Entscheidungsdatum
24.08.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W280 2125012-3/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX 1974, StA. Russische Föderation, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .07.2020, Zl. XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF, iVm § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 VwGVG idgF, sowie gemäß §§ 57, 10 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF, §§ 52, 46 und 53 FPG 2005 idgF und § 15b AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Erstes Verfahren auf internationalen Schutz:
1.1. Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, welche der tschetschenischen Volksgruppe angehört und sich zum moslemischen Glauben bekennt, reiste am XXXX .07.2013 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem sie am XXXX .07.2013 polizeilich erstbefragt und am XXXX .11.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder belangte Behörde) einvernommen wurde. Begründete die BF in der Erstbefragung ihre Flucht im Wesentlichen mit der seitens der Dagestanischen Behörden ihrem geschiedenen Mann angelasteten Unterstützung tschetschenischer Kämpfer im zweiten Tschetschenienkrieg und der Angst, dass ihr Bruder wegen ihr in Schwierigkeiten kommen würde, so wurden diese Fluchtgründe von der BF bei der Befragung durch das Bundesamt widerrufen und führte diese sodann gesundheitliche Gründe (Behandlung von Tuberkulose) sowie die Beziehung zu einem Mann aus Afghanistan, den sie hier in Österreich kennengelernt habe, an.
1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2016 wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Des Weiteren wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung derselben in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 3 BFA-VG, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
Begründend hielt die Behörde im Wesentlichen fest, dass aufgrund des Vorbringens der BF nicht von einer asylrelevanten Bedrohung ihrer Person in ihrem Herkunftsstaat auszugehen sei. Aus den Länderberichten ergebe sich weiters, dass die BF nicht an einer lebensbedrohenden Erkrankung leide und derartige Krankheiten, wie von der BF bescheinigt, in ihrem Herkunftsstaat kostenlos behandelt werden könnten. Zum Privat- und Familienleben wurde festgehalten, dass die BF weder nennenswerte Deutschkenntnisse habe noch nennenswerte Kontakte zu Österreichern pflege. Hinsichtlich der Beziehung zu ihrem afghanischen Freund habe sie nicht davon ausgehen können, dass sie diese Beziehung in Österreich fortführen würde können.
1.3. Gegen den angeführten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom XXXX .04.2016 fristgerecht das Rechtsmittel einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht im vollen Umfang erhoben.
1.4. Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde der angefochtene Bescheid von diesem mit Beschluss vom 25.04.2016 behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen (Spruchpunkt A). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).
Das BVwG begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit der seines Erachtens vom BFA nicht hinreichend wahrgenommenen Ermittlung in entscheidungsrelevanten Punkten. Basierend auf den Ermittlungsergebnissen der Behörde und den zugrunde gelegten Länderfeststellungen des Bundesamtes könnten keine abschließenden Aussagen zu einer allfälligen asylrelevanten Verfolgungsgefahr, einer Gefährdung aus gesundheitlichen Gründen sowie über das Vorliegen eines gegebenen Privat- und Familienlebens getroffen werden.
2. Zweiter Verfahrensgang:
2.1. Das BFA holte nach Behebung durch das BVwG hierauf eine Reihe von medizinischen Befunden betreffend die BF, eine Anfrage an ACCORD betreffend die Versorgung, Behandlung psychischer Erkrankungen, Lage von psychisch kranken Personen in der Russischen Föderation / Dagestan, und eine Anfrage an die Staatendokumentation betreffend Russische Föderation / Tschetschenien hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten von Tuberkulose ein und befragte die BF neuerlich zu ihren familiären Verhältnissen im Herkunftsland sowie zu ihrer Beziehung zu ihrem afghanischen Freund, die nach ihren Angaben aufgrund des von der tschetschenischen Community ausgeübten Drucks Mitte 2017 geendet habe.
