TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/17 G306 2223649-1

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Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G306 2223649-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA: Kosovo, vertreten durch RA Dr. Benno WAGENEDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2019, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.06.2020, zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sich auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG stützt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA), Zl. 2721600, vom 02.04.2005, wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Anlässlich wiederholter Verurteilungen des BF im Bundesgebiet fand am 24.10.2018 eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.

3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA wurde dem BF der mit Bescheid vom 02.04.2005 zuerkannte Asylstatus gemäß § 7 Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.), ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Kosovo oder nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise 2 Wochen beträgt (Spruchpunkt VI.).

4. Mit per Telefax am 17.09.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt und langten am 23.09.2019 ein.

6. Am 06.12.2019 ging beim BVwG eine Benachrichtigung des BFA ein, womit über die noch nicht rechtskräftige Verurteilung des BF zu einer 8-jährigen Freiheitsstrafe durch das LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2019, berichtet wurde.

7. Am 19.06.2020 fand eine mündliche Verhandlung in der Grazer Außenstelle des BVwG statt, an jener der BF und dessen RV persönlichen teilnahmen.

Die belangte Behörde wurde korrekt geladen, verzichtete jedoch auf die Entsendung eines/einer informierten Vertreters/Vertreterin.

Mit in der Verhandlung mündlich verkündetem Beschluss, G306 2223649-1/18E, wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG bis zur Entscheidung des OLG XXXX über die Beschwerde des BF, betreffend Urteil des LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2019, ausgesetzt.

8. Mit Beschluss des BVwG, GZ.: G306 2223649-1/23Z, vom 28.07.2020, wurde die Fortführung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens aufgrund ergangenen Berufungsurteiles des OLG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2020, beschlossen.

9. Mit beim BVwG eingebrachter Bevollmächtigungsanzeige vom 27.08.2020 wurde die Erteilung der Vertretungsvollmacht durch die BF an RA Dr. Benno WAGENEDER bekanntgeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, geschieden und Vater einer minderjährigen Tochter. Die Muttersprache des BF ist albanisch und beherrscht er auch die serbokroatische Sprache im hinreichenden Ausmaß.

Der BF wurde in der ehemaligen Republik Jugoslawien, auf dem heutigen Staatsgebiet des Kosovo geboren, wo er auch bis zu seiner Ausreise im Jahr 2000 nach Mazedonien durchgehend lebte.

Er reiste im Alter von 13 Jahren, nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Mazedonien, gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern spätestens am 03.02.2005 in das Bundesgebiet ein, wo seine Mutter für den BF einen Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes im Familienverfahren stellte. Der Antrag wurde damit begründet, dass eine Verfolgung von unbekannten Albanern, welche der Familie des BF, insbesondere dem Vater des BF, eine Kooperation mit Serben im damaligen Krieg unterstellten, stattgefunden habe.

Dem BF wurde mit Bescheid des BAA, vom 02.04.2005 der Status des Asylberechtigten, in Ermangelung eigener Fluchtgründe, im Rahmen des Familienverfahrens durch Erstreckung der Asylgewährung seiner Mutter auf ihn selbst zuerkannt.

Der BF besuchte in Österreich die 4. Klasse der Hauptschule sowie das Polytechnikum und brach wiederholt Berufsausbildungen ab.

Der BF ist Vater von XXXX , geb. XXXX , StA: Österreich, welche im gemeinsamen Haushalt mit deren Mutter, mit XXXX , geb. XXXX , StA: Österreich lebt.

Der BF ist von der Mutter der gemeinsamen Tochter geschieden und führt mittlerweile eine neue Beziehung, pflegt jedoch zu seiner Tochter Kontakt.
Ein gemeinsamer Haushalt mit der Tochter lag jedoch einzig von 01.08.2011 bis 23.05.2012, von 07.10.2014 bis 04.03.2015 und von 21.05.2015 bis 13.06.2018 vor.

Aktuell wird der BF seit XXXX .2019 durchgehend in Justizanstalten angehalten.

Im Bundesgebiet halten sich zudem die Eltern, mehrere Geschwister sowie weitere Verwandte des BF auf. Der überwiegende Teil der Familienangehörigen des BF (Vater und die Hälfte der Geschwister des BF) sind bereits im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig und ging zwischen 28.03.2011 und 23.04.2019 bei insgesamt 16 Arbeitsgebern in Summe 2 Jahre, 4 Monate und 12 Tage Erwerbstätigkeiten nach und bezog zudem wiederholt Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung.

Der BF ist der deutschen Sprache mächtig. Ein besonderes soziales, gesellschaftliches, ehrenamtliches oder gemeinnütziges Engagement des BF im Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden.

Der BF ist in Österreich bereits seit seiner Jugend mehrfach strafgerichtlich in Erscheinung getreten. Es liegen zum Entscheidungszeitpunkt insgesamt 9 rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen vor:

1.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2008, RK XXXX .2008, wegen einer Jugendstraftat gemäß § 83/1 StGB, zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je EUR 2 (EUR 120,-).

2.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2008, XXXX .2008, wegen § 91 1/2 2. Fall StGB, zu einer teilbedingten Zusatzgeldstrafe von 40 Tagsätzen zu je EUR 2 (EUR 80,-), unter Bezugnahme auf LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2008.

3.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2009, RK XXXX .2009, wegen einer Jugendstraftat gemäß § 287 (83/1) 15/1 87/1 StGB, zu einer Freiheitstrafe von 10 Monaten, wovon 9 Monate bedingt nachgesehen wurden.

4.       LG XXXX Zl. XXXX , vom XXXX .2013, RK XXXX .2013, wegen § 107 (1) StGB, § 15, 105 (1) StGB, § 83 (1) StGB, als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten.

5.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2013, RK XXXX .2013, wegen § 83 (1) StGB, § 107 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten.

6.       BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2014, RK XXXX .2014, wegen §§ 27 (1) Z 1 1. und 2. Fall, 27 (2) SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 3 Monaten.

7.       BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2017, RK XXXX .2017, wegen § 83 (1) StGB, zu einer Geldstrafe von 190 Tagsätzen zu je EUR 14 (EUR 2.660,-).

8.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2018, RK XXXX .2018, wegen § 83 (1) StGB, zu einer Geldstrafe von 240 Tagsätzen zu je EUR 4,- (EUR 960,-).

