TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 W279 2214513-1

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9

Spruch

W279 2214513-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1933, StA. Moldawien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2019, Zl. 1204648801/180826795/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine moldawische Staatsangehörige, reiste im August 2018 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.08.2018 führte die BF aus, dass sie im Herkunftsstaat keine Berufsausbildung absolviert und Landarbeiterin gewesen sei. Zum Fluchtgrund befragt, führte sie an, dass sie von ihrer Mutter erfahren habe, dass Österreich ihre Heimat sei. Sie habe zudem als Kind die deutsche Sprache vor der russischen Sprache beherrscht, sei jedoch mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Sibirien verbannt worden. Einige Zeit später habe sie versucht, mit ihrer Familie nach Deutschland zu gelangen, seien jedoch am Grenzübergang abgefangen worden und hätten sich in weiterer Folge in der Republik Moldau niedergelassen, wo sie jedoch aufgrund ihrer Herkunft abgelehnt worden seien. Bei einer Rückkehr habe sie zwar keine Befürchtungen, fühle sich jedoch nicht zu Hause.

3. Am 07.11.2018 wurde die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte sie zusammenfassend vor, dass sie im bisherigen Verfahren bereits angegeben habe, dass sie sowohl von den Russen als auch von den Moldawiern verjagt worden seien. Die Fragen, ob sie von einer gerichtlichen Untersuchung betroffen gewesen sei oder von einem Gericht zu einer Strafe verurteilt worden sei, wurden von der BF verneint. Auf Nachfrage, wovon sie in Moldawien gelebt habe, erklärte die BF, dass man nur ab und zu durch Feldarbeit Geld verdienen habe können. Aufgrund ihrer deutschen Herkunft habe sie weder Schulbildung noch eine Anstellung erhalten. Sie habe bereits eine Magenoperation gehabt und müsse an beiden Augen operiert werden. Auf Aufforderung, ihre Wohnadressen zu nennen, führte die BF an, dass sie in einem Kinderheim in einer ukrainischen Stadt aufgewachsen sei und in weiterer Folge alle Deutschen nach Sibirien entsandt worden seien. Auf Nachfrage, weshalb sie in einem Kinderheim aufgewachsen sei, brachte die BF vor, dass ihre Mutter gestorben sei, als sie ungefähr fünf Jahre alt gewesen sei. Neben ihren mitgereisten Angehörigen habe sie in Österreich keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte.

Befragt, wieso sie einen Asylantrag gestellt habe, gab die BF an, dass das Leben in der Republik Moldau sehr hart sei und Deutschen in ihre ehemalige Heimat zurückkehren müssten. Die Frage, ob es einen konkreten Vorfall gegeben habe, der zur Flucht aus ihrem Herkunftsstaat geführt habe, wurde von der BF verneint und ausgeführt, dass man ständig beschimpft und überall beleidigt werde. Nachgefragt, wer die konkreten Personen seien, von denen sie diskriminiert werde, entgegnete die BF, dass Deutsche generell in der moldawischen Gesellschaft ausgeschlossen seien und man ihre Häuser beschädigt habe, um sie zur Flucht aus der Republik Moldau zu zwingen. Befragt, wieso sie nicht eher nach Österreich gereist sei, entgegnete die BF, dass sie kein Geld für eine Ausreise nach Europa gehabt hätten. Nunmehr hätten sie die Reise nach Österreich mit Ersparnissen bestritten, da sowohl ihre Tochter als auch ihr Enkelsohn gearbeitet hätten. Zur Frage, ob sie in der Republik Moldau eine Pension oder Rente erhalten habe, erklärte die BF, dass sie zwar eine Rente erhalten habe, diese jedoch äußerst gering gewesen sei. Befragt, wieso auch ihre Tochter als auch ihr Enkelsohn das Land verlassen hätten, replizierte die BF, dass die beiden sie nicht alleine lassen hätten wollen. Die genauen Angreifer, die ihren Enkelsohn am Kopf verwundet hätten, kenne die BF nicht. Auf die Frage, ob es das Haus oder die Wohnung, in der sie in der Republik Moldau gelebt habe, noch gebe, brachte die BF vor, dass es sich um ein altes Haus handle, das bereits verwachsen und nunmehr gänzlich verlassen sei. Sie wisse weder den Namen der Ortschaft, noch die genaue Adresse ihres Hauses im Herkunftsstaat. Die könne bezüglich ihrer Ausreisegründe keine Beweismittel vorlegen. Bei einer Rückkehr in die Republik Moldau würde man sie nicht mehr aufnehmen, da man froh über deren Ausreise sei. Nachgefragt, wieso die moldawische Bevölkerung Deutsche ablehne, gab die BF an, dass diese Vorurteile bereits auf den Krieg zurückgehen würden und man damals die deutsche Minderheit verbannt habe. Den genauen Grund wisse sie jedoch nicht. Auf die Frage, ob sie in einem anderen Teil ihres Herkunftsstaates leben hätte können, entgegnete die BF, dass die Lage in der gesamten Republik Moldau schlecht sei. Sie habe ihrer Tochter gesagt, dass sie lange genug gelitten hätten.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde von der BF die Kopie ihres Reisepasses, die Kopie des Reisepasses ihrer Mutter und ein Archivzeugnis ihrer Mutter in Vorlage gebracht.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.01.2019 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz der BF sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. in Bezug auf die Republik Moldau ab (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Republik Moldau zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Beweiswürdigend wurde im Bescheid ausgeführt, dass das Vorbringen der BF, dass sie aufgrund ihrer angeblich deutschen Abstammung in Moldawien verfolgt werde, nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft sei. Ihre gesamte Familie habe diese angebliche Diskriminierung der „Deutschen“ wie sie selbst ins Treffen geführt. Wie in den Bescheiden ihrer Familienmitglieder bereits ausgeführt sei diese Verfolgung nicht glaubhaft. Eine Verfolgung ihrer eigenen Person habe die BF mit keinem Wort ins Spiel gebracht, sondern habe sich auf die angeblichen Vorfälle ihrer restlichen Familie bezogen, welche in den bereits ergangenen Bescheiden bereits ausführlich begründet worden seien. Die deutsche Minderheit in Moldawien werde nicht verfolgt und sei somit eine Verfolgung der BF nicht glaubhaft. Die BF habe auch keine Beweismittel vorlegen können, die ihre Angaben bestätigen könnten. Die Konsistenz ihres Vorbringens sei nicht gegeben gewesen, weil dieses widersprüchlich, nicht nachvollziehbar, nicht plausibel, vage und unsubstantiiert gewesen sei und in wesentlichen Teilen den herangezogenen Länderfeststellungen widersprochen habe. Die BF sei definitiv nicht imstande gewesen, das Zutreffen des Vorbringens glaubhaft darzustellen, da dieses in seiner Gesamtheit als unglaubhaft befunden worden sei. Die BF habe somit nicht vermitteln können, einer aktuellen oder intensiven EMRK-relevanten Gefahr unterlegen zu sein noch dass sie einer solchen künftig unterlegen werde. Die BF verfüge im Herkunftsstaat über familiäre Anbindungen, welche sich wieder um sie sorgen könnten, da sie auch über eine Unterkunftsmöglichkeit verfüge.

