Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Olise Eke in Wien, geboren am 1. Jänner 1964, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in Wien III, Ditscheinergasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1994, Zl. 4.337.438/3-III/13/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verfahren nach dem Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 2. April 1992 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Februar 1994 gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 "abgewiesen". Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe am 10. Februar 1994 seine Abgabestelle geändert, diese Änderung der erkennenden Behörde jedoch bislang nicht mitgeteilt. Trotz der Erhebungen der Behörde habe keine neuerliche Abgabestelle ausfindig gemacht werden können. Die Hinterlegung dieses Bescheides erfolgte gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 beim Bundesminister für Inneres.
Mit Beschluß vom 29. September 1994, B 1133/94, wies der Verfassungsgerichtshof einen Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ab und wies die Beschwerde als verspätet zurück. Mit Beschluß vom 18. Mai 1995, Zl. 94/19/1128, wies auch der Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Wiedereinsetzung des Beschwerdeführers gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ab und die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurück. In der Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die belangte Behörde (der Bundesminister für Inneres) habe am 24. Februar 1994 bei allen ihr zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesenen Abgabestellen und beim Zentralmeldeamt Nachforschungen über eine aktuelle Abgabestelle des Beschwerdeführers angestellt, die aber kein Ergebnis erbracht hätten. Daraus folge, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht ohne Schwierigkeiten feststellbar gewesen sei, sodaß die belangte Behörde berechtigt gewesen sei, die Zustellung des angefochtenen Bescheides gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 im Wege der Hinterlegung bei der Behörde vorzunehmen. Die am 2. März 1994 vorgenommene Hinterlegung habe somit eine rechtsgültige Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer bewirkt. Die mangelnde Kenntnis von dieser Zustellung stelle kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar. Vielmehr wäre es, wie dies auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 29. September 1994, B 1133/94, ausgeführt habe, dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, sich um den Fortgang des über seinen Asylantrag eingeleiteten Verfahrens zu kümmern und entsprechenden Kontakt mit den Asylbehörden wahrzunehmen.
Bereits am 3. Juni 1994 hatte der Beschwerdeführer an den Bundesminister für Inneres einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 iVm § 8 Abs. 1 ZustellG gestellt. Der Beschwerdeführer habe die Betreuungsstelle Reichenau am 10. Februar 1994 verlassen. Infolge angestrengter Bemühungen sei es ihm am 28. April 1994 gelungen, eine Unterkunft zu finden. In der Zwischenzeit sei der Beschwerdeführer auf die Gastfreundschaft von verschiedenen Freunden und Bekannten angewiesen gewesen und habe in ständig wechselnden Wohnungen sowie zum Teil in einem Caritashaus nächtigen müssen, ohne vorhersehen zu können, wie lange er jeweils bleiben dürfte. Mangels einer Abgabestelle im Sinne des Gesetzes habe er daher keine Möglichkeit gehabt, der Behörde in der betreffenden Zeit eine Abgabestelle bekanntzugeben. Hingegen habe er in dieser Zeit zumindest einmal wöchentlich die Betreuungsstelle Reichenau besucht, um sich auch nach allfälligen ihn betreffenden Poststücken zu erkundigen. Es sei der Behörde bekannt gewesen, daß der Beschwerdeführer nach dem 10. Februar 1994 zunächst über keine Unterkunft verfügt habe.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1994 gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1991 iVm § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen. Nach der Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften führte der Bundesminister für Inneres aus, im vorliegenden Fall sei § 4 Zustellgesetz heranzuziehen, der den Begriff "Abgabestelle" definiere. Im Gegensatz zu einer Wohnung müsse eine sonstige Unterkunft des § 4 Zustellgesetz nicht notwendig eine ständige Unterkunft des Empfängers sein, sodaß auch durch die Unterkunftsnahme (Nächtigung) in ständig wechselnden Wohnungen eine Abgabestelle begründet werde. Auch in der Zeit vom 10. Februar 1994 bis 28. April 1994 habe der Beschwerdeführer gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 Abgabestellen in Form von sonstigen Unterkünften gehabt, deren Begründung bzw. Änderung er der Behörde habe mitteilen müssen und können. Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis in tatsächlicher Hinsicht, das den Beschwerdeführer an einer solchen Mitteilung ohne sein Verschulden gehindert hätte, habe er nicht behauptet.
Soferne er diese Mitteilung aus Unkenntnis der sich aus § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 iVm § 4 Zustellgesetz ergebenden Rechtslage bzw. aufgrund eines Rechtsirrtums betreffend den Begriff "Abgabestelle" unterlassen habe, sei anzumerken, daß mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten sei, das die Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könne. Als Partei in einem Verwaltungsverfahren obliege es dem Beschwerdeführer, sich über die für ihn maßgeblichen Rechtsvorschriften, etwa durch diesbezügliche Kontaktaufnahme mit den Asylbehörden, rechtzeitig zu informieren. So habe auch der Verfassungsgerichtshof in dem den Beschwerdeführer betreffenden Beschluß vom 29. September 1994, B 1133/94-7, ausgesprochen, daß es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen wäre, sich über den Fortgang des Asylverfahrens (dessen Ausgang für ihn - soferne seine Behauptungen zutreffen - von existenzieller Bedeutung gewesen sei) zu kümmern. Auch wenn die Details der maßgeblichen Rechtsgrundlagen dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen sein mögen, sei es doch eine Selbstverständlichkeit gewesen, entsprechenden Kontakt mit den Asylbehörden aufzunehmen.