2.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .07.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin neuerlich gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Das BFA führte im Wesentlichen aus, dass aufgrund des Vorbringens der BF nicht von einer asylrelevanten Bedrohung ihrer Person im Herkunftsstaat auszugehen sei. Aus den Länderberichten ergebe sich weiters, dass die BF nicht an einer lebensbedrohenden Erkrankung leide und derartige Krankheiten, wie sie die BF im Verfahren bescheinigt habe, in ihrem Herkunftsstaat behandelt werden könnten. Die dafür erforderlichen Medikamente seien im Herkunftsstaat kostenlos erhältlich und habe das Beweisverfahren nicht ergeben, dass die BF bei einer allfälligen Rückführung in ihren Herkunftsstaat einer ealen Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art 3 oder der Protokollnummer 6 oder 13 zur Konvention der Europäischen Menschenrechte oder einer sonstigen ernsthaften Bedrohung unterliegen würde.
Zum Privat- und Familienleben wurde festgehalten, dass die BF keine nennenswerten Deutschkenntnisse habe sowie ihr nennenswerter Kontakt zu Österreichern fehle. In ihrem Herkunftsstaat verfüge sie über familiäre Anknüpfungspunkte und spreche sie die dortige Landessprache. Sie habe den weit überwiegenden Teil ihres Lebens bereits in der russischen Föderation verbracht. Hinsichtlich der Beziehung zu ihrem Freund habe sie nicht davon ausgehen können, dass sie diese Beziehung in Österreich fortführen würde können.
Bezüglich der Erkrankungen wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die BF nicht an lebensbedrohlichen Erkrankungen leide und könnten diese laut dem Länderinformationsblatt in der russischen Föderation behandelt werden. Es gäbe kostenlose Medikamente. Eine weitere Kontrolle durch die dortigen Ärzte sei möglich. Das Verfahre habe darüber hinaus nicht ergeben, dass die BF einer asylrelevanten Bedrohung in ihrem Heimatstaat ausgesetzt wäre. Sie sei eine erwachsene, arbeitsfähige Person und verfüge in ihrem Heimatstaat über ein soziales Netz. Demgegenüber seien ihre sozialen Verfestigungen in Österreich lediglich gering. Sonstige Gründe für die Erlangung eines Aufenthaltstitels habe das Ermittlungsverfahren nicht ergeben.
2.3. Gegen diesen Bescheid wurde am XXXX .08.2018 fristgerecht im vollen Umfang Beschwerde an das BVwG erhoben.
2.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.09.2018, Zl. W171 2125012-2/2E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 55 und 57 AsylG 2005, sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen (Spruchteil A). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchteil B).
Der Entscheidung wurden umfassende Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation respektive Dagestan und Tschetschenien, zugrunde gelegt (vgl. die Seiten 13 bis 46 der angeführten Erledigung). Zur Person der BF wurden die folgenden Feststellungen getroffen:
„(…) 1.1. Die Identität der BF steht nicht fest. Die BF ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und ist muslimischen Glaubens. Sie lebte von Geburt an bis zu ihrer Ausreise in Hasav-Jurt, Dagestan. Sie verfügt über eine neunjährige Grundschulbildung, jedoch keine Berufsausbildung. Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern und ein Bruder. Sie steht mit ihren Familienangehörigen noch in regelmäßigem Kontakt.
….
Die BF war vor ihrer Ausreise keiner konkreten, individuellen Verfolgung ausgesetzt. Sie verließ die Russische Föderation, um in Österreich ihre Tuberkuloseerkrankung behandeln zu lassen. Eine Verfolgung durch Behörden oder Privatpersonen wurde von ihr nicht geltend gemacht.
Im Falle einer Verbringung der BF in ihren Herkunftsstaat droht dieser kein reales Risiko einer Verletzung der Artikel 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).
Die BF litt an Tuberkulose und wurde in Dagestan sowie in Moskau mehrfach operiert, wobei unter anderem mehrere Rippen entfernt wurden. Die in der Russischen Föderation erfolgte Therapie wurde von den Ärzten in Österreich als nicht lege artis kritisiert. Die Tuberkulose der BF ist geheilt. Sie leidet an Depressionen und Kopfschmerzen und nimmt die Medikamente Zoldem (Schlafmittel, Anm.), Sertralin (Antidepressivum, Anm.) und Lyrica (zur Behandlung von Nervenschmerzen oder generalisierten Angststörungen, Anm.). Seit August 2017 befindet sie sich nicht mehr in ärztlicher Behandlung.