7. Gegen diesen Bescheid erhob die BF am 07.02.2019 fristgerecht durch ihren bevollmächtigten Vertreter Beschwerde. Zusammenfassend wurde vorgebracht, dass die BF aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe verlassen habe. Zu den Gründen, aus denen sie das Heimatland verlassen habe, habe die BF angegeben, dass sie und ihre Familie aufgrund der deutschen Abstammung im Herkunftsstaat diskriminiert worden seien. Die deutsche Herkunft gehe auf ihre Mutter zurück. Durch den geführten Familiennahmen sei dies offenkundig gewesen und sei die Familie deswegen verbal sowie körperlich attackiert worden, weshalb die BF die Republik Moldau aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe (deutsche Herkunft der Familie) verlassen habe. Die BF sei aufgrund der deutschen Herkunft schikaniert und diskriminiert worden. Die BF sei aufgrund der Nationalität einer Verfolgung ausgesetzt und sowohl sie als auch ihre Familie seien mehrfach bedroht worden. Der Heimatstaat sei nicht willens oder fähig, die BF vor weiteren Angriffen zu schützen, weswegen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich relevante Verfolgung drohe.

8. Aus einer Ausreisebestätigung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vom 17.05.2019 geht hervor, dass die BF am 14.05.2019 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet in die Republik Moldau ausgereist sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der BF:

Die BF reiste unter Verwendung eines moldawischen Reisepasses ins Bundesgebiet ein und stellte am 30.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die verwitwete BF wurde in der Ukraine geboren und war über einen längeren Zeitraum in Sibirien wohnhaft. Die BF hat keine Schul-und keine Berufsausbildung absolviert. Vor ihrer Ausreise war sie mit ihren Kindern und Enkelkindern in einem Haus in der Stadt Chisinau wohnhaft.

Dem Verfahren wird nicht zugrunde gelegt, dass die BF in der Republik Moldau aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung der BF in die Republik Moldau festgestellt werden.

Ebenfalls wird dem Verfahren nicht zugrunde gelegt, dass die BF im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Republik Moldau in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die BF litt an keinen schwerwiegenden physischen oder psychischen Krankheiten, welche die Rückkehr in die Republik Moldau iSd. Art. 3 EMRK unzulässig gemacht hätten. Die BF hatte eine Magenoperation, litt unter Augenproblemen und saß im Rollstuhl.

Die BF war in der Republik Moldau in der Lage, sich ihren Lebensunterhalt durch eine Rente sowie die Unterstützung ihrer Familienangehörigen zu sichern.

Die unbescholtene BF hielt sich etwa ein Jahr im Bundesgebiet auf und lebte von der Grundversorgung. Sie verließ am 14.05.2019 freiwillig das Bundesgebiet.

Im österreichischen Bundesgebiet waren die Tochter sowie die Enkelkinder und Urenkel der BF wohnhaft, die jedoch ebenfalls negative Entscheidungen erhielten. Eine nachhaltige Integration der BF im Sinne einer tiefgreifenden Verwurzelung im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden. Eine die BF betreffende aufenthaltsbeendende Maßnahme würde daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in deren gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben darstellen.

Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zur medizinischen Versorgungssituation und zur Lage von Rückkehrern und Binnenflüchtlingen wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen in Bezug auf die Republik Moldau Folgendes festgestellt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Moldau hat annähernd 34.000 km² Fläche und ca. 2,9 Mio. Einwohner (ohne Transnistrien). Das Land ist eine parlamentarische Demokratie, Staatsoberhaupt ist seit 23. Dezember 2016 Präsident Igor Dodon (PSRM). Regierungschef ist seit 20. Januar 2016 Ministerpräsident Pavel Filip (PDM). Das moldauische Parlament hat eine Kammer mit 101 Sitzen. Die Regierungskoalition umfasst derzeit die Demokratische Partei (PDM – 42 Sitze), informell auch auf die Europäische Volksgruppe (GPPE, 9 Sitze). Zur parlamentarischen Opposition gehören die Partei der Kommunisten der Republik Moldau (PCRM - 6 Sitze), die Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM - 24 Sitze), die Liberal-Demokratische Partei (PLDM - 5 Sitze), die Liberale Partei (PL - 9 Sitze) und 6 Parteilose (AA 3.2018a).

Zwei Runden der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 führten zur Wahl von Igor Dodon zum Präsidenten der Republik Moldau. Laut Wahlbeobachtungsmission der OSZE waren beide Wahlgänge kompetitiv und respektierten die Grundfreiheiten. Internationale und nationale Beobachter stellten jedoch eine polarisierte und unausgewogene Medienberichterstattung, harte und intolerante Rhetorik, mangelnde Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung und Fälle von Missbrauch administrativer Ressourcen fest (USDOS 20.4.2018).

