Entscheidungsdatum
07.09.2020Norm
AuslBG §12aSpruch
W156 2231973-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Alexander Wirth als Beisitzer über den Vorlageantrag in Verbindung mit der Beschwerde der XXXX GmbH gegen die Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice Tulln an der Donau vom 20.05.2020, Zl. ABB-Nr. XXXX , zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 20.05.2020 wird ersatzlos wegen Unzuständigkeit des AMS Tulln an der Donau behoben
II. Der Beschwerde wird stattgegeben. Das Arbeitsmarktservice Tulln an der Donau hat der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, zuständigen Behörde schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der A XXXX P XXXX zu einer Beschäftigung als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG bei der XXXX GmbH erfüllt sind.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1. XXXX , Staatsangehörigkeit Bosnien-Herzegowina, geb. XXXX (in Folge: mitbeteiligte Partei, kurz mbP) stellte am 27.12.2019 beim Landeshauptmann von Wien, MA 35, einen Antrag auf Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß § 41 Abs. 2 Z1 NAG (Fachkraft im Mangelberuf) und legte dem Antrag eine Arbeitgeberklärung bei, aus der hervorgeht, dass die XXXX GmbH (in Folge: Beschwerdeführerin, kurz BF) beabsichtige, sie als Personalverrechnerin mit einer Bruttoentlohnung von € 2.000,00 monatlich im Ausmaß von 40 Wochenstunden im eigenem Betrieb für die Tätigkeit "Lohn- und Gehaltsabrechnerin" unbefristet zu beschäftigen. Weiters legte sie dem Antrag eine beglaubigte Übersetzung über ihre Versicherungszeiten in Bosnien-Herzegowina, eine Bewertung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die Bewertung ihrer Ausbildung an der Universität in XXXX , wonach diese dem österreichischen Studium der Betriebswirtschaft gleichzuhalten sei, eine Kopie des Diploms der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät XXXX über den Abschluss zur diplomierten Wirtschaftswissenschaftlerin, Empfehlungsschreiben der XXXX AG, ÖSD Zertifikat B1 vom 14.11.2019, bei.
2. Mit Schreiben vom 30.12.2019 übermittelte der Landeshauptmann von Wien, MA 35 der Landesgeschäftsstelle Niederösterreich des Arbeitsmarktservice (in Folge: AMS) den Antrag samt Beilagen mit dem Ersuchen um schriftliche Mitteilung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte vorliegen.
3. Mit Schreiben vom 09.01.2020 wurde die BF aufgefordert, die konkreten Tätigkeiten und Aufgaben der Antragstellerin bekannt zu geben sowie, ob die Antragstellerin alleinige Lohn- und Personalverrechnerin sein solle, und wurde die BF aufgefordert, den Dienst(vor)vertrag incl. kollektivvertraglicher Einstufung sowie die Lohn- und Gehaltstabelle des anzuwendenden Kollektivvertrages vorzulegen. In einem wurde die BF darauf aufmerksam gemacht, dass Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 nicht ausreichend für die angestrebte Tätigkeit seien.
4. Mit Schreiben vom 20.01.2020 wurden die geforderten Unterlagen sowie ein Dienstzeugnis der mbP vorgelegt, der Tätigkeitsbereich beschrieben und festgehalten, dass die mbP bei Arbeitsantritt einen intensiven Deutschkurs besuchen werde.
5. Mit Parteiengehör vom 23.01.2020 teilte das AMS der BF mit, dass aufgrund der laut Dienstvertrag angeführten Tätigkeiten wie allgemeine Büroarbeiten, Vorbereitung für die Buchhaltung und Lohnverrechnung sowie den zu geringen Deutschkenntnissen die Voraussetzungen für die Zulassung zur Fachkraft in einem Mangelberuf nicht erfüllt seien.
6. In der Stellungnahme der BF vom 03.02.2020 wurde festgehalten, dass die mbP lediglich in den Leerzeiten andere Bürotätigkeiten verrichten würde und bei einer Kommunikation mit Behörden eine zweite Personalverrechnerin zur Verfügung stehen würde.