Die von der BF eingenommenen Medikamente sind in der Russischen Föderation erhältlich.
Die BF ist strafrechtlich unbescholten.
Sie hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Sie hat bislang einen Deutschkurs besucht, Deutschkenntnisse konnten in der Einvernahme vor dem BFA am 12.06.2018 jedoch nicht festgestellt werden. Sie geht keiner Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Sie ist kein Mitglied in einem Verein und engagiert sich nicht ehrenamtlich. Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte individuelle Integration der BF in Österreich vorliegt.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.“
Beweiswürdigend legte das Bundesverwaltungsgericht der angeführten Entscheidung im Wesentlichen die folgenden näheren Erwägungen zugrunde:
„(…) 2.1. …. Die Identität der BF steht mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokumentes nicht fest. Die Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit der BF ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben sowie aufgrund der Sprach- und Länderkenntnisse der BF.
Die Feststellungen zu ihren persönlichen und familiären Verhältnissen im Herkunftsstaat beruhen auf ihren Angaben im Verfahren.
Der Gesundheitszustand der BF ergibt sich aus ihren entsprechenden Angaben und den vorgelegten medizinischen Unterlagen. Die Feststellung, dass die genannten Medikamente in der Russischen Föderation erhältlich sind, ergibt sich aus der diesbezüglichen Feststellung im angefochtenen Bescheid, der die BF nicht entgegengetreten ist.
2.2. Die Feststellung, dass die BF ihren Herkunftsstaat zur Behandlung ihrer Tuberkuloseerkrankung in Österreich verlassen hat, beruht auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben.
Im gesamten Verfahren hat die BF keine asylrechtlich relevante Verfolgung aufgezeigt. Die diesbezüglichen Angaben in der Erstbefragung am XXXX .07.2013 (Verfolgung durch die Behörden wegen Unterstützung der tschetschenischen Kämpfer durch ihren Ex-Ehemann) hat sie selbst als Falschaussage widerrufen. Sie machte ausschließlich die gesundheitliche Beeinträchtigung und die nicht erfolgreiche Behandlung ihrer Erkrankung in der Russischen Föderation geltend.
Eine Verfolgung durch staatliche Behörden wurde von der BF ausdrücklich verneint. Nach der Verurteilung ihres Bruders zu einer bedingten Haftstrafe im Jahr 2005 sei es zu keiner Kontaktaufnahme der Behörden mit der Familie mehr gekommen. Dies wurde dadurch untermauert, dass die BF im Jahr 2013 problemlos beim Standesamt ihren Namen ändern konnte und ihr Bruder trotz der Verurteilung wegen Unterstützung der Kämpfer im Tschetschenienkrieg weiterhin unbehelligt in Dagestan lebt.
Mit dem Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, dass die BF keinen staatlichen Schutz vor „Schlechtbehandlung“, „willkürlichen Übergriffen“ und „weiteren Misshandlungen“ erwarten könne, entfernt sich die Beschwerde damit vom von der BF vorgebrachten Sachverhalt. Dass die aus Sicht der Ärzte in Österreich falsche Behandlung der Tuberkuloseerkrankung in bewusster Schädigungsabsicht erfolgt sei oder dass die BF auch nur versucht habe, wegen der misslungenen Behandlung Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, wurde von ihr nicht einmal ansatzweise vorgebracht. Weshalb eine missglückte ärztliche Behandlung eine „Verfolgung“ im Sinne der GFK darstellen sollte, wurde in der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargelegt. Inwiefern weiters der in der Beschwerde konstruierten sozialen Gruppe „besonders vulnerablen Personen ohne jegliche Unterstützung in der russischen Gesellschaft“ aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser sozialen Gruppe von staatlicher Seite oder durch Privatpersonen Verfolgungshandlungen von erheblicher Identität drohen sollen, wurde in der Beschwerde ebenfalls nicht näher ausgeführt.