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Juni 2018, die Bürgermeisterwahl in Chi?in?u wegen kleinerer Vorfälle (Vorwurf des Wahlkampfs über Social Media nach dem offiziellen Ende des Wahlkampfes) für nichtig zu erklären, trug weiter zur Wahrnehmung bei, dass die Justiz politisch entscheidet (FH 2019).

Die Republik Moldau erlebte im Jahr 2017 deutliche Anzeichen eines demokratischen Rückschritts mit illiberalen und autoritären Tendenzen und kam internationalen und nationalen Verpflichtungen bzw. Reformvorhaben nur zum Schein nach. Die Zeiten, in denen Moldau als Erfolgsgeschichte der europäischen Integration galt, sind vorbei. Das Verschwinden von einer Milliarde Dollar aus dem nationalen Bankensystem (2014) und die erbitterte Auflösung der Regierungskoalition, die dem Bankenskandal folgte, zerstörten viel von dem positiven Bild, das Moldau seit 2009 von sich aufzubauen verstanden hatte. Gerade die Rolle der Demokratischen Partei (PDM) wird in diesem Zusammenhang sehr kritisiert. Deren Vorsitzender, der Oligarch Vlad Plahotniuc, hatte es nach 2014 geschickt verstanden, seine Partei trotz einer bescheidenen demokratischen Legitimation von 16% bei den Parlamentswahlen 2014 zur wichtigsten politischen Kraft des Landes zu machen und diese Macht zu festigen, nicht zuletzt auch durch Einführung eines neuen Wahlsystems (JF 10.1.2018; vgl. FH 2019, BAMF 18.2.2019).

Laut Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments befindet sich die Republik Moldau im Griff von oligarchischen Interessen mit einer Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht in den Händen einer kleinen Gruppe von Menschen, die Einfluss auf das Parlament, die Regierung, die politischen Parteien, die Staatsverwaltung, die Polizei, die Justiz und die Medien ausübt. Es werden darin Rückschritte bei demokratischen Standards und Rechtsstaatlichkeit und Mängel bei Unabhängigkeit der Justiz und Korruptionsbekämpfung moniert (BI 10.10.2018).

Bei der Parlamentswahl am 24. Feber 2019 hat keine Partei eine absolute Mehrheit gewonnen. Pro-russische und pro-westliche Kräfte sind fast gleichauf. Nach den ersten Ergebnissen liegen die pro-russischen Sozialisten (PSRM) von Staatspräsident Igor Dodon mit ca. 31% vorne. Gefolgt von dem bisher nicht im Parlament vertretenen pro-europäischen Wahlblock ACUM mit knapp 26%. Auf Platz drei, mit 24%, liegen die amtierenden formal pro-europäischen Demokraten (PDM) von Vlad Plahotniuc. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 49%. Wenn nicht innerhalb von 45 Tagen eine Regierung gebildet wird, müssen Neuwahlen stattfinden (BAMF 25.2.2019).

Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bezeichneten in einer ersten Reaktion den Urnengang vom 24. Feber als kompetitiv und bestätigten die generelle Respektierung grundlegender Rechte, sprachen jedoch auch von Vorwürfen des Drucks auf öffentlich Bedienstete, starken Hinweisen auf Stimmenkauf und den Missbrauch staatlicher Ressourcen (OSZE 25.2.2019). Oppositionsparteien werfen den regierenden Demokraten massiven Wahlbetrug vor. Sowohl die Demokraten als auch die Sozialisten beschuldigten einander des Stimmenkaufs. Laut der CEC gab es 18 Beschwerden wegen Unregelmäßigkeiten, aber die Wahlen verliefen ohne größere Zwischenfälle (RFE/RL 24.2.2019; vgl. RFE/RL 25.2.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.2018a): Republik Moldau, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/moldau/201826, Zugriff 22.2.2019

- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (18.2.2019): Briefing Notes vom 18.02.2019, per E-Mail

- BAMF -Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (25.2.2019): Briefing Notes vom 25.02.2019, per E-Mail

- BI – Balkan Insight (10.10.2018): Oligarchs Have ‘Captured Moldova’, EU Resolution Warns, https://balkaninsight.com/2018/10/10/eu-urges-moldovan-authorities-to-respect-democratic-standards-10-10-2018/, Zugriff 26.2.2018

-FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 4.3.2019

- JF – Jamestown Foundation (10.1.2018): A Year in Review: Oligarchic Power Consolidation Defines Moldova’s Politics in 2017, https://www.ecoi.net/de/dokument/1421482.html, Zugriff 22.2.2019

- OSZE – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (25.2.2019): Fundamental rights generally respected in competitive Moldovan elections, though campaign tainted by violations, international observers say, https://www.osce.org/odihr/elections/moldova/412361, Zugriff 1.3.2019

- RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Free Europe (24.2.2019): Crucial Moldovan Parliamentary Vote Marred By Fraud Allegations, https://www.rferl.org/a/moldova-elections-dodon-socialists-acum-democrats-russia-eu/29787009.html?ltflags=mailer, Zugriff 1.3.2019

- RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Free Europe (25.2.2019): Moldova Elects Parliament With No Clear Majority, https://www.rferl.org/a/moldova-socialists-lead-democrats-acum-parliamentary-vote/29788181.html, Zugriff 1.3,2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019

