Entscheidungsdatum
18.08.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W240 2234052-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2020, Zl. 1265406009-200499865, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 17.06.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zur Person des Beschwerdeführers liegt eine EURODAC-Treffermeldung wegen einer Asylantragstellung am 01.02.2018 in Frankreich vor.
Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.06.2020 gab der Beschwerdeführer an, er sei ledig, seine Mutter, zwei Brüder und eine Schwester würden in der Türkei leben. Befragt nach Familienangehörigen in Österreich oder einem EU-Staat mit Status gab der Beschwerdeführer an, es würden sein Vater, ein Bruder sowie zwei Schwestern in Frankreich leben.
Der BF gab an, dass er 2017 nach Frankreich gegangen sei, weil sein Vater dort lebe. Auch lebe sein Bruder dort. Leider sei in Frankreich sein Asylantrag abgelehnt worden, daher sei er auch im Jänner 2020 in die Türkei zurückgekehrt. Er habe immer nach Frankreich gelangen wollen. Sein Bruder lebe dort und sein Vater. Er habe nur eine Identifikationskarte, einen Reisepass habe er noch nie besessen in seinem Leben. In Frankreich sei sein Asylantrag abgelehnt worden, er sei von den französischen Behörden mit einem Flugzeug in die Türkei abgeschoben worden. Er habe von März 2017 bis zum Jänner 2020 in Frankreich gelebt, es sei in Frankreich schön gewesen. Er habe von Jänner bis Juni 2020 in der Türkei verbracht, bis er am 17.06.2020 nunmehr gegenständlichen Antrag gestellt habe und warte nunmehr sein Asylverfahren in Österreich ab. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei befürchte der Beschwerdeführer, dass er in der Türkei zum Militär einrücken müsse. Wenn dies passiere, werde ihm wegen seines Bruders das Leben zur Hölle gemacht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 28.06.2020 unter Hinweis auf den Reiseweg des BF und die Eurodac-Treffermeldung ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Frankreich.
Mit Schreiben vom 10.07.2020 stimmte die französische Dublin-Behörde dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 28.07.2020 im Beisein eines Rechtsberaters die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt. Dabei erklärte der Beschwerdeführer wie folgt:
„(…)
L: Geht es Ihnen gut?
A: Ja, es geht mir gut.
L: Wie stellt sich Ihr momentaner Gesundheitszustand dar?
A: Ja, ich bin gesund.
L: Nehmen Sie zurzeit Medikamente zu sich?
A: Nein.
L: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?
A: Nein.
L: Sind Sie mit dem Rechtsberater im Zulassungsverfahren, der Ihnen für diese Einvernahme zur Seite gestellt wird, einverstanden?
A: Ja.
L: Haben Sie eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen?
A: Ja.
Anmerkung: Der/die RB erklärt auf Nachfrage, dass die Rechtsberatung am 28.07.2020 stattgefunden hat.
L: Haben Sie im gegenständlichen Verfahren einen Vertreter oder Zustellbevollmächtigten?
A: Nein.
L: Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet oder öffentlich gemacht werden. Weiters werden Sie darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren bilden und dass diesen Angaben in der Erstaufnahmestelle verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt. Falsche Angaben Ihre Identität bzw. Nationalität betreffend können verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Täuschungen über die Identität, die Nationalität oder über die Echtheit von Dokumenten können zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führen. Über die Rechtsfolgen und der im allgemeinen nicht möglichen Einbringung neuer Tatsachen in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot) werden Sie hiermit ebenfalls hingewiesen.
Sie sind weiters verpflichtet, bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen und an diesen mitzuwirken, der Behörde Ihren Aufenthaltsort, Ihre Anschrift und deren allfällige Änderungen sofort bekanntzugeben, sich längstens binnen drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden.
Wenn Sie diesen Mitwirkungspflichten aus von Ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht nachkommen können, so teilen Sie dies der Behörde unverzüglich mit.
Haben Sie alles verstanden?
A: Ja.
L: Sie werden hiermit darüber belehrt, dass gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, die Behörde gem. § 35 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen kann. Haben Sie das verstanden?
A: Ja, das habe ich verstanden.