7. Mit Bescheid des AMS vom 14.02.2020 wurde der Antrag abgewiesen.
8. Dagegen erhob die BF fristgerecht am 13.03.2020 Beschwerde der BF an das Bundesverwaltungsgericht.
9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.05.2020 bestätigte das AMS den abweisenden Bescheid vom 14.02.2020.
10. Die BF beantragte fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
11. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.06.2020 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung W 156 zugeteilt.
12. Am 27.08.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die mbP, Staatsangehörigkeit Bosnien-Herzegowina, geb. XXXX , stellte am 27.12.2019 beim Landeshauptmann von Wien, MA 35 einen Antrag auf Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß § 41 Abs. 2 Z1 NAG (Fachkraft im Mangelberuf).
Dem Antrag beigelegt waren:
- beglaubigte Übersetzung über ihre Versicherungszeiten in Bosnien-Herzegowina,
- eine Bewertung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die Bewertung ihrer Ausbildung an der Universität in XXXX , wonach diese dem österreichischen Studium der Betriebswirtschaft gleichzuhalten sei,
- eine Kopie des Diploms der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät XXXX über den Abschluss zur diplomierten Wirtschaftswissenschaftlerin,
- Empfehlungsschreiben der XXXX AG,
- ÖSD Zertifikat B1 vom 14.11.2019.
Nachgereicht wurde im Beschwerdeverfahren ein aktuelles Sprachdiplom Deutschprüfungszeugnis B2 vom 07.07.2020.
Die mbP kann eine Berufsausbildung als Lohnverrechnerin in Bosnien im Ausmaß von 15 Jahren und 1 Monat nachweisen.
Die mbP wird bei der BF als Personalverrechnerin mit einer Bruttoentlohnung von € 2.200,00 monatlich im Ausmaß von 40 Wochenstunden im eigenem Betrieb für die Tätigkeit "Lohn- und Gehaltsabrechnerin" unbefristet beschäftigt.
Für den Betrieb der BF gelangt der Kollektivvertrag für Personenbeförderung zur Anwendung, wonach in der hier anzuwendenden Beschäftigungsgruppe 4 ein Mindestgehalt von € 2.048,20 zur Anwendung kommt.
Die BF leistet ihren Mitarbeitern nach 3 Monaten überkollektivliche Zahlungen in Höhe von rund € 200.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie der mündlichen Verhandlung, in der die BF glaublich darlegen konnte, dass die mbP ausschließlich zu Tätigkeiten, die der Lohnverrechnung zuzurechnen sind, herangezogen werden soll.
Dass die mbP die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 55 Punkten erreicht, wurde vom AMS nicht bestritten, sondern bereits im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt.
Dass die BF der mbP ein monatliches Bruttogehalt von € 2.200 bereit ist zu zahlen, ergibt sich aus den Angaben der BF in der mündlichen Verhandlung.
Dass die mbP in den von der BF als „Leerzeiten“ bezeichneten Zeiten Tätigkeiten, die der Lohnverrechnung zuzurechnen sind, verrichten soll (wie Bereitstellung von Daten aus der Kostenverrechnung, Archivieren und Vernichten von Akten der Lohnverrechnung, Abgleich der tatsächlichen Arbeitszeit mit den elektronischen Aufzeichnungen), wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich, und ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass die BF in den Parteiengehören dies missverständlich ausdrückte.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Verfahrensrechtlichen Bestimmungen
§ 14 Abs. 1 VwGVG lautet:
„Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.“
3.2. Materiellrechtliche Bestimmungen:
§12a AuslBG idF BGBl NrI 25/2011 lautet:
" Fachkräfte in Mangelberufen
§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und
sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt."
"Fachkräfteverordnung
§ 13. (1) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz legt im Falle eines längerfristigen Arbeitskräftebedarfs, der aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial nicht abgedeckt werden kann, zur Sicherung des Wirtschafts- und Beschäftigungsstandortes im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend durch Verordnung für das nächstfolgende Kalenderjahr Mangelberufe fest, in denen Ausländer als Fachkräfte gemäß § 12a zugelassen werden können. Als Mangelberufe kommen Berufe in Betracht, für die pro gemeldeter offener Stelle höchstens 1,5 Arbeitsuchende vorgemerkt (Stellenandrangsziffer) sind. Berufe mit einer Stellenandrangsziffer bis zu 1,8 können berücksichtigt werden, wenn weitere objektivierbare Mangelindikatoren, insbesondere eine erhöhte Ausbildungsaktivität der Betriebe festgestellt werden oder der betreffende Beschäftigungszweig eine überdurchschnittlich steigende Lohnentwicklung aufweist. Die von Arbeitskräfteüberlassern gemäß § 3 Abs. 2 AÜG gemeldeten offenen Stellen sind bei der Ermittlung der Stellenandrangsziffer gesondert auszuweisen.
