TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/21 W164 2199560-1

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Entscheidungsdatum

21.09.2020

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
ASVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W164 2199560-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX GmbH gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (nun Österreichische Gesundheitskasse) vom 22.05.2018, Zl. VA-VR/49662006/18-Mag.CS, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben: der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch genannten Bescheid schrieb die Wiener Gebietskrankenkasse, nun Österreichische Gesundheitskasse, (im Folgenden: WGKK, =belangte Behörde) der Beschwerdeführerin (im folgenden BF) einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG iHv € 400,-- vor.

Zur Begründung bezog sich die WGKK auf eine Überprüfung der Baustelle XXXX Wien, XXXX vom 25.01.2018, bei der Herr XXXX (im Folgenden S) geb. XXXX , arbeitend (Reinigungsarbeiten auf der Baustelle) angetroffen worden sei, ohne zur Sozialversicherung gemeldet gewesen zu sein. S habe nicht angeben wollen, wer ihm den Arbeitsauftrag erteilt habe. Die BF sei das planende Generalunternhmen dieser Baustelle gewesen. Ihre Geschäftsführerin, Frau XXXX , sei am 06.02.2018 niederschriftlich einvernommen worden und habe angegeben, sie wisse nicht, wer S beauftragt habe. Gleichzeitig habe sie seine nachträgliche Anmeldung zur Sozialversicherung zur Kenntnis genommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche fristgerechte Beschwerde. Die BF wendet ein, sie führe als Projektentwicklerin auf der genannten Baustelle einen Dachboden -ausbau und -zubau durch. Ihre Geschäftsführerin habe die Anmeldung des S anlässlich der genannten Niederschriftsaufnahme nicht zur Kenntnis genommen sondern unter dem Druck des Kontrolleurs der WGKK unterschrieben. Diese Anmeldung werde widerrufen. Der namentlich genannte Kontrolleur der WGKK habe die Geschäftsführerin der BF mehrmals angerufen und habe darauf gedrängt, dass sie die Anmeldung unterschreiben solle. Der Kontrolleur habe sie darauf hingewiesen, dass sie als Bauherrin ohnehin für die Sozialabgaben hafte. Die Geschäftsführerin der BF habe schließlich nachgegeben, sich mit dem Kontrolleur der WGKK in einem Kaffeehaus getroffen und habe dort die vorbereitete Anmeldung unterschrieben. Die BF machte einen Zeugen namhaft, der bei dem Treffen im Kaffeehaus dabei gewesen sei.

Der Arbeiter S sei der BF nicht zuzurechnen. Zum Datum der genannten Baustellenkontrolle seien zwei Subunternehmen auf genannter Baustelle tätig gewesen, die XXXX GmbH und die XXXX GmbH tätig gewesen. Die BF gehe davon aus, dass S der Sphäre des erstgenannten Subunternehmerin zuzurechnen sei, da sowohl der Geschäftsführer dieser Subunternehmerin als auch der angetroffene Arbeiter die gleiche Herkunft ( XXXX ) hätten.

Die BF beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die genannte Baustellenkontrolle hat neben dem hier anhängigen Beschwerdeverfahren zu einem gegen die Geschäftsführerin der BF geführten Verwaltungsstrafverfahren, MBA6- XXXX /18, geführt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Zuge des Beschwerdeverfahrens Einsicht in den diesbezüglichen Verwaltungsstrafakt genommen und festgestellt, dass das genannte Verwaltungsstrafverfahren mit Bescheid vom 14.09.2018 mangels ausreichender Beweise eingestellt wurde.

Die BF legte mit aufgetragener Stellungnahme vom 12.05.2020 die mit den beiden von ihr namhaft gemachten Subunternehmen geschlossenen Werkverträge und Abrechnungen betreffend den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vor.

Im Zuge des dazu gewährten schriftlichen Parteiengehörs machte die belangte Behörde von der Möglichkeit einer Stellungnahme keinen Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Hinsichtlich der Feststellungen wird auf Punkt I, „Verfahrensgang“ verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und aus den eingangs angeführten im Beschwerdeverfahren vorgenommenen schriftlichen Erhebungen. Dabei war zunächst zu berücksichtigen, dass in dem im Zuge der Beweiserhebung eingesehenen Verwaltungsstrafverfahren andere Grundsätze der Beweiswürdigung galten („im Zweifel für den Beschuldigten“) als im hier anhängigen Verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das in freier Beweiswürdigung zu führen war. Die von der BF vorgelegten schriftlichen Verträge und Abrechnungen erscheinen jedoch unbedenklich und stehen mit dem Ergebnis des parallel geführten Verwaltungsstrafverfahren (wie unter Punkt 1. „Verfahrensgang“ näher ausgeführt wurde) im Einklang. Die belangte Behörde hat bezüglich der im Beschwerdeverfahren eingeholten Beweismittel keine Einwände vorgebracht. Somit war auch im hier zu führenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren davon auszugehen, dass nicht die BF sondern eine ihrer Subunternehmerinnen den am 25.01.2018 auf der Baustelle XXXX Wien, XXXX arbeitend angetroffenen S beschäftigt haben. Weitere Ermittlungen zum Sachverhalt erscheinen angesichts dieses ausreichend klaren Beweisergebnisses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verfahrensökonomie (§ 39 Abs 2 letzter Satz AVG iVm § 17 VwGVG) nicht geboten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 grundsätzlich durch EinzelrichterInnen und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Der hier vorliegende Fall ist von dieser Bestimmung erfasst; es wurde aber kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Es liegt somit EinzelrichterInnenzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens:

Der Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens wird in seinem Umfang durch jene Entscheidung begrenzt, die mit dem erstinstanzlichen Bescheid getroffenen wurde. Die Beschwerdeinstanz darf in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bzw. Gegenstand der bekämpften erstinstanzlichen Entscheidung gewesen ist, nicht erkennen, da ihr dazu die funktionelle Zuständigkeit fehlt. (vgl. VwGH 2008/09/0362 vom 15.10.2009).

Im vorliegenden Fall hat die BGKK mit dem im Spruch genannten Bescheid der BF einen Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG vorgeschrieben. Nur diese Angelegenheit bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Nicht zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zählen würde etwa die Frage einer Auftraggeberhaftung der BF iSd gemäß § 67a ASVG. Nicht zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zählen würde auch die Vorschreibung eines Beitragszuschlages an eine der von der BF namhaft gemachten Subunternehmerinnen zählen.

In der Sache:

Unter einem Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zum Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG zu verstehen (vgl. VwGH 19.2.2016, 2013/08/0287).

Gemäß § 35 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. […]

Die Person, auf deren Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, ist jene, die nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen Gesichtspunkten) aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Es kommt also darauf an, wen das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft. Im Fall der Betriebsführung durch Dritte muss dieser Person zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zustehen. Maßgeblich sind die wirklichen rechtlichen Verhältnisse, nicht der nach außen in Erscheinung tretende Sachverhalt. Demgemäß kann auch ein indirekt Vertretener Dienstgeber sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2008/08/0165, mwN). Schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 35 Abs. 1 ASVG kommt es nicht darauf an, ob der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgelts verweist. (vgl. VwGH Ra 2016/08/0109 vom 05.12.2019).

Die BF war nicht Dienstgeberin des anlässlich der eingangs genannten Überprüfung der Baustelle XXXX Wien, XXXX vom 25.01.2018, arbeitend angetroffenen S. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Vorschreibung eines Beitragszuschlages erfolgte somit nicht zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragszuschlag Dienstgebereigenschaft Subunternehmer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W164.2199560.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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