Sicherheitslage

Die Republik Moldau ist Teil der im Mai 2009 ins Leben gerufenen „Östlichen Partnerschaft der EU“, die das Land näher an die EU heranführen soll. Am 27. Juni 2014 wurde in Brüssel das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau unterzeichnet, das am 1. Juli 2016 vollständig in Kraft trat. Zentraler Kern des Abkommens ist die Einrichtung einer Tiefen und umfassenden Freihandelszone (Deep and Comprehensive Free Trade Area - DCFTA), in deren Rahmen eine schrittweise Annäherung moldauischer Rechtsvorschriften an EU-Rechtsvorschriften und Standards erfolgen soll. Die Beziehungen zur Russischen Föderation bleiben für die Republik Moldau von zentraler Bedeutung, unter anderem wegen der Abhängigkeit der Republik Moldau von russischen Gaslieferungen und der großen Bedeutung des russischen Marktes für moldauische Exporte, insbesondere Agrarprodukte. Ein erheblicher Teil der moldauischen Gastarbeiter lebt in der Russischen Föderation. Seit 2013 hat die Russische Föderation Handelsrestriktionen gegen Moldau verhängt. Während die moldauische Regierung an einer pro-europäischen Ausrichtung des Landes festhält, bemüht sich Präsident Dodon um eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland, z.B. durch Erleichterungen bei den Handelsrestriktionen. Die OSZE unterhält seit 1993 eine Mission in Chi?in?u. Die Republik Moldau ist seit 1994 Partner der NATO. Die moldauische Verfassung schreibt die bündnispolitische Neutralität des Landes vor. Moldau nimmt innerhalb dieses Rahmens aktiv am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ teil und beteiligt sich mit Soldaten am KFOR-Einsatz. Im Dezember 2017 eröffnete die NATO ein Verbindungsbüro in Chisinau (AA 3.2018b).

Quellen:

-AA – Auswärtiges Amt (3.2018b): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/-/202836, Zugriff 22.2.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen zählen Folter in Gefängnissen und psycho-neurologischen Einrichtungen; harte Haftbedingungen; willkürliche Festnahme oder Inhaftierung; Verweigerung eines fairen öffentlichen Verfahrens; Einschränkungen der Medienfreiheit, Korruption; Fälle von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen in Betreuungseinrichtungen; und Menschenhandel. Eine Vielzahl nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Beschränkungen und untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Regierungsstellen sind einigermaßen kooperativ und offen für deren Vorstellungen. Es gibt eine voll funktionsfähige Ombudsstelle der Regierung. Das Parlament verfügt auch über einen eigenen ständigen Ausschuss für Menschenrechte und interethnische Beziehungen (USDOS 20.4.2018).

Auf offizieller Ebene ist die Republik Moldau verpflichtet, die Bürgerrechte zu achten, die gesetzlich kodifiziert sind. Trotz positiver Entwicklungen in dieser Hinsicht über die letzten Jahre hinweg, werden Grundfreiheiten immer noch oft verletzt. Dies betrifft das Fehlen fairer Verfahren, Hassreden, das Recht auf sozialen Schutz und Gesundheitsversorgung, schlechte Bedingungen in Gefängnissen, Menschenhandel und die Rechte sexueller Minderheiten und der Roma-Gemeinschaft. Und obwohl moldauische Gesetze Folter verbieten, gibt es Berichte über Verletzungen des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, einschließlich Fälle des Todes von Gefangenen oder Häftlingen (BS 2018).

Einige Menschenrechtsanwälte und -aktivisten hatten unter politisch motivierten Medienkampagnen, polizeilichen Ermittlungen und Anklagen zu leiden. Aktivisten der Zivilgesellschaft äußeren Bedenken gegen Abhöraktionen und stellen fest, dass die Anzahl der von den Richtern der Republik Moldau genehmigten Abhöranfragen zunimmt (FH 2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (29.10.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452871/4598_1543584844_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-moldau-stand-oktober-2018-29-10-2018.pdf, Zugriff 26.2.2019

- BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.2.2019

- FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 22.2.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019

Bewegungsfreiheit

Die Gesetze garantieren Reisefreiheit innerhalb und außerhalb des Landes und die moldauischen Behörden respektieren diese Rechte generell. Obwohl die Bürger im Allgemeinen frei reisen und in das Land zurückkehren können, gab es einige Einschränkungen bei der Auswanderung. Vor der Auswanderung verlangt das Gesetz, dass alle ausstehenden finanziellen Verpflichtungen mit anderen Personen oder juristischen Personen beglichen werden. Die Regierung setzt diese Anforderung aber nicht streng durch. Das Gesetz sieht auch vor, dass nahe Verwandte, die finanziell von einem potenziellen Auswanderer abhängig sind, zustimmen müssen, bevor der potenzielle Auswanderer das Land verlassen darf. Die Behörden setzen auch dieses Gesetz nicht durch (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz schützt die Personenfreizügigkeit im Inland und Ausland und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Es gibt keine formellen Einschränkungen für das Recht, den Arbeits- oder Ausbildungsort zu wechseln (FH 2019).

Quellen:

- FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 4.3.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019

Grundversorgung und Wirtschaft

Die Republik Moldau hat eine in weiten Teilen freie Marktwirtschaft. Als Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU ist die Einrichtung einer Vertieften und Umfassenden Freihandelszone (Deep and Comprehensive Free Trade Area - DCFTA) vereinbart worden. Diese Freihandelszone sieht die schrittweise Annäherung moldauischer Rechtsvorschriften an die der EU vor und ermöglicht eine enge Anbindung an den EU-Binnenmarkt. Die Republik Moldau ist eines der ärmsten Länder Europas. Die EU ist größter Handelspartner. Die Republik Moldau ist aber weiterhin in hohem Maß auf Russland als Energielieferant und wichtigem Absatzmarkt für Agrarerzeugnisse sowie Rücküberweisungen dort lebender Gastarbeiter angewiesen. 48,8% der Beschäftigten arbeiteten 2017 im Dienstleistungssektor, 35,2% in der Landwirtschaft und 16% in der Industrieproduktion sowie Bauwirtschaft. Die Republik Moldau rangiert beim Human Development Index (2016) auf Rang 107 von 188 Ländern. Das Stadt-Land-Gefälle ist beträchtlich. In den meisten Dörfern fehlt der Anschluss an das Wasser- und Abwassersystem, Straßen und Wege sind oft unbefestigt. Eltern gehen vielfach als Arbeitsmigranten ins Ausland und lassen Kinder und alte Menschen zurück. Die Rücküberweisungen der fast 1.000.000 Auslands-Moldauer belaufen sich auf ein Viertel des BIP. Die Arbeitslosenrate wurde für 2017 mit 3,2 % angegeben. Diese Zahl berücksichtigt weder die Migranten noch die erhebliche Schattenwirtschaft. Das monatliche Durchschnittsgehalt von knapp 270 Euro reicht zum Leben nicht aus. In den Dörfern wird daher häufig Subsistenzwirtschaft betrieben und in den Städten sind Mehrfach- und Gelegenheitsjobs die Regel (AA 3.2018e).