Der A wird eine kurze Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens gegeben und Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme mitgeteilt. Die A wird insbesondere darauf hingewiesen, dass in der gegenständlichen Einvernahme keine das Heimatland betreffende Erörterung der Fluchtgründe erfolgt und die Einvernahme dem Parteiengehör im Hinblick auf die Zuständigkeit für das Asylverfahren der A dient.
L: Haben Sie bereits ein Beratungsgespräch zur freiwilligen Rückkehr absolviert?
A: Nein.
L: Sie haben eine Ladung zu einem Beratungsgespräch zur freiwilligen Rückkehr erhalten. Sie werden hiermit belehrt, diesen Termin wahrzunehmen. Haben Sie das verstanden?
A: Ja, ich werde diesen Termin wahrnehmen.
L: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?
A: Ja.
L: Haben Sie Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
A: Nein.
Zur Person:
XXXX in der Türkei. Der A ist türkischer Staatsangehörige. Der A ist ledig. Derzeit lebt der A in XXXX . Der AW hat 12 Jahre die Grundschule und 2 Jahre die Universität absolviert. Der AW hat keine Berufsausbildung und hat noch nicht gearbeitet.
Anm.: Der AW gibt an, dass er am XXXX geboren ist. Er gibt an, dass es kann sein, dass die Daten das vertauscht wurden. Alles andere stimmt.
L: Haben Sie in der EU bzw. in Österreich, in Norwegen, der Schweiz, in Liechtenstein oder in Island aufhältige Eltern, Kinder oder sonstige Verwandte?
A: In Deutschland habe ich einen Onkel. In Frankreich habe ich einen Onkel, zwei Schwestern und einen Bruder und ich habe auch noch drei Cousins.
L: Welche Beziehung besteht zu diesen Verwandten?
A: Wir haben eine gute Beziehung zueinander.
L: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft?
A: Ich wohne mit einem Freund zusammen. Mein Vater lebt außerdem noch in Italien. Er hat in Italien Asyl erhalten.
L: Besteht zu diesem Freund ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis?
A: Er hilft mir mit der Miete und sonst habe ich in Österreich auch einen Onkel.
L: Können Sie über diesen Freund und den Onkel Angaben tätigen?
A: Mein Onkel heißt XXXX . Er ist türkischer Staatsbürger und hat einen Aufenthaltstitel. Er ist seit ca. 10 Jahren in Österreich. Nachgefragt, ich weiß nicht wie alt mein Onkel ist. Nachgefragt, ich weiß nur, dass er in XXXX wohnt, die genaue Adresse kenne ich leider nicht.
Mein Freund heißt XXXX und ist ca. am XXXX geboren. Er ist türkischer Staatsbürger und hat einen Aufenthaltstitel. Mit ihm lebe ich zusammen in einer Wohnung. Nachgefragt, ich weiß nicht seit wann er hier ist. Es kann auch sein, dass er hier geboren ist.
L: Besteht zu Ihrem Onkel ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis?
A: Ich bekomme nicht jeden Monat, aber hin und wieder Taschengeld. Ich bekomme ca. 50-60 Euro. Ungefähr einmal im Monat.
L: Aufgrund von Fingerabdruckvergleichen steht zweifelsfrei fest, dass Sie bereits am 01.02.2018 in Frankreich einen Asylantrag gestellt haben. Entspricht dies den Tatsachen?
A: Ja, das stimmt.
L: In welchem Stadium befindet sich Ihr Asylverfahren in Frankreich?
A: Ich bin 2017 nach Frankreich gegangen, aber um Asyl habe ich erst später angesucht. Nachgefragt, ich habe eine negative Entscheidung erhalten.
L: Sie haben am 20.07.2020 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gem. §29/3/4 AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen die beabsichtigte Vorgehensweise des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt wurde, Ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und worin Sie auch über das Führen von Dublin Konsultationen mit Frankreich informiert wurden. Es wird die Zuständigkeit Frankreichs angenommen. Am 10.07.2020 hat Frankreich die Zustimmung für die Führung Ihres Asylverfahrens erteilt. Es ist daher beabsichtigt, Ihre Außerlandesbringung aus Österreich nach Frankreich zu veranlassen. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?
A: Ich wurde abgeschoben und ich war im Jänner in der Türkei. Auch, wenn ich jetzt wieder nach Frankreich geschickt werde würde ich wieder von Frankreich in die Türkei geschickt werden.
