TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/24 G314 2233599-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2020
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Entscheidungsdatum

24.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2233599-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des deutschen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 07.2020,
Zl. XXXX , betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.06.2020 wurde er aufgefordert, sich zu der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich und zu seinem Privat- und Familienleben zu beantworten. Am 03.07.2020 langte beim BFA eine entsprechende Stellungnahme des BF ein.

Daraufhin wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit seiner strafgerichtlichen Verurteilung begründet. Die von ihm gesetzten Handlungen seien unter § 67 Abs 1 und Abs 2 FPG zu subsumieren und würden ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot rechtfertigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid, in eventu das Aufenthaltsverbot, zu beheben oder dessen Dauer zu reduzieren. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Behörde weder seine Selbstanzeige noch die freiwillig angestrebte Therapie berücksichtigt habe. Er sei selbsterhaltungsfähig und bis zum Zeitpunkt seiner Verurteilung unbescholten gewesen. Das Opfer seiner Tat habe ihm verziehen und sei noch immer mit ihm befreundet; er habe außerdem eine Lebensgefährtin in Österreich. Die Behörde habe außer Acht gelassen, dass der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft worden sei.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag, sie als unbegründet abzuweisen, vor. Eine Therapiebestätigung, ein Schreiben des Arbeitgebers des BF und ein Schreiben des Vereins „I.S.I. – Initiativen für Soziale Integration“, wurden nachgereicht.

Das Landesgericht XXXX übermittelte dem BVwG in der Folge auftragsgemäß den Strafakt zu XXXX . Der BF legte den Erstbericht seiner Bewährungshelferin vor.

Feststellungen:

Der BF ist deutscher Staatsangehöriger und kam am XXXX in der deutschen Stadt XXXX zur Welt. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Seine Muttersprache ist Deutsch. Im Juli 2013 schloss er in Deutschland die Hauptschule ab; eine ebenfalls in seinem Heimatstaat begonnene XXXX brach er vor seiner Übersiedlung nach Österreich ab (Strafurteil AS 45 ff; Stellungnahme AS 91 ff; Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR).

Der BF wurde in Deutschland 2015 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und 2019 wegen Steuerhinterziehung jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt (ECRIS-Auszug im Akt 21 Hv 14/19 b, ON 8).

Im Juni 2016 übersiedelte der BF aus Deutschland zu seiner in Österreich lebenden Schwester, zu der aktuell allerdings kein Kontakt mehr besteht. Er war im Bundesgebiet seither fast durchgehend (mit Unterbrechungen zwischen XXXX .03. und XXXX .03.2017 sowie zwischen XXXX .09.2017 bis XXXX .01.2018) mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er wird seit 2016 vom Verein „ XXXX “ im Rahmen von Straßensozialarbeit in XXXX , etwa durch Freizeitaktivitäten und Beratungstermine, unterstützt (ZMR-Auszug, Stellungnahme AS 91 ff; Schreiben OZ 1).

Dem BF wurde am XXXX .10.2016 eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt (Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister – IZR). Seit Juni 2016 ist er mit Unterbrechungen (teilweise geringfügig beschäftigt) in Österreich als Arbeiter erwerbstätig. Seit August 2017 besteht ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis als XXXX in Oberösterreich, wobei er ca. EUR 1.500 netto pro Monat verdient und eine Qualifikation für Spezialreinigungen erlangte (Stellungnahme AS 91 ff; Versicherungsdatenauszug AS 75 ff; Schreiben OZ 3).

Am XXXX .05.2020 erstattete der BF Selbstanzeige bei der Polizeiinspektion XXXX , weil er kurz davor seine (stark alkoholisierte und schlafende) Mitbewohnerin unter Ausnützung ihres wehrlosen Zustands missbrauchte, indem er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, namentlich ihre Beine spreizte, mit beiden Händen durch die Hosenbeine bis zu ihrer Vagina hochfuhr, diese entblößte, ihre Schamlippen mit den Fingern auseinanderdrückte, an ihrer Vagina roch und sich selbst bis zum Samenerguss befriedigte. Wegen dieser Tat wurde er mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person (§ 205 Abs 2 StGB) - ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe - zu einer neunmonatigen, für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde die Bewährungshilfe angeordnet und der BF angewiesen, sich einer ambulanten, insbesondere auch sexualbezogenen Psychotherapie zu unterziehen. Bei der Strafbemessung wurden als mildernd die bisherige gerichtliche Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis sowie die Tatsache, dass sich der BF bereits von sich aus in Behandlung begeben hatte, gewertet; besondere Erschwerungsgründe lagen nicht vor (Akt XXXX des Landesgerichts XXXX , insbesondere Urteil AS 45 ff und Beschluss AS 49).