Aus dem Vorbringender BF ergibt sich daher keine asylrelevante Verfolgung in der Russischen Föderation.
2.3. Die Feststellungen zu ihren persönlichen Verhältnissen in Österreich beruhen auf ihren glaubhaften Angaben. Dass die BF in Österreich auf keine ausreichend ausgeprägten und verfestigten individuellen integrativen Anknüpfungspunkte hinsichtlich ihres Privatlebens verweisen konnte, gründet sich auf den Umstand, dass Gegenteiliges im Verfahren nicht hervorgekommen ist. Die Feststellung, dass sie über keine Deutschkenntnisse verfügt, beruht auf der Befragung in der Einvernahme vom 12.06.2018 (AS 510). Wesentliche, über das notwendige Maß hinausgehende Integrationsschritte konnten nicht erkannt werden. Diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.
….“
2.5. Die von der BF gegen das Erkenntnis des BVwG erhobene Revision wurde folglich vom VwGH mit Beschluss vom 23. Jänner 2019, Ra 2018/20/0472-9, zurückgewiesen. Begründend führt dieser im Wesentlichen aus, dass das angefochtene Erkenntnis, entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin, Feststellungen zur Behandlung psychischer Erkrankungen im Herkunftsstaat enthalte. Auch habe sich das BVwG mit dem künftigen Fortkommen der Revisionswerberin im Herkunftsstaat auseinandergesetzt und festgestellt, dass diese nach Heilung der Tuberkuloseerkrankung weitestgehend gesund und arbeitsfähig sei sowie die Unterstützung durch ihre im Herkunftsstaat lebenden Eltern und ihren Bruder erwarten könne.
3. Zweites Verfahren auf internationalen Schutz:
3.1. Am XXXX .01.2020 stellte die BF – nachdem sie aus Frankreich nach Österreich rücküberstellt wurde - den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz, zu welchem sie am gleichen Tag polizeilich im Beisein eines Dolmetschers der russischen Sprache erstbefragt wurde.
Auf Vorhalt ihres am XXXX .09.2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz und befragt nach den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung gab der Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass bei ihr im Jahr 2013 Brustkrebs diagnostiziert worden sei und sie Tuberkulose gehabt hätte, die behandelt wurde. Die Behandlungen in Österreich seien noch nicht abgeschlossen. Falls sie nach Dagestan zurückreisen würde, werde sie dort keine ausreichende medizinische Behandlung bekommen. Sie habe Kontakt zu einer Krankenschwester gehabt, die ihr gesagt hätte, dass die bei ihr notwendigen Behandlungen in Dagestan nicht durchgeführt würden. In Frankreich lebe sie mit einer Person in einer Lebensgemeinschaft. Sie wolle zurück nach Frankreich um mit ihm zusammenleben zu können. Wenn jemand in ihrer Heimat von dieser Beziehung erfahre, könne sie familiäre Probleme bekommen. Sie könne sogar umgebracht werden.
Des Weiteren gab die BF an, dass sie befürchte, in ihrer Heimat nicht die notwendigen Behandlungen zu bekommen. Konkrete Hinweise, dass ihr bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe drohe oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe wurden von ihr verneint.
Hinsichtlich eingetretener Änderungen ihrer Fluchtgründe verwies sie auf die am XXXX .01.2020 erfolgte Trennung von ihrem Lebensgefährten und ihre nicht erfolgte Behandlung in Frankreich.
3.2. Am XXXX .02.2020 wurde der BF die Absicht des Bundesamtes ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, zur Kenntnis gebracht.
3.3. Am XXXX .05.2020 wurde die BF von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin einer Untersuchung unterzogen und bei dieser eine Anpassungsstörung F43.21 und eine mittelgradig depressive Episode F32.1 diagnostiziert.
3.4. Am XXXX .06.2020 wurde die BF im Beisein eines geeigneten Dolmetschs für die russische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab sie zusammenfassend an (im Detail vgl. Verwaltungsakt, Seiten 355 bis 379), dass die Tuberkulose, an der sie gelitten habe, ausgeheilt sei und der Verdacht auf Brustkrebs sich nicht bestätigt habe. Sie habe jedoch psychische Probleme. An Medikamenten nehme sie Zoldem, Sertalin und Sirdalud.
