TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/16 W151 2206897-1

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §410
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W151 2206895-1/9E

W151 2206897-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerden von XXXX , XXXX , vertreten durch MMag. Maria Leinschitz, Rechtsanwältin, 1040 Wien Schelleingasse 14-16/4/7, gegen die Bescheide der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals: WGKK) vom 20.08.2018, Zl: XXXX und XXXX wegen Nachverrechnung von Beiträgen, Sonderbeiträgen, Umlagen und Beiträgen nach dem betrieblichen Mitarbeiter- und Selbstständigen Vorsorgegesetz zu Recht erkannt:

A)

I.       

a) Der Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals: WGKK) vom 20.08.2018, Zl: XXXX wird teilweise stattgegeben und festgestellt, dass XXXX , VSNR XXXX im Prüfzeitraum 2005 bis 2007 nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG unterlag.

b) Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die darin weiter genannten Dienstnehmer der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG letzter Satz im Beschwerdezeitraum unterlagen.

c)       Die XXXX , XXXX als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, ist verpflichtet, für den Zeitraum 2005 bis 2007 Beiträge, Sonderbeiträge, Umlagen und Beiträge nach dem betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigen Vorsorgegesetz in Gesamthöhe von

EUR 37.983,25.

an die Österreichischen Gesundheitskasse (vormals: WGKK) zu entrichten.

II.      

a) Die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals: WGKK) vom 20.08.2018, Zl: XXXX wird abgewiesen und festgestellt, dass die darin genannten Dienstnehmer der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG letzter Satz im Beschwerdezeitraum unterlagen.

b) Die XXXX , XXXX , als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, ist verpflichtet, für den Zeitraum 2008 bis 2011 Beiträge, Sonderbeiträge, Umlagen und Beiträge nach dem betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigen Vorsorgegesetz in Gesamthöhe von

EUR 36.208,08.

an die Österreichischen Gesundheitskasse (vormals: WGKK) zu entrichten.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit den gegenständlich bekämpften Bescheiden der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals: WGKK) (in Folge ÖGK) vom 20.08.2018, Zl: XXXX und XXXX stellte diese fest, dass die Beschwerdeführerin (in der Folge BF) verpflichtet sei, für die jeweils in der Anlage der Bescheide angeführten Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen für die bezeichneten Zeiten Beiträge, Sonderbeiträge, Umlagen und Beiträge nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigen Vorsorgegesetz in Gesamthöhe von EUR 39.534,43 (2005 bis 2007) und EUR 36.208,08 (2008 bis 2011) zu entrichten.

Begründend wurde jeweils ausgeführt, dass der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG unterliegende Dienstverhältnisse gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz jedenfalls vorliegen, wenn Lohnsteuerpflicht gemäß § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 EStG 1988 gegeben sei. Über die Lohnsteuerpflicht der aus der Anlage ersichtlichen Dienstnehmer zu den aus der Anlage ersichtlichen Zeiträume sei bereits rechtskräftig (Anm: mit Erkenntnissen des Bundesfinanzgerichtes bzw. zurückweisendem Beschluss des VwGH) entschieden.

2. In der dagegen erhobenen Beschwerde machte die BF zunächst geltend, dass das Erkenntnis des BFG zu XXXX Frau XXXX nicht als Dienstnehmerin ansehe, dies jedoch von der Behörde nicht berücksichtigt worden sei. Zudem habe die belangte Behörde nicht gewürdigt, dass das ASVG, anders als das EStG, eine Unterscheidung zwischen „echten“ und „freien“ Dienstnehmern vornehme. Es fehle der rechtlichen Würdigung der ÖGK somit die Feststellung, ob echte oder freie Dienstnehmer vorliegend seien und aus welchen Gründen. Gegenständlich würden zwar Dienstnehmer vorliegen, diese seien jedoch mangels persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit als freie Dienstnehmer im Sinne von § 4 Abs. 4 ASVG einzustufen.

3. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 03.10.2018 vorgelegt.

4. Mit Schreiben vom 18.06.2020 übermittelte die belangte Behörde eine erläuternde Sachverhaltsdarstellung sowie eine berichtigte Anlage zum Bescheid vom 20.08.2018 zu XXXX .