Ein Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, das den Beschwerdeführer ohne sein Verschulden gehindert hätte, sich rechtzeitig über die für sein Asylverfahren maßgebenden Rechtsgrundlagen zu informieren, habe er in seinem Antrag jedenfalls nicht behauptet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß er, als ihm vom Bundesasylamt am 14. Februar 1994 die Lagerkarte entzogen und die vorläufige Aufenthaltsberechtigung für weitere drei Monate verlängert worden sei, weder darüber informiert worden sei, daß er eine neue Abgabestelle bekanntzugeben hätte, noch darüber aufgeklärt worden sei, daß eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde möglich gewesen wäre. Zu den Bescheidausführungen der belangten Behörde zum Begriff "Wohnung" sowie "sonstige Unterkunft" gemäß § 4 Zustellgesetz führt der Beschwerdeführer aus, daß nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit Sicherheit keine Zustellung, von der er jemals Kenntnis erlangt hätte, möglich gewesen wäre, wenn er tatsächlich alle von ihm notwendigerweise benützten Schlafstellen der Behörde mitgeteilt hätte. Demgegenüber hätte er bei einer Zustellung an der bisherigen Abgabestelle in der Betreuungsstelle Reichenau sehr wohl Kenntnis vom Berufungsbescheid erlangt. Der belangten Behörde habe auch bekannt sein müssen, daß die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers drei Monate nach dem 14. Februar 1994 ablaufen würde und er daher wieder Mitte Mai 1994 die weitere Verlängerung dieser Aufenthaltsberechtigung beantragen würde. Spätestens anläßlich dieser weiteren Verlängerung wäre eine Abgabestelle ohne Schwierigkeiten im Sinne des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz feststellbar gewesen. Wie der Beschwerdeführer bereits im Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt habe, habe er in der betreffenden Zeit lediglich über bloße Schlafmöglichkeiten verfügt, eine Wohnung im Sinne des § 4 Zustellgesetz sei daher in dieser Zeit nicht vorgelegen. Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe sich nicht über den Fortgang seines Asylverfahrens gekümmert, sei unrichtig. Er habe sich zumindest einmal wöchentlich in der Betreuungsstelle Reichenau eingefunden, um sich nach allfälligen ihn betreffenden Poststücken zu erkundigen, weil er aus plausiblen Gründen davon ausgegangen sei, allfällige Zustellungen würden an der bisherigen Unterkunft erfolgen. In seinem Fall handle es sich daher um einen minderen Grad des Versehens.
Die belangten Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgsetz 1991 sind Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen, wenn der Asylwerber eine Änderung der Abgabestelle (§ 8 Abs. 1 Zustellgesetz) nicht rechtzeitig mitgeteilt hat.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1991 findet in den Fällen des Abs. 1 Z. 1 und 2 § 71 AVG sinngemäß mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Woche nach Zustellung des gemäß Abs. 1 erlassenen Bescheides gestellt werden muß.
Daß ein Asylwerber die Änderung seiner Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 Zustellgesetz - darunter ist jede Aufgabe der bisherigen Abgabestelle zu verstehen - nicht rechtzeitig bekanntgegeben hat, ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 erlassenen, das Asylverfahren beendenden Bescheides. Wurde die Änderung rechtzeitig bekanntgegeben, darf die Behörde nicht nach § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 vorgehen. Daß die Bekanntgabe der Änderung der Abgabestelle rechtzeitig erfolgt sei, stellt jedoch nur in einer Beschwerde zur Bekämpfung eines nach § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 erlassenen Bescheides ein taugliches Vorbringen dar.
Im Fall des Beschwerdeführers wurden sowohl vom Verfassungsgerichtshof als auch vom Verwaltungsgerichtshof die eingebrachten Beschwerden als verspätet zurückgewiesen (und jeweils unter einem die Anträge auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist abgewiesen). Der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Februar 1994, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl abgewiesen wurde, ist daher einer neuerlichen Beschwerde vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts entzogen.
Soweit das Vorbringen des Beschwerdeführers daher darzutun versucht, daß eine Änderung seiner Abgabestelle gar nicht erfolgt sei, weil er nach Verlassen der Betreuungsstelle Reichenau am 10. Februar 1994 über keine Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz verfügt habe, ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unbeachtlich, weil es sich gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 25. Februar 1994 richtet.
Aber auch soweit der Beschwerdeführer einräumt, seiner Verpflichtung zur Bekanntgabe der Änderung der Abgabestelle nicht rechtzeitig nachgekommen zu sein, ist seiner Beschwerde der Erfolg verwehrt.
Wie aus dem bereits erwähnten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1995, Zl. 94/19/1128, hervorgeht, bewirkte die am 2. März 1994 vorgenommene Hinterlegung des gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 erlassenen Bescheides des Bundesministers für Inneres eine rechtsgültige Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer. Aus § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1991 folgt, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach der durch Hinterlegung bewirkten Zustellung zu stellen gewesen wäre. Der erst am 3. Juni 1994 eingebrachte Antrag war daher verspätet.
Die belangte Behörde hätte den Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Wiedereinsetzung folglich zurückweisen müssen. Daß sie den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid stattdessen abgewiesen hat, entsprach zwar nicht dem Gesetz, konnte den Beschwerdeführer jedoch nicht in Rechten verletzen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010178.X00Im RIS seit
20.11.2000