TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 W204 2211639-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
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Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W204 2211639-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde des A XXXX XXXX H XXXX , geb. am XXXX 2000, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MMag. Marion Battisti, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und A XXXX XXXX H XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass A XXXX XXXX H XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Am selben Tag wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Tirol niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, er werde seitens der Regierung und der Bevölkerung als religionslos bezeichnet, weil sein im Ausland lebender Bruder konvertiert sei.

I.3. In einem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wurde auf Grundlage einer am 20.04.2017 durchgeführten multifaktoriellen Untersuchung zur Altersdiagnose festgehalten, der BF sei spätestens am oben im Rubrum genannten Datum geboren.

I.4. Am 01.08.2018 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari unter anderem zu seinem Gesundheitszustand, seiner Identität, seinen Lebensumständen in Afghanistan und im Iran, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die den BF bewogen, seine Heimat zu verlassen, gab er an, er und seine Familie seien aufgrund einer angeblichen Konversion seines Bruders von der Polizei und den Dorfbewohnern bedroht worden. Auch der BF sei mittlerweile konvertiert.

I.5. Mit Bescheid vom 16.11.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die Behörde aus, das Vorbringen des BF sei nicht glaubhaft, weswegen ihm der Status des Asylberechtigten nicht gewährt werden könne. Aus dem Vorbringen des BF und der allgemeinen Situation lasse sich bei einer Rückkehr auch keine unmenschliche Behandlung oder eine extreme Gefährdungslage erkennen. Er könne zwar nicht in seine Heimatprovinz zurückkehren, allerdings sei ihm eine Rückkehr nach Herat möglich und zumutbar. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen werde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

I.6. Mit Verfahrensanordnung vom 16.11.2018 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.7. Gegen den unter I.5. genannten Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 11.12.2018 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, in der beantragt wurde, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, in eventu die Rückkehrentscheidung aufzuheben und einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid „ersatzlos“ zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Begründend wurde im Wesentlichen der Beweiswürdigung des BFA entgegengetreten. Zum Beweis seines Engagements in seiner Pfarrgemeinde wurde vom BF die Einvernahme eines Zeugen beantragt. Zur Frage des subsidiären Schutzes wurde vorgebracht, das BFA habe sich nur unzureichend mit der individuellen Rückkehrsituation des BF auseinandergesetzt. Hätte das BFA die in der Beschwerde auszugsweise zitierten Länderberichte berücksichtigt, wäre es zur Ansicht gekommen, dass dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan weder möglich noch zumutbar sei.

I.8. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.12.2018 vorgelegt, wobei das BFA beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

I.9. Am 19.04.2019 wurden Integrationsunterlagen für den BF vorgelegt.

I.10. Am 21.05.2019 legte der BF seinen Taufschein und Fotos seiner Taufe vor.

I.11. Am 11.03.2020 legte der BF weitere Integrationsunterlagen vor.

I.12. Am 27.05.2020 beantragte der BF im Rahmen einer Stellungnahme, in der er weitere Berichte zur Lage von Konvertiten in Afghanistan vorlegte, die Einvernahme eines weiteren Zeugen zum Beweis für seine Konversion.

I.13. Am 01.07.2020 stellte die im Spruch genannte, neu bevollmächtigte Vertreterin einen Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof.

I.14. Am 11.08.2020 erstattete der BF eine Stellungnahme mit Ausführungen zu seiner Konversion und zu Länderberichten hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage in Afghanistan aufgrund der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus.

I.15. Am 13.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF teilnahm. Dieser verzichtete ausdrücklich auf die Teilnahme seiner Rechtsvertreterin wie auch seines Rechtsberaters an der Beschwerdeverhandlung. Das BFA hatte bereits zuvor auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden alle Aktenbestandteile zum Inhalt der Verhandlung erklärt sowie der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, seinen Familienangehörigen, seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich ausführlich befragt. Zur Konversion wurden die vom BF beantragten Zeugen einvernommen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-        Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-        Befragung des BF und zweier Zeugen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.08.2020;

-        Einsicht in die im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen;

-        Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;

-        Einsicht in das Strafregister, in das Grundversorgungssystem und in das Zentrale Melderegister.