5. Die Stellungnahme der Behörde wurde der BF im Parteiengehör übermittelt. Die BF replizierte mit Stellungnahme vom 13.07.2020.

6. Mit Schreiben vom 20.07.2020 übermittelte die belangte Behörde neuerlich eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Verfahren zu XXXX und XXXX wurden aufgrund inhaltlichen Zusammenhangs verbunden.

1.       Feststellungen:

1.1. Bei der Beschwerdeführerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Streitzeitraum ein Callcenter betrieb, wurden gemeinsame Prüfungen aller Lohnabgaben (GPLA-Prüfungen) durchgeführt, welche die Jahre 2005 bis 2007 sowie 2008 bis 2011 umfassten. Die Prüfer stuften die von der BF als freie Dienstnehmer der Beschwerdeführerin gemeldeten als echte Dienstnehmer ein. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüfer, zog die Beschwerdeführerin zur Haftung für Lohnsteuer heran (§ 82 EStG 1988) und schrieb ihr Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen vor.

1.2. Mit Erkenntnissen vom 25.07.2017 zu XXXX und XXXX gab das BFG den Beschwerden der Beschwerdeführerin gegen die im Anschluss an die GPLA-Prüfungen ergangenen Bescheide (hinsichtlich der festgestellten Lohnsteuerpflicht nach Einschränkung der Beschwerden nur für die Beitragsjahre 2006 bis 2009) insoweit Folge, als es die Bescheide betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 zu Gunsten der Beschwerdeführerin mit der Begründung abänderte, dass Frau XXXX , VSNR XXXX , im Jahr 2007 abgegrenzte Marketing-Beratungsleistungen im Werkvertrag erbracht habe und damit nicht als Dienstnehmerin iSd. § 47 EStG anzusehen sei. Im Übrigen wies es die Beschwerden als unbegründet ab.

1.3. Die dagegen erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss des VwGH vom 20.12.2017, Zl. Ra XXXX zurückgewiesen.

1.4. Die Lohnsteuerpflicht der im Zuge der GPLA-Prüfung als echte Dienstnehmer eingestuften Dienstnehmer der Beschwerdeführerin, mit Ausnahme von Frau XXXX , für den Zeitraum 2006 bis 2009 steht aufgrund der nach Zurückweisung der Revision durch den VwGH rechtskräftigen Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts fest. Die Zeiträume 2005, 2010 und 2011 unterlagen aufgrund einer diesbezüglichen Einschränkung der Beschwerden im Verfahren vor dem BFG nicht der Prüfung des BFG. Die mit Bescheiden der Finanzbehörde festgestellte Lohnsteuerpflicht für diese Zeiträume blieben damit unbestritten und erwuchsen in Rechtskraft. Für jene als lohnsteuerpflichtig feststehenden Dienstnehmer der BF besteht bindend eine SV-Pflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG letzter Satz. Eine weitere Prüfung der Dienstnehmereigenschaft durch die belangte Behörde oder das erkennende Gericht nach § 4 Abs. 4 ASVG ist daher unzulässig.

1.5. XXXX , arbeitete nicht als Callcenter Agent, sondern erbrachte selbständige Werkleistungen und ist somit keine Dienstnehmerin iSd. § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG. Die nachzuverrechnenden Beiträge für den Zeitraum 2005 bis 2007 reduzieren sich dadurch um EUR 1.584,20 (EUR 55,53 Mitarbeitervorsorge und EUR 1.528,67 SV-Beiträge) auf EUR 150.449,80. Da in den EUR 1.584,20 auch EUR 33,02 (= 1 % der allgemeinen Beitragsgrundlage von EUR 3.301,67) an Wohnbauförderungsbeiträgen enthalten sind, über welche die ÖGK bezüglich des verfahrensgegenständlichen Zeitraums nicht absprechen konnte und die daher auch im Betrag des Bescheidspruchs vom 20.08.2018 nicht enthalten waren, reduziert sich der Betrag im Bescheidspruch über den Zeitraum 2005 bis 2007 um EUR 1.551,18 (= EUR 1.584,20 - EUR 33,02) auf EUR 37.983,25.

