TE Vwgh Erkenntnis 1989/1/17 87/11/0223

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Veröffentlicht am 17.01.1989
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Index

Fürsorge Sozialhilfe
L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich
L92103 Behindertenhilfe Rehabilitation Niederösterreich
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ABGB §143
ABGB §143 Abs1
ASVG §324 Abs3
SHG NÖ 1974 §12 Abs4
SHG NÖ 1974 §42 Abs1
SHG NÖ 1974 §9 Abs5
SHV Berücksichtigung Einkommen Vermögen NÖ 1974 §1 Abs2 lita

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des FN in K, vertreten durch Dr. Ferdinand Bruckner, Rechtsanwalt in Korneuburg, Schubertstraße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Juli 1987, Zl. VII/1-F-28.360/2-87, betreffend Ersatz von Sozialhilfekosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 9. Februar 1987 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 42 des NÖ Sozialhilfegesetzes verpflichtet, als „Kostenbeitrag“ zu den Kosten der Sozialhilfe für seine Mutter MN ab 1. Dezember 1986 S 3.224,-- und ab 1. Jänner 1987 S 3.003,-- monatlich zu leisten. In der Begründung wurde ausgeführt, der Mutter des Beschwerdeführers werde auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 5. Oktober 1983 Sozialhilfe durch Bezahlung der Verpflegskosten im NÖ Landespensionistenheim R in der Höhe von derzeit S 285,-- täglich gewährt. Von den monatlichen Verpflegskosten in der Höhe von durch durchschnittlich S 8.669,-- sei der 80%ige Pensionsanteil, der von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter direkt als teilweiser Verpflegskostenersatz überwiesen werde, mit S 5.445,-- ab 1. Dezember 1986 und mit S 5.666,-- monatlich ab 1. Jänner 1987 abzuziehen, sodaß ab 1. Dezember 1986 ein ungedeckter Aufwand von S 3.224,-- und ab 1. Jänner 1987 ein solcher von S 3.003,-- verbleibe. Da dem Beschwerdeführer eine monatliche Unterhaltsleistung von S 3.570,-- zugemutet werden könne, sei er in der Lage, den gesamten ungedeckten Aufwand zu ersetzen. Zur Höhe der Ersatzleistung der Mutter des Beschwerdeführers auf Grund ihres Einkommens aus Pension und Hilflosenzuschuß wurde ausgeführt, daß gemäß § 324 ASVG seiner Mutter 20 % des Hilflosenzuschusses und der Pension zu verbleiben hätten. Daher sei die Einhebung eines höheren Ersatzbetrages von seiner Mutter nicht möglich.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid erklärte der Beschwerdeführer, er habe gegen die „Auferlegung eines Unterhaltsbetrages“ für seine Mutter dem Grunde nach nichts einzuwenden, wohl aber gegen die Höhe des von ihm verlangten Betrages.

Dieser Berufung gab die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 22. Juli 1987 teilweise Folge und sprach gemäß § 42 Abs. 1 des NÖ Sozialhilfegesetzes (SHG), LGBl. 9200-6, aus, der Beschwerdeführer habe als Ersatz für die Sozialhilfeleistungen an seine Mutter ab 1. Dezember 1986 S 3.224,-- und ab 1. Jänner 1987 S 2.736,-- pro Monat zu leisten. In der Begründung führte die Behörde unter anderem aus, entsprechend dem Berufungsbegehren bilde ausschließlich das Ausmaß der Kostenersatzpflicht den Gegenstand des Berufungsverfahrens. Ausgehend von einer von ihr für 1986 errechneten Bemessungsgrundlage von S 20.429,-- pro Monat nahm die belangte Behörde unter Berücksichtigung der Sorgepflichten des Beschwerdeführers an, er könnte S 3.268,--, als Kostenersatz leisten. Da die für MN auflaufenden, durch ihre Pension nicht gedeckten Verpflegskosten im Landespensionistenheim R im Jahre 1986 lediglich S 3.024,-- (richtig wohl: S 3.224,--) monatlich betragen hätten, sei der Kostenersatz mit S 3.224,-- festgesetzt worden. Für das Jahr 1987 errechnete die belangte Behörde einen Betrag von S 2.736,-- pro Monat, der vom Beschwerdeführer als Kostenersatz zu leisten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 Abs. 1 SHG haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten. Für Bestand und Ausmaß der Ersatzpflicht des Beschwerdeführers ist demnach zunächst maßgebend, ob und in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Mutter bestand.