9.       BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2019, RK XXXX .2019, wegen § 83 (1) StGB, zu einer Geldstrafe von 250 Tagsätzen zu je EUR 10 (EUR 2.500,-).

10.      LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2019, RK XXXX .2020, wegen der Verbrechen der Vergewaltigung gemäß §§ 15, 201 Abs. 1 und 2 1. Fall StGB und der schweren Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 4 STGB sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB und der Nötigung gemäß §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe zu nachgenannten Zeiten

I.       E.M. am XXXX .2019 in XXXX durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben sowie Gewalt zur Vornahme und Duldung des Beischlafes sowie einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er seine Hose öffnete und ihr sein erigiertes Glied zeigte, damit über ihren Mund- und Gesichtsbereich streifte, sodann ihren Kopf bei den Haaren packte und zu seinem Penis drückte, wobei er äußerte, sie solle ihm einen „blasen“, ansonsten werde er sie erschlagen und ihr mit der flachen Hand zwei Schläge ins Gesicht versetzte, zur Vornahme eines Oralverkehrs und weiters der später auf den Sofa und dem Rücken liegenden E.M. deren Unterhose und Hose runter zog, sich auf sie setzte, wodurch sie ein Hämatom am rechten Oberschenkel erlitt, und mit beiden Händen würgte, wodurch E.M. Hämatome an Hals davontrug und kurz ohnmächtig wurde, zum Vollzug eines Vaginalverkehrs, wogegen sich die Genannte in weiterer Folge durch Versetzen eines Fußtrittes gegen den Hüftbereich des BF wehrte, wobei die Tat bei E.M. eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 ) nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit einer länger als 24 Tage andauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte;

II.      E.M. zumindest am XXXX .2019 bis ca. XXXX .2019 in XXXX zumindest mit der Zufügung von Körperverletzungen gefährlich bedroht, indem er wiederholt sinngemäß äußerte, er werde sie schlagen, er werde sie umbringen und ihr den Kopf abschneiden;

III.    E.M. am XXXX .2019 in XXXX durch gefährliche Drohung zumindest mit der Zufügung von Verletzungen an Körper und Vermögen zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung gegen ihn durch nachstehende sinngemäße Äußerungen zu nötigen versucht:

a.       Sie könne eh die Polizei anrufen, aber dann mache er ihr halt noch viel mehr Probleme, ihr Kind sei auch daheim, ob sie nicht Angst um ihr Kind habe, sowie

b.       Bis die Polizei da sei, mach er ihr so viele Probleme und ihre Wohnung kaputt, ihr Kind sei da und ob sie wolle, dass ihr Kind einen Terror erlebe;

IV.      I.L. am XXXX .2019 in XXXX telefonisch durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie umbringen, wenn er sie in der Nähe sehe, gefährlich zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

V.       Am XXXX .2019 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem bislang unbekannten Mittäter den A.P. vorsätzlich am Körper dadurch verletzt, dass der BF dem Genannten 7 bis 8 Faustschläge ins Gesicht, gegen den Kopf und dessen linke Schulter versetzte, der bislang unbekannte Mittäter ebenfalls auf den Genannten einschlug, und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine an sich schwere Körperverletzung in Form eines Eindellungsbruches an der Nase, welche reponiert und geschient werden musste, sowie weiters eines Hämatims beim linken Auge, einer blutenden Oberlippe, einer Beule am linken Hinterkopf hinter dem linken Ohr und damit verbundener Schmerzen sowie einer Prellung der linken Schulter, herbeigeführt.

Mildernd wurden dabei das teilweise Geständnis und, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend jedoch die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und Verbrechen, den äußerst raschen Rückfall, die mehrfache Qualifikation hinsichtlich der schweren Körperverletzung von E.M. die Tatbegehung während aufrechten Verfahrens sowie Tatbegehung zum Nachteil der Mutter seines Kindes, I.K. gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen hat.

Der BF hat bis auf eine Großmutter mütterlicherseits im Kosovo keine verwandtschaftlichen Bezüge mehr.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Kosovo:

Es wird festgestellt, dass die Republik Kosovo seit 01.07.2009 aufgrund der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 als sicherer Herkunftsstaat gilt.

Zur allgemeinen Lage im Kosovo werden die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der am 19.06.2020 durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung in das Verfahren eingeführten Quellen, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur aktuellen Situation im Kosovo (Stand 31.10.2019), auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

Daraus ergibt sich auszugsweise:

„KI vom 31.10.2019, Parlamentswahlen Oktober 2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 5. Oktober 2019 fanden im Kosovo vorgezogene Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Ministerpräsident und ehemalige UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj wegen einer Vorladung zum Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag vom Amt als Regierungschef zurückgetreten war (DS 7.10.2019a; NZZ 7.10.2019).

Die Wahlen wurden – bei einer Wahlbeteiligung von 44% - von den bisherigen Oppositions¬parteien gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag entschied mit knapp 25,6% der Stimmen die groß-albanische, nationalistische und EU-kritische Oppositionspartei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) mit ihrem Spitzenkandidaten Albin Kurti, für sich. Dicht dahinter folgt 24,9% der Stimmen die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK), mit ihrer Spitzenkandidatin Vjosa Osmani. Den dritten Platz belegt mit 21,1% der Stimmen, die Demokratische Partei des Kosovo (PDK), die von Staatspräsident Hashim Thaci dominiert wird. Die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6% (NZZ 7.10.2019; vgl. DP 7.10.2019).

Der Wahlausgang wird als Signal gegen Korruption und Stillstand gewertet und dürfte das Ende der langjährigen Dominanz der PDK von Staatspräsident Hashim Thaci über die kosovarische Politik bedeuten (ORF 6.10.2019). Mehr als die Hälfte aller Stimmen haben zwei Politiker auf sich vereint, deren Karriere nicht in der UCK begann und die für einen klaren Bruch mit dem Klientelsystem des politischen Establishments stehen (NZZ 7.10.2019). Beobachter erwarten ein Bündnis zwischen den nunmehr siegreichen bisherigen Oppositionsparteien unter Führung von Kurti und Osmani (DP 7.10.2019).

