TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/19 W261 2222732-1

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Veröffentlicht am 19.08.2020
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Entscheidungsdatum

19.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W261 2222732-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gesetzlich vertreten durch das Land Salzburg als Kinder- und Jugendhilfeträger, rechtlich vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg vom 12.07.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 27.06.2017 nach gemeinsamer Einreise mit seiner Großmutter XXXX (IFA XXXX ) und seiner Tante XXXX (IFA XXXX ) als Minderjähriger einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Am 28.06.2017 fand seine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, seine Eltern und sein Bruder würden sich in Griechenland befinden.

2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.09.2017 wurde den Eltern des Beschwerdeführers die Obsorge über diesen entzogen und dem Land Salzburg als Kinder- und Jugendhilfeträger, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX , übertragen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) vom 29.10.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine bis 29.10.2019 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

4. Mit Schreiben vom 10.05.2019 stellte der Beschwerdeführer durch die seine bevollmächtigte Vertretung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG und erhob unter einem Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides.

Begründend wurde zum Antrag auf Wiedereinsetzung im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer werde als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (UMF) vom Land Salzburg als Kinder- und Jugendfürsorgeträger, Bezirkshauptmannschaft XXXX , vertreten. Es habe eine Anweisung gegeben, dass für alle UMF dem Verein „ XXXX “ eine Vertretungsvollmacht auszustellen sei. Nur im Fall des Beschwerdeführers dürfte die Vollmachtserteilung trotz großer Gewissenhaftigkeit der zuständigen Sozialarbeiterin unterblieben sein, weshalb die Beschwerdefrist versäumt wurde. Es handle sich um ein einmaliges, singuläres Versehen einer ansonsten sehr gewissenhaften und verlässlichen Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft, somit um einen minderen Grad des Versehens und ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne der Judikatur zu § 71 Abs. 1 AVG. Der Wiedereinsetzungsantrag sei rechtzeitig, weil der zuständige Gruppenleiter erst Ende April 2019 vom Fehlen der Vertretungsvollmacht erfahren habe.

5. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 12.07.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte gemäß § 33 Abs. 4 Satz 3 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu (Spruchpunkt II.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Bescheid vom 29.10.2018 sei am 05.11.2018 rechtswirksam durch persönliche Übernahme zugestellt worden und am 04.12.2018 in Rechtskraft erwachsen. Es habe kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, welches den Beschwerdeführer an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert hätte, festgestellt werden können. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Vertretungsvollmacht nicht an den Verein „ XXXX “ übermittelt worden sei, und aufgrund des Zeitraums von November 2018 bis April 2019 liege kein minderer Grad des Versehens vor.

6. Mit Schreiben vom 05.08.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des verfahrensgegenständlichen Bescheides.

Begründend wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde gehindert worden, an welchem ihm auch kein bzw. nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Es habe eine Anweisung gegeben, dass für alle UMF dem Verein „ XXXX “ eine Vertretungsvollmacht auszustellen sei. Nur im Fall des Beschwerdeführers dürfte die Vollmachtserteilung trotz großer Gewissenhaftigkeit der zuständigen Sozialarbeiterin unterblieben sein, weshalb die Beschwerdefrist versäumt wurde. Es handle sich um ein einmaliges, singuläres Versehen einer ansonsten sehr gewissenhaften und verlässlichen Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft, somit um einen minderen Grad des Versehens. Zu den behördeninternen Abläufen in der Bezirkshauptmannschaft XXXX werde die Einvernahme von Mag. XXXX als Zeuge beantragt.

7. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 19.08.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 23.08.2019 in der Gerichtsabteilung W209 einlangte.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.05.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W209 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W261 neu zugewiesen, wo dieses am 02.06.2020 einlangte.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer stellte am 27.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Eltern des minderjährigen Beschwerdeführers, XXXX und XXXX , befinden sich in Griechenland. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 06.09.2017 wurde diesen die Obsorge über den Beschwerdeführer entzogen und dem Land Salzburg als Kinder- und Jugendhilfeträger, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX , übertragen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.10.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine bis 29.10.2019 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

1.2. Dieser Bescheid wurde der Bezirkshauptmannschaft XXXX als gesetzlicher Vertretung des Beschwerdeführers am 05.11.2018 durch persönliche Übernahme ordnungsgemäß zugestellt. Der Bescheid erwuchs somit am 04.12.2018 in Rechtskraft.