Im Beschwerdefall kommt nach der Aktenlage allein die gesetzliche Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers gemäß § 143 ABGB in Frage. Nach dessen Abs. 1 schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Demnach ist primäre Anspruchsvoraussetzung das Nicht-Imstande-Sein der Vorfahren zur Selbsterhaltung (vgl. Pichler in Rummel, Rdz 1 zu § 143 ABGB).

Die Frage, inwieweit die Mutter des Beschwerdeführers in dem hier maßgebenden Zeitraum nicht imstande war, sich selbst zu erhalten, war als Vorfrage von den Behörden des Verwaltungsverfahrens von Amts wegen zu klären. Sie wurde von der Erstbehörde erkennbar dahin gelöst, daß sie das Ausmaß der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit der Mutter der Differenz zwischen den für sie auflaufenden Verpflegskosten und dem gemäß § 324 Abs. 3 ASVG vom Pensionversicherungsträger dem Sozialhilfeträger überwiesenen Anteil von 80 % ihrer Pension einschließlich des Hilflosenzuschusses gleichsetzte. Da nach der genannten Bestimmung der Mutter 20 % verbleiben müßten, könne von ihr ein höherer Ersatzbetrag nicht eingehoben werden. Im selben Ausmaß erhöhe sich die Unterhaltspflicht und damit die Ersatzpflicht des Beschwerdeführers. Diese Auffassung wurde erkennbar von der belangten Behörde geteilt, hätte sie doch andernfalls den erstinstanzlichen Bescheid entsprechend ändern müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Rahmen einer Anhörung gemäß § 41 Abs. 1 letzter Satz VwGG den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekanntgegeben, daß für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch folgende Gründe maßgebend sein könnten:

„Geht man davon aus, daß eine Person jedenfalls im Umfang ihres Pensionseinkommens (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge wie auch eines Hilflosenzuschusses) imstande ist, sich selbst zu erhalten, so besteht insoweit keine Unterhaltspflicht gemäß § 143 ABGB. Das bedeutet, daß bei Pensionsberechtigten, die im Sinne des § 324 Abs. 3 ASVG auf Kosten eines Sozialhilfeträgers verpflegt werden, bei der Ermittlung der Unterhaltspflicht ihrer Kinder von der Gesamthöhe der Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge wie auch eines Hilflosenzuschusses) und nicht nur von dem der Legalzession nach der zitierten Bestimmung unterliegenden Teilbetrag auszugehen ist. Auch der von der Zession nicht erfaßte Teil des Einkommens des Pensionsberechtigten steht ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung. Daran vermag nach vorläufiger Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die gesetzliche Beschränkung der Legalzession auf 80 % des Pensionsanspruches (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) und eines allfälligen Hilflosenzuschusses deswegen nichts zu ändern, weil diese Beschränkung (das gilt auch für die vergleichbare Bestimmung des § 1 Abs. 2 lit. a der Verordnung der NÖ Landesregierung über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Gewährung von Sozialhilfen, LGBl. 9200/2-2) nur das Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträger und Pensionsberechtigtem betrifft, hingegen die zwischen dem Letztgenannten und seinen Kindern auf Grund des § 143 ABGB bestehenden familienrechtlichen Unterhaltansprüche und -pflichten unberührt läßt.“