Der BF arbeitet zuverlässig und bemüht mit seiner Bewährungshelferin zusammen, hält Termine pünktlich ein, erfüllt Vereinbarungen und meldet sich selbständig bei Schwierigkeiten oder Problemen. Seit XXXX .04.2020 steht er in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung, nachdem er bereits im Dezember 2019 und im Jänner 2020 zwei Therapietermine absolviert hatte (Weisungsbestätigung im Akt XXXX , ON 18; Therapiebestätigung AS 139; Bewährungshilfebericht OZ 9).

Der BF hat keinen Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern die (abgesehen von der in Österreich niedergelassenen Schwester) in Deutschland leben. Er ist mit der am XXXX geborenen österreichischen Staatsbürgerin XXXX liiert, mit der er seit Juli 2020 in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt. Er ist aktives Mitglied der „ XXXX (Stellungnahme AS 93, ZMR-Auszug; Schreiben OZ 1; Bewährungshilfebericht OZ 9).

Auf Grund einer zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe sowie von Mietschulden hat der BF Verbindlichkeiten von etwa EUR 5.000, die er in monatlichen Ratenrückzahlungen bedient. Er verfügt über kein Vermögen oder andere Ersparnisse (Bewährungshilfebericht in OZ 9; Vermögensbekenntnis im Strafakt XXXX , ON 5). Er ist gesund und arbeitsfähig (Stellungnahme AS 91).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln, wobei sich die angegebenen Aktenseiten (AS) auf die Nummerierung der Verwaltungsakten beziehen.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF sowie sein Geburtsort ergeben sich aus den Angaben zu seiner Person im Strafurteil und dem polizeilichen Personalblatt (AS 21). Seine familiären Verhältnisse werden anhand seiner plausiblen Angaben in seiner Stellungnahme festgestellt. Auch aus dem Strafurteil geht das Fehlen von Sorgepflichten hervor; im ZMR scheint als Familienstand nach wie vor „ledig“ auf. Deutsche Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft und des Schulbesuchs in Deutschland naheliegend.

Die Wohnsitzmeldungen des BF im Bundesgebiet werden anhand des ZMR-Auszugs festgestellt. Aus seinen Angaben in Zusammenschau mit der im Inland ausgeübten Erwerbstätigkeit ergibt trotz der Lücken im Meldeverlauf, sich, dass er sich seit Juni 2016 im Wesentlichen kontinuierlich im Bundesgebiet aufhält. Die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung ergibt sich aus dem IZR. Seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet geht aus dem Versicherungsdatenauszug hervor.

Die Feststellungen zu der vom BF in Österreich begangenen Straftat, zu seiner Verurteilung und zu den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Strafakt, dem Strafregister und dem aktenkundigen Urteil des Landesgerichts XXXX . Die Verurteilungen des BF außerhalb Österreichs werden anhand des im Strafakt enthaltenen deutschen ECRIS-Auszugs festgestellt.

Die Feststellungen zur Psychotherapie sowie dem Kontakt zu seiner Bewährungshelferin basieren auf den aktenkundigen Bestätigungen. Die finanzielle Situation des BF ergibt sich aus seiner Stellungnahme, dem im Strafverfahren erstatteten Vermögensbekenntnis und den damit übereinstimmenden Feststellungen im Strafurteil. Sein Gesundheitszustand ergibt sich aus seinen Ausführungen in der Stellungnahme, die Arbeitsfähigkeit daraus, aus seinem erwerbsfähigen Alter und aus dem seit August 2017 durchgehend bestehenden Arbeitsverhältnis.

Dass der BF keinen Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie, wird durch das Schreiben des Vereins „ XXXX “ bestätigt. Damit lässt sich auch gut in Einklang bringen, dass er laut seiner Stellungnahme sein Heimatland seit 2016 ausschließlich für kurze Besuche, zuletzt zu Weihnachten 2019, aufsuchte. Die Beziehung zu XXXX ergibt sich aus den Angaben des BF, die durch das Schreiben seiner Bewährungshelferin und die übereinstimmenden Wohnsitzmeldungen laut ZMR gestützt werden.