Quellen:

?        DS - Der Standard (7.10.2019a): Riskante Wachablöse im Kosovo, https://www.derstandard.at/story/2000109598474/riskante-wachabloese-im-kosovo, Zugriff 8.10.2019

?        DS - Der Standard (7.10.2019b): Revolutionärer Machtwechsel im Kosovo,https://www.derstandard.at/story/2000109601418/revolutionaerer-machtwechsel-im-kosovo, Zugriff 8.10.2019

?        DP - Die Presse (7.10.2019): Kosovos Rebell greift nach der Macht, https://www.diepresse.com/5702091/kosovos-rebell-greift-nach-der-macht, Zugriff 8.10.2019

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (7.10.2019): Wahlerfolg der Opposition: In Kosovo weht ein neuer Wind, https://www.nzz.ch/international/wahlen-im-kosovo-bisherige-oppositionsparteien-liegen-vorn-ld.1513769, Zugriff 8.10.2019

?        ORF – Österreichischer Rundfunk (6.10.2019): Opposition gewinnt Parlamentswahl im Kosovo, https://orf.at/stories/3139956/, Zugriff 8.10.2019

KI vom 7.9.2017, Politische Krise im Kosovo gelöst (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Die fast dreimonatige politische Krise nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im Kosovo ist nun offenbar gelöst. Die Partei "Allianz für ein Neues Kosovo" (AKR) des Geschäftsmannes Behgjet Pacolli schloss sich am Montagnachmittag dem Wahlsieger, der PAN-Koalition, auch offiziell an. Ein Koalitionsvertrag mit den neuen Bündnispartnern, Kadri Veseli von der Demokratischen Partei (PDK), Ramush Haradinaj, Allianz für die Zukunft (AAK) und Ratmir Limaj, Nisma, wurde am Montagabend im Haus Pacollis unterzeichnet. Dank dem neuen Bündnispartner hat sich die als "Kriegsflügel" bekannte PAN-Koalition nach mehreren gescheiterten Versuchen nun die notwendige Stimmenmehrheit sowohl für die Wahl des Parlamentspräsidenten als auch der Regierung gesichert. Der Wahlsieger wird von 20 Abgeordneten der Minderheitenparteien unterstützt und kommt somit nun auf 63 Mandate im 120-Sitze-Parlament.

Wie der staatliche TV-Sender RTK am Dienstag berichtete, haben neue Bündnispartner darüber hinaus eine Einigung über die Postenverteilung in der künftigen Koalitionsregierung erzielt, die erneut von Ex-Premier Haradinaj geleitet werden soll. Demnach sollen der kleinen Partei Pacollis mit vier Parlamentssitzen fünf Ministerposten, darunter jener des Äußeren, zufallen. Die PDK soll sechs Minister stellen, die AAK drei und den Premier, Nisma vier. Die Belgradtreue "Serbische Liste" soll wie bisher zwei Minister haben, noch ein Ressort wird von anderen Minderheitenvertretern geleitet werden (derStandard.at 5.9.2017).

Quelle(n):

?        derStandard.at (5.9.2017): International, Europa, Kosovo, Koalitionsvertrag unterzeichnet: Politische Krise im Kosovo gelöst, http://derstandard.at/2000063620495/Koalitionsvertrag-unterzeichnet-Politische-Krise-im-Kosovo-offenbar-geloest, Zugriff 7.9.2017

2.       Politische Lage

Das politische System hat sich seit der Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 gefestigt. Kosovo ist eine Republik mit parlamentarischer Demokratie. Die Verfassung enthält neben den Grundwerten moderner europäischer Verfassungen und dem Prinzip der Gewaltenteilung umfassenden Schutz, zum Teil Privilegien für die in Kosovo anerkannten Minderheiten (Serben, Türken, Bosniaken, Goranen, Roma, Ashkali, Ägypter). Sie eröffnet ihnen weitgehende Möglichkeiten der politischen Partizipation, so z.B. garantierte Sitze im Parlament. Art. 59 der Verfassung sieht z.B. die Ausübung der eigenen Sprache, Kultur und Religion sowie den Zugang zu Bildungseinrichtungen mit jeweiligem Sprachangebot und die Nutzung eigener Medien vor (AA 9.12.2015).

Gemäß der am 15. Juni 2008 in Kraft getretenen Verfassung ist die Republik Kosovo eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung. Gesetzgebungsorgan ist das Ein-Kammer-Parlament mit 120 Sitzen, von denen 20 für Abgeordnete der nationalen Minderheiten reserviert sind (darunter 10 Sitze für kosovo-serbische Abgeordnete). Bei den letzten Parlamentswahlen im Juni 2014 errang die PDK (Demokratische Partei Kosovo) des ehemaligen Premierminister Hashim Thaçi mit 30,38% die meisten Stimmen. Die LDK (Demokratische Liga) folgte mit 25,24% der Stimmen. Seit 09.12.2014 besteht eine Koalitionsregierung aus PDK und LDK sowie Vertretern der Minderheiten unter Führung von Premierminister Isa Mustafa (LDK) (AA 12.2015, vgl. GIZ 6.2016).

Seit Herbst 2015 versuchen die drei Oppositionsparteien Vetevendosje, AAK und NISMA die Arbeit des Parlaments zu blockieren. Hintergrund des Protests sind, nach Aussage der Opposition, zwei Abkommen welche die kosovarische Regierung mit den Nachbarländern Montenegro und Serbien geschlossen hat. Im Abkommen mit Montenegro geht es um eine Übereinkunft der Grenzziehung zwischen den beiden Staaten. Von noch größerer Relevanz ist das Abkommen mit Serbien, welches die Bildung einer Gemeinschaft » (serb. zajednica) der serbischen Gemeinden im Kosovo regelt, womit eine Übertragung bestimmter Kompetenzen an die Gemeinschaft verbunden ist. Ein wesentliches Argument der Opposition stützt sich auf ein Urteil des kosovarischen Verfassungsgerichts, welches das Abkommen als in Teilen nicht im Einklang mit der kosovarischen Verfassung bewertet. Die internationale Gemeinschaft kritisiert die Blockade der Opposition und den damit verbunden politischen Stillstand (GIZ 6.2016, vgl. Presse 29.2.2016).

Eine EU-Rechtsstaatsmission EULEX hat den Auftrag, die kosovarischen Behörden beim Aufbau eines multiethnischen Justiz-, Polizei- und Zollwesens zu unterstützen und an rechtsstaatliche EU-Standards heranzuführen. Das Mandat wurde um weitere zwei Jahre bis zum Juni 2018 verlängert (EULEX 21.6.2016).

