TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/10 G311 2220456-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G311 2220456-3/7E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 05.08.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Nigeria, BFA-Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 05.08.2020, zu Recht erkannt:

A)       Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Feststellungen:

Der Fremde stellte erstmalig am 03.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2016, Zl. W144 1437981-1/5E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Darüber hinaus wurde das Verfahren hinsichtlich der erlassenen Ausweisung zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen.

Mit Bescheid des BFA vom 12.07.2017 wurde dem Fremden ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Es wurde gemäß § 52 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt und überdies gegen den Fremden ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2018, Zl. I412 1437981-2/12E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Der Fremde kam seiner Ausreiseverpflichtung in der Folge nicht nach, sodass das BFA bei der für den Fremden zuständigen Vertretungsbehörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht wurde.

In der Zwischenzeit wurde der Fremde nach bereits zwei einschlägigen Vorverurteilungen in den Jahren 2014 und 2016 mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019, XXXX , wegen Suchtmitteldelikten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Am 07.05.2019 wurde für den Fremden ein bis 06.07.2019 gültiges Heimreisezertifikat seitens der zuständigen Vertretungsbehörde ausgestellt. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 19.05.2019 wurde über den sich im Stande der Strafhaft befindenden Fremden die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2019, Zl. G305 2220456-1/12E, als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und der Fremde zum Kostenersatz in Höhe von EUR 426,20 verpflichtet.

Während der noch andauernden Anhaltung in Strafhaft und acht Tage vor dem geplanten Termin seiner Abschiebung stellte der Fremde am 10.03.2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk vom 11.03.2019 wurde der Schubhaftbescheid vom 15.05.2019 aufgehoben. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 12.03.2020 wurde dem Fremden mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 10.03.2020 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Gegen den Beschwerdeführer wurde ein Festnahmeauftrag erlassen und er nach Entlassung aus der Strafhaft am XXXX .03.2020 in ein Polizeianhaltezentrum überstellt. Noch am XXXX .03.2020 wurde der Fremde niederschriftlich vor dem BFA hinsichtlich der rechtskräftig bestehenden Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot und der trotz neuerlicher Asylantragstellung in Aussicht genommenen Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes einvernommen.

Mit Bescheid des BFA vom XXXX .03.2020, Zahl: XXXX , wurde über den Beschwerdeführer neuerlich die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Gegen die Anordnung der Schubhaft mit Bescheid vom XXXX .03.2020 erhob der Beschwerdeführer keine Beschwerde. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am 20.03.2020 wurde der Fremde im Asylverfahren niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Mit am 20.03.2020 mündlich verkündeten Bescheid hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Absatz 2 AsylG auf.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.05.2020, Zl. I417 1437981-1/5E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG als rechtmäßig erkannt. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zur Folgeantragstellung des Fremden im Wesentlichen aus, dass in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Fremden in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage in Nigeria festgestellt werde, dass der Fremde im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein werde. Wenngleich der Fremde nach der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung mit seiner Lebensgefährtin noch eine Tochter in Österreich bekommen habe, habe sich im Hinblick auf sein schützenswertes Familienleben im Bundesgebiet insoweit keine Sachverhaltsänderung ergeben, als er nach wie vor keine Angehörigen in Österreich habe, welchen ein Aufenthaltsrechts zukomme. Auch der Antrag seiner Tochter auf internationalen Schutz sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig negativ entschieden und gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Sowohl der Lebensgefährtin als auch den beiden Kindern des Fremden sei bereits ein Heimreisezertifikat seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde erteilt worden, sodass nicht von deren Verbleit in Österreich ausgegangen werden könne. Der Fremde sei gesund und erwerbsfähig. Es sei nicht ersichtlich, dass seine Abschiebung nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringe. Es würden keine Umstände existieren, welche eine Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenständen. Der Fremde verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung und werde der verfahrensgegenständliche Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein.

Die für 24.06.2020 bzw. 25.06.2020 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers und seiner Familie musste am 19.06.2020 aufgrund der aktuellen Lage in Bezug auf die Corona-Pandemie abgebrochen werden.

Im Zuge des in der Folge von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Zahl G303 2220456-2 wurde mit mündlich verkündeter Entscheidung vom 09.07.2020 festgestellt, dass zum Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. In den Entscheidungsgründen hielt das Bundesverwaltungsgericht in der mündlich verkündeten Entscheidung vom 09.07.2020 Folgendes fest:

„In der gegenständlichen Rechtssache wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 ZI FPG angeordnet. Danach ist die Anordnung der Schubhaft nur möglich, wenn neben Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 FPG als zusätzliche Haftvoraussetzung vorliegt.