Die Schattenwirtschaft macht 30% des Bruttosozialprodukts aus. Rund 30% der arbeitenden Bevölkerung sind im informellen Sektor tätig und mehr als die Hälfte dieser Jobs findet sich in der Landwirtschaft (USDOS 20.4.2018).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist unter normalen Umständen sichergestellt. Sozialhilfe für bedürftige Personen wird nicht gewährt. Bedürftige können sehr geringe Zuschüsse zu den Heizkosten beantragen und Alleinerziehende (Mütter) können ebenfalls sehr geringe Zuschüsse zum Kindesunterhalt beantragen. Es gibt keine nennenswerte staatliche Unterstützung bei der Wohnungssuche. Arbeitslose können sich bei Arbeitsbörsen anmelden und erhalten bis zu maximal 9 Monaten geringe Unterstützung (AA 29.10.2018).

Moldau verfügt über ein Sozialsystem, für das alle Beschäftigten Beiträge einzahlen. Zusätzlich gibt es eine vom Staat gewährte Komponente an Sozialhilfen. Es gibt Renten für Pensionisten, Hinterbliebene und Behinderte, Leistungen für Krankheit, Mutterschaft und Pflege, Leistungen bei Arbeitsunfällen, Arbeitslosigkeit und Familienbeihilfen. Der Zugang zu den Leistungen richtet sich immer entweder nach dem Alter, gearbeiteten Jahren, Grad der Behinderung usw. (SSA 9.2018).

Laut amtlicher Statistik aus dem Jahr 2015 verfügt Moldau über eine aktive Bevölkerung von 1.265.600. Es ist nicht klar, welcher Prozentsatz der Bevölkerung tatsächlich vom Sozialsystem erfasst wird. 2015 erhielten 279.330 Personen Krankengeld und 679.877 Altersrenten. Es kann davon ausgegangen werden, dass Leistungen für Arbeitslose und Rentner nicht ausreichend sind. Bei der Sozialhilfe gab es Verbesserungen, aber auf niedrigem Niveau (CoE 1.2018).

Die Effizienz des moldauischen Sozialhilfesystems ist aufgrund der schlechten finanziellen Lage des Landes weiterhin sehr eingeschränkt. Dabei sind die Rentenzahlungen niedrig (im Durchschnitt nicht mehr als 65 USD pro Monat, was etwa 10 USD unter dem moldauischen Existenzminimum liegt). Das Niveau der Arbeitslosenunterstützung ist ebenfalls unzureichend und entspricht der durchschnittlichen Rente. Die Situation von Rentnern ist sehr schlecht, da 89% der Rentner erklären, dass ihr Einkommen entweder nicht ausreichend ist , um die Grundbedürfnisse zu decken, oder nur die absolut notwendigen Ausgaben erlaubt (BS 2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (29.10.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452871/4598_1543584844_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-moldau-stand-oktober-2018-29-10-2018.pdf, Zugriff 26.2.2019

- AA – Auswärtiges Amt (3.2018e): Republik Moldau, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/-/201934, Zugriff 22.2.2019

- BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.2.2019

- CoE – Council of Europe - European Committee of Social Rights (ECSR) (1.2018): European Committee of Social Rights Conclusions 2017; Moldova, https://www.ecoi.net/en/file/local/1425569/1226_1519804343_cr-2017-mda-eng.pdf, Zugriff 22.2.2019

- SSA – US Social Security Administration (9.2018): Social Security Programs Throughout the World, Moldova, https://www.ecoi.net/en/file/local/1447001/1788_1539767421_moldova.pdf, Zugriff 26.2.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019

Medizinische Versorgung

Es gibt eine staatliche beitragsfinanzierte Pflicht-Krankenversicherung, die auch (gegen Zahlung einer jährlichen Versicherungsgebühr) die Behandlung nicht erwerbstätiger Personen übernimmt. Die Dienstleistungen im staatlichen Gesundheitswesen sind grundsätzlich für Moldauer umsonst und jegliche Form der Bestechung ist unter Strafe gestellt. In der Praxis jedoch sind Extrazahlungen die Regel, um z. B. Zugang zu bestimmten Untersuchungen/Eingriffen zu erhalten oder diesen Zugang zu beschleunigen. Ebenso ist die freie Arztwahl tatsächlich nur gegen entsprechende Zahlung möglich. Für derartige Zahlungen sind Quittungen natürlich nicht erhältlich. Sie sind somit auch nicht erstattungsfähig. Andere Leistungen wie z. B. zahnmedizinische Prophylaxen bzw. Behandlungen werden durch die staatliche Pflichtversicherung erst gar nicht abgedeckt. Behandlungsmöglichkeiten in den staatlichen und privaten Krankenhäusern sind nicht mit dem westeuropäischen Standard vergleichbar. In ländlichen Gebieten existiert bestenfalls eine eingeschränkte Grundversorgung. Keine Klinik kann ein umfassendes Behandlungspaket anbieten; angeboten wird sowohl von staatlichen als auch Privatkliniken vielmehr nur in Teilbereichen Medizin auf hohem Niveau, wobei dieser Service gelegentlich an die Fachkompetenz einzelner Ärzte gebunden ist und somit nicht für die gesamte Klinik gilt. Die Versorgung mit Medikamenten ist nicht überall gesichert. Auch in der Hauptstadt kommt es gelegentlich zu Engpässen. Staatliche Preisvorgaben haben in der Vergangenheit zu einem Rückzug vieler ausländischer Arzneimittelhersteller vom moldauischen Markt geführt. Die gezielte persönliche Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist grundsätzlich möglich (AA 29.10.2018).