1.3. Die zuständigen Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft XXXX gingen davon aus, zur rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers sei wie bei anderen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen der Verein „ XXXX “ bevollmächtigt worden. Aufgrund eines Versehens einer Mitarbeiterin war dies jedoch nicht geschehen.

Ende April 2019 erfuhr der zuständige Gruppenleiter der Bezirkshauptmannschaft, dass im Fall des Beschwerdeführers der Verein „ XXXX “ nicht bevollmächtigt worden war, daher keine Beschwerde eingebracht und die Beschwerdefrist versäumt wurde.

2.       Beweiswürdigung:

1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, zur Obsorgeübertragung und zum Bescheid der belangten Behörde vom 29.10.2018 ergeben sich aus dem unbestritten gebliebenen Inhalt der Verwaltungsakten der belangten Behörde.

1.2. Die Feststellung zur ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides am 05.11.2018 ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Rückschein, an dessen Richtigkeit keine Zweifel hervorgekommen sind.

Bei der Beurteilung, ob der konkrete Zustellvorgang ordnungsgemäß war, ist zunächst darauf zu verweisen, dass der im Verwaltungsakt enthaltene Rückschein (vgl. AS 253) betreffend die Zustellung des Bescheides durch persönliche Übernahme an die gesetzliche Vertretung des Beschwerdeführers am 05.11.2018 den Stempel und die Unterschrift eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft XXXX aufweist. Bei diesem Rückschein handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die die Vermutung der Richtigkeit für sich hat (VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011). Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, wobei aber die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur.). Der Beschwerdeführer bestritt die ordnungsgemäße Zustellung des Bescheides nicht.

1.3. Die Feststellungen zu den Gründen für das Unterbleiben einer (fristgerechten) Beschwerde und zur „Entdeckung“ dieses Umstands im April 2019 folgen vollumfänglich den Darstellungen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung vom 10.05.2019 (vgl. AS 274-275) und im Beschwerdeschriftsatz vom 05.08.2019 (vgl. AS 309-311), an denen zu zweifeln das Bundesverwaltungsgericht keinen Grund hatte. In diesen Angaben wurde ausdrücklich zugestanden, dass die Bevollmächtigung aufgrund des Versehens einer Mitarbeiterin unterblieb.

Die Einvernahme des vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen Mag. XXXX konnte unterbleiben, weil sich bereits aus den Angaben des Beschwerdeführers in den genannten Schriftsätzen ein hinreichend genaues Bild der Arbeitsabläufe in der Bezirkshauptmannschaft XXXX und der Gründe für die Fristversäumung ergibt. Dass der Zeuge die zuständige Mitarbeiterin für sehr gewissenhaft hält, ergibt sich bereits aus der vorgelegten E-Mail vom 02.05.2019 (vgl. AS 283). Bei der Frage, ob von einem minderen Grad des Versehens auszugehen ist, handelt es sich jedoch um eine Rechtsfrage, die vom erkennenden Gericht zu beurteilen ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

3.1.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG Hat bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

3.1.2. Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Da die Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG entsprechen, finden die zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze und Judikatur auf § 33 VwGVG Anwendung.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (vgl. VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an, nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).

3.1.3. Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, liegt ein „minderer Grad des Versehens“ (§ 1332 ABGB) nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wurde, der gelegentlich auch einem sorgfältig handelnden Menschen widerfahren kann. Der Wiedereinsetzungswerber (bzw. der diesem zurechenbare Vertreter) darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt, die im Verkehr mit Gerichten und Verwaltungsbehörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 29.11.1994, 94/05/0318; VwGH 15.12.1995, 95/17/0469; VwGH 23.05.2001, 99/06/0039). An berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen anzulegen (vgl. etwa VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0229 bis 0230-17).

Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, wenn ihn diesbezüglich kein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, wenn er also der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0229 bis 0230-17).