L: Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl liegen schriftliche Feststellungen zur Lage im Mitgliedsland Frankreich vor, insbesondere zur Ausgestaltung des dortigen Asylverfahrens und zur Versorgungslage in diesem Land, einschließlich der medizinischen Versorgung. Wollen Sie in die schriftlichen Feststellungen zu Frankreich Einsicht nehmen, Kopien davon ausgefolgt bekommen, diese teilweise oder zur Gänze übersetzt bekommen?
A: Nein, ich kenne mich aus in Frankreich.
L: Möchten Sie zur Lage in Frankreich eine Stellungnahme abgeben?
A: Ich habe in Frankreich gesagt, dass ich nicht zum Militär wollte, weil mein Bruder bei der XXXX dabei ist. Und Frankreich hatte meinen Fluchtgrund nicht richtig verstanden. Ich müsste gegen meinen Bruder kämpfen und das will ich nicht. Sie haben meinen Fluchtgrund nicht angenommen.
Anmerkung: Die schriftlichen Feststellungen zu Frankreich werden zum Akt genommen.
L: Was werden Sie tun, wenn Ihr Asylantrag negativ beschieden wird?
A: Ich will das Land nicht verlassen. Ich möchte hier in Österreich bleiben.
L: Inwieweit würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Ihr Familien- und Privatleben eingreifen?
Anmerkung: Der A wird die Fragestellung näher erläutert, insbesondere dass im Rahmen einer Ausweisungsprüfung verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich, Aufenthaltsberechtigungen in Österreich, gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich, sonstige gewichtige Bezugspunkte zu Österreich u. udgl. berücksichtigt werden.
A: Ich würde wieder in die Türkei abgeschoben werden.
Anmerkung: Dem/der RB wird die Möglichkeit eingeräumt, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme abzugeben, wovon Gebrauch gemacht wird.
RB: Können Sie Beweismittel vorlegen, dass Sie in die Türkei abgeschoben wurden?
A: Da ich illegal nach Österreich kam habe ich nichts mitgenommen. Diese Beweise habe ich nicht. Ich habe alles weggeschmissen. Hätte ich gewusst, dass ich diese Beweismittel benötige hätte ich diese auch mitgenommen.
L: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
A: Ich möchte hier in Österreich bleiben. Ich möchte nicht nach Frankreich.
L: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen?
A: Ja.
L: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.
Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
L: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?
A: Nein.
L: Wurde alles vollständig und richtig protokolliert?
A: Ja.
(…)“
Für den Beschwerdeführer wurde eine Kopie seiner Identifikationskarte vorgelegt.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28.07.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Frankreich zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Frankreich traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert):
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; vgl. AIDA 2.2017, USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- OFPRA – Office français de protection des réfugiés et apatrides (31.10.2017): Demander l'asile en France, https://www.ofpra.gouv.fr/fr/asile/la-procedure-de-demande-d-asile/demander-l-asile-en-france, Zugriff 24.1.2018
- USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018
Dublin-Rückkehrer
Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CNDA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).
Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy – Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d’accueil d’urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).
Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedsstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- Ministére de l´intérieur – Direction générale des étrangers en France – Chef du Département de l'accès à la procédure d'asile (10.10.2017): Auskunft per E-Mail
Versorgung
Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l’immigration et de l’intégration – OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d’asile – ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance – AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d’Attente – ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).
Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf , Zugriff 24.1.2018
- FTA – France terre d'asile (4.4.2017): L’Allocation pour demandeur d’asile revalorisée de 1,20€, http://www.france-terre-asile.org/actualites/actualites/actualites-choisies/l-allocation-pour-demandeur-d-asile-revalorisee-de-1-20, Zugriff 24.1.2018
Unterbringung
In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile – CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).
Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).
Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).
Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).
