Entscheidungsdatum
28.08.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W146 2217024-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019, GZ. 1207182200-180905202, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte am 24.09.2018 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass er politisch aktiv gewesen sei im Iran. Das Regime habe sein Foto und sie hätten ihn verhaften und umbringen wollen.
Am 02.01.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er für einen Kunden eine Zeitung namens „Mujaheddin“ entwerfen hätte sollen. Damals habe er mit Politik nichts zu tun gehabt. Er habe lediglich den Auftrag des Kunden erledigt und ahnte nicht, dass es gefährlich werden würde. Zwei Tage nach Fertigstellung des Entwurfs seien drei Personen in sein Atelier gekommen. Sie hätten die Scheiben eingeschlagen und der Eigentümer des Ateliers habe sofort die Polizei gerufen. Die drei Personen hätten den Beschwerdeführer mit dem Messer angegriffen, der Beschwerdeführer habe jedoch durch die Hintertür fliehen können. Trotz der Blutung sei er zu seiner Oma gegangen und habe sich bei ihr versteckt. Der Eigentümer des Ateliers habe dann gemerkt, dass der Beschwerdeführer diese Entwürfe gemacht habe und habe ihn deshalb an die Polizei verraten. Die Mutter des Beschwerdeführers habe ihn dann benachrichtigt, dass die Behörden bei ihnen daheim nach dem Beschwerdeführer gesucht hätten. Der Laptop und die Kamera seien sichergestellt worden.
Auf der Flucht habe der Beschwerdeführer eine Familie kennengelernt und sie hätten mit ihm über das Christentum gesprochen und das habe ihn überzeugt Christ zu werden.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Das BFA sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Es habe festgestellt werden können, dass es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum um eine Scheinkonversion handle. Der Beschwerdeführer sei nicht politisch aktiv und habe an keinen Demonstrationen teilgenommen. Eine aktuelle Bedrohung des Beschwerdeführers durch den iranischen Staat habe nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe in seiner Heimat keinerlei Probleme aufgrund seiner Nationalität, Rasse, seiner politischen Einstellung oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe gehabt.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass es nach ständiger Rechtsprechung des VwGH bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung ankomme, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln sei.
Mit Schriftsatz des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 30.06.2020 wurden dem Bundesverwaltungsgericht Konvolute an Dokumenten vorgelegt, darunter der Taufschein und das Katechumenenprotokoll des Beschwerdeführers, eine Aufstellung der Glaubensaktivitäten des Beschwerdeführers samt Fotos, ein Schreiben von Dechant Dr. XXXX , Pfarramt XXXX , XXXX , mehrere Schreiben, wonach der Beschwerdeführer als Dolmetscher im Taufunterricht fungierte und Anderen bei der Vorbereitung zur Taufe eine große Hilfe gewesen sei, ein Schreiben der Mitbewohnerin des Beschwerdeführers, wonach diese durch ihn zum Wiedereintritt in die katholische Kirche bewogen worden sei, ein diesbezügliches Schreiben des Erzbischof von XXXX , ein Schreiben des Beschwerdeführers über seine Beweggründe für den Glaubensübertritt und Empfehlungsschreiben (auch von Mitgliedern der örtlichen Glaubensgemeinschaft).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran und führt den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer war ursprünglich muslimischen Glaubens. Auf seinem Fluchtweg kam er erstmals in Kontakt mit dem Christentum. Der Beschwerdeführer reiste im September 2018 in Österreich ein und besuchte erstmals im Oktober eine Kirche. Nach anfänglichen unbegleiteten Kirchenbesuchen nahm er ab Jänner 2019 wöchentlich an den Messen teil und begann mit dem Bibelstudium in XXXX . Im Februar 2019 wurde er in das Katechumenat aufgenommen. Dabei fungierte er auch als Dolmetscher. Am 12.01.2020 wurde der Beschwerdeführer in der Pfarrkirche XXXX getauft.
Der Beschwerdeführer überzeugte seine Mitbewohnerin zum Wiedereintritt in die katholische Kirche. Trotz Umzugs in eine andere Gemeinde besucht der Beschwerdeführer weiterhin regelmäßig die Sonntagsgottesdienste in der Pfarrkirche XXXX .
Sein Pfarrer und Mitglieder der Glaubensgemeinschaft bezeugen die aufrichtige Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum und seine Integration in die Glaubensgemeinschaft.
Es kann vor dem Hintergrund der nachangeführten Länderfeststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran wegen des Glaubenswechsels mit Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden in Form von Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen hat.
Zur Konversion im Iran enthält der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl folgende Ausführungen:
"Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Die Todesstrafe wird hauptsächlich bei Drogendelikten und Morden angewendet und seltener bei politischen „high-profile“ Fällen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wenn Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen verhängt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Oftmals lautet die Anklage jedoch auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Trotz des Verbots nimmt die Konversion zum sunnitischen Islam und zum Christentum weiter zu. Unter den Christen im Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken.
Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.
Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion eines Familienmitgliedes jedoch als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der oder die Konvertierte aus der Familie verbannt oder sogar den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen.
(…)
Konvertierte Rückkehr, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte das anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen.
(…)
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen im Iran unsicher, ob eine Taufe Auswirkungen hat; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers wurden bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.
Die Feststellungen zur Lage im Iran wurden bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffen.
Die asylrelevanten persönlichen Feststellungen waren aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich alleine mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zum Ausreisegrund nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien (vgl VwGH, 02.09.2015, Ra 2015/19/0091). Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer sich bereits vor seiner Einreise ins Bundesgebiet mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hat und dies nach seiner Einreise in Österreich fortsetzte, er regelmäßig an Gottesdiensten seiner Gemeinde teilnimmt, Beziehungen zu Pfarrgemeindemitgliedern geknüpft hat, nach dem Taufvorbereitungskurs getauft wurde, intensiv am religiösen Leben seiner örtlichen Pfarrgemeinde teilnimmt und andere beim Glaubensübertritt unterstützt, ergeben sich aus dem von ihm vorgelegten Taufschein, den mit Lichtbildern dokumentierten Glaubensaktivitäten, aus dem Schreiben des Dechant Dr. XXXX , Pfarramt XXXX , XXXX , sowie aus Schreiben von Mitglieder der Pfarrgemeinde, welcher der Beschwerdeführer angehört und dem Schreiben seiner Mitbewohnerin. Es besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung am Zeugnis jener Repräsentanten der Glaubensgemeinschaft des Beschwerdeführers zu zweifeln, zumal diese kein Interesse daran haben, den Ruf ihrer Glaubensgemeinschaft für Personen zu schädigen, von deren ernsthaften Hinwendung zu ihrer Glaubensgemeinschaft sie nicht überzeugt wären. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens trat eindeutig zu Tage, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich und nachhaltig aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat und zum Christentum konvertiert ist. Der Beschwerdeführer konnte sohin jedenfalls im Beschwerdeverfahren eine ernsthafte Konversion zum Christentum glaubhaft machen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).
Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Entscheidend ist demnach, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210).
Nach islamischem Verständnis im Iran bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen politischen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und der Beschwerdeführer ist daher bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.
Daher ist für den Beschwerdeführer von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen, auszugehen.
Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen.
Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben. Einer darüber hinausgehenden Beurteilung des übrigen Vorbringens des Beschwerdeführers bedurfte es angesichts des Spruchinhaltes nicht mehr.
Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 4 AsylG damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W146.2217024.1.00Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020