Der BF wurde in Österreich bereits dreimal nach dem SMG rechtskräftig verurteilt.

Zuletzt wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019 wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a, Abs. 3, 15 StGB zu einer unbedingten Haftstrafe von fünfzehn Monaten rechtskräftig verurteilt.

Dieser rechtskräftigen Verurteilung liegt unter anderem zugrunde, dass der BF am XXXX .2019 in der U-Bahnstation XXXX und dem davor befindlichen XXXX öffentlich gegen Entgelt noch auszuforschenden Abnehmern Kokain überlassen bzw. zu überlassen versuchte, indem er eine Kugel szenetypisch verpackt in seinem Mund zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf bereithielt.

Die Umstände, dass der BF mehrmals strafrechtswidrig gegen das SMG verstoßen hat und während seiner offenen Probezelt erneut eine Tat beging, weisen insgesamt auf ein schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten und auf eine hohe kriminelle Energie des BF hin, was unzweifelhaft eine Erheblichkeit der Gefahr annehmen lässt. Da der BF seine letzte Tat erst am XXXX .2019 begangen hat und sich seither in Haft befindet, besteht auch eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, welche vom BF ausgeht.

Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, stellt jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) dar. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 21. 2011/23/0556; 20.12.2012, ZI. 2011/23/0554).

Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten des BF von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging.

Gegen den BF besteht eine seit 06.06.2018 rechtskräftige Rückkehrentscheidung und ein vierjähriges Einreiseverbot. Damit erfüllt er den Fluchtgefahr-Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG.

Der BF stellte im Stande der Strafhaft am 10.03.2020 einen Asylfolgeantrag. Hinsichtlich des Antrages wurde mittels mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 20.03.2020 der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Mittels rechtskräftigem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.05.2020 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist. Damit erfüllt er den Fluchtgefahr-Tatbestand des §76 Abs. 3 Z4 FPG.

In Österreich leben die Lebensgefährtin des BF und zwei minderjährige Kinder. Gegen diese bestehen ebenfalls rechtskräftige Rückkehrentscheidungen nach Nigeria und diese zur Ausreise verpflichtet.

Der BF hat in Österreich keine soziale und berufliche Verankerung. Er verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz. Damit erfüllt er den Fluchtgefahr-Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z9 FPG.

Die Fortsetzung der Schubhaft, welche seit XXXX .03.2020 andauert, ist auch unter Berücksichtigung der in § 80 FPG vorgesehenen Regelung über die Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zulässig und zur Erreichung des Sicherungszwecks verhältnismäßig.

Es wurde bereits in der Vergangenheit seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde zwei Mal ein HRZ ausgestellt. Daher ist diesbezüglich auch mit einer weiteren Ausstellung eines HRZ zu rechnen.

Derzeit ist zwar eine Rückführung des BF nach Nigeria aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich. Diesbezüglich ist jedoch davon auszugehen, dass dies den nächsten Wochen möglich sein wird, da es sich bei den derzeitigen Restriktionen um zeitlich begrenzte Maßnahmen handelt. Ein Schubhaftverfahren erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021), was im gegenständlichen Fall nach Ansicht des erkennenden Gerichtes der Fall ist.“

Der Fremde ist volljährig, Staatsangehöriger von Nigeria, Angehöriger der Volksgruppe der Agbo und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Fremde besitzt kein gültiges Reisedokument.

Er leidet im Entscheidungszeitpunkt nicht an schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstünden.

Der Beschwerdeführer hat eine ebenfalls in Österreich aufhältige Lebensgefährtin, mit der er einen am XXXX .2016 geborenen Sohn und eine am XXXX .2019 geborene Tochter hat. Die Asylverfahren seiner Lebensgefährtin, seines Sohnes und seiner Tochter wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.05.2018, Zl. I412 2166308-1/12E, vom 31.05.2018, Zl. I412 2166311-1/10E, und vom 20.08.2019, Zl. I412 2222145-1/2E, rechtskräftig abgewiesen und die seitens des BFA jeweils getroffenen Rückkehrentscheidungen bestätigt. Der Lebensgefährtin und den Kindern des Fremden kommt im Bundesgebiet kein Aufenthaltsrecht zu und wurden auch ihnen bereits Heimreisezertifikate seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde erteilt. Zum Entscheidungszeitpunkt leben die Lebensgefährtin und die beiden Kinder des Fremden in einer Zweizimmerwohnung in XXXX . Gegen diese wurde mit Mandatsbescheiden des BFA vom 12.03.2020 bzw. 13.03.2020 Wohnsitzauflagen gemäß § 57 Abs. 1 FPG erlassen.

