Entscheidungsdatum
30.09.2020Norm
ASVG §18bSpruch
W198 2223630-1/29E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Peter ZAWODSKY, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, vom 09.08.2019, Aktenzeichen HVBA/ XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 und am 15.09.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien (im Folgenden: PVA) vom 23.05.2018 wurde der Anspruch von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des nahen Angehörigen Herrn XXXX , geb. XXXX , ab 01.04.2018 anerkannt.
2. Am 05.07.2019 wurde seitens der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sich nunmehr die Betreuerinnen ihrer im Juni 2019 verstorbenen Mutter um ihren Vater, Herrn XXXX , kümmern würden, da Herr XXXX ziemlich dement sei und fast nichts mehr höre. Er erhalte Pflegegeld der Stufe 5. Die Betreuerinnen würden keinen Führerschein besitzen, sehr schlecht Deutsch sprechen und sich um den Haushalt kümmern. Die Arztbesuche, die Bankwege, das Einsortieren der Medikamente, größere Einkäufe und Behördenwege würden durch die Beschwerdeführerin übernommen werden. Die Beschwerdeführerin sei durchschnittlich 3x in der Woche bei ihrem Vater.
3. In weiterer Folge wurde die Beschwerdeführerin von der PVA ersucht, den beiliegenden Fragebogen ausgefüllt und unterfertigt an die PVA zu retournieren.
4. Am 22.07.2019 legte die Beschwerdeführerin der PVA den ausgefüllten Fragebogen zur Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger vor.
5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 09.08.2019, Aktenzeichen HVBA/ XXXX , hat die PVA festgestellt, dass die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG mit 30.06.2019 ende. Begründend wurde ausgeführt, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin nicht erheblich für die Pflege des nahen Angehörigen beansprucht werde.
6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.08.2019 fristgerecht Beschwerde. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass es sich bei ihrem Vater um einen dementen Menschen mit Pflegestufe 5 handle, der sowohl körperlich als auch geistig aufgrund seiner Krankheit sehr eingeschränkt sei und sei der Pflegeaufwand daher erheblich. Die Beschwerdeführerin stehe in keinem aufrechten Dienstverhältnis und könne ihre Pension mit 01.03.2020 antreten.
7. Am 20.09.2019 (einlangend) legte die PVA die Beschwerde, samt einer Äußerung vom 17.09.2019, sowie den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 01.07.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsvertretung sowie ein Vertreter der belangten Behörde persönlich teilnahmen.
9. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 02.07.2020 die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) um Übermittlung des Gutachtens, welches die Grundlage für den in der Verhandlung vorgelegten Pflegegeldbescheid vom 26.06.2019 bildet, ersucht.
10. Am 03.07.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Mitteilung der belangten Behörde ein, in welcher Näheres zur Frage der Motivationsgespräche ausgeführt wurde.
11. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 06.07.2020 der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin die Eingabe der belangten Behörde vom 03.07.2020 übermittelt.
12. Am 21.07.2020 übermittelte die BVAEB das pflegerische Gutachten zum Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes vom 06.06.2019 betreffend den Vater der Beschwerdeführerin an das Bundesverwaltungsgericht.
13. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 23.07.2020 der Beschwerdeführerin sowie der PVA das Gutachten vom 06.06.2019 übermittelt.
14. Am 07.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein.
15. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 11.08.2020 der PVA die Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 07.08.2020 übermittelt.
16. Am 14.08.2020 langte eine Stellungnahme der PVA beim Bundesverwaltungsgericht ein.
17. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 17.08.2020 der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin die Stellungnahme der PVA vom 14.08.2020 übermittelt.
18. Am 31.08.2020 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein.
19. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 02.09.2020 der PVA die Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 31.08.2020 übermittelt.
20. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 15.09.2020 eine – zweite - öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin sowie ein Vertreter der belangten Behörde persönlich teilnahmen. Die Beschwerdeführerin ist zu dieser Verhandlung entschuldigt nicht erschienen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid der PVA vom 23.05.2018 wurde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des nahen Angehörigen, ihres Vaters Herrn XXXX , geb. XXXX , ab 01.04.2018 anerkannt, zumal eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin gegeben war.