Laut einer repräsentativen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (Jugendliche in Südosteuropa, Juli 2015) will fast die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus acht Balkanländern (ALB, BuH, KOS, MZ, SLO, KRO, BU, RU) auswandern. Begehrteste Ziele sind Deutschland, Großbritannien, die Schweiz und die USA. Gut ein Drittel der Befragten ist unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie in ihren Ländern. Nur 17% sind dagegen zufrieden. Am größten ist der Unmut in Mazedonien, wo gerade einmal 6% mit dem politischen System zufrieden sind, 44% dagegen unzufrieden. Arbeitslosigkeit und Armut sind in ganz Südosteuropa die drängendsten Sorgen. „Sehr wahrscheinlich“ oder „ziemlich wahrscheinlich“ ihr Land verlassen wollen 45,5% aller Befragten. Am dramatischsten sind die Zahlen in Albanien mit 66,7% Auswanderungswilligen, in Kosovo mit 55,1% und in Mazedonien mit 52,8% (BAMF 3.8.2015).

Nach Angaben des kosovarischen Außenministeriums haben 111 Staaten (darunter 23 EU-Staaten sowie die Nachbarstaaten Montenegro, EJR Mazedonien und Albanien) die Republik Kosovo anerkannt (Stand 1.10.2015) (AA 9.12.2015).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

?        AA - Auswärtiges Amt (12.2015): Kosovo - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kosovo/Innenpolitik_node.html, Zugriff 29.6.2016

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.8.2015): Balkan - Fast 50 % der Jugend will auswandern, Briefing Notes

?        diePresse.com (29.2.2016): Europas jüngster Staat in akutem Lähmungszustand, http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/4936140/Europas-jungster-Staat-in-akutem-Laehmungszustand?from=suche.intern.portal, Zugriff 29.6.2016

?        EULEX (21.6.2016): Eulex New Mandate, http://www.eulex-kosovo.eu/?page=2,11,438, Zugriff 29.6.2016

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 29.6.2016

3.       Sicherheitslage

Die interethischen Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit im Kosovo. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zwischen den im Norden lebenden Serben, die ein zusammenhängendes Gebiet bewohnen und den Serben die im restlichen Kosovo in kleinere versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten, und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich die Unabhängigkeit des Kosovo sowie die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Die Zusammenarbeit ist minimal. Problematisch in der Diskussion sind speziell die Behandlung der Grenzen zwischen Kosovo und Serbien, die von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt werden.

Mit der Ausnahme Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen. So geschehen, als in Serbien im von Albanern bewohnten Preševo-Tal ein nicht genehmigtes Heldendenkmal von der serbischen Polizei entfernt wurde. Hierauf kam es im Kosovo unter anderem zu Schändungen serbischer Friedhöfe (GIZ 6.2016).

Im Norden Kosovos (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) hat sich die Lage seit den gewalttätigen Zusammenstößen Ende Juli 2011 weitgehend beruhigt, sie bleibt aber angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es erneut zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt. Im restlichen Teil Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil (AA 23.9.2015).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren im Zeitraum von 2012-2015 ergab folgende wesentliche Ergebnisse: 40% der Befragten fühlten sich im Kosovo sicher, weitere 40% weder sicher noch unsicher, nur 20% dagegen fühlten sich unsicher. Von 2012-2015 nahm auch das allgemeine Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheitsbehörden und Sicherheitsinstitutionen pro Jahr jeweils um drei Prozentpunkte zu. In Nachbarschaften mit überwiegend serbischer Bevölkerung und an der Grenze zu Serbien war das allgemeine Sicherheitsgefühl tendenziell weniger ausgeprägt als im übrigen Kosovo (KCSS 5.2016)

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (23.9.2015): Kosovo: Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/KosovoSicherheit_node.html, Zugriff 29.6.2016

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 29.6.2016

?        KCSS - Kosovo Center for Security Studies (5.2016): Special Edition: Public Safety in Kosovo Trends of Citizens’ Perceptions on Public Safety in Kosovo Covering period: 2012 – 2015, http://www.qkss.org/repository/docs/Public_Safety_KSB_81063.PDF, Zugriff 30.6.2016

4.       Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Die lokale Rechtsprechung sah sich jedoch Einflüssen von außen ausgesetzt und sorgte nicht immer für faire Prozesse. Auch gab es immer wieder Berichte über Korruption und über Ineffizienz im Gerichtswesen. Ein effizientes Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte war vorhanden. Gerichtsurteile wurden von den Behörden im Allgemeinen respektiert. EULEX setzte seine Arbeit im Justizbereich fort und operierte unabhängig oder in Zusammenarbeit mit heimischen Anklägern. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellte kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung, insbesondere in Zivil- und Verwaltungsstrafverfahren. Das Amt der Oberstaatsanwaltschaft betrieb eine Opferunterstützungsstelle, die Verbrechensopfern einen kostenlosen Zugang zum Recht ermöglichte, wobei ein spezieller Fokus auf Opfer von häuslicher Gewalt, Menschenhandel, Kindesmissbrauch und Vergewaltigung gelegt wurde. Das Justizministerium betrieb eine justizielle Integrationsabteilung mit zwei Gerichtsverbindungsbüros, die Minderheiten in serbischen Mehrheitsgebieten bei Gerichtsangelegenheiten unterstützen und ebenso Informationen und Rechtshilfe für Flüchtlinge und IDPs zur Verfügung stellten (USDOS 13.4.2016).

Ein effizientes Disziplinarverfahren ist vorhanden. Im gesamten Justizwesen sind Richter und Staatsanwälte verschiedener Ethnie tätig. Zum Teil gibt es noch erhebliche Ausbildungsdefizite. Eine Integrationsabteilung im Justizministerium setzte sich insbesondere für Anliegen von Minderheiten ein. Diese unterhält elf Verbindungsämter, um Angehörige von Minderheiten in serbischen Mehrheitsgebieten bei Gerichtsangelegenheiten zu unterstützen. Dennoch ist von allen Institutionen das Justizwesen am schwächsten entwickelt und weist trotz gewisser Fortschritte immer noch erhebliche Mängel auf. Neben unzureichenden Ressourcen und Fähigkeiten des Personals, fehlt es oft an der Bereitschaft zur Strafverfolgung und Korruptionsbekämpfung. Die Gehälter und die soziale Absicherung des Personals sind dürftig. Die starke Vernetzung in traditionellen Clan- und Großfamilienstrukturen führt dazu, dass Amtsträger oft starkem sozialen Druck und Bestechungsversuchen ausgesetzt sind. Es gibt immer wieder Berichte über Korruption, politische Einflussnahme und über mangelnde Effizienz im Gerichtswesen (BAMF 5.2015, vgl. EC 10.11.2015).