Darüber hinaus liegen keine privaten oder familiären Bindungen zum Bundesgebiet vor. Er verfügt über keine finanziellen Mittel und hat auch die Möglichkeit einer legalen Beschäftigung nachzugehen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .2014, Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX .2014, wurde der Fremde wegen des gewerbsmäßigen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs. 2 und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen, verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX .2016, Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX .2016, wurde der Fremde wegen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter, siebenter und achter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (daher gesamt EUR 600,00) und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 75 Tagen verurteilt. Die Probezeit hinsichtlich der Vorverurteilung vom 28.03.2014 wurde auf fünf Jahre verlängert.

Zuletzt wurde der Fremde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .2019, Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX .2019, wegen des versuchten gewerbsmäßigen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a und Abs. 3 SMG, § 15 StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt und der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitstrafe aus der Verurteilung vom 28.03.2013 widerrufen.

Am XXXX .03.2020 wurde der Beschwerdeführer bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren unter Anordnung der Bewährungshilfe aus der Strafhaft entlassen.

Laut Auszug aus dem Zentralmelderegister vom 30.07.2020 liegen hinsichtlich des Beschwerdeführers folgende Meldungen im Bundesgebiet vor:

10.09.2013 bis 14.03.2014, 02.03.2014 bis 05.05.2014 (Justizanstalt XXXX ) 05.05.2014 bis 30.05.2014 (Justizanstalt XXXX ), 06.06.2014 bis 22.01.2015, 24.03.2015 bis 11.10.2016, 11.10.2016 bis 22.02.2019 ( XXXX ), 16.01.2019 bis 02.05.2019 (Justizanstalt XXXX Nebenwohnsitz), 02.05.2019 bis 16.03.2020 (Justizanstalt XXXX ); von 16.03.2020 bis 15.05.2020 war der Fremde im Polizeianhaltezentrum XXXX polizeilich gemeldet. Seit 15.05.2020 ist der Fremde im Polizeianhaltezentrum XXXX polizeilich gemeldet.

Dafür, dass sich zum Entscheidungszeitpunkt für den Fremden im Fall seiner Abschiebung nach Nigeria für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, finden sich keine Hinweise.

Am 30.07.2020 langte die Vorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Aus dem aktenkundigen E-Mail vom 13.07.2020 des BFA ergibt sich, dass zum Stand 13.07.2020 ein Großteil der im Internet ersichtlichen Flüge nach Nigeria für eine zwangsweise Außerlandesbringung nicht buchbar seien, weil diese eines besonderen Eintrages (special service request) bedürfen, nur in bestimmten Buchungsklassen gebucht werden könnten und von der Airline vorgenehmigt werden müssten. Zwangsweise Außerlandesbringungen könnten deswegen auch nicht über das Internet gebucht werden. Außerlandesbringungen nach Nigeria würden mangels Direktverbindungen aus XXXX im Normalfall mit Durchbeförderung über Deutschland stattfinden. Laut IATA mit Stand 13.07.2020 wären Flüge nach Nigeria wieder ausgesetzt und könne keine Prognose abgegeben werden, wann eine Rückführung wieder möglich sein werde, da sich die Informationen täglich, manchmal stündlich, ändern würden.

Aufgrund einer Anfrage des BFA an die zuständige Abteilung für Einzelrückführungen vom 27.07.2020 wurde per E-Mail vom 27.07.2020 eine Nachricht von FRONTEX übermittelt, wonach die nigerianische Regierung zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit wegen der Ausbreitung des Corona-Virus bis 15.10.2020 keine internationalen Flüge, ausgenommen spezielle Flüge von Abuja und Lagos, zulasse. Nähere bzw offizielle Informationen würden nicht vorliegen. Nur Inlandsflüge zwischen Lagos und Port Harcourt seien noch erlaubt. Auch eine freiwillige Rückkehr mittels Linienflügen sei nach den vorliegenden Informationen nicht möglich. Es sei weiters nicht bekannt, ob die nigerianische Vertretungsbehörde Repatriierungsflüge organisiere.