Ab 01.07.2019 wurden für die Pflege des Vaters der Beschwerdeführerin zwei 24-Stunden-Pflegekräfte (abwechselnd) herangezogen und hat die PVA in der Folge mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 09.08.2019 festgestellt, dass die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des nahen Angehörigen gemäß § 18b ASVG mit 30.06.2019 endet.
Verfahrensgegenständlich ist nunmehr – wie in der rechtlichen Beurteilung noch näher ausgeführt wird - der Zeitraum 01.07.2019 bis laufend.
Der Vater der Beschwerdeführerin bezieht Pflegegeld der Stufe 5.
Es wird festgestellt, dass eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im verfahrensrelevanten Zeitraum nicht vorliegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen betreffend den Bezug des Pflegegeldes der Stufe 5 sowie betreffend die Beschäftigung der (zwei) 24-Stunden-Pflegekräfte ab 01.07.2019 sind unstrittig.
Hinsichtlich der Feststellung, wonach eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im verfahrensrelevanten Zeitraum nicht vorliegt, ist wie folgt auszuführen: Was die Ermittlung der für das Ausmaß der Beanspruchung der Arbeitskraft relevanten Anzahl von Pflegestunden anbelangt, sind nur jene Zeiten zu berücksichtigen, in denen tatsächlich notwendige Leistungen der Betreuung und Hilfe erbracht werden. Um welche Verrichtungen es sich dabei handelt und welcher zeitliche Aufwand damit jeweils verbunden ist, ist anhand der Regelungen des BPGG – auf das im § 18 b Abs. 1 ASVG (durch die Voraussetzung eines Pflegebedarfs zumindest nach Stufe 3) ausdrücklich Bezug genommen wird – sowie der dazu ergangenen Einstufungsverordnung zu beurteilen. Diese grundsätzliche Herangehensweise bei der Ermittlung der Beanspruchung der Arbeitskraft wird in ständiger Rechtsprechung vom VwGH vertreten (vgl. etwa VwGH 19.01.2017, Ro 2014/08/0082).
Es ist daher zunächst darauf zu verweisen, dass - die von der Beschwerdeführerin in der Verhandlung am 01.07.2020 angegebenen - Gartenarbeiten und Reparaturarbeiten, Suche nach Gegenständen, Schriftverkehr und Post nicht in der maßgeblichen Einstufungsverordnung enthalten sind, sodass diese Verrichtungen für das Ausmaß der Beanspruchung der Arbeitskraft nicht zu berücksichtigten sind.
Zu den weiteren Verrichtungen ist wie folgt auszuführen:
Einnahme von Medikamenten (dazu zählt auch Einsortieren sowie Vorbereiten der Medikamente):
In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.09.2020 wurde außer Streit gestellt, dass für die Einnahme der Medikamente 10 Minuten pro Tag von den Pflegekräften erbracht werden. Die Beschwerdeführerin selbst erbringt hinsichtlich der Einnahme der Medikamente keine Pflegeleistungen, was in der Verhandlung am 15.09.2020 ebenfalls außer Streit gestellt wurde.
Pflege der Leib- und Bettwäsche (dafür sind gemäß § 2 Abs. 2 und 3 der Einstufungsverordnung maximal 10 Stunden pro Monat vorgesehen):
In der Verhandlung am 01.07.2020 gab die Beschwerdeführerin an, dass die Pflegekräfte hinsichtlich der Pflege der Leib- und Bettwäsche 20 Stunden pro Monat aufbringen und die Beschwerdeführerin 2 Stunden pro Monat aufbringt. Nachdem allerdings nur 10 Stunden pro Monat in der Einstufungsverordnung vorgesehen sind, sind die behaupteten 22 Stunden dementsprechend zu kürzen. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.09.2020 wurde schließlich außer Streit gestellt, dass für die Pflege der Leib- und Bettwäsche 9 Stunden und 6 Minuten pro Monat von den Pflegekräften sowie 54 Minuten pro Monat von der Beschwerdeführerin erbracht werden.