Bei der Erstbefragung im Jahr 2013 habe sie die Unwahrheit hinsichtlich ihres Fluchtgrundes angegeben. Sie sei wegen medizinscher Gründe nach Österreich gekommen. Mit der im Rahmen der ärztlichen Untersuchung am XXXX .05.2020 erstellten Diagnose sei sie einverstanden. Zwischen 2016 und 2018 habe sie hin und wieder kleiner Putzarbeiten gegen Entgelt ausgeführt. Sie sei weder in einem Verein aktiv, noch habe sie aufgrund der Kopfschmerzen einen Deutschkurs besuchen können. Jeden zweiten oder dritten Tag habe sie telefonischen Kontakt mit ihren Familienangehörigen in Russland. Auch mit ihren Schulkolleginnen halte sie Kontakt.
Freundschaftliche Beziehungen hier in Österreich habe sie zu zwei in Wien wohnhaften Frauen mit Migrationshintergrund, wovon eine aus Dagestan stamme, und die sie gelegentlich mit Nahrungsmittel, manchmal auch mit Geld unterstützten.
Mit einem aus Afghanistan stammenden Asylwerber, den sie im Jahr 2014 in Wien kennengelernt hätte, habe sie eine Liebesbeziehung. Dieser sei Anfang XXXX 2020 ebenfalls aus Frankreich, wo sie sich von März 2019 bis zu ihrer Abschiebung nach Österreich im Jänner 2020 aufgehalten habe, nach Österreich eingereist.
Den neuerlichen Antrag auf Asyl stelle sie nunmehr, weil sie mit diesem Mann in einer Beziehung sei, was ihr in ihrem Heimatland nicht erlaubt sei. Sie habe Angst vor ihrer Familie. Neben den medizinischen Gründen die für ihre Flucht ausschlaggebend gewesen seien sei jetzt auch der aus Afghanistan stammende Freund, den sie seit 2014 kenne, ein Fluchtgrund. Wenn ihre Familie davon erfahre, dass sie unverheiratet mit einem Mann eine Beziehung habe, so würde diese sie umbringen. Auch habe sie Angst, dass sie - sollte ihre Krankheit wieder auftreten - in Dagestan falsch behandelt werde.
3.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX .07.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF vom XXXX .2019 (richtig XXXX 2020) hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX .2019 (richtig XXXX .2020) hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.).
Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Russland gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde und gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von zwei Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.).
Gemäß „15 Absatz 1 Asylgesetz 2005 wurde der BF aufgetragen von XXXX .01.2020 bis XXXX .01.2020 im folgenden Quartier Unterkunft zu nehmen. (eine Benennung fehlt, Anm.)
Dem angeführten Bescheid wurden Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation respektive Dagestan und Tschetschenien (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 27.03.2020) zugrunde gelegt. Im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass dem nunmehr erstatteten Vorbringen der beschwerdeführenden Partei kein neuer, asylrelevanter Sachverhalt zu entnehmen wäre.
Der vorgebrachte Fluchtgrund der BF, wonach diese aus medizinischen Gründen geflohen sei, da sie im Herkunftsstaat an Tuberkulose erkrankt und nicht richtig behandelt und operiert worden sei, läge nicht mehr vor, da diese in Österreich behandelt worden und nunmehr geheilt sei. Die BF leide an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und könne mit Medikamenten im Herkunftsstaat weiter behandelt werden.
Im nunmehrigen Verfahren habe diese das Vorliegen neuer Fluchtgründe, welche seit Abschluss seines Erstverfahrens eingetreten wären, nicht geltend gemacht und verweise auf das Bestehen einer Beziehung zu einem 2014 in Österreich kennegelernten Asylwerber aus Afghanistan die, bei offenkundig werden im Heimatland, dazu führe, dass sie umgebracht werde.