Das Engagement für die „ XXXX “ konnte auf Grund der Angaben des BF und des Schreibens des Vereins „ XXXX “ festgestellt werden. Es sind im Verfahren keine Anhaltspunkte für weitere Integrationsschritte oder Anknüpfungen des BF in Österreich zutage getreten, sodass dazu keine weiteren Feststellungen getroffen werden.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 67 Abs 1 FPG setzt die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG voraus, dass auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Da sich der BF weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben hat (das einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt, siehe § 53a NAG), ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 erster bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden, zumal er sich seit Juni 2016 durchgehend im Bundesgebiet aufhält.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Zwar indiziert die Verurteilung des BF wegen eines gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gerichteten Verbrechens eine von ihm ausgehende Gefahr für Grundinteressen der Gesellschaft. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist aber ausnahmsweise trotzdem keine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen, weil eine positive Zukunftsprognose für den BF erstellt werden kann. Auch wenn der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer allfälligen Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat, für den Wegfall der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich ist und dieser Zeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat, schließen diese Grundsätze nicht absolut aus, dass auch schon nach einer kurzen Zeit des Wohlverhaltens in Freiheit unter besonderen Umständen ein für die Gefährdungsprognose maßgeblicher Gesinnungswandel konstatiert wird (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0027).

Hier liegt die Tat des B erst weniger als eineinhalb Jahre zurück; es ist aber davon auszugehen, dass die Androhung des Vollzugs einer Freiheitsstrafe in Verbindung mit der Unterstützung durch Bewährungshilfe und Therapie und seine grundsätzlich stabilen Lebensumstände ausreichen, um schon nach dieser kurzen Zeit eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr zu erzielen.

Der BF brachte seine Tat, die keinen ungewöhnlichen Handlungs- oder Erfolgsunwert aufweist, nur wenige Stunden nach ihrer Begehung selbst zur Anzeige und leitete noch vor der entsprechenden Weisung des Gerichts von sich aus therapeutische Maßnahmen ein, was zeigt, dass er fähig ist, selbstreflektiert zu handeln, und eine unmittelbare, nicht nur verbal geäußerte Schuldeinsicht und Reue zeigte. Da das Strafgericht mit einer moderaten, zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitstrafe das Auslangen fand und der BF in einer beruflich und privat stabilen Situation lebt, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht notwendig. Seine Verurteilungen in Deutschland sind nach österreichischem Recht nicht gerichtlich strafbar (vgl. § 73 StGB), sodass er als Ersttäter anzusehen ist. Er wird von verschiedenen Institutionen (Bewährungshilfe, Therapie, Straßensozialarbeit) bei der Rückfallsprävention unterstützt und nimmt diese Hilfe bei der Deliktsbewältigung auch an, sodass ein Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit anzunehmen ist, obwohl seit der Tat und insbesondere seit der Verurteilung noch nicht viel Zeit vergangen ist.

Eine Gesamtschau des persönlichen Verhaltens des BF unter besonderer Berücksichtigung von Art und Schwere der Straftat, dem Nachtatverhalten und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild ergibt somit, dass der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 erster bis vierter Satz FPG nicht erfüllt ist. Das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot ist daher ersatzlos zu beheben, was auch die Behebung des darauf aufbauenden Durchsetzungsaufschubs bedingt. Beide Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids sind daher in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben. Sollte der BF erneut straffällig werden oder sollten andere Gründe für den Widerruf der bedingten Strafnachsicht eintreten (z.B. Verstoß gegen die Therapieweisung), wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn neuerlich zu prüfen sein.

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Die einzelfallbezogene Beurteilung betreffend die Gefährdungsprognose und die gemäß § 9 BFA-VG 2014 vorgenommene Interessenabwägung hinsichtlich eines Aufenthaltsverbotes iSd § 67 Abs 1 erster bis vierter Satz FPG ist dann nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014). Ausgehend von diesem Grundsatz ist die Revision hier nicht zuzulassen, weil sich das BVwG im vorliegenden Einzelfall an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2233599.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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