II. Feststellungen:

II.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen A XXXX XXXX H XXXX und das Geburtsdatum XXXX 2000. Seine Identität steht nicht fest. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Muttersprache ist Dari, die er in Wort und Schrift beherrscht.

Der BF ist in Ghazni mit seinen Eltern und seinen Geschwistern aufgewachsen. Er hat dort fünf Jahre die Schule besucht und hat in den Winterferien bei einem Mullah in der Moschee gelernt. Der BF hat in Afghanistan seine Familie in der Landwirtschaft unterstützt. Im Alter von etwa zwölf Jahren ist der BF in den Iran gereist, wo er etwa drei Jahre lang lebte und Material für Taschen zugeschnitten hat. Durch seine Tätigkeit im Iran konnte der BF seinen Lebensunterhalt verdienen.

Der BF ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der BF ist bis auf eine Allergie gesund und arbeitsfähig. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

II.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF wurde als schiitischer Moslem erzogen und hat in Afghanistan die vorgeschriebenen Gebete im Wesentlichen aufgrund des familiären und gesellschaftlichen Drucks verrichtet.

Der BF kam bereits im Iran durch seinen älteren Bruder, dem in Schweden der Asylstatus gewährt wurde, erstmals mit dem Christentum in Berührung, wobei er damals nicht an eine Konversion dachte, sondern Religionen eher ablehnend gegenüberstand. Auch während seines Aufenthaltes in Griechenland kam der BF mit Missionaren in Kontakt, zeigte aber noch kein gesteigertes Interesse am Christentum.

Etwa ein halbes Jahr nach seiner Ankunft im Bundesgebiet besuchte der BF aus eigenem Antrieb eine jüdische Gebetsgemeinschaft und eine evangelische Kirche. Ab Juni 2018 besuchte er einen einjährigen Glaubenskurs der katholischen Kirche in der Diözese Innsbruck. Ab Oktober 2018 besuchte er zusätzlich regelmäßig einen wöchentlich stattfindenden Taufvorbereitungskurs in seiner Heimatpfarre.

In den von ihm besuchten Kursen und Bibelstunden zeigte sich der BF sehr interessiert, machte sich eigenständige Notizen und stellte konkrete Fragen zu den Inhalten des Kurses. Er informierte sich außerhalb dieser Kurse, etwa durch das Selbststudium der Bibel wie auch über YouTube, über die Glaubensinhalte der katholischen Kirche und setzte sich damit intensiv auseinander.

Nach Zulassung durch den Diözesanbischof wurde der BF in der Osternacht 2019 in seiner Heimatpfarre getauft. Sein Taufname ist A XXXX .

Der Unterricht seines Pfarrers auf Deutsch wurde auch nach der Taufe – und wird nach wie vor – in kleinster Gruppe (gemeinsam mit dem jüngeren Bruder des BF, H XXXX H XXXX , BF zu W115 2211773-1, und einem weiteren Teilnehmer) fortgeführt.

Der BF besucht auch derzeit regelmäßig die Gottesdienste seiner Heimatpfarre und ist gut in der Pfarrgemeinschaft integriert. Der BF ist zudem bei der Katholischen Jungschar beim „ XXXX “ aktiv.

Der BF vertritt seinen Glauben im Bundesgebiet auch gegenüber seinen muslimischen Freunden. Der BF ist offen praktizierender Katholik und beschäftigt sich auch in seiner Freizeit mit katholischen Glaubensinhalten.

Der BF hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich, aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen, zum katholischen Glauben hingewendet.

Auch im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan würde der BF seinen Glauben weiterhin offen und nach außen hin erkennbar ausüben, seine Konversion zum Katholizismus nicht widerrufen und nicht wieder zum Islam übertreten. Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Hinwendung zum Katholizismus und der Verinnerlichung der katholischen Werte von staatlicher und von privater Seite physische und/oder psychische Gewalt.

II.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 mit letzter Information vom 29.06.2020 (LIB),

-        UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),

-        EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO),

-        ACCORD: Afghanistan: Apostasie, Blasphemie, Konversion, Verstoß gegen islamische Verhaltensregeln, gesellschaftliche Wahrnehmung von RückkehrerInnen aus Europa vom 15.06.2020 (ACCORD).