4.1.    Exkurs: Blutrache

Auch wenn traditionelle Lebensformen im modernen Kosovo an Bedeutung verlieren, ist die kosovarische Gesellschaft noch patriarchalisch und ländlich geprägt. Gerade bei der ländlichen Bevölkerung sind althergebrachte Sitten, Tradition und Kultur noch sehr lebendig (Clan-Struktur, Patriarchat, Gewohnheitsrecht). Ein Relikt aus dem albanischen Gewohnheitsrecht (dem Kanun) ist die Tradition der kosovo-albanischen Blutrache, auch als gyakmarrja, gyakmarrya, gjakmarrya, und gjakmarrja bezeichnet. Diese war bis in die 1980er Jahre ein weit verbreitetes Phänomen in Kosovo. Die reine Tradition der Blutrache ist heute aber nur noch vereinzelt anzutreffen. (BAMF 5.2015, vgl. GIZ 6.2016).

Insbesondere außerhalb der größeren Städte sind nicht selten Racheakte aus verschiedenen Gründen zu beobachten. Diese werden landläufig als „Blutrache“ bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des Kanun (der Eröffnung, Ablauf und Beendigung regelt) beharrlich betrieben, zum Teil mit blutigen bzw. tödlichen Folgen. Beteiligte an solchen Taten werden verfolgt, angeklagt und verurteilt (AA 9.12.2015).

Im derzeit gültigen Strafgesetzbuch (CRIMINAL CODE OF THE REPUBLIC OF KOSOVO Code No. 04/L-082, in Kraft mit 1.1.2013) wird der Begriff „Blutrache“ nicht explizit erwähnt. Laut Ombudsmann ist die Praxis der Blutrache durch die Verfassung und geltende Gesetze verboten. Exekutivorgane sind dabei verpflichtet, Schutz für bedrohte Personen zu gewährleisten. Niemand ist berechtigt, Selbstjustiz zu üben. Artikel 178 des StGB sieht eine 5-jährige Mindeststrafe für Mord und Artikel 179 eine 10-jährige Mindeststrafe für erschwerten Mord im Zusammenhang mit skrupelloser Rache vor. Laut OSCE werden blutrachemotivierte Verbrechen von den Gerichten als erschwerende Umstände bei der Bestrafung berücksichtigt. Im Falle einer Bedrohung aufgrund einer Blutfehde kann man sich an die Polizei, die im Kosovo über einen guten Ruf verfügt, wenden, die jedoch keinen 24-Stunden-Schutz anbieten kann. Die Polizei behandelt jedoch Morde im Zusammenhang mit einer Blutfehde wie jeden anderen Mord auch, diesbezügliche Mörder werden unter verschärfte Kontrolle gestellt, um damit ein Exempel zu statuieren. Blutrachemorde werden untersucht und verfolgt, wobei die Strafen üblicherweise zwischen 15 und 25 Jahren Gefängnis liegen (IRB 10.10.2013).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

?        EC - European Commission (10.11.2015): KOSOVO* 2015 REPORT, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1447156524_20151110-report-kosovo.pdf, Zugriff 30.6.2016

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/#c37429, Zugriff 4.7.2016

?        IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (10.10.2013): Kosovo: Blood feuds and availability of state protection (2010-September 2013), http://www.ecoi.net/local_link/261946/388218_de.html, Zugriff 30.6.2016

?        USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 30.6.2016

5.       Sicherheitsbehörden

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht weiterhin auf drei Komponenten: der Kosovo Police (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften und den KFOR-Truppen, die auch den Aufbau und das Training der multiethnischen Kosovo Security Force (KSF) innehaben. Die Polizei (KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen und ist im ganzen Land vertreten. Der Frauenanteil in der KP beträgt fast 15%; ähnlich hoch liegt der Anteil der Angehörigen von Minderheiten. EULEX Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im kosovarischen Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig. Eigentums-, Körperverletzungs- und Tötungsdelikte sind auf niedrigem Niveau. Organisierte Kriminalität und Korruption befinden sich laut „United Nations Office on Drugs and Crime“ (UNODC) aus 2013 weiterhin auf hohem Niveau (AA 9.12.2015, vgl. EC 10.11.2015).

Die Kosovo Polizei (KP) wird nach wie vor als die am vertrauenswürdigste rechtsstaatliche Institution angesehen. Die Kooperation zwischen dem unabhängigen Polizeiinspektorat (PIK) und der KP Disziplinarabteilung funktioniert gut. 2014 erhielt das PIK 1.304 Beschwerden und Informationen auf deren Basis 132 Fälle an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden. Anzeigen wegen Kriminalität wurden gegen 28 Verdächtige erstattet, die bei den entsprechenden Gerichten anhängig sind (EC 10.11.2015).

Es gibt Polizeistationen im ganzen Land, wo man Anzeigen erstatten kann. Es können auch Anzeigen beim Büro der Staatsanwaltschaften, bei der EULEX Staatsanwaltschaft und beim Ombudsmann eingereicht werden. Die Kriminalität, mit Ausnahme der Organisierten Kriminalität und der Korruption, ist rückläufig und niedriger als im gesamteuropäischen Vergleich (BAMF 5.2015).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

?        EC - European Commission (10.11.2015): KOSOVO* 2015 REPORT, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1447156524_20151110-report-kosovo.pdf, Zugriff 30.6.2016

6.       Folter und unmenschliche Behandlung

Das Verbot der Folter sowie der unmenschlichen Behandlung ist in der Verfassung verankert. Es sind keine Fälle von Folter durch die lokale Polizei (KP) oder andere staatliche Stellen bekannt geworden (AA 9.12.2015).

Fälle von unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung sind nicht bekannt (BAMF 5.2015).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

7.       Korruption

Analysen (Transparency International) und Indikatoren weisen auf ein sehr hohes Korruptionsniveau im Kosovo hin, das selbst im regionalen Vergleich überdurchschnittlich ist. Korruption findet sich dabei in allen Bereichen des öffentlichen Lebens wieder, insbesondere in der politischen Klasse, im Gesundheits- und Bildungswesen, sowie in der öffentlichen Verwaltung. Selbst ein mit der Bekämpfung von Korruption beauftragter Staatsanwalt wurde jüngst zu fünf Jahren Haft verurteilt – wegen Bestechlichkeit. Zwar existieren weitreichende politische Handlungsinstrumente wie ein Aktionsplan, ein Anti-Korruptionsgesetz sowie eine Anti-Korruptionsbehörde, die Um- und Durchsetzung ist allerdings lückenhaft (GIZ 6.2016).