Unterstützung im Rahmen der Mobilität außerhalb des Wohnraumes, dazu zählen auch Arzt- und Behördenwege (dafür sind gemäß § 2 Abs. 2 und 3 der Einstufungsverordnung maximal 10 Stunden pro Monat vorgesehen):
Die Beschwerdeführerin hat zunächst im Fragebogen hinsichtlich der Unterstützung im Rahmen der Mobilität außerhalb des Wohnraumes 60 Stunden Pflegebedarf durch die Pflegekraft sowie 20 Stunden Pflegebedarf durch sie selbst angegeben. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.07.2020 änderte die Beschwerdeführerin ihre diesbezügliche Angabe dahingehend, dass nur 40 Stunden pro Monat von der Pflegekraft geleistet werden.
In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.09.2020 wurde schließlich nach weiterer Erörterung des Stundenausmaßes außer Streit gestellt, dass für die Unterstützung im Rahmen der Mobilität außerhalb des Wohnraumes 5 Stunden und 20 Minuten von den Pflegekräften sowie 4 Stunden und 40 Minuten von der Beschwerdeführerin erbracht werden.
Motivationsgespräche (dafür sind gemäß § 4 der Einstufungsverordnung maximal 10 Stunden pro Monat vorgesehen):
Im Fragebogen hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie mit ihrem Vater 20 Stunden monatlich Motivationsgespräche führe und die Pflegekräfte Motivationsgespräche im Ausmaß von 42 Stunden monatlich führen. Verwiesen wird dazu auf § 4 Abs. 2 der Einstufungsverordnung, nach der von einem zeitlichen Richtwert von insgesamt lediglich 10 Stunden pro Monat für Motivationsgespräche auszugehen ist.
Unter Motivationsgesprächen sind in der Regel solche Gespräche gemeint, die den Gesprächspartner zu etwas motivieren sollen. Nicht gemeint sind Gespräche, wo man sich Sachen aus der Vergangenheit erzählen lässt, wo man passiver Zuhörer ist etc. Es ist diesbezüglich auf die Entscheidungen des OGH 10 ObS 319/00k und 10 ObS 281/02z zu verweisen, die eine ausjudizierte Definition, was unter Motivationsgesprächen zu verstehen ist, enthalten. Aus diesen Entscheidungen geht hervor, dass es bei Motivationsgesprächen im Wesentlichen um Gespräche mit geistig oder psychisch behinderten Menschen zur Durchführung der in den §§ 1 und 2 der Einstufungsverordnung angeführten Verrichtungen geht. Dies wird gemäß der zitierten Judikatur so verstanden, dass z.B. eine Initial-Zündung gesetzt wird, die dazu führt, dass der Pflegebedürftige bestimmte Pflegemaßnahmen wieder selbständig durchführt. Aus den Beschreibungen der Beschwerdeführerin ihrer angeblichen Motivationsarbeit ergibt sich nichts, was eine Motivation im Sinne des Gesetzes sowie der oben zitierten Judikatur darstellt; vielmehr ist davon auszugehen, dass sie mit ihrem Vater kommuniziert. In einer Gesamtschau kann eine Motivationsarbeit durch die Beschwerdeführerin im Sinne der Einstufungsverordnung nicht erkannt werden.
Festzuhalten ist zudem, dass in dem pflegerischen Gutachten zum Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau vom 06.06.2019, auf welches weiter unten noch näher eingegangen wird, Motivationsgespräche als Betreuungsmaßnahme als nicht notwendig ermittelt wurden.
In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.09.2020 wurde außer Streit gestellt, dass für Motivationsgespräche eine Stunde pro Monat von den Pflegekräften erbracht wird.
Aufgrund der eben dargelegten Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich Motivationsgesprächen keine Pflegeleistungen erbringt.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (ihrer Rechtsvertretung) in der Verhandlung am 15.09.2020, wonach sie monatlich 9 Stunden für Motivationsgespräche aufwendet, kann daher nicht gefolgt werden.