II.3.1. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 15).

II.3.2. Christen, Konvertiten, Apostaten (Abfall vom Islam)

Ausländische Christen und die wenigen Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (LIB, Kapitel 15.2).

Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam. Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum der Abtrünnigen konfiszieren und deren Erbrecht einschränken. Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden. Missionierungen sind illegal. Die öffentliche Meinung stehe Christen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (LIB, Kapitel 15.2). Die religiösen Minderheiten waren auch im Jahr 2019 Bedrohungen und Diskriminierungen ausgesetzt und konnten ihren Glauben nicht öffentlich ausüben (ACCORD, Kapitel 2.). Wenn sich die Personen tatsächlich als Konvertiten oder Apostaten zu erkennen geben, werden sie beim Zugang zu staatlichen Dienstleistungen diskriminiert (ACCORD, Kapitel 7.).

Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Es gibt keine Berichte über die Verhängung der Todesstrafe aufgrund von Apostasie oder der Strafverfolgung bei Blasphemie. Gefahr bis hin zur Ermordung droht Konvertiten hingegen oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden. Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, sind Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren. Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (LIB, Kapitel 15.5). Die Reaktionen der Gesellschaft reichen von verbalen bis zu körperlichen Übergriffen bis hin zu Morden. Für Apostaten, die angegriffen werden oder unter Diskriminierungen leiden, gibt es keinen Schutz vom Staat (ACCORD, Kapitel 3., 4.). Die Artikel 323-325 des afghanischen Strafgesetzbuches von 2017 verbietet das Beleidigen von Religionen, die Störung von Riten oder Zeremonien und den Angriff auf Anhänger einer Religion durch Worte oder Handlungen. Das Beleidigen oder Entstellen des Glaubens oder der Bestimmungen des Islam werde mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem und fünf Jahren geahndet (ACCORD, Kapitel 5.). Rechtliche Verfolgung und Verurteilungen aufgrund von Blasphemie ebenso wie jene von Apostasie sind seit 2001 relativ selten. Die letzten Verhaftungen oder Strafverfolgungen in Zusammenhang mit Apostasie oder Blasphemie, haben im Jahr 2014 stattgefunden (ACCORD, Kapitel 5.).

III. Beweiswürdigung:

III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

III.2. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zum BF ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung. Die Identität des BF kann mangels der Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit des BF sowie zu seinen Sprachkenntnissen beruhen im Wesentlichen auf den gleichbleibenden, glaubhaften Angaben des BF (S. 3, 6f VP).

Gleichfalls beruhen auch die Feststellungen zu seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan und im Iran, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung auf den im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht (S. 7 VP). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln.

Dass der BF gesund ist, konnte aufgrund der eigenen Aussage des BF festgestellt werden (S. 5 VP), zumal er auch keine Dokumente vorlegte, aus denen Gegenteiliges zu schließen wäre. Daraus sowie aus seinem im Bundesgebiet gezeigten Verhalten folgt auch die Feststellung der Arbeitsfähigkeit des BF.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit war aufgrund des im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszugs treffen.

III.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:

Zu den religiösen Aktivitäten des BF sowohl im Herkunftsstaat des BF, im Iran als auch im Bundesgebiet konnte den Angaben des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht gefolgt werden. Die Aussagen zum gesellschaftlichen Druck in Bezug auf religiöse Handlungen stehen in Einklang mit den allgemeinen Länderinformationen. Zudem machte der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht einen um Wahrheit bemühten Eindruck. Auch der von der erkennenden Richterin gewonnene persönliche Eindruck spricht für eine Glaubhaftigkeit seiner Angaben in diesem Zusammenhang.