Die Kosovo Antikorruptionsagentur (ACA) und eine Art Rechnungshof (OAG) waren für die Bekämpfung von Korruption auf Regierungsebene verantwortlich. Bis zum August 2015 erhielt die ACA 160 angebliche Korruptionsfälle, 70 Fälle wurden dabei an die Staatsanwaltschaft übermittelt, gegen 12 Personen wurde seitens der Polizei ermittelt. Verurteilungen wegen Korruption bleiben aber allgemein weiterhin selten (USDOS 13.4.2016).

Der Kosovo hat strenge Antikorruptionsgesetze bzw. gibt es zahlreiche Antikorruptionsinstitutionen. Die Behörden waren allerdings nicht fähig Fälle von Korruption erfolgreich zu untersuchen, zu verfolgen und zu bestrafen. Korruption ist u.a. auch ein Grund für Unternehmer dringend benötigte Investitionen nicht zu tätigen. Die Antikorruptionsagentur übergab den Strafverfolgungsbehörden 600 Korruptionskriminalberichte und die Namen von 1.300 Beamten, denen Korruption bzw. Bestechung vorgeworfen wurden. Die Korruptionsbehörden behandelten seit 2013 1.232 Korruptionsfälle gegen insgesamt 3.123 Verdächtige, von denen gegen 780 Anzeigen erstattet wurden. Allerdings gab es nur sieben Staatsanwälte, die die vielen Fälle bearbeiteten. Von den 154 high-profile-Korruptionsfällen konnten nur 34 gelöst werden. Trotz zunehmender high-profile-Verhaftungen, glauben viele der befragten Kosovaren, dass Korruption in der Regierung (40%), in politischen Parteien (28%) und in der Justiz (25%) weit verbreitet ist. Gleichzeitig behaupten viele Kosovaren, dass sie im Gesundheitsbereich (32%), vor Strafverfolgungsbehörden (30%) oder von anderen Staatsangestellten (28%) bereits einmal gezwungen waren, Schmiergeld zu zahlen (FH 12.4.2016, vgl. USDOS 13.4.2016, FOL 2015).

Quellen:

?        FH - Freedom House (12.4.2016): Nations in Transit 2016 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/325005/464781_de.html, Zugriff 30.6.2016

?        FOL Movement (2015): Corruptionscan, PUBLIC OPINION SURVEY:

?        Knowledge, Opinions and Experiences of Citizens on Corruption in Kosovo, http://levizjafol.org/folnew/wp-content/uploads/2015/09/CorruptionSCAN-Public-Opinion-Survey.pdf, Zugriff 1.7.2016

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 30.6.2016

?        USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 30.6.2016

8.       NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Ca. 6.000 - 7.000 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) sind im Kosovo registriert, wovon aber lediglich 10% (GIZ 6.2016) bzw. etwa ein Drittel (FH 6.6.2015) als aktiv gelten. Die zivilgesellschaftliche Szene ist auf Grund des hohen Anteils an Jugendlichen in der Gesellschaft hochdynamisch aber weitestgehend apolitisch. Die größte Anzahl der aktiven NGOs konzentriert sich auf die städtischen Zentren, wohingegen die Anzahl aktiver NGOs in ländlichen Gebieten gering ist. Eine Datenbank mit kosovarischen NGOs ist auf der Webseite der Kosovar Civil Society Foundation (http://www.kcsfoundation.org/?page=2,1) zu finden (GIZ 6.2016, vgl. FH 6.6.2015).

Zahlreiche heimische und internationale Menschenrechtsorganisationen konnten ohne Einschränkungen seitens der Regierung ihren Aufgaben nachgehen, Menschenrechtsfälle untersuchen und die Ergebnisse darüber publizieren (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 30.6.2016

?        FH - Freedom House (12.4.2016): Nations in Transit 2016 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/325005/464781_de.html, Zugriff 30.6.2016

?        USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 30.6.2016

9.       Ombudsmann

Die Prinzipien auf denen die Arbeit der Ombudspersoninstitution (OI) beruht sind Unparteilichkeit, Vertraulichkeit und Professionalität. Das Institut beherbergt spezialisierte Abteilungen, wie die Anti-Diskriminierungsabteilung, die Rechtsabteilung, eine Stabsstelle, eine Justizabteilung und eine Öffentlichkeitsabteilung. Darüber hinaus bietet sich das Institut als Mediations- und Versöhnungsstelle an. Um den Zugang zu dieser Institution zu erleichtern, gibt es regionale Ableger in verschiedenen Städten wie Ferizaj, Gjakova, Gjilan, Mitrovica, Peja, Prizren und Gracanica sowie ein Institut in Nordmitrovica. Des Weiteren werden regelmäßig sog. „offene Tage“ in allen Gemeinden abgehalten. Seit 2004 gibt es in allen Gefängnissen und Haftanstalten Beschwerdeboxen, die ausschließlich von Mitarbeitern des Büros bei deren monatlichen Besuchen in diesen Anstalten geöffnet werden. 2014 erhielt das Hauptbüro in Pristina insgesamt 1.995 Beschwerden und Anfragen auf Rechtshilfe bzw. Rechtsauskunft, wobei u.a. am häufigsten Fälle von Recht auf ein faires und objektives Verfahren, Eigentumsschutz, Recht auf Arbeit und Berufsausübung, Gesundheits- und sozialem Schutz und das Recht auf Rechtsschutzmöglichkeiten etc. vorkamen. Seitens der Albaner wurden 1.764, der Serben 131, der Bosnier 30, der Türken 21, der Roma 16, der Ägypter 13, der Ashkali 9 und von anderen 11 Beschwerden vorgebracht (RoK 31.3.2016).

In den letzten Jahren hat sich der Zugang zur Ombudsmann-Institution für die Landbevölkerung und insbesondere für die RAE-Gemeinschaft (Roma, Ashkali, Ägypter) verbessert. Diese Verbesserungen sind im Wesentlichen durch die Errichtung regionaler Ableger und durch die Abhaltung „offener Tage“ erreicht worden. Die regionalen Ämter und Zweigstellen des Ombudsmannes gewährleisten eine ständige Präsenz dieser Institution, welche sich als besonders nützlich für die „Versorgung“ der RAE-Gemeinschaften mit Informationen und Beschwerdemöglichkeiten erwiesen hat (OSCE 5.2013).