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, (Beschaffung und Organisation von Nahrungsmitteln, wozu auch Nahrungsergänzungsmittel zählen, Medikamenten und Bedarfsgütern), (dafür sind gemäß § 2 Abs. 3 der Einstufungsverordnung maximal 10 Stunden pro Monat vorgesehen):
Hierzu ist festzuhalten, dass die Stunden zwischen Beschwerdeführerin und Pflegekräften aufzuteilen sind, wobei laut Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Verhandlung am 01.07.2020 sie selbst einmal pro Monat einen Großeinkauf macht. Milch und Brot werden von den Pflegekräften in einem Geschäft, welches 1 Kilometer entfernt ist, besorgt; auch wenn dazwischen etwas gebraucht wird, wird dies von den Pflegekräften in dem 1 Kilometer entfernten Geschäft zu Fuß geholt.
Es sind sohin die zehn Stunden zwischen Pflegekräften und Beschwerdeführerin aufzuteilen. Da beim Einkaufen die Pflegekräfte zu Fuß gehen, was entsprechend lang dauert, wird die Stundenzahl 2:1 zu Gunsten der Pflegekräfte aufgeteilt, woraus folgt, dass für die Beschaffung und Organisation von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern 6 Stunden und 40 Minuten von den Pflegekräften sowie 3 Stunden und 20 Minuten von der Beschwerdeführerin erbracht werden.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (ihrer Rechtsvertretung) in der Verhandlung am 15.09.2020, wonach sie monatlich 5 Stunden dafür aufwendet, kann daher nicht gefolgt werden.
Zu den Nahrungsergänzungsmittel hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 ausgeführt, dass sie die Nahrungsergänzungsmittel, wie beispielsweise Artheriforte, Provisin, Vitacor, Knoblauch- und Kürbistabletten sowie Pathma Circusan, die zum Teil von ihrem Onkel (der Nahrungsergänzungsmittel vertreibt) in XXXX und zum anderen Teil in der Apotheke bezogen werden, organisiert, die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel jedoch von den Pflegekräften (unstrittig) gemacht wird. Sie hat diesen Pflegeaufwand (Organisation der Nahrungsergänzungsmittel) mit ca. einer Stunde bzw. eineinhalb Stunden pro Monat eingeschätzt. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 jedoch außer Streit gestellt, dass sie ihren zeitlichen Aufwand hinsichtlich der Organisation der Nahrungsergänzungsmittel bereits in den zeitlichen Organisationsaufwand hinsichtlich dem Einsortieren der Medikamente mitberücksichtigt hat, dieser zeitliche Aufwand daher in den von ihr behaupteten 5 Stunden für das Einsortieren der Medikamente mitenthalten ist (Seite 8 der Verhandlungsschrift). Nachdem in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.09.2020 außer Streit gestellt wurde, dass für die Einnahme der Medikamente 10 Minuten pro Tag von den Pflegekräften erbracht werden, die Beschwerdeführerin selbst hinsichtlich der Einnahme der Medikamente keine Pflegeleistungen erbringt, was in der Verhandlung am 15.09.2020 ebenfalls außer Streit gestellt wurde, ist die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres behaupteten zeitlichen Aufwandes hinsichtlich der Organisation der Nahrungsergänzungsmittel widersprüchlich und wird ihr diesbezüglich daher kein Glauben geschenkt.
Zur Fahrzeit: Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass die Fahrzeit von zuhause zu ihrem Vater und zurück auch in die Berechnung der Stunden miteinzubeziehen sei, so wird zunächst auf die Einstufungsverordnung verwiesen, in welcher Fahrzeiten zur pflegenden Person und zurück nach Hause nicht explizit angeführt sind. Weiters ist festzuhalten, dass die Fahrt zum Arbeitsplatz grundsätzlich - außer in sehr seltenen Ausnahmefällen, die die Fahrtzeit als Arbeitszeit vorsehen - nicht zur Arbeitszeit zählt. Die Anfahrtszeiten sind daher bei der erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des § 18b ASVG nicht zu berücksichtigen.