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere den rechtskräftigen Erkenntnissen des BFG zu XXXX und XXXX und dem Beschluss des VwGH vom 20.12.2017, Zl. XXXX sowie den Ergebnissen des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die unter Punkt II.1.5. getroffenen Feststellungen zu XXXX ergeben sich aus den von der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 18.06.2020 berichtigten Beträgen zur Bescheidanlage hinsichtlich der im Bescheid unrichtigerweise einberechneten Beträge für Mitarbeitervorsorge und SV-Beiträge, wobei die belangte Behörde ausdrücklich zugestand, dass die Genannte laut Erkenntnis des BFG nicht als Call Center Agent gearbeitet, sondern selbständige Werkleistungen erbracht habe. Die Stellungnahme der Behörde wurde der BF im Parteiengehör übermittelt und dieser die Möglichkeit eingeräumt, der somit neuberechneten Beitragsgrundlage entgegenzutreten. Die BF replizierte mit Stellungnahme vom 13.07.2020, in der sie neuerlich gleichlautend wie in der Beschwerde monierte, die belangte Behörde hätte die Dienstnehmereigenschaft trotz rechtskräftig festgestellter Lohnsteuerpflicht der Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG prüfen müssen. Die Berechnungsmethode der Behörde und somit auch die Höhe der festgestellten nachverrechneten Beiträge wurde nicht bekämpft. Infolge dessen konnten die seitens der belangten Behörde nun unter Berücksichtigung der laut rechtskräftigem Erkenntnis des BFG gegenständlich nicht vorliegenden Dienstnehmereigenschaft von Frau XXXX neuberechneten Beiträge dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. § 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat.

Gegenständlich wurde kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A):

3.3. Gegenständlich richten sich die Beschwerden der BF einerseits gegen die Einbeziehung von XXXX als Dienstnehmerin in die Anlage zum Bescheid zu Zl: XXXX , anderseits gegen die Qualifizierung der weiteren in der Anlage genannten Dienstnehmer als „echte“ Dienstnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Die Beschwerden erweisen sich aus folgenden Gründen als teilweise berechtigt:

3.4. Zur Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich Frau XXXX :

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG in der anzuwendenden Fassung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Dr. XXXX , VSNR XXXX erbrachte, wie bereits in den genannten Erkenntnissen des BFG festgestellt wurde, keine Tätigkeiten als Call Center Agent sondern Unternehmensberatungsleistungen (Marketingberatung) auf Werkvertragsbasis. Insoweit stellte das BFG fest, dass XXXX nicht als Dienstnehmer iSd § 47 EStG anzusehen sei. Der Beschwerde der BF im Verfahren vor dem BFG wurde insoweit (teilweise) stattgegeben und der vom Finanzamt vorgeschriebene Dienstgeberbeitrag bzw. Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag abzüglich jener auf die Genannte angesetzten Beträge neu berechnet.

Dass die Genannte nicht als Call Center Agent tätig war, sondern selbständige Werkleistungen für die BF erbracht habe und insofern zu Unrecht in die Bescheidanlage zu Zl: XXXX einbezogen wurde, wurde im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde ausdrücklich zugestanden (vgl. Stellungnahme der Behörde vom 18.06.2020). Vor diesem Hintergrund steht als unstrittig fest, dass XXXX nicht als Dienstnehmerin iSd. § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG zu qualifizieren ist.

Die nachzuverrechnenden Beiträge für den Zeitraum 2005 bis 2007 reduzieren sich dadurch um EUR 1.584,20 (EUR 55,53 Mitarbeitervorsorge und EUR 1.528,67 SV-Beiträge) auf EUR 150.449,80. Da in den EUR 1.584,20 auch EUR 33,02 (= 1 % der allgemeinen Beitragsgrundlage von EUR 3.301,67) an Wohnbauförderungsbeiträgen enthalten sind, über welche die WGKK bezüglich des verfahrensgegenständlichen Zeitraums nicht absprechen konnte und die daher auch im Betrag des Bescheidspruchs vom 20.08.2018 nicht enthalten waren, reduziert sich der Betrag im Bescheidspruch über den Zeitraum 2005 bis 2007 um EUR 1.551,18 (EUR 1.584,20 - EUR 33,02) auf EUR 37.983,25.

3.5. Zur Abweisung hinsichtlich der übrigen Beschwerdepunkte:

Hinsichtlich der übrigen von der belangten Behörde als Dienstnehmer der BF qualifizierten Personen erweist sich die Beschwerde als unbegründet:

Gemäß § 4 Abs. 2 letzter Satz gilt als Dienstnehmer jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich (1.) um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder (2.) Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen.

