TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/28 G305 2230612-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2020
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Entscheidungsdatum

28.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G305 2230612-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, in Schubhaft zu Recht:

A)       Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit Bescheid vom XXXX 03.2020, Zl. XXXX , ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden so oder kurz: BFA) - aufschiebend bedingt mit dem Ende der über XXXX (in der Folge: betroffener Fremder oder kurz: BF) verhängten und von diesem verbüßten Strafhaft - gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung seiner Abschiebung in den Herkunftsstaat an.

1.2. Gegen diesen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und verband seine Beschwerde mit dem Antrag, es möge der bekämpfte Bescheid behoben und ausgesprochen werden, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt seien; in eventu möge ein gelinderes Mittel angeordnet werden. Überdies brachte er einen Meldezettel seines Vaters, die Geburtsurkunde seines minderjährigen Sohnes und ein Schreiben seiner Familie zur Vorlage.

1.3. Mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zur GZ: W275 2230612-1 vom 05.05.2020, wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind (Spruchpunkt II.) und der BF dem Bund gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-AufwErsV Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen habe (Spruchpunkt III.).

1.4. Am 21.09.2020 legte das BFA den Bezug habenden Akt erneut zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung des BF zum Zweck der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 4 BFA-VG vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der (damals minderjährige) betroffene Fremde reiste gemeinsam mit seinen Eltern illegal nach Österreich ein und stellten diese für ihn am XXXX 04.2004 einen Asylerstreckungsantrag, der mit Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom XXXX 12.2004 abgewiesen wurde. Aufgrund seiner dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit Erkenntnis des (damaligen) Asylgerichtshofes vom 17.04.2009 behoben und der Antrag als unzulässig zurückgewiesen, da er Österreich nachweislich verlassen hatte und in Spanien polizeilich gesucht wurde.

1.2. Am 05.05.2009 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab unter anderem an, dass er sich etwa zwei Jahre in Spanien aufgehalten hätte, wo er ebenfalls - am XXXX 10.2008 - Asyl beantragt hatte und von wo aus er Anfang April 2009 zurückgekehrt war.

1.3. Mit Bescheid vom 30.03.2010 wies das (damalige) Bundesasylamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutz-berechtigten abgewiesen und der Beschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der (damalige) Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.07.2010 vollinhaltlich ab.

1.4. In der Folge wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wegen des Verbrechens des schweren Raubes und des Verbrechens des versuchten schweren Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.

1.5. In einem zum 02.06.2017 datierten handschriftlichen Schreiben an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm der BF zu seiner familiären Situation in Österreich Stellung und führte dazu insbesondere aus, dass er in Tschetschenien keine Möglichkeit gehabt hätte, eine Ausbildung zu absolvieren. In Österreich habe er sich um eine Ausbildung bemüht, jedoch sei ihm dies „als Flüchtling nicht gewährt worden“. In Österreich habe er seinen XXXX geborenen Sohn, seine Eltern und seine Geschwister. In Tschetschenien habe er keine Verwandten mehr. Die gesamte Familie befinde sich in Österreich. Im Krieg sei außerdem der ganze Besitz in Tschetschenien zerstört worden. In Österreich habe er bis zu seiner Inhaftierung gemeinsam mit den Eltern in einer Wohnung gelebt. Nach seiner Entlassung könne er wieder bei seinen Eltern wohnen. Er wolle sich in Österreich nach seiner Entlassung aus der Strafhaft ein geordnetes Leben aufbauen. Sein gesamter Lebensmittelpunkt und sein Umfeld befinde sich in Österreich. In Tschetschenien habe er weder familiäre noch soziale Bindungen.

1.6. Am 14.06.2017 stellte der betroffene Fremde aus dem Stande der Strafhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

In der nachfolgenden Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte er unter anderem vor, dass er einen Sohn habe, der bereits vier oder fünf Jahre alt sei. Seinen Sohn habe er ein einziges Mal gesehen. Wenn er sich nicht täusche, sei der Sohn letztes Jahr zu seinem Geburtstag dagewesen. Er befinde sich wegen schweren Raubes in Haft, die Haftentlassung sei mit XXXX 2020 angesetzt. Davor sei er fünfmal wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Er sei mit 16 Jahren hierhergekommen, sei jetzt fast 30 Jahre alt und könne er auch seine eigene Muttersprache fast nicht mehr. Er habe weiters keinen Schulabschluss und auch keine Möglichkeit gehabt, eine Lehre zu machen, denn er habe keine Arbeitsbewilligung erhalten. Sein halbes Leben habe er umsonst hier verbracht. Auf die Frage, warum er immer wieder straffällig wurde, führte der Beschwerdeführer aus, dass das Leben in der Heimat ganz anders gewesen sei, bis er verstanden habe, wie das hier alles funktioniere, seien ein paar Dinge schief gelaufen. Er habe sich provozieren lassen, dafür habe er auch eine Strafe erhalten. Er habe immer von 40 Euro leben müssen, mehrere Jahre lang, er habe versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen. Seine ganze Familie lebe hier in Österreich. Er müsse seiner Familie helfen, den Sohn groß zu ziehen und auch seinen Neffen. Er brauche die Familie, die Eltern seien außerdem krank. Nach der Haftentlassung wolle er einen Abschluss machen und wie alle normalen Leute hier leben.