Sonstige Gründe, welche eine Unzulässigkeit der Abschiebung indizieren würden, seien im gegenständlichen Verfahren ebensowenig hervorgekommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gelange sohin zum Schluss, dass der objektive und entscheidungswesentliche Sachverhalt unverändert sei und sohin entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs 1 AVG vorliege. Eine im Rahmen von Artikel 8 EMRK durchgeführte Interessensabwägung habe zu keinem Überwiegen der privaten und familiären Interessen der beschwerdeführenden Partei an einem Verbleib im Bundesgebiet geführt, zumal keine besondere Integrationsverfestigung ihrer Person ersichtlich sei.
3.6. Gegen den dargestellten Bescheid wurde am XXXX .06.2020 seitens der BF, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher zusammenfassend geltend gemacht wird (im Detail vgl. Verwaltungsakt, Seiten 581 bis 2584), die BF habe bei der Erstbefragung am XXXX .01.2020 sowie bei der Einvernahme am XXXX .06.2020 wahrheitsgemäß alle Fluchtgründe vorgebracht. Nach Erwachsen der Rechtskraft des letzten Erkenntnisses des BVwG habe sie im September 2018 Österreich verlassen und habe bis zu ihrer im Rahmen des Dublinverfahrens erfolgten Überstellung von Frankreich nach Österreich mit ihrem Lebensgefährten in Frankreich gelebt. Ihre seit 6 Jahren andauernde Beziehung zu ihrem aus Afghanistan stammenden Freund habe sie zu einem Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gemacht. Im Falle einer Überstellung in die Russische Föderation sei sie einer realen Gefahr ausgesetzt, von ihrem leiblichen Bruder getötet zu werden, da sie all die Jahre in Österreich in einer Beziehung mit einem Afghanen gelebt habe und nicht mehr Jungfrau sei. Da in Österreich sehr viele Tschetschenen leben würden, die über ihre Beziehung Gerüchte verbreiten würden, sei ihr Leben in Gefahr gebracht. Darüber hinaus verweise sie auf die Seiten 71 bis 75 des übermittelten Länderberichtes betreffend „Frauen in Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien“ wonach diese nach wie vor gesetzlich nicht geschützt, diese weiterhin misshandelt, vergewaltigt und getötet würden und völlig den Männern untergeordnet seien. Hinsichtlich des ausgesprochenen Einreiseverbotes werde von der belangten Behörde lediglich darauf verwiesen, dass sie die Mittel für ihren Unterhalt nicht nachweisen könne.
Aus den genannten Gründen möge das BVwG den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverweisen (1.), in eventu den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. dahingehend abändern, dass ihrem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben werde (2.), in eventu den Bescheid im Spruchpunkt II. dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben werde (3.), in eventu den Bescheid im Spruchpunkt VI. dahingehend abändern, dass eine 14-tögige oder sonst angemessene Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt werde und eine mündliche Verhandlung anberaumt werde (4.). Der Bescheid möge hinsichtlich der Spruchpunkte IV., V. und VII. ersatzlos behoben werden.
3.7. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am XXXX .08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die Beschwerde erfolgte nicht.
3.8. Am XXXX .08.2020 wurde vom BFA eine weitere Beschwerde des MigrantInnenverein St. Marx zur gegenständlichen Rechtssache übermittelt, mit welcher der verfahrensgegenständliche Bescheid in allen Spruchpunkten angefochten wird. Mit der weiteren Beschwerde macht die BF geltend, dass sie eine außereheliche Beziehung mit einem Mann aus Afghanistan habe, was bei Bekanntwerden in ihrem Heimatland dazu führen würde, dass sie diese „zu fürchten“ hätte. Der dem ersten Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt unterscheide sich völlig von den Gründen, die im aktuellen genannt würden. Die Rechtsansicht, wonach von einem unveränderten Sachverhalt auszugehen sei, da das Vorbringen unglaubwürdig sei, sei verfehlt. Die Behörde habe sich mit dem angegebenen Fluchtgrund deiner außerehelichen Beziehung und einer daraus resultierenden Verfolgung im in ihrem Heimatland bei einer Rückkehr, nicht auseinandergesetzt. Auch bestehe kein Anlass für die Verhängung eines Einreiseverbotes sowie für die Anordnung in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen.