(2) Ein vom Verwaltungsrat des Arbeitsmarktservice Österreich gemäß den Bestimmungen des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. I Nr. 313/1994, einzurichtender Ausschuss kann nach Maßgabe des Abs. 1 einvernehmlich Vorschläge für die Festlegung von Mangelberufen erstatten. Wird kein Einvernehmen erzielt, können die Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gesonderte Vorschläge erstatten."
"Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler
§ 20d.
(1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“, Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine „Blaue Karte EU“ und ausländische Künstler den Antrag auf eine „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde – je nach Antrag – schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung
1.
als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12
2.
als Fachkraft gemäß § 12a,
3.
als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,
4.
als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),
5.
als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine „Blaue Karte EU“) oder
6.
als Künstler gemäß § 14
erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.
(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(3- 4) […]
(5) Abweichend von Abs. 2 erster Satz ist die Beschäftigung von Fachkräften gemäß § 12a, die in einem Mangelberuf für bestimmte Bundesländer zugelassen werden, auf Betriebsstätten des Arbeitgebers in diesem Bundesland beschränkt. Die Erbringung von Arbeitsleistungen auf auswärtigen Arbeitsstellen iSd § 2 Abs. 3 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (ArbIG), BGBl. 27/1993 (Anm.: richtig: BGBl. Nr. 27/1993) ist zulässig.“
Gemäß § 13 Abs. 1 AuslBG legt der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz im Falle eines längerfristigen Arbeitskräftebedarfs, der aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial nicht abgedeckt werden kann, zur Sicherung des Wirtschafts- und Beschäftigungsstandortes im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend durch Verordnung für das nächstfolgende Kalenderjahr Mangelberufe fest, in denen Ausländer als Fachkräfte gemäß § 12a zugelassen werden können.
Mit BGBl. II Nr. 96/2019 wurden vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für das Jahr 2019 Mangelberufe für die Beschäftigung von ausländischen Fachkräften festgelegt (Fachkräfteverordnung 2019).
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 44 dieser Verordnung dürfen Ausländer im Mangelberuf Lohn-, Gehaltsverrechner/innen nach Maßgabe des § 12a AuslBG zu einer Beschäftigung als Fachkraft für eine Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet zugelassen werden.
Anlage B lautet:
Anlage B
Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a
Kriterien
Punkte
Qualifikation
maximal anrechenbare Punkte: 30
abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf
20
allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120
25
Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer
30
ausbildungsadäquate Berufserfahrung
maximal anrechenbare Punkte: 20
Berufserfahrung (pro Jahr)
Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)
2
4
Sprachkenntnisse Deutsch
maximal anrechenbare Punkte: 15
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)
Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)
Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5
10
15
Sprachkenntnisse Englisch
maximal anrechenbare Punkte: 10
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2)
Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5
10
Alter
maximal anrechenbare Punkte: 15
bis 30 Jahre
bis 40 Jahre
15
10
Summe der maximal anrechenbaren Punkte
90
erforderliche Mindestpunkteanzahl
55
3.3.Zu A I: Behebung der Beschwerdevorentscheidung
Gemäß dem – nunmehr anzuwendenden – § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 20.05.2020 beantragte die BF die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.
Aus der Entstehung der den Vorlageantrag regelnden Gesetzesbestimmung des § 15 VwGVG und den Gesetzesmaterialien ist zu schließen, dass nach Stellung eines Vorlageantrages die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft tritt, sondern der Bescheid in der durch die Beschwerdevorentscheidung geänderten Fassung der gerichtlichen Entscheidung zugrundezulegen ist (vgl. dazu etwa Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 15 Rz 9; VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Es ist daher grundsätzlich vom Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung auszugehen.
