TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/28 W156 2224343-2

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Veröffentlicht am 28.09.2020
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Entscheidungsdatum

28.09.2020

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33
VwGVG §7 Abs4
ZustG §17

Spruch

W156 2224343-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin im Beschwerdeverfahren von XXXX , vertreten durch SOLIDUS Wirtschaftstreuhand-GmbH, gegen den Bescheid der ÖGK (vormals Wiener Gebietskrankenkasse) vom 09.11.2005, Zl: XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2019, XXXX , zu Recht:

A) I.) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

II.) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die damalige Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr ÖGK), in Folge als belangte Behörde bezeichnet, hat mit Bescheid vom 09.11.2005 die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der XXXX GmbH, in Folge als Primärschuldnerin bezeichnet, verpflichtet, der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die von dieser Firma zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren in der Höhe von € 68.971,12 zuzüglich Verzugszinsen seit dem 28.10.2005 in der sich nach § 59 ergebenden Höhe, das seien 6,33% p.a., berechnet von € 40.508,69, binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin als GF der Primärschuldnerin hafte, da die Erbringung der Beiträge schuldhaft unterblieben sei.

2. Gegen den Bescheid vom 09.11.2005 erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung einlangend am 14.10.2019 Beschwerde. Der Bescheid vom 09.11.2005 sei der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden und daher nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Rückschein zum Bescheid vom 09.11.2005 sei der belangten Behörde mit dem Vermerk „nicht behoben“ retourniert worden. Laut Beschwerdeführerin habe sich im Jahr 2005 nie ein Abholschein zur Behebung des Haftungsbescheides im Briefkasten befunden.

3. Die belangte Behörde erließ am 04.11.2019 eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin sei gemäß ZMR an der Adresse gemeldet gewesen, an welche auch der Bescheid im November 2005 versendet worden sei. Dass das Schriftstück nicht behoben worden sei, ändere nichts an der Zustellung. Der Bescheid sei durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt worden.

4. Die Beschwerdeführerin brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Die Beschwerdeführerin habe nichts von dem Bescheid gewusst, sie habe auch von der belangten Behörde auf Anfrage keine entsprechenden Informationen erhalten.

In eventu werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da die Beschwerdeführerin der Bescheid bis dato nicht zugestellt worden sei.

5. Der Beschwerdeakt wurde am 16.01.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

6. Mit Schreiben vom 16.09.2020 wurde der Beschwerdeführerin die Verspätung im Rahmen eines Parteiengehörs vorgehalten und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

7. Mit Schreiben vom 22.09.2020 gab die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Bescheid der belangten Behörde erging am 09.11.2005 und wurde an die Adresse der Beschwerdeführerin in 1 XXXX Wien, XXXX per RSb verschickt.

Die Rechtsmittelbelehrung lautet auszugsweise:

„Der Bescheid kann binnen einen Monats nach Zustellung durch Einspruch an den Landeshauptmann für Wien angefochten werden.

Die Beschwerdeführerin war zu diesem Datum an der Empfangsadresse gemeldet.

Nach dem ersten Zustellversuch am 10.11.2005 wurde der Brief für die Dauer der gesetzlichen Frist beim Postamt 1062 zur Abholung bereitgehalten.

Auf dem Rückschein ist vermerkt, dass eine Verständigung der Hinterlegung in den Hausbriefkasten eingelegt wurde.

Nach Ablauf der Frist wurde die Sendung an die belangte Behörde als „nicht behoben“ retourniert.

Die Beschwerde ist am 14.10.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

Die bevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführerin im ggst Verfahren hat am 27.08.2019 eine Ausfertigung des Bescheides erhalten.

Mit Mail vom 20.09.2019 wurde der bevollmächtigten Vertreterin der Beschwerdeführerin der Zustellnachweis vom 11.11.2005 übermittelt.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Hinterlegung der Postsendung, die erfolgte Benachrichtigung und die Nichtbehebung ergeben sich aus dem Rückschein der Post AG.