Die Feststellungen zu seinen religiösen Aktivitäten im Bundesgebiet, insbesondere zu seinen besuchten Kursen und seiner Taufe, werden durch unbedenkliche Urkunden bestätigt. Aus den Urkunden, etwa aus der Bestätigung des Diözesanverantwortlichen für das Erwachsenenkatechumenat vom 06.12.2018 oder auch des Taufspenders vom 04.12.2018, wie auch dessen Aussage in der Beschwerdeverhandlung (S. 18 VP) geht hervor, dass der BF während der von ihm besuchten Kurse aktiv Fragen stellte und sich mit den Glaubensinhalten eigenständig näher beschäftigte. Aufgrund dieser übereinstimmenden Beschreibungen des BF und der überzeugenden und glaubhaften Aussagen der Zeugen ist die Aussage des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er sich auch außerhalb der besuchten Kurse mit Glaubensinhalten aktiv beschäftigt, nicht zu bezweifeln. Bereits daraus zeigt sich, dass der BF tatsächlich innerlich konvertiert ist, zumal er nicht nur passiv an den Kursen bzw. am Unterricht teilnahm bzw. teilnimmt, sondern nach einer Auseinandersetzung und Analyse der von ihm gesammelten Informationen auch Fragen zu den Inhalten stellt und diese diskutiert. Nicht zuletzt besucht er seit nunmehr beinahe zwei Jahren wöchentlich gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder (BF zu W115 2211773-1) nicht nur die Messen, sondern auch den Unterricht seines Pfarrers.

Auch aus den Aussagen des BF geht hervor, dass er sich innerlich tatsächlich dem Katholizismus zugewandt hat. So zeigte er nicht nur bereits vor dem BFA ein Faktenwissen zum Christentum, sondern er schilderte vor dem Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar seine innerliche Hinwendung zum Glauben hin von einer eher ablehnenden Haltung zum Islam bzw. zur Religion über ein durch seinen Bruder bei ihm gewecktes Interesse bis hin zur Überzeugung am katholischen Glauben. Diese Hinwendung wird auch von seinem Taufpaten in dessen Zeugenaussage bestätigt, wenn dieser angibt, sie hätten zuerst privat nur über allgemeine Themen gesprochen, während sie später immer wieder religiöse Fragen diskutiert hätten (S. 21f VP). Auch sein Pfarrer und Taufspender bestätigte diesen Weg des BF zum katholischen Glauben, den er intensiv begleitete (S. 17f VP).

Auch die Beschreibungen des BF hinsichtlich seiner Gefühle vor, bei und nach der Taufe (S. 15 VP) zeigen eine tatsächlich erfolgte Konversion. Dabei zieht der BF sich nämlich nicht auf die Beschreibung der objektiven Gegebenheiten zurück, sondern schildert nachvollziehbar seine Gefühle, die er dabei verspürte. All das zeigt, dass er sich seinem Kulturkreis und seiner Religion entfremdet hat. Die intensive Taufvorbereitung, die als Gruppenkurs auf Deutsch mit Übersetzung sowie ergänzend als Bibelunterricht auf Deutsch durch den Pfarrer mit nur drei Taufwilligen durchgeführt wurde, die Taufe und das weitere und laufende Engagement des BF in seiner christlichen Gemeinde zeigen, dass er das Christentum aktuell bereits verinnerlicht hat.

Der BF hält seine Konversion zudem nicht geheim, sondern steht auch in der Öffentlichkeit und vor anderen muslimischen Mitbewohnern zu seinem Glauben. Er nimmt in Kauf, dafür kritisiert (S. 16 VP) oder von seiner Freundin verlassen zu werden (S. 23 VP). Der BF behält seinen Glauben daher nicht nur für sich, sondern lebt diesen auch in der Öffentlichkeit aus. So engagiert er sich etwa auch ehrenamtlich bei der Jungschar und vertritt seine Überzeugungen auch auf diese Weise.

Letztlich zeigt auch die Beschäftigung des BF mit mehreren anderen Religionen, dass er sich vom Islam abgewandt und seiner neuen Religion zugewandt hat. Der BF hat sich ernsthaft mit dem Islam und anderen Religionen auseinandergesetzt und seine bisherige Religion analysiert, die er nunmehr – wie bereits oben ausgeführt – in Gesprächen selbst mit muslimischen Freunden durchaus auch offen kritisiert.