1.7. Mit Bescheid vom XXXX 10.2017 wies das BFA den Folgeantrag des BF auf Gewährung von internationalem Schutz in Hinblick auf den Herkunftsstaat wegen entschiedener Sache zurück und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde. Überdies wurde eine Rückkehrentscheidung wider den BF erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei; eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis vom 27.02.2018 als unbegründet ab.

1.8. Mit Schreiben vom 11.07.2018 informierte das BFA den BF über das gegen ihn eingeleitete Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem unbefristeten Einreiseverbot und der beabsichtigten Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach dem Ende der Strafhaft und gewährte ihm die Möglichkeit, zu seinen familiären und privaten Lebensumständen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

1.9. Mit Schreiben vom 06.08.2018 führte der BF insbesondere aus, dass seine Eltern, seine Geschwister, seine Ehefrau und sein Sohn in Österreich leben würden. Er selbst halte sich seit 2004 in Österreich auf und habe mehrere Anträge auf internationalen Schutz gestellt. In der Russischen Föderation habe er keine Familienangehörigen, er spreche kaum Russisch und würde im Fall seiner Abschiebung keine Lebensgrundlage vorfinden.

1.10. Mit Bescheid vom XXXX 10.2018 sprach das BFA aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei und erließ ein unbefristetes Einreiseverbot gegen ihn. Einer allfälligen Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.11. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 12.03.2019 als unbegründet ab und sprach aus, dass auch der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen werde.

1.12. Mit Bescheid vom XXXX 03.2020, Zahl XXXX , ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

1.13. Der betroffene Fremde ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.14. Er ist gesund und haftfähig.

1.15. Der BF wird seiner Entlassung aus der Strafhaft - sohin seit dem XXXX - in Schubhaft angehalten.

1.16. Das BFA hat bei der Vertretungsbehörde der Russischen Föderation rechtzeitig ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet und hat die Vertretungsbehörde der Russischen Föderation bereits die Zustimmung zur Rückübernahme des BF erteilt.

1.17. Eine für den XXXX 04.2020 geplant gewesene Abschiebung in die Russische Föderation musste aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie storniert werden.

1.18. Gegen den BF besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

1.19. Er ist nicht gewillt, die österreichischen Gesetze und die österreichische Rechtsordnung zu achten. Er ist nicht vertrauenswürdig und nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen. Er ist während des laufenden Asylverfahrens nach Spanien gereist und hielt sich dort ungefähr zwei Jahre lang auf. Auch dort stellte er am 30.10.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Darüber hinaus unternahm er den Versuch, sich durch Hungerstreik die Freilassung aus der Schubhaft zu erpressen. Konkret befand er sich von XXXX 04.2020 bis XXXX 04.2020 in Hungerstreik.

1.20. Der BF weigert sich beharrlich, in die Russische Föderation zurückzukehren.

1.21. Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Bezirksgerichtes vom XXXX wurde er wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Schlag gegen das Gesicht des Opfers unter Verwendung eines Schlagringes) sowie wegen unerlaubten Waffenbesitzes nach § 50 Abs. 1 und 2 WaffG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze nachgesehen wurde (Jugendstraftat).

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX wurde er wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Faustschlag in das Gesicht des Opfers) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt (Jugendstraftat). Die Probezeit wurde in der Folge auf fünf Jahre verlängert.

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX wurde er wegen des Vergehens der Hehlerei nach den §§ 164 Abs. 2, 164 Abs. 4 dritter Fall, 164 Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt (Jugendstraftat).

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX wurde er erneut wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Versetzen von Schlägen auf den Kopf und Rücken des Opfers mit einem Glas und dreimaligen Faustschlägen in das Gesicht eines weiteren Opfers) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, weiters unter Anordnung der Bewährungshilfe, die im April 2008 - weil er unbekannten Aufenthalts war - aufgehoben wurde, verurteilt (junger Erwachsener).