Quellen:
- AI – Amnesty International (2.22.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – France, http://www.ecoi.net/local_link/336482/479137_de.html, Zugriff 24.1.2018
- AI – Amnesty International (1.6.2017): France: At a crossroads: Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 29th session of the UPR Working Group, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1503902006_eur2167922017english.pdf, Zugriff 24.1.2018
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- FRC – Forum Réfugiés Cosi (12.1.2018): Réforme de l’asile : le raccourcissement des délais ne doit pas se faire au détriment des conditions d’accès à la protection, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/reforme-de-l-asile-le-raccourcissement-des-delais-ne-doit-pas-se-faire-au-detriment-des-conditions-d-acces-a-la-protection, Zugriff 24.1.2018
- FRC – Forum Réfugiés Cosi (22.12.2017): Asile et Immigration : Forum réfugiés-Cosi salue l’ouverture par le Premier ministre d’une consultation et alerte sur plusieurs enjeux, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/asile-et-immigration-forum-refugies-cosi-salue-l-ouverture-par-le-premier-ministre-d-une-consultation-et-alerte-sur-plusieurs-enjeux, Zugriff 24.1.2018
- USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018
- Zeit (19.1.2018): May und Macron verschärfen Grenzschutz, http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/grossbritannien-theresa-may-emmanuel-macron-calais-frankreich-grenzschutz-sandhurst, Zugriff 29.1.2018
Medizinische Versorgung
Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie – PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire – CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich, von der sogenannten staatlichen medizinische Hilfe (aide médicale de l'état – AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d'accès aux soins de santé – PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).
Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).
Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).
Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Beschieds Anspruch auf medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- Ameli – L‘Assurance Maladie (12.10.2017): Vous êtes demandeur d'asile, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/europe-international/protection-sociale-france/demandeur-dasile, Zugriff 24.1.2018
- Ameli – L‘Assurance Maladie (13.10.2017): Aide médicale de l'État (AME) : vos démarches, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/situations-particulieres/situation-irreguliere-ame, Zugriff 24.1.2018
- Ameli – L‘Assurance Maladie (15.11.2017): CMU complémentaire : conditions et démarches, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/difficultes-financieres/complementaire-sante/cmu-complementaire, Zugriff 24.1.2018
- Cleiss – Centre des liaisons européennes et internationales de sécurité sociale (2017): Das französische Sozialversicherungssystem, http://www.cleiss.fr/docs/regimes/regime_france/al_1.html, Zugrif 24.1.2018
- Le Fonds CMU – Fonds de financement de la protection complémentaire de la couverture universelle du risque maladi (2.5.2017): Are you an undocumented immigrant?, http://www.cmu.fr/undocumented-immigrant.php, Zugriff 24.1.2018
- RSB – Rosny sous-Bois (o.D.): ACS - AME - CMU-C - PUMA, http://www.rosny93.fr/ACS-AME-CMU-C-PUMA, Zugriff 24.1.2018
- USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sich Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Führung des Asylverfahrens betreffend den BF für zuständig erklärt habe. In Österreich verfüge er über familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Form eines Onkels, dieser sei türkischer Staatsangehöriger und verfüge über einen Aufenthaltstitel. Er sei rund zehn Jahre in Österreich aufhältig. Der BF habe keine Kenntnis über das Alter des Onkels, mit diesem lebe der BF auch nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF würde die genaue Adresse des Onkels nicht kennen. Sonst würden sich keine Verwandte in Österreich befinden. Ein türkischer Staatsangehöriger und Freund namens XXXX verfüge in Österreich über einen Aufenthaltstitel. Der BF lebe mit diesem Freund in einer gemeinsamen Wohnung, der BF habe keine Kenntnis, seit wann dieser Freund in Österreich sei. Ein finanzielles oder ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht.
Der BF sei seit 17.06.2020 in Österreich, seither sei er in Österreich aufhältig. Die Einreise sei illegal erfolgt. Die Zustimmung zur Rückübernahme sei gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin III-VO und somit auf der Grundlage eines bereits geführten Asylverfahrens in Frankreich erfolgt. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich bestehe. Die in der Einvernahme vom 28.07.2020 vorgebrachten Unterstützungen seitens des Onkels in Österreich würden nicht über ein übliches Verwandtschaftsverhältnis hinausgehen. Selbst im Falle einer Ausweisung nach Frankreich wäre dennoch eine zusätzliche finanzielle Unterstützung zur bestehenden Grundversorgung für Asylwerber in Frankreich durch Überweisungen auf ein Geldkonto möglich. Auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme bestehe weiterhin durch etwaige Internetplattformen oder per Telefon oder per Briefverkehr. Im Falle einer Ausweisung werde, wenn auch ein loses Anknüpfungsmoment vorhanden sei - ein Eingriff ins Privatleben seitens der Behörde grundsätzlich bejaht, jedoch werde dieser Eingriff unter Prüfung des vorliegenden Sachverhaltes als gerechtfertigt angesehen, zumal die medizinische Versorgung wie in den aktuellen Länderfeststellungen angemerkt gewährleistet sei.
