Entscheidungsdatum
31.08.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W225 2161995-2/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. WEIß LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1997, StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Mario ZÜGER, Seilergasse 16, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2018, Zl. 1094387900-180674863, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter um weitere zwei Jahre gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX 2015 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 25.10.2017 statt.
2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm aber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 01.06.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.09.2017, Zl. W231 2161995-1/10E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
5. Am 09.04.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
6. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 18.07.2018 wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) sowie dessen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 09.04.2018 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1997. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist traditionell verheiratet und hat ein Kind. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghazni geboren. In der Provinz Ghazni in Afghanistan leben von seinen Familienangehörigen die Geschwister sowie die Ehefrau und das Kind. Im Iran leben Tanten und Onkeln. Der Beschwerdeführer besuchte ca. acht Jahre lang die Schule. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf. Der Beschwerdeführer arbeitete in Afghanistan als Landwirt, Fliesenleger, Frisör und Taxifahrer. Seit dem XXXX 2015 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich nicht nennenswert weitergebildet. Der Beschwerdeführer ist seit dem XXXX 2018 in Österreich von der Grundversorgung abgemeldet und geht einer Erwerbstätigkeit nach.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers
Im Bescheid vom 01.06.2017 wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte außerhalb seiner Heimatprovinz Ghazni verfügen würde und dieser auch nie außerhalb seiner Heimatprovinz gelebt habe und der Beschwerdeführer somit nicht mit den regionalen Gegebenheiten in anderen Landesteilen von Afghanistan vertraut sei. Zudem führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer über keine Berufsausbildung verfügen würde und nur Berufserfahrung in Hilfsarbeitertätigkeiten gesammelt habe.
Im angefochtenen Bescheid vom 18.07.2018 wurde die Aberkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers geändert habe, da diesem nun eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung stehen würde und der Beschwerdeführer nun auch auf Rückkehrhilfe zurückgreifen könne.
Seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 01.06.2017 ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers eingetreten.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und in der Beschwerde. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, der Muttersprache, dem Lebenslauf, dem Aufwachsen sowie der familiären Situation in Afghanistan und im Iran, der Schul- und fehlenden Berufsausbildung und der Berufserfahrung gründen sich auf den diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellung zu der Erwerbstätigkeit und der Abmeldung aus der Grundversorgung ergibt sich aus der Einsicht in den Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem und den Angaben in der Beschwerde.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren bzw. auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers
Die Feststellungen hinsichtlich der Lage in Afghanistan und einer möglichen Änderung ergeben sich insbesondere aus einem Vergleich der dem Bescheid der belangten Behörde vom 01.06.2017 und dem Bescheid der belangten Behörde vom 18.07.2018 zugrundeliegenden Länderberichten, nämlich dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 02.03.2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 11.05.2017) und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018.
Vorab ist anzumerken, dass den Ausführungen der belangten Behörde nicht entnommen werden kann, warum es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Änderung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des Beschwerdeführers bzw. zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan gekommen ist, da diese in ihren Ausführungen im Wesentlichen auf die aktuelle Situation abstellt, ohne dabei eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob in den einzelnen Punkten eine maßgebliche Veränderung seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes stattgefunden hat.
Vergleicht man die allgemeinen sicherheitsrelevanten Vorfälle, so ist ersichtlich, dass sich diese über die Jahre leicht erhöht haben. Vergleicht man die Länderberichte in Bezug auf Kabul, so zeigt sich, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat und Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen ist. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erhöht. Auch in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers Ghazni ist es zu keiner maßgeblichen Verbesserung gekommen. Die Taliban und Aufständischen anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. In der Provinz kommt es zudem immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und den Aufständischen. Auch in Bezug auf Herat ist keine wesentliche Veränderung erkennbar. Schon zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes wurde im Länderbericht ausgeführt, dass es sich um eine relativ friedliche Provinz handelt. Zudem ist auch ersichtlich, dass sich die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle über die Jahre hinweg nicht wesentlich verändert hat. Auch in Bezug auf die Provinz Balkh zeigt sich ein ähnliches Bild. Schon zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes wurde im Länderbericht ausgeführt, dass die Hauptstadt Mazar-e Sharif eine Art „Vorzeigeprojekt“ Afghanistans fu?r wichtige ausländische Gäste darstellt und die Provinz Balkh zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan zählt. Auch im Bereich der Grundversorgung sind keine wesentlichen Verbesserungen erkennbar. Die Arbeitslosenquote ist seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten angestiegen. Auch in vielen anderen Bereichen zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Ebenso verhält es sich mit dem Angebot von diversen Unterstützungsnetzwerken (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO‘s), sodass nicht von einer wesentlich geänderten Situation für Rückkehrer auszugehen ist. Im Ergebnis ist daher nicht zu erkennen, dass es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Verbesserung der Lage in Afghanistan gekommen ist.