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX wurde er abermals wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Fußtritte gegen Kopf und Körper des Opfers) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt (Zusatzstrafe gemäß den §§ 31 und 40 StGB).

Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX wurde er wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB sowie des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Urteilsbegründung zufolge habe der BF nu nachstehenden Zeitpunkten in Wien in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten Mittätern unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) anderen Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, und zwar gemeinsam mit M. M. und S. P. am 26.05.2012 Verfügungsberechtigten einer näher genannten Tankstelle Bargeld in unbekannter Höhe, indem M. M. völlig vermummt mit vorgehaltenem Messer auf zwei Angestellte zulief, wobei der BF und der ebenfalls völlig vermummte S. P. im Eingangsbereich Aufpasserdienste geleistet hätten, wobei alle drei Täter aufgrund der lauten Rufe der Opfer nach der Polizei wieder aus dem Verkaufsraum flüchteten und die Tat daher beim Versuch geblieben ist; weiters habe der BF gemeinsam mit M. M., S. P., M. A. und A. D. am 28.05.2012 Verfügungsberechtigten einer näher genannten Tankstelle Bargeld in Höhe von EUR 2.275,-- sowie einer näher genannten Person ein Handy Samsung Galaxy S im Wert von EUR 600,-- weggenommen, indem er, M. M. und S. P. völlig vermummt in den Tankstellenshop stürmten, S. P. „Überfall!“ und „Geld her!“ geschrien und dabei mit einer Pistole auf den Kopf des näher genannten Angestellten gezielte hätte, M. M. ebenfalls eine Pistole gegen den Angestellten gerichtet und S. P. das gesamte Bargeld aus der von dem Angestellten herausgegebenen Kassenlade entnommen hätte, wobei der BF die beiden anwesenden Kunden zur Herausgabe ihrer Geldtaschen aufgefordert und M. A. sowie A. D. vor der Tankstelle Aufpasserdienste geleistet hätten. In der Urteilsbegründung heißt es weiter, dass der BF seine Komplizen erst kurz vor Ausübung der beiden Raubüberfälle bei mehreren zufälligen Treffen in einem näher genannten Park in XXXX kennengelernt hätte und dass alle Tatbeteiligten aus verschiedenen Motiven verschuldet gewesen wären und daher dringend Geld benötigt hätten. Mildernd wurde der Umstand gewertet, dass der BF an einer der beiden begangenen strafbaren Handlungen nur in untergeordneter Weise beteiligt gewesen sei und dass es teilweise beim Versuch geblieben war und das teilweise Geständnis; als erschwerend wertete das erkennende Strafgericht die vier einschlägigen Vorstrafen des BF, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen sowie die Tätermehrheit und Bedrohung von jeweils mehreren Personen bei beiden begangenen strafbaren Handlungen.

Neben diesen Strafbemessungsgründen wurde im Zuge der allgemeinen Strafzumessung überdies berücksichtigt, dass der BF gleich an zwei schweren Raubüberfällen innerhalb weniger Tage beteiligt war, wobei die zweite Tatbegehung trotz Fehlschlags und Flucht beim ersten Versuch vorgenommen wurde. Bei beiden Überfällen wurde zumindest eine Waffe, beim zweiten Überfall wurden sogar zwei Pistolen zur Untermauerung der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eingesetzt und könne daraus eine Steigerung der hohen kriminellen Energie ersehen werden und habe sich diese Steigerung der kriminellen Energie nach Ansicht des zuständigen Landesgerichtes bereits anlässlich der Vorverurteilungen des BF abgezeichnet. Weiters habe der BF eine außerordentlich brutale Vorgehensweise an den Tag gelegt. Die sich ihm bietenden Besserungschancen durch vorbehaltene Strafe und bedingte Strafnachsichten samt Beigebung eines Bewährungshelfers habe er nicht ergriffen, um ein Umdenken in seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten der österreichischen Gesellschaft herbeizuführen bzw. zu zeigen. Obwohl der betroffene Fremde bisher noch nie ein Haftübel verspüren musste, habe das zuständige Landesgericht aus den angeführten Gründen bei einem Strafrahmen von 5 bis 15 Jahren die Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von siebeneinhalb Jahren aus general- und spezialpräventiven Gründen als geboten erachtet.