Dass offensichtlich keine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich bestehe, ergebe sich einerseits aus der Kürze seines bisherigen Aufenthalts in Österreich, in Verbindung mit dem Umstand, dass der BF seit seiner illegalen Einreise nach Österreich –unter objektiven Gesichtspunkten betrachtet - realistischer Weise zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthalts in Österreich davon ausgehen habe können, dass ihm ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht in Österreich zukommen würde. Auch habe der BF im Verfahren nicht dargelegt, dass in seinem Fall besonders gewichtige Interessen an einem Verbleib in Österreich vorliegen würden. Unter diesen Gesichtspunkten sei praktisch auszuschließen, dass bislang eine Integrationsverfestigung des BF in Österreich erfolgen hätte können.
Es seien auch weder derart schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.
3. Gegen den Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer betreffend sein Vorbringen keinerlei Beweismittel habe. Dem BF sei mitgeteilt worden, dass Frankreich für sein Asylverfahren zuständig sei. Es habe der BF angegeben, dass seine Verlobte, Frau XXXX , in Österreich lebe. Beantragt wurde die Einvernahme der Lebensgefährtin. Das BFA führe im nunmehr angefochtenen Bescheid aus, dass die Außerlandesbringung des BF keine relevante Verletzung des Art. 8 EMRK darstelle und somit zulässig sei. Ferner argumentiere das BFA, der BF könne mit seiner in Österreich lebenden Verlobten auf telefonischer Basis oder per Email weiterhin Kontakt halten. Aufgrund der vorliegenden Verhältnisse ergebe sich aus den Feststellungen des BFA, dass der BF in Österreich über familiäre Bindungen mit einer hohen Beziehungsintensität verfüge, sodass Österreich vom in der Dublin III-VO verankerten Recht auf Selbsteintritt ins Asylverfahren Gebrauch machen müsse. Nach Art. 17 Dublin III-VO könne ein Mitgliedstaat in ein Asylverfahren selbst eintreten, auch wenn er nach den Kriterien der Dublin III-VO nicht für die Prüfung zuständig sei. Insbesondere könne man aus humanitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO abweichen. Solche humanitären Gründe würden im konkreten Fall vorliegen, da die Verlobte des Beschwerdeführers in Österreich aufhältig sei und der Beschwerdeführer in Frankreich hingegen über keine weiteren Angehörigen oder sonstigen Bezugspersonen verfüge. Es handle sich bei Frau XXXX also um eine Verwandte des BF im Sinne des Art. 2 lit. g der Dublin III-VO. Es sei eine Interessenabwägung erforderlich. Beantragt wurde der Beschwerde stattzugeben, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Einvernahme der Lebensgefährtin durchzuführen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 17.06.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zur Person des Beschwerdeführers liegt eine EURODAC-Treffermeldung wegen einer Asylantragstellung am 01.02.2018 in Frankreich vor.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 28.06.2020 unter Hinweis auf den Reiseweg des BF und die Eurodac-Treffermeldungen ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Frankreich. Mit Schreiben vom 10.07.2020 stimmte die französische Dublin-Behörde dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Besondere, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Frankreich sprechen, liegen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat Frankreich an. Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Frankreich den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.
Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings - angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 - naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Frankreich, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Frankreich nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Frankreich für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich beim 27jährigen Beschwerdeführer um keine besonders vulnerable Person handelt und keine Anzeichen dafür vorliegen, dass der BF aktuell im besonderen Maße auf eine medizinische Versorgung angewiesen wäre.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen in Frankreich hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgebracht. Im Gegenteil wurde dazu im Laufe der Erstbefragung im gegenständlichen Verfahrens vielmehr ausgeführt, dass es in Frankreich sogar schön gewesen sei und neben dem Vater auch der Bruder und zwei Schwestern in Frankreich leben würden. Erst in der Einvernahme vor dem BFA am 28.07.2020 behauptete der BF im Gegensatz dazu, sein Vater wäre in Italien asylberechtigt. Es wurde insgesamt kein Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, Art. 3 EMRK zu tangieren.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen äußerst schwerwiegenden oder lebensbedrohenden Krankheiten, sondern gab an, gesund zu sein. Die Überstellbarkeit des Beschwerdeführers, im Sinne der Reisefähigkeit, ist gegeben. Besondere Integrationsaspekte, wie abgeschlossene Deutschkurse oder etwa berufliche oder soziale Verwurzelungen, sind nicht ersichtlich.