Abschließend ist auf das pflegerische Gutachten zum Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes der BVAEB vom 06.06.2019 zu verweisen. Für eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft ist gemäß der maßgeblichen Judikatur ein Pflegeaufwand von 60 Stunden pro Monat erforderlich. Das Gutachten vom 06.06.2019 ermittelt einen Pflegebedarf von insgesamt 183 Stunden pro Monat. Das entspricht einem wöchentlichen Pflegeaufwand von ca. 42,5 Stunden pro Woche (183:4,33 =42,5 Stunden pro Woche). Dieser Pflegeaufwand von ca. 42,5 Stunden pro Woche wird im konkreten Fall von zwei sich abwechselnden 24-Stunden-Pflegekräften und der Beschwerdeführerin getragen. Eine Aufteilung/Aufteilungsschlüssel, wer die Betreuungsmaßnahmen tatsächlich leistet, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen. In den beiden Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde jedoch deutlich, und wurde dies auch nicht bestritten, dass der überwiegende Pflegeaufwand von den 24- Stunden-Pflegekräften getragen wird.
In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.09.2020 wurde erörtert, ob sich der Pflegebedarf seit dieser Untersuchung wesentlich verändert hat und haben sich in den Aussagen der Beschwerdeführerin in der Verhandlung am 01.07.2020 keine Hinweise für eine typische Verschlechterung ergeben. Bei einem Pflegepatienten mit Pflegegeld der Stufe 5 wäre die nächste typische Verschlechterung, dass er nicht mehr selbst essen kann bzw. will. Daneben könnte es sein, dass sich der geistige Zustand derartig verschlechtert, dass der Pflegepatient anfängt, sich selbst zu gefährden, sodass dann eine ständige Aufsicht im Sinne der Pflegestufe 6 erforderlich werden würde. Diesbezügliche Hinweise konnten den Aussagen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 nicht entnommen werden. Insbesondere dürfte es laut Aussage der Beschwerdeführerin genügen, wenn man den Vater der Beschwerdeführerin kurz auffordert, dass er das Essen jetzt zu sich nimmt, was seine Pflegerinnen machen. Hinweise auf eine Selbstgefährdung konnten den Aussagen der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden. Der Vater der Beschwerdeführerin scheint im Gegenteil noch sehr vernünftig zu sein.
Zu der Frage, ob ein Erschwerniszuschlag gemäß § 1 Abs. 6 der Einstufungsverordnung gerechtfertigt ist, ist wie folgt auszuführen:
Gemäß § 1 Abs. 6 der anzuwendenden Einstufungsverordnung ist für Personen mit einer schweren geistigen oder einer schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer dementiellen Erkrankung, ab dem vollendeten 15. Lebensjahr (§ 4 Abs. 5 und 6 des Bundespflegegeldgesetzes) zusätzlich ein auf einen Monat bezogener fixer Zeitwert als Erschwerniszuschlag von 25 Stunden zu berücksichtigen.
Aus einem Befund von XXXX , Facharzt für Neurologie, vom 18.02.2020 geht hervor, dass beim Vater der Beschwerdeführerin eine mittelschwere Demenz (MMSE: 25 Punkte) vom Alzheimertyp vorliegt. Hierzu ist auszuführen, dass die Skala von 1 bis 30 reicht und je weniger Punkte vorliegen, desto schwerer ist die Erkrankung. 30 MMSE Wert bedeutet, dass jemand völlig gesund ist. 1 MMSE Wert bedeutet, dass jemand schwerstdement ist. Der Wert 25 deutet auf eine nicht so schwere Demenzerkrankung hin und ist nicht davon auszugehen, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine besondere Pflegeerschwernis handelt, die mit den üblichen Pflegestunden nicht mehr abgedeckt werden könnte.
Zudem ist festzuhalten, dass im pflegerischen Gutachten vom 06.06.2019 ein Erschwerniszuschlag nicht als gerechtfertigt ermittelt worden ist.