1.22. Der BF verfügt in Österreich über familiäre und soziale Anknüpfungs-punkte. Er hat in Österreich insbesondere seine Eltern und seine Geschwister; bei diesen hat er auch gewohnt. Er hat in Österreich eine asylberechtigte russische Staatsbürgerin nach islamischem Ritus geheiratet und mit dieser einen im Jahr XXXX geborenen Sohn; die nach traditionellem Ritus geschlossene Ehe wurde mittlerweile geschieden. Der BF befindet sich seit dem Herbst 2012 durchgehend in (Straf-)Haft und hat er mit seinem minderjährigen Sohn nie im gemeinsamen Haushalt gelebt und auch nie Unterhalt für ihn geleistet. Der minderjährige Sohn des Beschwerdeführers lebt gemeinsam mit seiner Mutter, deren Lebensgefährten und seinen Halbgeschwistern in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF weist Deutschkenntnisse auf, ist in Österreich jedoch nie einer (legalen) Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er verfügt über kein (ausreichendes) Einkommen aus legaler Tätigkeit und über kein, zur Sicherung seiner Existenz in Österreich ausreichendes Vermögen.

1.23. Eine HRZ-Zusage der russischen Botschaft liegt vor. Sobald eine Flugbuchung vorliegt, soll ein Abschiebetermin festgelegt werden. Weitere rechtliche oder faktische Hindernisse hinsichtlich der Effektuierung der Rückkehrentscheidung sind seitens der ho. Behörde nicht zu erkennen.

Allerdings steht es dem BF frei, aus dem Stande der Schubhaft freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren.

1.24. Am 31.08.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Schubhaftüberprüfungsverhandlung durchgeführt und stellte das Gericht in dem im Zuge dieser Verhandlung verkündeten Erkenntnis zu GZ: G309 2230612-3/6Z fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

1.25. Der BF hält sich seit seiner illegalen Einreise überwiegend illegal in Österreich auf und verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung. Das Asylverfahren ist bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen und ist er zur Rückkehr in den Herkunftstaat nicht bereit. Seinen nicht vorhandenen Rückkehrwillen untermauerte er einerseits durch seine Hungerstreiks, andererseits brachte er dies auch durch entsprechende Angaben deutlich zum Ausdruck.

1.26. Aus der Sicht des erkennenden Gerichtes liegen die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft noch immer vor.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BF untertaucht, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt und er anschließend abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen ist und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des SR ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Aufgrund der eigenen Angaben des BF und des Inhalts der Gerichtsakten steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte bzw. dass er nicht gewillt ist, sich der österreichischen Rechtsordnung gemäß zu verhalten. Er weigert sich, Österreich zu verlassen und in seinen Heimatstaat zurückzukehren.

Die Behörde ist zutreffend von einer hohen Fluchtgefahr des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Bei seiner Befragung erklärte er ausdrücklich, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen und in Österreich oder in einem anderen europäischen Staat leben zu wollen.

Im Hinblick auf das bereits eingeleitete HRZ Verfahren ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die belangte Behörde hat das Verfahren zeitgerecht eingeleitet, ist mit dem betroffenen Staat laufend in Kontakt und wird nach einer positiven Identifizierung zeitnah nach Beendigung der aktuellen Corona-Virus-Situation eine Abschiebung am Flugwege erfolgen können.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A.

„Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX 04.2020 andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als notwendig und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf seine persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Das BFA hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus den Angaben des BF, der sowohl erklärtermaßen als auch durch Handlungen untermauert (Hungerstreik) nicht mehr in den Herkunftsstaat zurück will, mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern bzw. zu behindern beabsichtigt. Zudem hat er durch sein Verhalten keine Bereitschaft gezeigt, mit der Behörde zusammenarbeiten zu wollen. Im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten hat das BFA zu Recht das Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr und einen akuten Sicherungsbedarf angenommen.

Der BF hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig.

Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen.

In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgte zeitnah, die belangte Behörde ist mit dem betreffenden Staat in laufenden Kontakt und ist nach positiver Identifizierung zeitnah mit einer Abschiebung auf dem Flugweg nach Ende der Corona-Virus-Situation zu rechnen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft entgegenstehen, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen.

Der BF hat im Bundesgebiet zwar familiäre Bindungen geltend gemacht, doch kann angesichts seines Gesamtverhaltens keinesfalls davon ausgegangen werden, dass er (in Freiheit) an seiner Abschiebung mitwirken wird und muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft unterzutauchen ausgegangen werden, wobei er bereits ausdrücklich erklärte, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen und bereits einem angeordneten gelinderen Mittel nicht Folge geleistet hat.

Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher fortgesetzt werden, weshalb wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Angaben des MD vor der belangten Behörde, sowie bei den bereits durchgeführten Schubhaftüberprüfungen (auch vor dem BVwG) geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Zudem hat am 31.08.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Schubhaftüberprüfungsverhandlung stattgefunden, anlässlich der das Gericht auf Grund des vom BF gezeigten Gesamtverhaltens ausgegangen ist, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig gewesen sei.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2230612.4.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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