Aus einem aktenkundigen Aktenvermerk vom 27.07.2020 des BFA geht hervor, dass nach telefonischer Anfrage mit dem Referat für Heimreisezertifikate mitgeteilt wurde, dass die Ausstellung eines neuen Heimreisezertifikates für den Fremden jederzeit möglich sei, sobald eine Abschiebung nach Nigeria durchgeführt werden könne.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.08.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Fremde, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie ein Dolmetscher für die englische Sprache teilnahmen.

Zum Entscheidungszeitpunkt fehlt eine Landeerlaubnis durch den Staat Nigeria. Zum Entscheidungszeitpunkt finden keine Linienflüge nach Nigeria statt und sind alle internationalen Flüge nach Nigeria bis auf weiters eingestellt.

Festzuhalten ist, dass im Entscheidungszeitpunkt im Bundesgebiet im Vergleich zu Juni 2020 wieder verschärft wurden (zB teilweise Verpflichtung des Tragens eines Mund-Nase-Schutezs und Bestimmungen hinsichtlich Quarantäne nach Einreise in das Bundesgebiet aus Westbalkanstaaten. Eine Lockerung der COVID-19-bedingten Restriktionen ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht absehbar.

Die belangte Behörde beantragte die schriftliche Ausfertigung der verkündeten Entscheidung.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen, die die Zeit bis zur Erlassung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl I417 1437981-3 am 25.05.2020 betreffen, gründen auf dem diesbezüglichen Beschluss. Dem Gerichtsakt ebenso beigelegt wurden die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2016, Zahl W144 1437981-1/5E, vom 04.06.2018, Zahl I412 1437981-2/12E, vom 25.07.2019, G305 2220456-1/12E sowie das Verhandlungsprotokoll vom 09.07.2020 samt mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl G303 2220456-2.

Aktenkundig ist weiters der Bescheid der belangten Behörde über die Verhängung der Schubhaft vom 16.03.2020.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des Fremden stützen sich auf seine gleichbleibenden Angaben während der genannten Vorverfahren sowie dem vorgelegten medizinischen Entlassungsbericht vom 19.06.2020.

Hinsichtlich der Möglichkeit einer Verletzung des Art. 2, 3 oder 8 EMRK in Nigeria wird insbesondere auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes I412 1437981-2/2E vom 04.06.2018 in Zusammenschau mit dem rechtskräftigen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vom 25.05.2020, Zahl I417 1437981-3/5E verwiesen.

Die Feststellungen hinsichtlich der aktuellen Lage betreffend COVID-19 und die fehlenden Flüge bzw. Abschiebemöglichkeiten nach Nigeria sowie die Kommunikation mit der zuständigen Vertretungsbehörde gründen auf den Angaben der belangten Behörde sowie dem Akteninhalt.

Hinsichtlich seiner Beziehung mit einer nigerianischen Staatsangehörigen und den beiden gemeinsamen Kindern folgt das Gericht den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers, zumal der Beschwerdeführer vor seiner Inhaftnahme selbst in Weiz gemeldet war. Hinsichtlich des Dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers oder seine beiden Kinder legal in Österreich aufhältig ist, hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Weitere private oder familiäre Bindungen wurden nicht vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 76 Abs. 1 bis 5 FPG lauten:

„(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.“

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

„Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

Der erste Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 03.09.2013 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2016, Zl. W144 1437981-1/5E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Darüber hinaus wurde das Verfahren hinsichtlich der erlassenen Ausweisung zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen. Mit Bescheid des BFA vom 12.07.2017 wurde dem Fremden ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Es wurde gemäß § 52 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt und überdies gegen den Fremden ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2018, Zl. I412 1437981-2/12E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Gegen den Fremden liegt somit sowohl eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung als auch ein rechtskräftiges Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren vor. Der Fremde am 10.03.2020 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag). Diesbezüglich wurde ihm mit Beschluss vom 25.05.2020 durch das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Über seinen Folgeantrag wurde jedoch zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht entschieden.

Mit rechtskräftigem Bescheid des BFA vom XXXX .03.2020 wurde im Hinblick auf den vom Fremden gestellten Asylfolgeantrag ausdrücklich die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz, aber auch zur Sicherung der Abschiebung im Hinblick auf die bereits bestehende rechtskräftige Rückkehrentscheidung angeordnet.

