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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Uba Nworah in Wien, geboren am 22. November 1962, vertreten durch Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in Wien XII, Wilhelmstraße 54, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Jänner 1996, Zl. 4.343.505/13-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, der am 30. August 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. September 1993, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.
Mit Bescheid vom 6. März 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Dieser Bescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 94/19/1216, infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, aufgehoben. In der Folge wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. Jänner 1996 die Berufung abermals gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 9. September 1993 angegeben, er werde als Mitglied des Komitees für Menschenrechte, dem er seit 1988 angehöre, vom Geheimdienst der neuen Übergangsregierung gesucht, weil von diesem Komitee Seminare veranstaltet worden seien. Er habe in Lagos, das von seinem Heimatort ca. 580 km entfernt sei, eine Autowerkstätte besessen, die am 18. August 1993 von Agenten des Geheimdienstes angezündet worden sei. Als der Beschwerdeführer davon erfahren habe, sei er nach Lagos gefahren. In der Zwischenzeit habe die lokale Polizei seines Heimatortes seinen Vater verhört und aufgefordert, sich täglich bei der Polizeistation zu melden. Vom Beschwerdeführer informierte Mitglieder der Menschenrechtsorganisation hätten ihm geraten, das Land zu verlassen, und hätten für ihn die komplette Flucht sowie Visa für Jugoslawien und Österreich organisiert. Bereits nach den Wahlen am 12. Juni 1993 hätten viele Mitglieder ein Mitglied mit der Besorgung von Visa beauftragt, weil unmittelbar nach diesen Wahlen viele Mitglieder der Organisation erschossen oder verhaftet worden seien. Der Beschwerdeführer sei Vorsitzender des Unterkomitees gewesen und habe die Aufgabe gehabt, die Übergangsregierung dazu zu bewegen, zurückzutreten bzw. der gewählten Zivilregierung die Macht zu überlassen. Er habe auch mehrere Auslandsreisen unternommen, um die Präsidenten der Dritten Welt auf die Probleme der Dritten Welt und die dort vorkommenden Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Das Büro der Organisation sei zu einem ihm unbekannten Datum geschlossen worden. Danach hätten sie sich auf Grund von nicht geheimen Aufrufen im Rundfunk ein- bis zweimal pro Monat vor dem Nationaltheater getroffen, wobei dann über Politik und Menschenrechte diskutiert worden sei. Es seien durchschnittlich zwischen 200 und 300 Menschen gekommen; zweimal im Jahr sei es auch vorgekommen, daß über eine Million Teilnehmer, die alle Mitglieder gewesen seien, erschienen seien. Aus der Wahl vom 12. Juni 1993 sei die "SDP" als Wahlsiegerin hervorgegangen; der Beschwerdeführer gehöre dieser Partei nicht an, doch sei es das Ziel seiner Organisation, zu erreichen, daß diese Partei auch tatsächlich an die Macht gelange. Die Bevölkerung sei aber informiert worden, daß die Militärregierung die Macht nicht an diese Partei, sondern an eine Übergangsregierung abgeben werde. Zu dieser Zeit seien der Obmann und der Generalsekretär der Organisation des Beschwerdeführers bereits in Haft gewesen. Zur Art der Verfolgung durch den Geheimdienst befragt, gab der Beschwerdeführer lediglich an, man habe ihn gesucht, um ihn zu verfolgen, weil er an öffentlichen Orten Plakate angebracht und im Zusammenhang mit mehreren Demonstrationen Transparente getragen habe. Die Vermutung, daß der Geheimdienst sein Geschäft angezündet habe, gründe sich darauf, daß man ihm erzählt habe, es sei dort Militär patrouilliert und vorbeigefahren, als die Flammen in die Höhe geschlagen seien. Im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria würde dem Beschwerdeführer seiner Ansicht nach Ermordung bzw. Inhaftierung für unbestimmte Zeit drohen.
Die Behörde erster Instanz hob in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides hervor, der Beschwerdeführer sei weder in der Lage gewesen, konkrete Angabe über die von ihm angeführte Organisation zu machen, noch sei es ihm gelungen, Verfolgungshandlungen glaubhaft darzustellen. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal ansatzweise Umstände anführen können, aus denen abgeleitet werden könnte, er habe Verfolgung durch die Behörden seines Heimatlandes zu befürchten gehabt bzw. im Fall seiner Rückkehr zu befürchten. Die Angaben des Beschwerdeführer bezüglich des Brandes seiner Kfz-Werkstätte und des Geheimdienstes stellten sich als durch nichts bewiesene Annahmen und Hypothesen dar. Da der Beschwerdeführer ohne Schwierigkeiten habe ausreisen können, sei es als wahrscheinlich anzusehen, daß an einer Verfolgung seiner Person kein Interesse bestehe.
In seiner Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer seine Angaben vor der Behörde erster Instanz und betonte, wegen seiner Menschenrechtsaktivitäten von der Geheimpolizei verfolgt worden zu sein.
Die belangte Behörde hat den die Angaben des Beschwerdeführers wiedergebenden Teil des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben und sich vollinhaltlich den die Frage der Flüchtlingseigenschaft betreffenden Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides angeschlossen. Ein Anlaß, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, bestehe nicht. Da der Beschwerdeführer Verfolgung weder zu befürchten gehabt noch im Fall seiner Rückkehr zu befürchten habe, komme ihm Flüchtlingseigenschaft nicht zu und sei die Gewährung von Asyl an ihn ausgeschlossen.
Dem Beschwerdeführer ist zunächst insoweit beizupflichten, als er der Auffassung der belangten Behörde, er sei nicht in der Lage gewesen, genaue Angaben zu machen, entgegengehalten hat, er habe bei seiner Einvernahme Details über die Organisation, der er angehört habe, angegeben. Der belangten Behörde kann aber nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die lediglich auf die Anwesenheit von Militär beim Brand seiner Werkstatt gestützten Behauptungen, Agenten des Geheimdienstes hätten den Brand gelegt, als bloße Hypothesen und Annahmen gewertet hat. Der belangten Behörde ist auch darin zu folgen, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, Verfolgungshandlungen glaubhaft zu machen, weil - wie sich aus der Niederschrift über seine Einvernahme ergibt - der Beschwerdeführer trotz mehrfachen Befragens keinerlei über die bloße, in keiner Weise näher konkretisierte Behauptung, er sei gesucht worden, hinausgehende, von staatlichen Behörden ausgehende, gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen anführen konnte. Daß die Verhöre seines Vaters mit der Suche nach dem Beschwerdeführer in Zusammenhang gestanden seien, hat er nicht behauptet. Vielmehr hat er angegeben, er wisse nicht, worüber dieser befragt worden sei.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmals die Protokollierung seiner Einvernahme als unvollständig rügt, unterliegt er mit diesem Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Gleiches gilt für die Beschwerdeausführungen, mit denen nunmehr erstmals das Vorliegen eines Haftbefehls wegen "Sabotage und Verhetzung", die Verhaftung des Vaters des Beschwerdeführers, um dessen Festnahme zu erzwingen, Festnahmeversuche durch die Sicherheitsbehörden sowie die Unmöglichkeit, den Brandanschlag bei den Behörden anzuzeigen, geltend gemacht werden.
Die Ausführungen, mit denen der Beschwerdeführer sich gegen den durch das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995 aufgehobenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. März 1994 wendet, gehen ins Leere, weil dieser Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehört und die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid auf diesen Bescheid keinerlei Bezug genommen hat.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie sei der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da auch sonst ein für die Entscheidung wesentlicher Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010139.X00Im RIS seit
20.11.2000