Der BF lebt seit rund zwei Monaten in Österreich und seit 13.07.2020 lebt er im gemeinsamen Haushalt einer türkischen Staatsbürgerin, die in der Beschwerde als Lebensgefährtin bzw. an anderer Stelle als Verlobte bezeichnet wird. Diese Lebensgefährtin verfügt seit dem Jahr 2000 in Österreich durchgehend über eine Meldeadresse und verfügt über eine Aufenthaltsberechtigung. Es ergeben sich aus den Ausführungen in der Einvernahme vor dem BFA des BF, der behauptet, er wisse nicht, wie lange die Lebensgefährtin in Österreich sei und dass sie möglicherweise sogar in Österreich geboren sei und aus dem Umstand, dass die Genannten nun in Österreich seit über einem Monat zusammenleben, auch wenn die Lebensgefährtin derzeit bzw. allenfalls auch in Zukunft für die Lebenserhaltungskosten des Beschwerdeführers aufkommen würde, keine derartige Abhängigkeit oder besondere Beziehungsintensität, die einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Frankreich entgegenstünde.
Auch ein Onkel des Beschwerdeführers ist in Österreich aufenthaltsberechtigt. Der BF konnte dessen Alter und genaue Adresse nicht nennen. Auch zwischen dem BF und seinem in Österreich aufenthaltsberechtigten Onkel kann keine besondere Abhängigkeit oder Beziehungsintensität festgestellt werden.
Weitere private oder berufliche Anknüpfungspunkte wurden nicht ins Treffen geführt; Hinweise auf eine fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sind im Verfahren ebenso wenig hervorgekommen und sind solche angesichts ihres bisher kurzen Aufenthalts in Österreich seit rund zwei Monaten auch nicht zu erwarten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den Akten des BFA, insbesondere dem Eurodac-Treffer, dem französischen Antwortschreiben im Rahmen der Dublinkonsultationen und dem Vorbringen des BF selbst.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers seitens Frankreichs ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der französischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.
Die Gesamtsituation des Asylwesens in Frankreich resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingeht. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Frankreich auch Feststellungen zur französischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf „Dublin-Rückkehrer“) samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Frankreich den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen in Frankreich hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Einvernahmen. Diesbezüglich wurden keine medizinischen Unterlagen vorgelegt und kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.
Die Feststellungen zu familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zum gemeinsamen Wohnsitz des Beschwerdeführers mit seiner Lebensgefährtin, die seit dem Jahr 2000 in Österreich über eine aufrechte Meldeadresse durchgehend verfügt und über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt, ergeben sich aus den Ausführungen in der Einvernahme vor dem BFA, den Beschwerdeausführungen und der Abfragen des Zentralen Melderegisters (ZMR). Alleine aus dem Umstand, dass die Genannten nun in Österreich seit über einem Monat zusammenleben und die Lebensgefährtin derzeit bzw. allenfalls auch in Zukunft teilweise für die Lebenserhaltungskosten des Beschwerdeführers teilweise aufkommen würde, kann noch keine derartige Abhängigkeit erkannt werden, die einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Frankreich entgegenstünde. Schließlich hat der BF auch Anspruch aus Leistungen aus der Grundversorgung.
Die Feststellungen, dass ein Onkel des Beschwerdeführers in Österreich aufenthaltsberechtigt ist, jedoch keine besondere Abhängigkeit oder Beziehungsintensität zum Onkel, der nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem BF lebt, festgestellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und seiner kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich von rund zwei Monaten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der DublinVerordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird, 2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. …
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 56/2018 lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein
Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige
Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. …
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:
"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten
Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der
Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem
Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Art. 16 Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein
Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in
Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären
Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen
Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unt