Es kommt immer wieder zu einzelnen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen, denen in der Regel durch NGOs, den Ombudsmann aber auch durch staatliche Stellen nachgegangen wird. Zahlreiche nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen können ohne Einschränkungen ihren Aufgaben nachgehen, Menschenrechtsfälle untersuchen und die Ergebnisse darüber publizieren (BAMF 5.2015).

Quellen:

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

?        OSCE (5.2013): Best Practices for Roma Integration Regional Report on Anti-discrimination and Participation of Roma in Local Decision-Making; http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1370359982_102083.pdf, Zugriff 1.7.2016

?        RoK - REPUBLIC of KOSOVO Ombudsperson Institution (31.3.2016): Annual Report 2015 No. 15, http://www.ombudspersonkosovo.org/repository/docs/English_Annual_Report_2015_351292.pdf, Zugriff 30.6.2016

10.      Wehrdienst und Rekrutierungen

Es gibt keinen verpflichtenden Wehrdienst (AA 9.12.2015).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

11.      Allgemeine Menschenrechtslage

Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Art. 22 der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden in Kosovo zuständig ist. Die Ombudsperson geht Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nach und gibt in einem Jahresbericht an das Parlament (www.ombudspersonkosovo.org) Empfehlungen für deren Behebung ab (AA 9.12.2015).

Es gibt keine Hinweise auf staatliche Repressionen oder Menschenrechtsverletzungen. Probleme beim Aufbau eines funktionierenden Justizsystems sowie einer effizienten Verwaltung, aber auch das hohe Maß an Korruption beeinflussen jedoch den Schutz zentraler Menschenrechte. Das Anti-Diskriminierungsgesetz wird nicht konsequent angewendet. Es kommt immer wieder zu einzelnen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen, denen in der Regel durch NGOs, den Ombudsmann aber auch durch staatliche Stellen nachgegangen wird (BAMF 5.2015).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

12.      Meinungs- und Pressefreiheit

s. Kap. 13

13.      Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

13.1.   Versammlungsfreiheit

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die kosovarische Verfassung garantiert. Diese Rechte können generell ohne staatliche Einschränkungen wahrgenommen werden, vereinzelt kommt es aber zu Einschüchterungsversuchen, Bedrohung bzw. versuchter Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und organisierte Kriminalität. Alle relevanten Minderheiten in Kosovo sind durch eigene politische Parteien bzw. Vereinigungen im öffentlichen Leben präsent, der öffentlich-rechtliche Fernsehsender RTK strahlt Sendungen in Minderheitensprachen (Serbisch, Türkisch, Romanes) aus. Ein eigener serbisch-sprachiger Kanal wurde im Jahre 2012 im Rahmen der Umsetzung des Ahtisaari-Pakets unter dem Dach von RTK eingerichtet (AA 25.11.2014, vgl. USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-        USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Kosovo, http://www.ecoi.net/local_link/322517/461994_de.html, Zugriff 1.7.2016

13.2.   Opposition

Die politische Opposition wird in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt (AA 9.12.2015).

Seit Herbst 2015 versuchen die drei Oppositionsparteien Vetevendosje, AAK und NISMA die Arbeit des Parlaments zu blockieren. Das beliebteste Mittel ist dabei der Einsatz von Tränengas. Hintergrund des Protests sind, nach Aussage der Opposition, zwei Abkommen, welche die kosovarische Regierung mit den Nachbarländern Montenegro und Serbien abgeschlossen hatte. Widerstand unter Kosovo-Albanern formiert sich auch insbesondere um das Amnestiegesetz, welches die Integration von Serben in die Staatsstrukturen erleichtern soll und Straffreiheit für Widerstandsaktionen von Serbien gegenüber kosovarischen Institutionen vorsieht. Dies rief erhebliche Proteste vor allem durch die Oppositionspartei Vetevendosje hervor (GIZ 6.2016).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/#c37416, Zugriff 1.7.2016

14.      Haftbedingungen

Fälle von unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung sind nicht bekannt. Die Verhältnisse in den neueren Gefängnissen und Vollzugsanstalten entsprechen im Allgemeinen den internationalen Standards, es gibt aber noch sehr viele alte Haftanstalten, die nicht mehr internationalen Standards entsprechen (z.B. Zellengröße, Ausstattung). Die kosovarische Regierung versucht dies durch entsprechende bauliche und organisatorische Maßnahmen zu verbessern. Die Gefängnisverwaltung investierte EUR 600.000 in das Gefängnis in Mitrovica und verbesserte damit die Haftbedingungen wesentlich. Im Dezember 2013 wurde in Podujeve/Podujevo ein neues Hochsicherheitsgefängnis eröffnet, welches internationalen Standards entspricht und 300 Personen aufnehmen kann. Die Regierung gestattet Monitoring-Besuche von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen und dem Ombudsmann. Laut Kosovo Rehabilitation Center for Torture Victims (KRCT) gibt es weiterhin Beschwerden über das (Fehl-) Verhalten des Vollzugspersonals, über Korruption und Diskriminierungen (v.a. in der Haftanstalt Dubrava, aber auch in Prizren). Statistische Angaben hierzu fehlen allerdings. Kosovo-Albaner als ethnisch homogene Gruppe werden in die Haftanstalt nach Süd-Mitrovica verlegt, während Kosovo-Serben in einer Haftanstalt in Nord-Mitrovica einsitzen (BAMF 5.2015).

Gefangene können sich über andere Häftlinge oder auch Aufsichtspersonal beschweren. Diese Beschwerden können bei Aufseher, Oberaufseher bis zum Direktor der Haftanstalt schriftlich und mündlich eingebracht werden. Auch kann eine Beschwerde beim sog. Gefängniskommissär eingebracht werden. Daneben existiert eine Reihe von NGOs, die regelmäßige Berichte über die Zustände in den Gefängnissen erstellen. Derzeit sind insgesamt zwölf nationale / internationale Organisationen im Kosovo bekannt, welche die Einhaltung der Rechte von Gefangenen im Kosovo überprüfen bzw. beobachten. Unter anderem auch das Büro für Menschenrechte, das internationale Rote Kreuz und viele andere mehr. Diese Organisationen können direkt in die Gefängnisse gehen und dort auch mit den Insassen kommunizieren. Weiters haben Gefangene auch Zugang zu sog. „Ombudspersonen“ (VB 1.4.2011) (s. dazu auch Kap. 9).