Angesichts der Covid-19 Pandemie sei es auch völlig ausgeschlossen in die russische Föderation zu reisen, da – abgesehen vom Zusammenbruch des Flugverkehrs – die Ansteckungsgefahr in der russischen Föderation katastrophal sei.
3.9. Mit Telefax vom XXXX .08.2020 wurde seitens des Vereins Menschenrechte Österreich die Niederlegung der erteilten Vollmacht mitgeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A)
2.2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene „Sachen“ im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100, mwN).
Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).
2.3. Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder – im Falle des Vorliegens entschiedener Sache – das Rechtsmittel abzuweisen oder – im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung – den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg. 2066A/1951, VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).
Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76). Die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht werden (VwGH 23.05.1995, 94/04/0081).
2.4. Die BF behauptete im vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz – nach Widerruf der in der Erstbefragung angegebenen Fluchtgründe - aus rein medizinischen Gründen aus der Russischen Föderation nach Österreich geflohen zu sein. Ergänzend zu diesem Vorbringen brachte die BF im Laufe des Verfahrens vor, 2014 in Österreich einen Asylwerber aus Afghanistan kennengelernt zu haben und mit diesem eine Beziehung eingegangen zu sein.
Im zweiten Verfahrensgang hierzu befragt, gab die BF an, dass die Beziehung zu ihrem afghanischen Freund aufgrund des von der tschetschenischen Community in Österreich ausgeübten Drucks Mitte 2017 geendet habe.
Bei der Stellung des Folgeantrages am XXXX .01.2020 begründete die BF diesen, neben ihren gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit der behandelten Tuberkulose und der unsubstantiiert geäußerten Befürchtung einer nicht adäquaten Behandlung derselben in der russischen Föderation, mit dem Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit einer in Frankreich aufhältigen Person.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA führte sie hierzu aus, dass es sich um einen aus Afghanistan stammenden Asylwerber handle, den sie im Jahr 2014 in Wien kennengelernt habe. Mit diesem habe sie eine Liebesbeziehung. Dieser Asylwerber sei Anfang Juni 2020 ebenfalls aus Frankreich, wo sie sich von März 2019 bis zu ihrer Abschiebung nach Österreich im Jänner 2020 aufgehalten habe, nach Österreich eingereist. Neben den medizinischen Gründen, die für ihre Flucht ausschlaggebend gewesen seien, sei jetzt auch der aus Afghanistan stammende Freund, den sie seit 2014 kenne, ein Fluchtgrund. Wenn ihre Familie davon erfahre, dass sie unverheiratet mit einem Mann eine Beziehung habe, so würde diese sie umbringen. Auch wenn die Tuberkulose an der sie gelitten habe, ausgeheilt sei und der Verdacht auf Brustkrebs sich nicht bestätigt habe, habe sie Angst, dass sie - sollte ihre Krankheit wieder auftreten - in Dagestan falsch behandelt werde.
2.5. Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindungmit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0187 bis 0189, mwN).
Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen „glaubhaften Kern“ aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung. Das dem Folgeantrag zugrundeliegend Vorbringen, hinsichtlich des Bestehens einer Liebesbeziehung zu einem Afghanen, widerspricht den früheren Angaben der BF und entbehrt sohin vor dem Hintergrund ihrer Angaben im Verfahren, welches zu dem 2018 in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Bescheid führte, der notwendigen Glaubwürdigkeit.
2.6. Demnach hat, wie die BF bei der Befragung im zweiten Verfahrensgang gegenüber der belangten Behörde angegeben hat, die Beziehung zu dem 2014 in Österreich kennengelernten Afghanen aufgrund des von der tschetschenischen Community ausgeübten Drucks Mitte 2017 geendet. Vor diesem Hintergrund ist die nunmehrige - im Folgeantrag erhobene und sodann in der Bescheidbeschwerde bekräftigte - Behauptung, wonach die Beziehung seit 2014, sohin seit 6 Jahren ununterbrochen bestehe, unglaubwürdig.