3.1.4. Wie bereits die belangte Behörde zutreffend aufgezeigt hat, ist es dem Beschwerdeführer bzw. seiner ihm zurechenbaren gesetzlichen Vertretung nicht gelungen, ein entsprechendes unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis glaubhaft zu machen:

Der Beschwerdeführer gab zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung bzw. der Beschwerde an, es habe eine interne Anweisung gegeben, dass für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) dem Verein „ XXXX “ eine Vertretungsvollmacht auszustellen sei. Die zuständige Sozialarbeiterin bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX sei sehr gewissenhaft gewesen und habe dies für alle dieser Bezirkshauptmannschaft zugeteilten UMF veranlasst. Nur im Fall des Beschwerdeführers dürfte dies trotz großer Gewissenhaftigkeit der zuständigen Sozialarbeiterin unterblieben sein. Es sei evident, dass es sich um ein einmaliges singuläres Versehen einer ansonsten sehr gewissenhaften und verlässlichen Sozialarbeiterin und somit einen minderen Grad des Versehens gehandelt habe.

Eine nähere Begründung dafür, weshalb die zuständige Mitarbeiterin gerade im Fall des Beschwerdeführers nicht veranlasst habe, dass der Verein „ XXXX “ zu dessen rechtlicher Vertretung bevollmächtigt wird, wurde im Verfahren nicht vorgebracht. Angesichts dessen, dass sich der Beschwerdeführer gerade in einem laufenden Asylverfahren befand, weshalb jederzeit mit der Erlassung eines Bescheides und auch der Notwendigkeit einer Beschwerdeerhebung zu rechnen war, wäre in diesem Fall mit besonderer Sorgfalt auf das Bestehen einer rechtlichen Vertretung zu achten, und dieses auch regelmäßig zu überprüfen gewesen. Somit handelte es beim Unterbleiben der Bevollmächtigung entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers gerade nicht um ein bloß „einmaliges, singuläres“ Versehen.

Denn auch auf die nachweisliche Zustellung des Bescheides zu ihren Handen am 05.11.2018 reagierte die gesetzliche Vertretung in keiner Weise, obwohl sie aus diesem Anlass erneut hätte feststellen können, dass keine rechtliche Vertretung bevollmächtigt worden war. Ebenso wenig bemerkte die gesetzliche Vertretung, dass bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist am 04.12.2018 keine Beschwerde erhoben worden war. Der Dienstgeber der zuständigen Mitarbeiter kam der – nach der Sachlage aufgrund der Bedeutung der Angelegenheit gebotenen – Überwachungspflicht gegenüber diesen offensichtlich nicht nach. Der Umstand der unterbliebenen Bevollmächtigung und der versäumten Beschwerdefrist fiel einem Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft erst Ende April 2019, somit fast sechs Monate nach Zustellung des Bescheides, auf.

Der diesbezüglich offenbarte Umgang mit der Organisation von Vertretungsverhältnissen und der Einhaltung von Terminen und Fristen in einer Behörde stellt vor allem angesichts der Tatsache, wie lange der Fehler unbemerkt blieb, ein auffallend sorgloses Verhalten dar, worin weder ein unvorhergesehenes noch unabwendbares Ereignis gesehen werden kann, das den Beschwerdeführer daran gehindert hätte, die Beschwerdefrist einzuhalten. Die gesetzliche Vertretung und somit der Beschwerdeführer müssen sich das Verschulden des für sie tätig gewordenen Hilfsapparates zurechnen lassen. Von in einer Behörde einschlägig tätigen und im täglichen Umgang mit Fristen befassten Mitarbeitern kann erwartet werden, dass sie sich Systemen und Kontrollmechanismen bedienen, die derartige Fehler hintanhalten. Angesichts des langen Zeitraums, in dem Fristversäumung im gegenständlichen Fall unbemerkt blieb, gab es in der zuständigen Behörde offenbar keine ausreichend effektiven Kontrollmechanismen.

3.1.5. Da somit weder ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis noch ein nur minderer Grad des Versehens vorlag, erweist sich die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die belangte Behörde erweist als rechtmäßig. Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

3.1.6. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in ihren entscheidungsmaßgeblichen Punkten bestätigt. Im Übrigen vermag das Vorbringen in der Beschwerde die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage zu stellen. In der Beschwerde findet sich kein neues Tatsachenvorbringen.

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Obwohl in der Beschwerde beantragt, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B)     Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Fristversäumung Rechtsmittelfrist Rechtsvertreter Sorgfaltspflicht Verschulden Verschulden des Vertreters Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2222732.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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