Die Verfassung von 1994 garantiert das Recht auf Gesundheit und eine kostenlose Basisbehandlung durch den Staat. 2001 wurde die verpflichtende Krankenversicherung geschaffen und 2004 landesweit eingeführt. Die staatliche Garantie eines universellen Zugangs zu medizinischer Basisversorgung wurde überarbeitet und durch die verpflichtende Krankenversicherung ergänzt. Die primäre Gesundheitsversorgung in Moldau basiert auf den familienmedizinischen Zentren und Gesundheitszentren, mit Ordinationen und Gesundheitsbüros in den ländlichen Gegenden. Seit Anfang 2008 sind diese verwaltungstechnisch autonom, davor unterstanden sie dem nächstgelegenen Bezirkskrankenhaus. Die sekundäre Versorgung umfasst spezialisierte ambulante und stationäre Behandlung in Bezirks- und städtischen Krankenhäusern. In Chisinau gibt es davon unabhängige spezialisierte ambulante Betreuung durch örtliche medizinische Vereinigungen. In jedem Bezirk gibt es darüber hinaus notfallmedizinische Einrichtungen (Ambulanzdienste) des Gesundheitsministeriums. Die medizinischen Einrichtungen der tertiären Versorgung bieten spezialisierte und hochspezialisierte medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung. Sie befinden sich fast alle in Chisinau und unterstehen dem Gesundheitsministerium. Alle drei Organisationsebenen haben Verträge direkt mit der verpflichtenden Krankenversicherung. Viele medizinische Dienste werden von Privaten angeboten, vor allem Spezialambulatorien, diagnostischen Labors, Apotheken usw. Diese können Verträge mit der Versicherung haben. Es gibt parallel eine ganze Reihe von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen anderer Ministerien, die deren Budgets unterliegen aber auch Verträge mit der Versicherung haben können. Eine große Zahl an NGOs, welche auf dem Gesundheitssektor aktiv sind, arbeiten vor allem in den Bereichen HIV/AIDS bzw. Tuberkulose-Eindämmung und in der Kindergesundheit. Sie arbeiten mit an der Formulierung von Gesundheitspolitik und beim Monitoring der Umsetzung von Gesundheitsreformen. Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind relativ niedrig. Das Basispaket der verpflichtenden Krankenversicherung umfasst grundlegende Versorgung von Erkrankungen, eine kurze Liste von Medikamenten, welche übernommen werden; Notfallversorgung; primäre, sekundäre und tertiäre (auch Rehabilitation) medizinische Versorgung; Zahnbehandlung; Krankentransport; Laborleistungen; Heimpflege und palliative Pflege. 2012 wurde das Paket um neue immunologische, radiologische und nuklearmedizinische Behandlungen erweitert. Diese Behandlungen werden gewährt, wo medizinisch nötig. 2011 scheiterte der Versuch der Regierung einen Selbstbehalt für Arztbesuche einzuführen. Out-of-pocket-Zuzahlungen gibt es in Form von Direktzahlungen und informellen Zahlungen. Schätzungen aus dem Jahr 2011 gingen davon aus, dass der Anteil an Zuzahlungen in Spitälern bei 58% lag. Bei Unversicherten liegen die Zahlen höher. Leistungen, die nicht unter die verpflichtende Krankenversicherung fallen, müssen direkt bezahlt werden, mehrheitlich sind das Medikamente und zahnmedizinische Leistungen. Out-of-pocket-Zuzahlungen sind vor allem bei Medikamenten recht hoch, was die Regierung veranlasste, den Preisregulierungsmechanismus für Medikamente zu ändern. Informelle Zahlungen (also Bestechung für mehr, bessere oder schnellere Leistungen) betreffen einer Umfrage zufolge in Spitälern 37,9% der Patienten. Diese leisteten informelle Zahlungen an Krankenhauspersonal (durchschnittlich USD 100,-). In ländlichen Gebieten waren es 40,8% der Patienten. Am häufigsten waren die informellen Zahlungen in der tertiären medizinischen Versorgung (48,4%). Nach Fachgebieten geordnet waren informelle Zahlungen in Geburtseinrichtungen (71%) am häufigsten, gefolgt von der Chirurgie (50,9%). Von den versicherten Patienten tätigten 36,8% informelle Zahlungen, von den Unversicherten hingegen 45,5%. Das Gesundheitsministerium ist bestrebt dieses Phänomen zurückzudrängen. Das Netzwerk öffentlicher Gesundheitseinrichtungen in Moldau besteht aus dem Nationalen Zentrum für öffentliche Gesundheit in Chisinau, zwei städtischen Zentren für öffentliche Gesundheit in Chisinau und Balti, und 34 Bezirkszentren für öffentliche Gesundheit, zuzüglich sieben Zentren für öffentliche Gesundheit anderer Ministerien welche parallel bestehen. Das Netzwerk der Labors besteht aus physikalischen, chemischen, mikrobiologischen, parasitologischen und radiologischen Labors bis hinunter auf die Bezirksebene. Einer Umfrage zufolge sind 80,2% der Moldauer mit den Leistungen ihrer Krankenhäuser zufrieden, aber 53,4% äußerten Kritik an den Zuzahlungen. Wartezeiten sind relativ kurz. 75% fühlen sich über die Behandlung gut informiert und auf dem Laufenden gehalten. 28% haben das Gefühl, die Krankenversorgung habe sich verbessert, 10% meinen das Gegenteil und 30% sehen keine Änderung. Die Sterblichkeit ist in Moldau für europäische Verhältnisse hoch, jedoch im internationalen Kontext niedrig. Die Häufigkeit von Tuberkulose, insbesondere multiresistenter TB, ist ein Problem. Arbeitslose müssen sich arbeitslos melden und erhalten dann für sechs Monate Arbeitslosengeld und Krankenversicherung. Viele Roma haben Probleme mit der verpflichtenden Krankenversicherung, weil sie nicht über die für den Zugang nötigen Identitätsdokumente verfügen oder in entlegenen Gegenden leben (WHO 2012).

