Entscheidungsdatum
24.08.2020Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I403 2233256-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Ungarn, gesetzlich vertreten durch seine Mutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 23.08.2018 informierte das Amt der Wiener Landesregierung, MA 35, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), dass die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers und seiner Mutter weggefallen seien. Am 04.12.2019 wurde die Mutter des Beschwerdeführers von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2019 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).
Mit Schriftsatz vom 14.01.2020, bei der belangten Behörde am 17.01.2020 eingelangt, erhob die gesetzliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Zugleich erhob sie auch Beschwerde gegen den sie betreffenden Bescheid, ebenfalls vom 18.12.2019, mit dem gegen sie ebenfalls eine Ausweisung ausgesprochen worden war, Beschwerde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.06.2020, GZ. G307 2227793-1/2E wurde der Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers stattgegeben und der sie betreffende Bescheid behoben.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers und der Bezug habende Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.07.2020 vorgelegt und unter einem mitgeteilt, dass aufgrund eines Fehlers der belangten Behörde die Beschwerde nicht gemeinsam mit der Beschwerde der Mutter, über die bereits entschieden worden sei (G307 2227793-1/2E), dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der minderjährige Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität und ist ungarischer Staatsbürger. Er lebt gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Onkel in einem gemeinsamen Haushalt. Die Mietkosten werden von seinen Verwandten gemeinsam getragen.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine Anmeldebescheinigung „Familienangehöriger“ und ist seit dem 31.05.2012 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet. Er kam im Alter von 8 Jahren nach Österreich und besucht hier die Schule. Sein Lebensmittelpunkt liegt im Bundesgebiet. Seine Mutter verließ Ungarn im Jahr 2011 aufgrund von erlebter Gewalt durch ihren früheren Mann. Diesem kommt keine Obsorge für den Beschwerdeführer zu und besteht auch kein Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater. Sein Vater bezahlt monatlich 64 Euro Unterhalt für den Beschwerdeführer.
Der Bezugsperson des Beschwerdeführers – seine gesetzliche Vertreterin und Mutter – verfügt über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht. Sie ist auf Arbeitssuche und bezieht aktuell Notstandshilfe.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts. Insbesondere wurden auch die Feststellungen im Erkenntnis des BVwG vom 22.06.2020, GZ: G307 222793-1/2E hinsichtlich der Mutter des Beschwerdeführers herangezogen. Aus der Einvernahme der Mutter am 04.12.2019 ergeben sich die Feststellungen über den Vater des Beschwerdeführers.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorgelegten Personalausweises fest.
Aus dem Auszug des ZMR geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit Mai 2012 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig ist.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.06.2020, GZ: G307 222793-1/2E wurde die von der belangten Behörde erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme aufgehoben und festgestellt, dass die Ausweisung der Mutter des Beschwerdeführers unzulässig ist und ihr ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich zukommt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:
Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet:
"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Gemäß § 55 Abs. 3 NAG hat die Behörde für den Fall, dass das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hiervon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:
„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“
Der mit „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 NAG lautet:
„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder
5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.
(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.“
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
Fallbezogen ergibt sich daraus:
Der Beschwerdeführer ist ungarischer Staatsbürger und als solcher auch Unionsbürger. Aufgrund des Umstandes, dass keine ausreichenden Existenzmittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG nachgewiesen wurden, kommt ihm selbst auf Basis der Freizügigkeitsrichtlinie nicht unmittelbar ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich zu.
Seiner Mutter kommt allerdings ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich zu (vgl. dazu Erkenntnis des BVwG vom 22.06.2020, GZ: G307 222793-1/2E, 14). Gemäß § 52 Abs 1 Z 2 NAG kommt dem Beschwerdeführer ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu, wenn ihm von seiner Mutter tatsächlich Unterhalt gewährt wird. Der Unterhalt des Beschwerdeführers wird durch seine Mutter organisiert, doch bezieht diese kein eigenes Einkommen, sondern Notstandshilfe und Familienbeihilfe.
Doch selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass dem Beschwerdeführer in Ableitung von seiner Mutter kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, kommt Abs. 2 des § 66 FPG iVm § 9 BFA-VG zum Tragen:
Nach § 66 Abs. 2 FPG und § 9 BFA-VG ist bei Erlassung einer auf § 66 FPG gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind.
Berücksichtigt man diese Aspekte, so ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Kindesalter nach Österreich kam, hier seine gesamte Schullaufbahn absolvierte, seit mehr als acht Jahren seinen Lebensmittelpunkt hat und dass seine Kernfamilie (Mutter, Schwester) hier lebt. Zu seinem in Ungarn lebenden Vater besteht kein Kontakt. Sein Lebensmittelpunkt liegt eindeutig in Österreich und kann ihm als Minderjährigen eine Trennung von seiner Mutter auch nicht zugemutet werden.
Setzt man diese Fakten in Beziehung zu den hier zum Tragen kommenden Bestimmungen des § 66 Abs. 2 und 3 FPG iVm. § 9 BFA-VG sowie Art 8 EMRK, so erscheint eine Ausweisung des Beschwerdeführers jedenfalls als unzulässig.
Im Ergebnis war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.
Schlagworte
Aufenthalt im Bundesgebiet Ausweisung Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub EWR-Bürger Integration Interessenabwägung Kassation Lebensmittelpunkt öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Unionsbürger UnterhaltsanspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2233256.1.01Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020