Das Einlangen der Beschwerde am 14.10.2019 bei der belangten Behörde ist unbestritten.

In einem Mail vom 19.08.2019 ersuchte die bevollmächtigte Vertreterin im Namen und Auftrag der Beschwerdeführerin um Übermittlung des Bescheides. Zudem wird in diesem Schreiben explizit ersucht, den Bescheid direkt an die Adresse der Vertretung zuzustellen.

Dass die Vertretung der Beschwerdeführerin eine Ausfertigung des Bescheides spätestens am 27.08.2019 erhalten hat, ergibt sich aus einer im Akt befindlichen E-Mail-Kopie, in welcher unter anderem der Empfang des Bescheides bestätigt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Materiellrechtliche Grundlagen:

§ 17 ZustellG:

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

§ 7 Abs 4 VwGVG:

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen.

§ 10 AVG:

(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

§ 32 AVG:

(1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

§ 33 VwGVG:

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen    

1.       nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2.       nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. (…..)

3.2 Auf den Beschwerdefall bezogen (zu Spruchpunkt A. I.):

Gemäß § 7 Abs 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG - wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde - mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 32 Abs 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Der bekämpfte Bescheid wurde der Beschwerdeführerin laut dem im Verwaltungsakt aufliegenden Rückschein gemäß § 17 Abs 3 ZustellG am ersten Tag der Abholfrist (11.11.2005) durch Hinterlegung zugestellt.

Als Zustelladresse wurde die zum Zustellzeitpunkt aufrechte Meldeadresse der Beschwerdeführerin gewählt.

Gemäß § 17 Abs 4 ZustellG ist die Zustellung auch wirksam, wenn die Verständigung beschädigt oder von Dritten entfernt wurde.

De Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24.06.2020, Zl. Ra 2020/17/0017, ausgesprochen, dass der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht wird, gegen den jedoch gemäß § 47 AVG in Verbindung mit § 292 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (Hinweis E vom 1. April 2008, 2006/06/0243). Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, er habe "von der Post keine Verständigung von der Aufhebung des Bescheides" erhalten, ist nicht geeignet diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen, und für die Wirksamkeit der Zustellung ist es auch ohne Belang, ob ihm die Verständigung von der Hinterlegung in der Folge tatsächlich zugekommen ist oder nicht (vgl. § 17 Abs. 4 ZustG sowie das E vom 27. Mai 1999, 98/11/0178).

Aus dem Rückschein der Post AG – welcher ein amtliches Dokument darstellt - ergibt sich, dass eine Verständigung in den Hausbriefkasten eingeworfen wurde und der Bescheid am 11.11.2005 erstmals zur Abholung bereits lag. Es sind, abgesehen von der unbewiesenen Behauptung der Beschwerdeführerin, keine Gründe hervorgekommen, die einen Zweifel an der tatsächlichen Hinterlassung der Verständigung aufkommen lassen.

Doch selbst wenn hypothetischer Weise angenommen wird, dass im Jahr 2005 der Bescheid tatsächlich nicht an die Beschwerdeführerin zugestellt worden wäre, ändert dies nichts an der Verspätung der Beschwerde:

Aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass die bevollmächtigte Vertreterin, welche die Beschwerdeführerin vertritt, am 19.08.2019 unter Verweis auf die Bevollmächtigung um Zusendung des Bescheides an die Adresse der bevollmächtigten Vertreterin ersuchte und diesem Ersuchen seitens der belangten Behörde am 27.08.2019 Folge geleistet wurde.

Eine rechtswirksame Zustellung wäre daher mit 27.08.2019 erfolgt und hätte als fristauslösendes Ereignis den Beginn der Beschwerdefrist ausgelöst.

Entgegen der Auffassung der bevollmächtigten Vertreterin ist nicht die Zustellung des Zustellnachweises vom 11.11.2005 Auslöser für den Fristenlauf, sondern die Zustellung des angefochtenen Bescheides. Die diesbezügliche Beschwerdefrist endete daher am 27.09.2019.