Das moldauische Gesundheitssystem zielt auf universellen und kostenlosen Zugang zu bestimmten Behandlungen (Grundversorgung, vorklinische Notfallversorgung, Behandlung von Tuberkulose, AIDS und Krebs), egal ob der Patient versichert ist oder nicht. Die Pflichtversicherung deckt Angestellte und Selbstständige auf der Grundlage von Beiträgen ab, bestimmte andere Personengruppen sind automatisch abgedeckt (Kinder, Studenten, Schwangere und Wöchnerinnen und Mütter von vier oder mehr Kindern, Menschen mit Behinderungen, Rentner, formal arbeitslos gemeldete Personen, pflegende Angehörige und Sozialhilfeempfänger). Es ist nicht klar, welcher Prozentsatz der Bevölkerung tatsächlich vom Gesundheitssystem erfasst wird (CoE 1.2018).

Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach wie vor extrem unterfinanziert und der Großteil der Bevölkerung ist gezwungen private Mittel zu verwenden, um angemessene Pflege zu erhalten. Das fördert Korruption bei medizinischem Personal (BS 2018).

Die Umstrukturierung der öffentlichen Gesundheitsdienste ist in vollem Gange, einschließlich einer formellen Entscheidung zur Einrichtung einer Nationalen Gesundheitsbehörde. Ein aktualisiertes Konzept zur Krankenhausregionalisierung wurde vorgelegt, es gab aber keine Fortschritte bei der Umsetzung der Krankenhausreform. Moldau beteiligt sich am EU-Gesundheitsprogramm 2014-2020 (EC 3.4.2018).

Die Verteilungsungleichheit zwischen Stadt und Land, auch im Bereich der Gesundheitsversorgung, gibt Anlass zur Besorgnis. Die jüngsten Dezentralisierungsmaßnahmen der Regierung haben das Problem eher verschärft, da die Gemeinden unterschiedlich leistungsfähig sind. Die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit sinken, Korruption ist im Gesundheitssektor weit verbreitet. Durch Abwanderung fehlt gut ausgebildetes medizinisches Personal. Von der obligatorischen Krankenversicherung werden rund 20 Prozent der Bevölkerung nicht abgedeckt. Die allgemeine Qualität der Gesundheitsdienstleistungen ist schlecht und es gibt keine Monitoringmechanismen für öffentliche Gesundheitseinrichtungen. Roma, Behinderte, HIV/AIDS-Kranke, Flüchtlinge/Asylwerber und andere benachteiligte und marginalisierte Personen und Gruppen sind beim Zugang zu Gesundheitsversorgung diskriminiert. HIV/AIDS verbreiten sich zusehends, ebenso die Tuberkulose, vor allem die mehrfach medikamentenresistente Tuberkulose. Drogenkonsumenten sind Berichten zufolge gelegentlich einer Zwangsbehandlung in Verbindung mit Inhaftierung unterzogen, während die internationale Finanzierung für Drogenprogramme zurückgeht (UN CESCR 19.10.2017).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (29.10.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452871/4598_1543584844_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-moldau-stand-oktober-2018-29-10-2018.pdf, Zugriff 26.2.2019

- BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.2.2019

- CoE – Council of Europe - European Committee of Social Rights (ECSR) (1.2018): European Committee of Social Rights Conclusions 2017; Moldova, https://www.ecoi.net/en/file/local/1425569/1226_1519804343_cr-2017-mda-eng.pdf, Zugriff 22.2.2019

- EC – European Commission (3.4.2018): Association Implementation Report on Moldova, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/association_implementation_report_on_moldova.pdf, Zugriff 22.2.2019

- UN CESCR – UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights (19.10.2017): Concluding observations on the third periodic report of the Republic of Moldova, https://www.ecoi.net/en/file/local/1416373/1930_1508916285_g1732326.pdf, Zugriff 5.3.2019

- WHO – Weltgesundheitsorganisation (2012): Health Systems in Transition, Vol. 14, No. 7 2012, Republic of Moldova. Health system review, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/178053/HiT-Moldova.pdf?ua=1, Zugriff 24.5.2018

Rückkehr

Nach vorliegendenden Erkenntnissen müssen aus Deutschland oder anderen Staaten rückgeführte moldauische Staatsangehörige nicht damit rechnen, bei ihrer Rückkehr in die Republik Moldau festgenommen, misshandelt oder sonstigen staatlichen Maßnahmen ausgesetzt zu werden. Abgesehen von einem Pilotprojekt in der Hauptstadt zur Notunterbringung gibt es keine weiteren Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrerinnen und Rückkehrer. Bei dem Pilotprojekt handelt es sich um einen Dienst beim Republikanischen Asylheim für Behinderte und Rentner (untergeordnet dem Ministerium für Arbeit, Familie, und soziale Sicherheit – MLSPF) mit einer Kapazität von maximal 10 Betten. Die moldauische Migrationsbehörde führt eine Informationskampagne für rückgeführte Roma durch (AA 29.10.2018).

Die Republik Moldau wurde als eines der Pilotländer für die 2008 begonnene Mobilitätspartnerschaft mit der EU ausgewählt. Hierbei werden Projekte im Bereich Asyl, Grenzmanagement sowie Arbeitsmigration mit verschiedenen Mitgliedstaaten umgesetzt. Am 1. Januar 2008 ist zwischen der EU und der Republik Moldau ein Rückübernahmeabkommen in Kraft getreten. Seit Ende April 2014 können sich moldauische Staatsangehörige bis zu 90 Tage im Halbjahr visumfrei in den EU-Mitgliedstaaten (außer dem Vereinigten Königreich und Irland) aufhalten (AA 3.2018c).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (29.10.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452871/4598_1543584844_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-moldau-stand-oktober-2018-29-10-2018.pdf, Zugriff 26.2.2019

- AA – Auswärtiges Amt (3.2018b): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/-/202836, Zugriff 22.2.2019

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der BF und dem vorgebrachten Fluchtgrund:

Die Feststellungen zur Person der BF und ihren persönlichen und familiären Verhältnissen ergeben sich aus den dahingehenden Angaben der BF vor dem BFA in Zusammenschau mit dem in Vorlage gebrachten moldawischen Reisepass. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zur Republik Moldau deckenden - Aussagen der BF zu zweifeln.

