und von seiner Familie Unterstützung erhalten kann.

Für den erkennenden Richter des Bundesverwaltungsgerichtes haben sich unter diesen Aspekten keine Hinweise ergeben, wonach der Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Situation geraten würde.

Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr nach Georgien sein wird, zu beschützen, sondern einzig und allein, Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Weiters gilt es zu bedenken, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat aufgewachsen ist und den Großteil seines Lebens dort verbracht hat.

Unter Verweis auf die zitierten Länderinformationen kann für das gesamte Staatsgebiet Georgiens zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlichtweg nicht festgestellt werden, dass dort eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen ließe. Es sind keine Umstände amtsbekannt, wonach in Georgien eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Situation in Georgien ist auch n

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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