Allerdings ist die Zuständigkeit des AMS bereits mit Ablauf der zweimonatigen Frist, dies wäre der 13.05.2020 gewesen, zur Erlassung der Vorentscheidung untergegangen (die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wurde am 13.03.2020 erhoben, die Beschwerdevorentscheidung am 20.05.2020 erstellt und am 29.05.2020 zugestellt, vgl. dazu Eder/Marschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 14 K7). Die Beschwerdevorentscheidung ist damit von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und schon aus diesem Grund rechtswidrig.
Im Einleitungssatz des § 27 VwGVG wird ausdrücklich festgehalten, dass die Bindung an das Beschwerdevorbringen nur insoweit greifen soll, „soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet“. Das erkennende Gericht hat daher jedenfalls auch die (sachliche, funktionelle oder örtliche) Unzuständigkeit der Behörde von Amts wegen aufzugreifen, auch wenn sie der Beschwerdeführer – wie im gegenständlichen Fall – in der Beschwerde nicht geltend gemacht hat, und Bescheide unzuständiger Behörden jedenfalls aufzuheben. Die Unzuständigkeit ergibt sich im gegenständlichen Fall daraus, dass die belangte Behörde bei der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung die Grenzen des § 14 Abs. 1 VwGVG überschritten hat und die Entscheidung deutlich verspätet erlassen hat.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war somit der Bescheid vom 14.02.2020, gegen den Beschwerde erhoben wurde.
3.4. Zu A II) Stattgebung der Beschwerde
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet aufgrund der Aktenlage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung.
Die mbP hat bereits im erstinstanzlichen Entscheidungszeitpunkt die erforderliche Punkteanzahl nachgewiesen:
Der mbP sind für ihre Qualifikation (Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer) 30 Punkte zu vergeben, für die Deutschkenntnisse (nachgewiesen durch Vorlage eines aktuellen Deutschprüfungszeugnis B2) weitere 15 Punkte und für die Berufserfahrung im Ausmaß von 15 Jahren 20 Punkte, sohin 65 Punkte.
Somit ist die nötige Punkteanzahl von 55 erreicht und sind die Kriterien gemäß Anlage B erfüllt.
Durch die Erhöhung des beabsichtigten monatlichen Bruttogehalts auf € 2.200 wurden von der BF auch die Lohnbedingungen des § 12a Abs. 1 Z 3 AuslBG erfüllt, da für die beabsichtigte Beschäftigung das der BF nach Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung gewährt wird.
Hinweise, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG mit Ausnahme der Z 1 nicht erfüllt sind, wurden von der belangten Behörde nicht vorgebracht und ergeben sich auch aus dem vorgelegten Akt nicht.
Sofern das ASM vorbringt, dass die mbP zu Beginn ihrer Tätigkeit bis Beendigung der Einschulung durch die BF lediglich Vorbereitungsarbeiten in der Lohnverrechnung erbringen könne und daher die Qualifizierung als Fachkraft im Mangelberuf fraglich sei, ist anzumerken, dass den Erläuterungen (1077 Blg. NR 24. GP, RV, S 12 und 13) zu § 12a AuslBG nicht zu entnehmen ist, dass das Erfordernis einer betriebsinternen Einschulung der Zulassung als Schlüsselkraft hinderlich ist, zumal bei der Aufnahme des Mangelberufes Lohnverrechnerin dem Gesetzgeber wohl bewusst gewesen sein wird, dass eine im Ausland erworbene Ausbildung inhaltlich nicht mit einer österreichischen völlig ident sein kann. Es wird hierzu lediglich folgendes bemerkt:
„Es können somit nur Fachkräfte zugelassen werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen, die einem Lehrabschluss vergleichbar ist. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) in Österreich entspricht.“
Da die mbP die geforderte Mindestpunkteanzahl, war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beschwerdevorentscheidung ersatzlose Behebung Fachkräfteverordnung Fristablauf Punktevergabe Qualifikation Rot-Weiß-Rot-Karte UnzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2231973.1.00Im RIS seit
20.11.2020Zuletzt aktualisiert am
20.11.2020