Das Argument, dass erst mit Übermittlung des Zustellnachweises vom 11.11.2005, ein Zustellmangel erkennbar gewesen wäre und erst zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsmittel ergriffen hätte werden können, geht daher ins Leere.

Die mit 08.10.2019 datierte und am 14.10.2019 eingelangte Beschwerde ist diesfalls ebenso als verspätet anzusehen.

3.3. Zur Abweisung des Eventualantrages auf Wiedereinsetzung (A. II.):

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, hat den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur im Rahmen der Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers zu untersuchen. An den im Antrag vorgebrachten Grund bleibt die Partei gebunden (vgl. VwGH vom 17.03.2015, Zl. Ra 2014/01/0134; VwGH vom 25.02.2003, Zl. 2002/10/0223). Der Beschwerdeführer hat die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt (vgl. VwGH vom 16.12.2009, 2009/12/0031).

Auf den Beschwerdefall bezogen:

Da, wie oben zu entnehmen ist, für das Gericht zweifelsfrei feststeht, dass im Zuge des Zustellvorganges am 10.11.2015 ein Hinterlegungszettel in die Abgabeeinrichtung der Beschwerdeführerin eingelegt wurde und der Bescheid ab dem 11.11.2005 zur Abholung beim zuständigen Postamt bereit lag, ist der Bescheid mit Beginn der Abholfrist durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt worden (vgl. VwGH vom 16.01.1973, 1153/72).

In seinem Erkenntnis vom 20.12.2016, Zl 2016/20/0330, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass ein Zustellmangel aber keinen Wiedereinsetzungsgrund bildet (vgl. etwa den zu § 46 VwGG ergangenen B vom 26. Mai 2009, 2009/20/0002, sowie jüngst etwa den B vom 17. März 2015, Ra 2014/01/0134, mwN).

Die bloße Behauptung, dass es keine Verständigung über die Hinterlegung gegeben habe, stellt somit keinen Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 33 VwGVG dar, sondern allenfalls einen Zustellmangel, der jedoch nach den getroffenen Feststellungen nicht vorliegt.

Zudem ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Im gegenständlichen Fall wäre spätestes mit Zustellung des Bescheiden vom 9.11.2005 an die bevollmächtigte Vertreterin am 27.08.2019 bzw mit Kenntnis vom Zustellvorgang vom 11.11.2005 am 20.09.2019 das Hindernis weggefallen und ein begründeter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen gewesen. Gegenständlicher Antrag wurde jedoch erst im Rahmen des Vorlageantrages vom 18.11.2019, somit weit nach der Frist von 2 Wochen, gestellt, ohne jeglicher Begründung und Glaubhaftmachung.

Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen daher nicht vor und der Antrag auf Wiedereinsetzung daher abzuweisen.

Es darf der Vollständigkeit halber noch darauf hingewiesen werden, dass nur ein rechtswirksam ergangener Bescheid anfechtbar ist. Wäre der Bescheid der Beschwerdeführerin oder der bevollmächtigten Vertretung bis dato nie zugestellt geworden, so wäre eine gegen einen gar nicht erlassenen Bescheid gerichtete Bescheidbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen. Es wäre dann der Zustellvorgang rechtswidrig, daher die Zustellung nicht rechtswirksam – aus diesem Grund wäre die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden kann (Hinweis B 22.5.1985, 85/03/0032) - VwGH 98/19/0014, 23.03.2001.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Es wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da sich im gegenständlichen Fall klar aus der Aktenlage ergab, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war und sich der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vorschreibung von Abgaben aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte.

Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen. Dem Beschwerdeführer wurde nachweislich auch die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme und entsprechende Nachweise beizubringen. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus der angeführten Judikatur geht hervor, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

Schlagworte

Hinterlegung Rechtsmittelfrist Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2224343.2.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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