Quellen:

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (5.2015): Kosovo, Länderreport Band 3

-        VB des BM.I im Kosovo (1.4.2011): Auskunft des VB, per Email

15.      Todesstrafe

Das Verbot der Anwendung der Todesstrafe ist in der Verfassung verankert (AA 9.12.2015). Sie ist für alle Straftaten abgeschafft (AI 2012).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-        AI (2012): Amnesty Report 2012; http://www.amnesty.de/jahresbericht/2012/serbien-einschliesslich-kosovo, Zugriff 1.7.2016

16.      Religionsfreiheit

Kosovo ist ein säkularer Staat. Die Religionsfreiheit ist nach Art. 38 der kosovarischen Verfassung garantiert. Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nicht bekannt. Das Tragen eines islamischen Kopftuchs an öffentlichen Schulen ist verboten; diese Anordnung der Regierung wurde im Oktober 2011 vom Verfassungsgericht bestätigt (AA 9.12.2015).

16.1.   Religiöse Gruppen

Die große Mehrheit (über 95%) der kosovarischen Bevölkerung (Albaner, Gorani, Türken, Bosniaken sowie ein Teil der Roma, Ägypter und Ashkali) bekennt sich zum islamischen Glauben sunnitischer Prägung. Schätzungsweise 2% der albanischen Kosovaren bekennen sich zum römisch-katholischen Glauben. Die katholische Gemeinde konzentriert sich auf die größeren Städte Djakova, Peja und Prizren und erfährt in jüngster Zeit zunehmende Popularität. Die serbische Bevölkerung gehört in der überwiegenden Mehrzahl der Serbisch-Orthodoxen Kirche an. Das Prinzip des Säkularismus wird von der Bevölkerungsmehrheit geteilt. Tendenzen eines sich radikalisierenden Islam, wie aus Bosnien-Herzegowina bekannt, sind bislang eher ein überschaubares Phänomen Allerdings richtet der sogenannte Islamische Staat (IS) seine Rekrutierungsversuche unter anderem direkt an Muslime in der Region. Die Bekämpfung von (religiösem) Extremismus ist zu einer der Prioritäten der Regierung Kosovos geworden (GIZ 6.2016).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Gesellschaft, GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2016): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/#c37429, Zugriff 1.7.2016

16.2.   Radikaler Islamismus

Die Mehrheit der (überwiegend muslimischen) Bevölkerung ist gegen eine radikalisierte Form des Islams. Bis 1999 noch völlig unbekannt, sind die religiösen Konservativen und Hardliner heute eine kleine, aber zunehmend sichtbare Gruppe mit Anhängern in allen großen Städten und einigen der ärmsten Gegenden auf dem Land. Im ganzen Land wurden neue Moscheen gebaut, oft finanziert von Spendern aus islamischen Staaten. Islamische Hilfsorganisationen, wie z.B. „Islamic Relief“ mit einem Büro in Drenas sind nach wie vor sehr aktiv und hauptsächlich karitativ tätig. „Islamic Relief“ vergibt z.B. Mikro-Kredite, unterstützt Waisenkinder und Witwen auch durch Lebensmittelpakete und finanziert Infrastrukturprojekte, wie den Bau von Wasserleitungen. Die Aktivitäten dieser Organisation konzentrieren sich auf die Gemeinden Drenas, Malishevo und Skenderaj, also auf die ärmste Region in Kosovo. Begünstigt durch Armut und Arbeitslosigkeit ist mittlerweile auch im säkularen Kosovo ein Erstarken des radikalen Islams festzustellen. Experten sprechen von ca. 50.000 Anhängern des konservativen Islams in Kosovo. Nach Angaben der kosovarischen Regierung sollen davon etwa 200 Personen Anhänger eines gewaltbereiten islamistischen Extremismus sein (BAMF 5.2015).

Aus Kosovo sollen etwa 150 bis 200 Personen nach Syrien/Irak gezogen sein, um dort für den Islamischen Staat (IS) oder Al-Nusra zu kämpfen. Der kosovarische Staat distanziert sich ausdrücklich vom Islamismus und den Extremisten und geht aktiv dagegen vor. Dutzende Personen wurden im Sommer 2014 bei Razzien verhaftet. Das erste Gerichtsverfahren gegen etwa 40 Personen, die in Syrien oder Irak gekämpft haben, fand im August 2014 statt. Ein neues Gesetz, das den Kampf in fremden Armeen verbietet, wurde Ende Januar 2015 in erster Lesung vom Parlament angenommen. In letzter Zeit sollen Journalisten, die sich kritisch über den Islamischen Staat äußern, ernst zu nehmende Drohungen aus der Islamistenszene erhalten haben. Eine Organisation namens „The Followers of Jihad“ bedrohte im November 2013 per Email die Polizei und forderte sie auf, verhaftete Anhänger freizulassen. Im Februar 2013 wandelte sich die radikale „Bewegung für islamische Einheit“ (Lëvizja Islame Bashkohu - LISBA) in eine politische Partei. Die Zahl der Mitglieder ist nicht bekannt: Die Partei agiert in Priština, Gjilane und Peja. Des Weiteren gibt es neue konservative islamische Bewegungen wie „Bashkohu“ (Beitritt), Forumi und Paqja Studentore, die die islamischen Werte verteidigen. Sie beklagen u.a., dass die säkulare Verfassung Kosovos die Frommen diskriminiere (BAMF 5.2015).

Im Kosovo gibt es eine entsprechende Salafistenszene, die nach einigen Polizeiaktionen gegen führende Mitglieder, vermehrt im Verdeckten agiert. Offensichtliche Rekrutierungen durch den Islamischen Staat (IS) kommen zwar vor, wobei im Kosovo eher sogenannte „Facilitators“ tätig sind, die es Personen ermöglichen auszureisen, um in den Jihad zu ziehen (logistische Unterstützung). Weiters zielen einzelne Interessensgemeinschaften (einschlägige NGOs etc.) eher auf eine Radikalisierung, denn aktive Rekrutierung ab. Die hohe Zahl der Kosovaren aufseiten des IS lässt sich un

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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