Der Beschwerdeführer ist dieser Rechtsansicht beigetreten. Die belangte Behörde hat dazu im grundsätzlichen nichts vorgebracht und sich nur „in tatsächlicher Hinsicht“ geäußert. Der Mutter des Beschwerdeführers, einer „Mindestpensionistin“, seien 1986 lediglich S 1.361,-- und 1987 S 1.416,-- monatlich (= 20 % der Pension einschließlich des Hilflosenzuschusses) zur Bestreitung ihrer durch die Heimunterbringung nicht gedeckten persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung gestanden. Sie sei daher nicht in der Lage gewesen, mehr als 80 % ihrer Pension (einschließlich des Hilflosenzuschusses) als Beitrag zu den Kosten ihrer Unterbringung zu leisten, und deshalb in Höhe des verbleibenden ungedeckten Verpflegskostenaufwandes außerstande gewesen, sich selbst zu erhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof legt nunmehr seiner Entscheidung die den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekanntgegebene Rechtsansicht zugrunde, von der abzugehen er sich durch das Vorbringen der belangten Behörde nicht veranlaßt sieht. Ihr ist zwar einzuräumen, daß mit der Heimunterbringung nicht der gesamte Lebensunterhalt eines Hilfesuchenden gedeckt ist. Demgemäß umfaßt nach § 9 Abs. 5 SHG (von einem hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefall abgesehen) die Gewährung des Lebensunterhaltes in einem geeigneten Heim auch ein angemessenes Taschengeld, das der Deckung der persönlichen Bedürfnisse des Hilfesuchenden dient (vgl. zu letzterem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1988, Zl. 88/11/0004). Daraus folgt aber nur, daß sich der notwendige Lebensunterhalt im Fall einer Heimunterbringung aus den dafür auflaufenden Verpflegskosten und dem angemessenen Taschengeld errechnet. Dieser Summe ist für die Berechnung der Ersatzpflicht eines unterhaltspflichtigen Familienangehörigen das gesamte Einkommen des unterhaltsberechtigten Hilfeempfängers gegenüberzustellen. Der belangten Behörde ist weiters einzuräumen, daß die Regelung des § 1 Abs. 2 lit. a der Verordnung der NÖ Landesregierung über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Gewährung von Sozialhilfen, LGBl. 9200/2, auch bezweckt, dem Hilfesuchenden einen Betrag zur Bestreitung seiner persönlichen Bedürfnisse zu belassen. Nach dieser Bestimmung haben bei Unterbringung in einer Sozialhilfeeinrichtung oder in einer Anstalt vom Einkommen des Hilfesuchenden selbst monatlich 20 v.H. einer Rente, einer Pension oder eines Ruhe- und Versorgungsgenusses, mindestens jedoch ein Betrag in der gemäß § 9 Abs. 5 SHG durch Verordnung bestimmten Höhe des Taschengeldes, sowie die Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug) außer Ansatz zu bleiben; die außer Ansatz bleibenden Beträge sind auf ein Taschengeld und andere Leistungen anzurechnen. Aus dieser Regelung ist aber für die belangte Behörde nichts zu gewinnen. Da nämlich im Fall der Heimunterbringung die persönlichen Bedürfnisse eines Hilfesuchenden durch das Taschengeld gedeckt sind, verbleibt ihm der Differenzbetrag zwischen seinem nach der in Rede stehenden Verordnungsstelle anrechenfreien Einkommen und dem als Taschengeld festgesetzten Betrag zur Bestreitung seines übrigen Lebensunterhaltes. Davon abgesehen betrifft § 1 Abs. 2 lit. a der genannten Verordnung allein den Anspruch eines Hilfesuchenden auf Sozialhilfe; die Unterhaltspflicht nach § 143 ABGB wird davon nicht berührt.

Bei dieser Beurteilung ist der belangten Behörde auf Grund einer unzutreffenden Rechtsansicht insofern ein Fehler unterlaufen, als sie annahm, der nicht gedeckte Unterhaltsbedarf der Mutter des Beschwerdeführers sei der Differenz zwischen den für sie auflaufenden Verpflegskosten und 80 % ihrer Pension (einschließlich des Hilflosenzuschusses) gleichzusetzen. Da sie andernfalls, nämlich bei Gleichsetzung des besagten Unterhaltsbedarfes mit dem Differenzbetrag zwischen den Verpflegskosten und dem angemessenen Taschengeld gemäß § 9 Abs. 5 SHG einerseits und der Pension seiner Mutter einschließlich des Hilflosenzuschusses anderseits, zur Festsetzung einer geringeren Ersatzleistung gelangt wäre, hat die belangte Behörde insoweit Rechte des Beschwerdeführers verletzt.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, in Ansehung des Schriftsatzaufwandes im Rahmen des gestellten Begehrens. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft Stempelgebühren. Der Beschwerdeführer hatte an Schriftsätzen zwei Ausfertigungen der Beschwerde, eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und die Vollmachtsurkunde vorzulegen. Dafür waren von ihm Stempelgebühren in Höhe von S 420,-- zu entrichten.

Wien, am 17. Jänner 1989

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1987110223.X00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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