Die Feststellung, dass die BF an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, ergibt sich aus deren Angaben im Rahmen ihrer Einvernahmen vor dem BFA und der fehlenden Vorlage medizinischer Befunde oder Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Wie auch von der belangten Behörde festgestellt, waren die Angaben der BF betreffend ihre Diskriminierungen sowie Belästigungen durch unbekannte Privatpersonen nicht glaubhaft.

Es haben sich keine Hinweise auf eine staatliche Verfolgung der BF oder eine Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit der Behörden, zumal dies geschilderten Probleme bereits über Jahre hinweg bestanden und die BF allein aus diesem Grund auch keine weitergehende Verfolgung vorbrachte bzw. die BF keine konkreten Personen, von denen eine Gefährdung ausgehen könnte, benennen konnte. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die erwähnten Diskriminierungen ein Ausmaß angenommen hätten, das den weiteren Verbleib im Herkunftsstaat grundsätzlich ausschließen würde.

Es sind im Verfahren zudem keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wie die deutschen Wurzeln der BF nach außen erkennbar sein sollten, da diese nicht einmal die deutsche Sprache beherrscht. Unabhängig davon wurden im gesamten Verfahren auch keine Berichte vorgelegt, die auch nur ansatzweise aufzeigen würden, dass Angehörige der deutschen Minderheit in der Republik Moldau unter unerträglichen Bedingungen leben würden.

Im Ergebnis bleiben somit einzig allgemeine Befürchtungen, aufgrund eines deutschen Nachnamens diskriminiert zu sein, wofür allerdings aus den Länderfeststellungen überhaupt kein konkreter Hinweis ableitbar ist.

Im gesamten Verfahren sind jedenfalls keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass die BF neben allgemeinen nationalistischen Feindseligkeiten in der Republik Moldau von darüberhinausgehenden Angriffen oder Bedrohungen ausgesetzt war. Es ist aufgrund dieser vagen Angaben bezüglich einzelner Belästigungen nicht von einer pauschalen Untätigkeit der moldawischen Exekutive auszugehen.

Andere Fluchtgründe wurden von der BF im behördlichen Verfahren nicht vorgebracht und sind auch vor dem Hintergrund der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte nicht hervorgekommen.

Aufgrund der, wie dargestellt, rein spekulativen Befürchtungen der BF hinsichtlich einer Verfolgung sowie dem unsubstantiierten Beschwerdevorbringen, in welchem ebenfalls kein Sachverhalt aufgezeigt wurde, welcher eine Gefährdung seiner Person in der Republik Moldau erklärbar erscheinen ließe, ist die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verfolgung von staatlicher oder privater Seite zu befürchten hatte.

Daher war aufgrund des Gesamtvorbringens im Zuge des Verfahrens die Feststellung zu treffen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine individuelle Gefährdung von staatlicher oder privater Seite droht.

Den vorliegenden Länderberichten lassen sich zudem keine Hinweise auf eine etwaige Verfolgung oder maßgebliche Diskriminierung der BF in zentralen Teilen der Republik Moldau aufgrund ihrer Herkunft zu entnehmen.

Die Beschwerde hat nicht aufgezeigt, weshalb es der BF nicht möglich sein sollte, mit der Unterstützung ihrer Familienangehörigen ein Leben unter würdigen Bedingungen zu führen.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die in das Verfahren miteinbezogenen Länderinformationen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen. Der aktuelle Länderbericht der Staatendokumentation ist im Wesentlichen eine Aktualisierung des von der belangten Behörde verwendeten Berichtes, auch der aktuelle Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes zeigt nicht auf, dass auf Grund der allgemeinen Ländersituation eine besondere Gefahrenlage für die BF besteht. Eine ausweglose Situation für den Fall der Rückkehr ist bei der BF aus den eben genannten Gründen nicht erkennbar, wobei erneut darauf hinzuweisen ist, dass die BF ausschließlich auf Grund ihres Familiennamens überhaupt der deutschen Volksgruppe zuordenbar ist.
3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides (Asyl):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren“.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; 29.03.2001, 2000/20/0539).

Eine Verfolgung, dh. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH vom 27.01.2000, 99/20/0519; VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256; VwGH vom 04.05.2000, 99/20/0177; VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203; VwGH vom 21.09.2000, 2000/20/0291; VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153; u.a.).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten hat (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Eine Bürgerkriegssituation (bzw. die eines sonstigen bewaffneten Konfliktes) in der Heimat des Antragstellers schließt eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung zwar nicht generell aus. Der Antragsteller muss in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203).

Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die, gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden, Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Aus den Gesamtangaben der BF ist nicht ableitbar, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft im Herkunftsstaat konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätte. Der von der BF vorgebrachte Fluchtgrund reduziert sich die vorgebrachten Probleme aufgrund allgemeiner Diskriminierungen und mangelt es an einer konkret die BF betreffenden Verfolgungsmaßnahme bzw. der Furcht vor einer solchen, die eine gewisse Intensitätsschwelle überschreitet.

Ferner vermochte die BF aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen eine konkret-individuelle Verfolgung in keiner Weise glaubhaft zu machen, sodass auch insofern keine der BF im Falle einer Rückkehr drohende Verfolgung aus asylrelevanten Motiven erkannt werden kann.

Ihr ist es sohin nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, darzulegen. Für die BF war dementsprechend auch keine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, fassbar.

Daher war der BF der Status einer Asylberechtigten nicht zuzuerkennen.

3.2. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz):

Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.

§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR 05.07.2005, 2345/02, Said gg. Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR 26.07.2005, 38885/02, N. gg. Finnland).

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EKMR 15.11.1996, 22414/93, Chahal gg. Vereinigtes Königreich).

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR 06.02.2001, 44599/98, Bensaid gg. Vereinigtes Königreich; VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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