Selbst wenn man dem Bestehen einer Beziehung zu dem angeführten Mann den notwendigen Glauben schenken würde, so ist es nicht nachvollziehbar, dass das Bestehen dieser Beziehung und die daraus resultierende Furcht vor Sanktionen durch ihre Familie bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat bei gleichzeitigem offenkundig Werden derselben, im zweiten Verfahrensgang gegenüber der Behörde nicht aufrechterhalten wurde. Die BF lässt mit ihrem Vorbringen auch dahingehend eine Schlüssigkeit vermissen, als auch das frühere Bestehen einer Beziehung mit einem Mann mit dem sie nicht verheiratet war (auch wenn diese Beziehung nur von 2014 bis 2017 dauerte), in ihrer Argumentation dieselben Konsequenzen nach sich ziehen müsste wie die von ihr nunmehr ins Treffen geführte aktuelle Beziehung.
Im Verfahren, das zur rechtskräftigen Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz führte, wurde diesem Umstand seitens der BF jedoch keine relevante Bedeutung beigemessen.
Angesichts des Umstandes, dass die mit dem gegenständlichen neuen Vorbringen verbundenen Beweggründe schon bei der ersten Antragstellung vorhanden waren ist dieses nicht geeignet eine notwendige Änderung des zu beurteilenden Sachverhaltes nach sich zu ziehen.
2.7. Vollständigkeitshalber festzuhalten bleibt jedoch, dass sich aus dem nunmehrigen Vorbringen der BF keinesfalls der Eindruck einer glaubwürdigen Gefährdungslage ableiten lässt, hätte angesichts der wöchentlichen zwei bis dreimaligen telefonischen Kontakte mit ihrer in Russland lebenden Familie im Laufe der vergangenen Jahre die BF eine entsprechende missbilligende Rückmeldung erfahren müssen. Zumal die BF selbst angegeben hat, dass entsprechende Gerüchte von der tschetschenischen Community verbreitet würden. Diesbezügliche Angaben wurden von der BF im gesamten Verfahren nicht getätigt.
2.8. Auch im Hinblick auf Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung der beschwerdeführenden Partei in die Russische Föderation respektive Dagestan zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und diese im Falle einer Rückkehr in eine Situation geraten würden, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder dieser jedwede Lebensgrundlage fehlen würde.
Es ergibt sich aus den Länderfeststellungen zur Russischen Föderation respektive Tschetschenien, dass kein Grund besteht, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist.
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung in die Russische Föderation dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat auch – aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK – im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist – vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809 bis 0812, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139 bis 0143).
Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy).
2.9. Die BF litt bei ihrer Flucht nach Österreich an Tuberkulose, die in Österreich behandelt wurde und nunmehr, auch nach ihren eigenen Angaben, ausgeheilt sei. Auch der Verdacht auf Brustkrebs hat sich bei der BF nicht bestätigt. Die bei der BF bestehenden psychischen Probleme sind auch in ihrem Herkunftsstaat behandelbar. Insofern kann auch vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Situation der beschwerdeführenden Partei kein potentielles Rückkehrhindernis erkannt werden.
3. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§§ 57 und 55 AsylG sowie § 52 FPG) wird Folgendes erwogen:
3.1. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
3.2. Die BF befindet sich seit XXXX .01.2020 wiederum im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Ferner erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Verfahren nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).
3.5. Es wird weiters zu prüfen sein, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).
Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).
Im Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/01/0479, hat der Verwaltungsgerichtshof – unter Hinweis auf das Erkenntnis des VfGH vom 17. März 2005, VfSlg. 17.516, und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Fremdensachen – darauf hingewiesen, dass auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal etwa das Gericht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH 17. 2. 2007. 2006/01/0216). Eine lange Dauer des Asylverfahrens macht für sich allein keinesfalls von vornherein eine Ausweisung unzulässig (VwGH 2010/22/0094).
Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 17. 12.2007, 2006/01/0216; siehe die weitere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften: VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/0479; VwGH 16. 1. 2007, 2006/18/0453; jeweils VwGH 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; VwGH 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH 20. 9. 2006, 2005/01/0699).
Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).
Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; 17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, 282ff).
Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und