Gemäß § 76 Abs. 5 FPG wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Im gegenständlichen Fall gilt daher nunmehr die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Der Fremde ist trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot seinen Ausreiseverpflichtungen nicht nachgekommen, er ist weiters in Österreich bereits drei Mal rechtskräftig nach dem Suchtmittelgesetz strafgerichtlich verurteilt worden, zuletzt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Zum Zeitpunkt der Stellung des noch unerledigten Asylfolgeantrages war der Fremde erst wenige Tage aus der Strafhaft entlassen und stand seine Abschiebung (und die seiner Lebensgefährtin und Kinder) mit 18.03.2020 unmittelbar bevor. Er hat auch eingeräumt, den Folgeantrag zur Verhinderung seiner Abschiebung gestellt zu haben. Der Lebensgefährtin und den Kindern des Fremden kommt in Österreich ebenfalls keinerlei Aufenthaltsrecht zu und liegen rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vor. Darüber hinaus wurden keine privaten oder familiären Bindungen vorgebracht. Der Fremde verfügt über keine finanziellen Mittel und kann auch keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nachgehen.

Beim Fremden liegt jedenfalls Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG vor.

Gegen den Fremden liegen die genannten strafgerichtlichen Verurteilungen vor. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die nigerianische Vertretungsbehörde ist bereits zwei Mal gelungen und erscheint zeitnah auch neuerlich umsetzbar. Diese Umstände haben im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung für die Aufrechterhaltung der Schubhaft gesprochen.

Dennoch war aus folgenden Gründen festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht vorlagen:

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt nur dann in Betracht, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist und gemäß § 50 Abs. 1 FPG 2005 die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch unter anderem Art. 3 MRK verletzt werden würde. Vor diesem Hintergrund kann es erforderlich sein, dass sich das VwG im Schubhaftverfahren auch mit einer behaupteten Verletzung des Art. 3 MRK im Zielstaat der Abschiebung auseinandersetzt (VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0065 mwN).

Dass mit einer Abschiebung tatsächlich gerechnet werden kann, bedeutet nicht, dass ihre Effektuierung schon als gewiss feststeht. Die Abschiebung muss sich aber nach Lage des Falles mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0080).

Aus den umfangreichen und aktenkundigen Ermittlungen des BFA geht hervor, dass derzeit zumindest bis 15.10.2020 keine Abschiebungen nach Nigeria aufgrund der Restriktionen infolge der Corona-Pandemie durchgeführt werden und in Nigeria der internationale Flugverkehr überwiegend gesperrt ist. Es besteht zum Entscheidungszeitpunkt keine Aussicht auf eine real mögliche Rückführung des Fremden in den nächsten zwei bis vier Monaten. Insbesondere wurden auch seitens Österreich aufgrund der aktuell wieder steigenden COVID-19 Infektionen neuerlich verschärfte Maßnahmen, wie insbesondere Reisebeschränkungen für Westbalkanstaaten und Wiedereinführung einer teilweisen Maskenpflicht vorgenommen. Eine Lockerung ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht absehbar, sodass – bei grundsätzlichem Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft – im gegenständlichem Fall derzeit von einer längerfristigen Unmöglichkeit der Abschiebung auszugehen ist.

Weiters ist anzumerken, dass es hinsichtlich des Beschwerdeführers während seines siebenjährigen Aufenthaltes in Österreich lediglich zwei kurze Meldungslücken, nämlich von 01.05.2014 bis 05.06.2014 sowie von 22.01.2015 bis 24.03.2015. Die belangte Behörde hat auch nicht vorgebracht, dass der Beschwerdeführer für sie nicht greifbar gewesen wäre.

Auch im Lichte der Straffälligkeit des Fremden erachtet das erkennende Gericht die Fortsetzung der Schubhaft daher nicht als verhältnismäßig, dafür waren die pandemiebedingten Reisebeschränkungen in Zusammenschau mit dem Umstand, dass die Lebensgefährtin und die beiden Kinder des Fremden in einer Wohnung in XXXX leben, er dort – wie vor seiner Inhaftnahme – Unterkunft nehmen kann und er sich bislang – abgesehen von den genannten kurzen Meldungslücken – nicht im Verborgenen aufgehalten hat.

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ist daher auszusprechen, dass nunmehr die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht verhältnismäßig ist.

Da im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, war die Revision spruchgemäß für nicht zulässig zu erklären.

Schlagworte

Interessenabwägung Meldeadresse Pandemie Privat- und Familienleben Schubhaft Schubhaftbeschwerde Suchtmitteldelikt Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2220456.3.00

Im RIS seit

18.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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