Dieser Eindruck aus der Verhandlung wird durch den intensiven Weg des BF bis hin zur Taufe bei einem Pfarrer, der nur Gläubige zur Taufe zulässt, die das Christentum tatsächlich verinnerlicht haben und sich entsprechend mit der Religion auseinandersetzen, untermauert. Die Zeugen bestätigten diesen Eindruck und schilderten nachvollziehbar, woran sie die ernsthafte Hinwendung des BF zum Katholizismus erkennen und wie sich diese vollzogen hat. Seine Integration in der Kirchengemeinde zeigt sich nicht nur an seinem Engagement sowie an der Teilnahme an den Messen und Festen der Kirchengemeinde, bei denen er nach seinen Möglichkeiten mithilft, sondern auch daran, dass er sich zudem mit anderen Mitgliedern der Kirchengemeinde trifft und auch eine seit längerem aufrechte Arbeitszusage vorlegen kann.

Zusammengefasst ist es dem BF durch seine glaubhaften Aussagen, den von ihm in der Beschwerdeverhandlung vermittelten persönlichen Eindruck und den vorgelegten Dokumenten gelungen, glaubhaft machen, dass er sich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam dem Katholizismus zugewandt hat. Es sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des BF zum katholischen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der BF durch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die auch von den Zeugen bestätigt wurden, dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewandt und aus innerer religiöser Überzeugung dem katholischen Glauben zugewandt hat, was auch durch entsprechende Dokumente bestätigt wird. Aufgrund dieser inneren Überzeugung ist auch davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr seinen Glauben weiter ausüben würde und sich nicht wieder dem Islam zuwenden könnte, zumal er auch im Bundesgebiet öffentlich im Namen der Kirche auftritt und seinen Glauben auch gegenüber seinen muslimischen Freunden bekennt.

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass aufgrund des allgemeinen Islamvorbehalts im afghanischen Recht und aufgrund der vorherrschenden gesellschaftlichen Intoleranz gegenüber Konvertiten dem BF bei einer Rückkehr psychische und/oder physische Gewalt droht. So droht dem BF aufgrund seiner Konversion, so er diese nicht binnen drei Tagen widerrufen würde, nach der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung Enthauptung als angemessene Strafe. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen oder sogar ermordet. Staatlicher Schutz gegen diese Übergriffe der Bevölkerung steht ausweislich der Länderfeststellungen nicht zur Verfügung.

III.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die Berichte wurden durch die vom BF vorgelegten Berichte, wobei der ACCORD-Bericht auch den Feststellungen zugrunde gelegt wurde, bestätigt.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

IV.1. Zum Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge dieser Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472; 29.01.2020, Ra 2019/18/0228).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Mitbeteiligte bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Fremde im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (Aktualität der Verfolgung; vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0443; 25.09.2018, Ra 2017/01/0203).

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- beziehungsweise Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation beziehungsweise des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 25.06.2020, Ra 2019/18/0380).

Eine begründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung wegen einer Konversion liegt vor, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Wesentlich ist somit, ob bei weiterer Ausübung des (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Dabei kann dem Fremden auch nicht zugemutet werden, auf die religiöse Betätigung zu verzichten, um eine Verfolgung zu vermeiden (VwGH 12.06.2020, Ra 2019/18/0440).

Wie das Beweisverfahren ergeben hat, liegen für den BF alle oben angeführten Indizien vor, weshalb von einer innerlichen Konversion auszugehen ist. Der BF wäre als Konvertit, der seinen Glauben auch bei einer Rückkehr ausleben und seine Konversion nicht widerrufen würde, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite – ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme – als auch von staatlicher Seite ausgesetzt.

Aufgrund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewandten islamischen Rechtsprechung, wonach auch die Todesstrafe droht, sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen und der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, sowie den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den BF im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht.

Der BF befindet sich daher aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung als vom Islam zum Katholizismus konvertiertem Mann verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des BF stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Aufenthaltsberechtigung gilt nach § 3 Abs. 4 AsylG drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

IV.2. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung hängt vielmehr von der Lösung von Tatfragen ab, zu deren Lösung der Verwaltungsgerichtshof nicht beziehungsweise nur sehr eingeschränkt berufen ist.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion Schutzunfähigkeit Schutzunwilligkeit staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W204.2211639.1.00

Im RIS seit

20.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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