Eine wesentliche Bedeutung der Verweisung auf das EStG liegt jedenfalls darin, dass für jene Zeiträume, für welche die Lohnsteuerpflicht der betreffenden Person nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 EStG mit Bescheid der Finanzbehörde festgestellt ist, damit auch die SV-Pflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG bindend feststeht. Soweit dies der Sachverhalt überhaupt nahelegt, hat die Behörde daher im Zuge der Prüfung des Vorliegens einer Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 ASVG als Vorfrage (dh sofern nicht Bindung an allenfalls bereits vorliegende abgabenrechtliche Bescheide vorliegt, bzw. allenfalls eine Aussetzung des Verfahrens zum Zwecke des Zuwartens bis zur Erledigung eines diesbezüglichen Abgabenverfahrens in Betracht kommt) selbständig zu beurteilen, ob die Voraussetzungen der verwiesenen steuerrechtlichen Bestimmungen vorliegen (VwGH 2001/08/0107). Gleichgültig, ob ein solcher Bescheid vorliegt oder ob die Behörde auf dem Wege einer Vorfragenlösung zur Bejahung dieser Frage gelangt ist (arg: „jedenfalls“ in § 4 Abs. 2 ASVG) schon deshalb auch die Versicherungspflicht zu bejahen (Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG11 (2020) § 4 Rz 78).

Gegenständlich steht die Lohnsteuerpflicht der im Zuge der GPLA-Prüfung als „echte“ Dienstnehmer eingestufte Dienstnehmer der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 2006 bis 2009 – mit Ausnahme von Frau XXXX (siehe oben) – aufgrund der nach Zurückweisung der Revision durch den VwGH rechtskräftigen Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes fest.

Die Zeiträume 2005, 2010 und 2011 unterlagen aufgrund einer diesbezüglichen Einschränkung der Beschwerden im Verfahren vor dem BFG nicht der Prüfung des BFG. Die mit Bescheiden der Finanzbehörde festgestellte Lohnsteuerpflicht für diese Zeiträume blieben damit unbestritten und erwuchsen schon damals in Rechtskraft.

Somit steht die Lohnsteuerpflicht (außer für XXXX ) für die in den Bescheiden genannten Dienstnehmer für die Zeiträume 2005 bis 2011 fest. Folglich besteht bindend deren Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und musste die belangte Behörde die festgestellten Sozialversicherungsbeiträge nachverrechnen.

Zu dem Vorbringen der BF, dass unabhängig von der Bindung an die Feststellung der Lohnsteuerpflicht die belangte Behörde eine Prüfung der Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 4 ASVG vorzunehmen gehabt hätte, wird auf Zehetner in Sonntag (Hrsg), ASVG11 (2020) § 4 Rz 79 (unter Verweis auf die EB zur RV zum ASRÄG 1997, 886 BlgNR, XX. GP) zum Normzweck des § 4 Abs. 2 ASVG verwiesen, wonach die bindende Anknüpfung an die Lohnsteuerpflicht des Dienstnehmers der Judikatur entgegenwirken solle, derzufolge auch bei Beschäftigten, die sich nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tätigkeit und der Schutzwürdigkeit nicht von einem Dienstnehmer unterscheiden durch Vereinbarung jederzeitiger Vertretbarkeit oder freier Arbeitszeiteinteilung die Pflichtversicherung nach dem ASVG verneint wurde.

Steht somit nach dem rechtskräftigem Verfahren der Finanzbehörde die Lohnsteuerpflicht eines Dienstnehmers fest, ist folglich eine sozialversicherungsrechtliche Einstufung des Dienstnehmers als „freier“ Dienstnehmer nicht mehr zulässig; es konnte daher weder die belangte Behörde noch das erkennende eine weitere Prüfung der Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 4 ASVG vornehmen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der BF die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Partei zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor, die von der WGKK ausreichend ermittelt wurde. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte die vom BF beantragte mündliche Verhandlung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen und war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif. Insgesamt daher konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.

Schlagworte

Beitragsnachverrechnung Bindungswirkung Lohnsteuerpflicht Pflichtversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W151.2206897.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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