Entscheidungsdatum
29.09.2020Norm
AVG §68 Abs1Spruch
W201 2225441-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Einzelrichterin im Beschwerdeverfahren des XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang STÜTZ, 4020 Linz, OK Platz 1a, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 24.09.2019, GZ: XXXX betreffend Zurückweisung des Antrages auf Gewährung von Pflegegeld zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Am 24.09.2019 erließ die Pensionsversicherungsanstalt (in weiterer Folge: belangte Behörde) einen Bescheid mit welchem sie den Antrag des Herrn XXXX auf Gewährung von Pflegegeld zurückwies. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag des Beschwerdeführers habe erneut die sachliche Behandlung der bereits mit Bescheid vom 12.10.2015 entschiedenen Sache zum Gegenstand.
2. Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht Beschwerde ein. Der Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig. Der Beschwerdeführer habe Anspruch auf Pflegegeld, zumal dieser in Österreich aufrecht krankenversichert sei. Weiters habe der Beschwerdeführer aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen Anspruch auf Pflegegeld zumindest der Stufe 2. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, „der Beschwerde Folge zu geben und in der Sache selbst zu erkennen, dahingehend, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen ordnungsgemäßen Pflegegeldantrag stellen kann bzw., dass der Beschwerdeführer Anspruch auf Pflegegeld nach den österreichischen Vorschriften hat, somit Pflegegeld in Österreich erlangen kann.“
3. Der Beschwerdeakt wurde am 12.11.2019 dem BVwG vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Rumänien.
Er bezieht eine rumänische Rente.
Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat der Beschwerdeführer in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht krankenversichert, aufgrund seiner rumänischen Krankenversicherung liegt eine Auslandsbetreuung vor und der Beschwerdeführer kann daher die Sachleistungen der österreichischen Krankenversicherung in Anspruch nehmen.
Zu diesem Zweck wurde dem Beschwerdeführer auch eine e-Card ausgestellt.
Die erbrachten Sachleistungen werden von der österreichischen Krankenversicherung der zuständigen rumänischen Krankenversicherung in Rechnung gestellt.
Am 07.10.2015 stellte der Beschwerdeführer erstmals den Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 12.10.2015 abgelehnt und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auch damals schon der rumänischen Krankenversicherung zugehörig war und damit Rumänien für pflegebedingte Leistungen zuständig ist. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer brachte am 28.08.2019 neuerlich einen Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld ein. Eine Änderung in den maßgeblichen Umständen oder der Bezug habenden Rechtslage ist seit Erlassung des rechtskräftigen Bescheides vom 12.10.2015 nicht eingetreten.
2. Beweiswürdigung:
Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Unbestritten sind die Staatsangehörigkeit und der Wohnsitz in Österreich.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht krankenversichert ist, ergibt sich aus einer Auskunft der Abteilung International der belangten Behörde vom 08.11.2019. Es besteht eine Auslandsbetreuung, aus diesem Grund wurde dem Beschwerdeführer eine e-Card ausgestellt. Die erbrachten Sachleistungen werden jedoch von der österreichischen Krankenversicherung mit der rumänischen Krankenversicherung verrechnet.
Dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 bereits einen Antrag gestellt hat und dieser Antrag mit rechtskräftigem Bescheid abgelehnt wurde, ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich auch, dass sich in der Zwischenzeit keine Änderung in den für die Beurteilung maßgeblichen Umständen ergeben hat (rumänische Rente, rumänische Krankenversicherung, Wohnsitz, etc).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
§ 68 Abs. 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
"Sache" des Beschwerdeverfahrens in einem Verfahren gemäß § 68 AVG ist nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht jedoch der zurückgewiesene Antrag selbst. Das BVwG hat demnach entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - die Beschwerde abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid mit der Konsequenz ersatzlos zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung des BVwG, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Das BVwG darf über den zugrundeliegenden Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. VwGH 30.06.2009, 2006/08/0267; 23.07.1998, 98/20/0175; 30.05.1995, 93/08/0207). Im Sinne dieser nachprüfenden Beurteilung hat das BVwG daher § 68 Abs. 1 AVG auch nicht unmittelbar anzuwenden - was auf Grund der Bestimmung des § 17 VwGVG, der die Anwendbarkeit ua. des § 68 AVG durch das Verwaltungsgericht ausschließt, unzulässig wäre (vgl. dazu auch VfGH 18.06.2014, G5/2014).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind (VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen.
Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 26.2.2004, 2004/07/0014).
Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783 unter Hinweis auf GRS 17.09.2008, 2008/23/0684).
Die bei einer nachträglichen Änderung des Sachverhaltes bestehende Möglichkeit, einen Anspruch, über den bereits rechtskräftig in abweisendem Sinn entschieden wurde, neuerlich vor der Behörde zu erheben, setzt voraus, dass die wesentlichen Sachverhaltsänderungen von der Partei behauptet werden.
Bei der Prüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich geändert hat, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050).
In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein. Eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage seit dem rechtskräftigen Vorbescheid der belangten Behörde vom 12.10.2015 macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist eine solche auch nicht ersichtlich.
Auf das gegenständliche Verfahren bezogen bedeutet dies:
Schon mit Bescheid vom 12.10.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung des Pflegegeldes abgewiesen, da der Beschwerdeführer nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Pflegegeldes erfüllte.
In diesem – in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid wurde seitens der belangten Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Krankenversicherung den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Staates – nämlich Rumänien – unterliegt. Daher wurde im Bescheid auch weiter festgehalten, dass fallbezogen dieser Staat für pflegebedingte Leistungen zuständig ist.
In der gegenständlichen Beschwerde werden lediglich Rechtsausführungen zu der Frage vorgebracht, warum der Beschwerdeführer Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2 in Österreich habe. Eine Änderung der Rechtslage oder des wesentlichen Sachverhaltes im Vergleich zu dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid wurde nicht dargetan.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann jedoch nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde, zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen, die für sich allein oder iVm anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals maßgebenden Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann.
Es obliegt dem Beschwerdeführer, konkret aufzuzeigen, inwiefern sich das den Gegenstand seines neuen Antrages bildende Vorhaben in Umständen von rechtlich erheblicher Bedeutung von jenem unterscheidet, das Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung war (VwGH 17.12.2014, 2013/10/0246).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was nicht bereits in dem mit rechtskräftigem Bescheid abgeschlossenen Verfahren den Sachverhalt gebildet hat. Auch die Rechtsausführungen in der Beschwerde können nichts daran ändern, dass die belangte Behörde keine neue Entscheidung treffen durfte. Die Rechtslage, die vom Beschwerdeführer angesprochen wird, ist im Vergleich zu der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 12.10.2015 unverändert.
Im weiteren Beschwerdevorbringen wurden – außer dem Besitz einer e-Card - keine Umstände aufgezeigt, welche eine Änderung der in den für die Beurteilung maßgeblichen Umständen erkennen hätten lassen.
Der Besitz einer e-Card ändert jedoch nichts daran, dass der Beschwerdeführer einer rumänischen Krankenversicherung unterliegt, da die in Österreich mit der e-Card bezogenen Leistungen der rumänischen Krankenversicherung verrechnet werden, also der eigentliche Leistungsträger die rumänische Krankenversicherung ist.
Da seit dem rechtskräftigen Bescheid vom 12.10.2015 keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, steht einer neuerlichen Entscheidung das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache entgegen und hat die belangte Behörde den Antrag vom 28.08.2019 zur Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
5. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht zudem von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.
Schlagworte
Identität der Sache Pflegegeld Prozesshindernis der entschiedenen SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W201.2225441.1.00Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020