Die Feststellungen hinsichtlich der subjektiven und persönlichen Situation und einer möglichen Änderung erfolgte durch einen Vergleich der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der damit verbundenen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung einerseits und dem Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt andererseits.
Hinsichtlich der familiären Situation und dem sozialen Netzwerk des Beschwerdeführers in Afghanistan ist keine wesentliche Veränderung eingetreten. Die komplette Familie des Beschwerdeführers lebt, wie auch zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, in dessen Heimatprovinz bzw. im Iran. In den sicheren Städten Herat oder Mazar-e Sharif verfügt der Beschwerdeführer somit nach wie vor über kein tragfähiges soziales Netzwerk. Wenn die belangte Behörde vermeint, der Beschwerdeführer könne auch auf diverse Unterstützungsnetzwerke sowie auf die finanzielle Unterstützung seiner Familie zurückgreifen, so wäre ihm diese Möglichkeit wohl auch zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes zur Verfügung gestanden.
Auch an der fehlenden Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Der Beschwerdeführer hält sich seit Ende 2015 in Österreich auf. Wenn die belangte Behörde schon im Jahr 2017 davon ausgegangen ist, dass es für den Beschwerdeführer von Nachteil sein würde, nach seinem Auslandsaufenthalt ohne Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse zurückkehren zu müssen, so muss dies aktuell umso mehr gelten.
Auch bezüglich der Tatsache, dass der Beschwerdeführer über keine Berufsausbildung verfügt und zudem nur Berufserfahrung im Bereich von Hilfstätigkeiten sammeln konnte ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Die belangte Behörde selbst führt im angefochtenen Bescheid mehrfach an (S.9, 99 f. und 107), dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Arbeit nachgegangen sei. Das erkennende Gericht verkennt dabei nicht, dass der Beschwerdeführer seit dem XXXX 2018 von der Grundversorgung abgemeldet ist und einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Dieser verfügt allerdings nach wie vor über keine Berufsausbildung und kann deshalb nur untergeordnete Hilfsarbeitertätigkeiten ausführen. Im Hinblick darauf ist keine wesentliche Änderung bzw. Verbesserung des relevanten Sachverhalts zu erblicken.
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zusätzlich anführt, dass sich die Rechtsprechung im Hinblick auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Hinblick auf gesunde, alleinstehende, erwachsene, männliche afghanische Staatsangehörige geändert habe, so muss dieser dahingehend zugestimmt werden. Allerdings verkennt die belangte Behörde, dass die alleinige Änderung der Rechtsprechung keine Änderung des im Einzelfall relevanten Sachverhalts bedingt.
Insgesamt ist somit nicht ersichtlich, dass sich die subjektive und persönliche Situation des Beschwerdeführers, welche zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hat, wesentlich und nachhaltig geändert hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
3.1.1. § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:
„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“
3.1.2. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 enthält zwei unterschiedliche Aberkennungstatbestände. Dem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen. Der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN).
Die Heranziehung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
Als maßgeblich erweist sich, dass gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände, die für die Zuerkennung von subsidiären Schutz von Bedeutung waren, so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. in diesem Zusammenhang sowohl die […] Rechtsprechung zu den Leitlinien der Prüfung, ob ein „real risk" der Verletzung des Art. 3 MRK droht, nach der die "die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit" zu beurteilen ist bzw. es einer „ganzheitlichen Bewertung" der individuellen Situation des Fremden bedarf) (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
3.1.3. Aufgrund der oben getroffenen Feststellung ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten eingetreten.
An diesem Ergebnis kann auch eine allenfalls geänderte Rechtsprechung zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen nichts ändern. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder (wie gegenständlich auch nicht der Fall) neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden („nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496, mwN).
Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 - sowie auch gemäß erster Fall leg.cit. - lagen und liegen weiterhin sohin gegenständlich nicht vor.
3.1.4. Der Beschwerde ist daher zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides stattzugeben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides – Abweisung des Antrags auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung
3.2.1. § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
[…]“
3.2.2. Da der Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattzugeben war und dem Beschwerdeführer aufgrund der Behebung der Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zukommt, ist nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Eine mündliche Verhandlung konnte im Fall des Beschwerdeführers deshalb unterbleiben, weil aus dem Inhalt des dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakts die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung familiäre Situation individuelle Verhältnisse Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Verlängerung Versorgungslage wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W225.2161995.2.00Im RIS seit
20.11.2020Zuletzt aktualisiert am
20.11.2020