Des Weiteren ist auf die Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2020, in der sie hinsichtlich ihres zeitlichen und inhaltlichen Aufwandes hinsichtlich der Demenzerkrankung ihres Vaters gefragt wurde, zu verweisen. Die Beschwerdeführerin hat dazu wörtlich erklärt: „Wenn er immer dasselbe fragt, ich kann nur ein Beispiel nehmen. Er hat jetzt den 85. Geburtstag gehabt, den wir verschieben mussten. ER hat jedes Mal gefragt, wen wir einladen, wo wir die Feier machen, was wir machen. Er fragt immer wieder, immer wieder Erklärungen. Den Kontoauszug immer wieder erklären, jede Position. Jeden Schriftverkehr erklären, es steht ein Betrag drinnen, er glaubt er muss es bezahlen, ob das vom Roten Kreuz kommt ist egal. Er versteht es nicht mehr, er ist nicht mehr geschäftsfähig, auch wenn drinnen steht MMSE 25.“ Auf Nachfrage gab sie an, dass sich der diesbezügliche zeitliche Aufwand auf ca. sieben bis acht Stunden pro Monat beläuft. Die Beschwerdeführerin hat damit in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2020 selbst ausgesagt, dass ihr Pflegeaufwand hinsichtlich der Demenzerkrankung ihres Vaters nicht annähernd den gemäß § 1 Abs. 6 der Einstufungsverordnung fixen Zeitwert von 25 Stunden pro Monat erreicht. Daraus kann auch geschlossen werden, dass auch keine schwere Demenzerkrankung des Vaters der Beschwerdeführerin gegeben ist.
Es ist daher in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin ein Erschwerniszuschlag nicht gebührt.
Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin Pflegeleistungen im Ausmaß von insgesamt acht Stunden und 54 Minuten pro Monat erbringt (drei Stunden und 20 Minuten für die Beschaffung und Organisation von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern plus 54 Minuten für die Pflege der Leib- und Bettwäsche plus vier Stunden und 40 Minuten für die Unterstützung im Rahmen der Mobilität außerhalb des Wohnraumes). Eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft liegt sohin nicht vor.
Selbst für den Fall, dass man dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie zusätzlich zu den in der Verhandlung außer Streit gestellten Stunden neun Stunden für Motivationsgespräche sowie fünf Stunden für Beschaffung und Organisation von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern (sohin eine Stunde und 40 Minuten mehr als die oben angeführten 3 Stunden und 20 Minuten) aufwendet, so käme man insgesamt auf 19 Stunden und 34 Minuten pro Monat und läge auch in diesem Fall keine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft vor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat. In Ermangelung eines solchen Antrages liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Zunächst ist zum verfahrensgegenständlichen Zeitraum auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.05.2020, Ro 2020/08/0004 zu verweisen. Im Ergebnis hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass weder § 18b ASVG noch – nach der Aufhebung der diesbezüglichen Einschränkungen durch das SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015 - § 18 a ASVG im Fall eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung einen Ausschluss von der jeweiligen Selbstversicherung in der Angehörigenpflege vorsehen, wie sie in den Fällen der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung (§ 16a Abs. 2 Z2 ASVG) und in der Weiterversicherung (§ 17 Abs. 1, letzter Halbsatz, ASVG) in der Pensionsversicherung aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen vorgesehen sind.
Der Beginn der Selbstversicherung mit 01.07.2019 ist unstrittig und zumal – anhand der eben angeführten Judikatur – das Ende der Selbstversicherung nicht mit dem Beginn eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung einhergeht, ist der Zeitraum 01.07.2019 bis laufend verfahrensgegenständlich.
Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern.
Demnach ist für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen neben dem Bezug von Pflegegeld ab der Stufe 3 durch die zu pflegende Person eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft der pflegenden Person erforderlich.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Jänner 2017, Ro 2014/08/0084, klargestellt hat, ist eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege im Sinn des § 18b ASVG bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw. ab 60 Stunden monatlich anzunehmen.
Den Feststellungen zufolge beträgt der durchschnittliche Pflegeaufwand der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall jedoch nur acht Stunden und 54 Minuten monatlich. Damit ist im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung nicht von einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin auszugehen.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht festgestellt, dass die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG mit 30.06.2019 endet.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitskraft Gutachten naher Angehöriger Pensionsversicherung Pflegebedarf SelbstversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W198.2223630.1.00Im RIS seit
19.11.2020Zuletzt aktualisiert am
19.11.2020