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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §37Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision 1. des S S und 2. der G S, beide in W, beide vertreten durch Mag. Julian Alen Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien jeweils vom 24. Februar 2020, Zlen. 1. VGW-152/071/16430/2018-3, 2. VGW-152/071/16428/2018-3, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit den angefochtenen Erkenntnissen stellte das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) in der Sache jeweils gemäß § 27 Abs. 1 iVm § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) fest, dass die Revisionswerber seit 28. Oktober 1997 nicht mehr die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und sprach jeweils aus, dass die Revision unzulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht jeweils im Wesentlichen aus, die miteinander verheirateten Revisionswerber hätten nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und dem Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband auf ihren darauf gerichteten Antrag hin (entsprechend den von ihnen vorgelegten sie betreffenden Personenstandsregisterauszügen) am 28. Oktober 1997 die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben, ohne einen Antrag auf Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt zu haben.
Der ex-lege-Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft sei für die Revisionswerber nicht unverhältnismäßig. Die Revisionswerber hätten dadurch keine beruflichen und familiären Nachteile zu erwarten. Beide würden die Voraussetzungen eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach dem Asylgesetz erfüllen und könnten sich weiterhin legal in Österreich aufhalten. Die Revisionswerber seien zwar nach dem nochmaligen Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband im Jahr 2018 staatenlos. Ihnen stehe jedoch sowohl die neuerliche Beantragung der österreichischen Staatsbürgerschaft als auch der Antrag auf Wiedereinbürgerung in den türkischen Staatsverband offen, wobei nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsgesetz Personen, die die türkische Staatsangehörigkeit nach diesem Gesetz verloren hätten, ohne das Erfordernis eines Aufenthalts in der Türkei auf Antrag erneut in den türkischen Staatsverband aufgenommen würden.
3 Mit den Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes jeweils vom 17. Juni 2020, Ra 2020/01/0186-2 und Ra 2020/01/0187-2, wurden die Anträge der Revisionswerber, ihnen für die außerordentliche Revision gegen die angefochtenen Erkenntnisse die Verfahrenshilfe zu bewilligen, abgewiesen.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Das Verwaltungsgericht ist im Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 1 StbG verpflichtet, den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0042, Rn. 13; 12.3.2020, Ra 2019/01/0484, Rn. 34, mwN).
8 Die Revision moniert im Zulässigkeitsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe amtswegige Ermittlungen unterlassen, ob die Revisionswerber in der Lage gewesen seien, sinnerfassend zu lesen und daher überhaupt eine Willensentscheidung zum Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu treffen. Nicht zuletzt mangels entsprechenden Vorbringens im behördlichen Verfahren sowie im Beschwerdeverfahren zeigt die Revision damit keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Vornahme amtswegiger Ermittlungen in diese Richtung auf.
9 Mit dem bloßen Hinweis im Zulässigkeitsvorbringen auf die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung und dabei allgemein zu beachtende Kriterien in Bezug auf den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG und einem damit verbundenen gleichzeitigen Verlust des Unionsbürgerstatus legt die Revision keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (vgl. zur unzureichenden Zulassungsbegründung auf Grund bloß pauschaler Behauptungen für viele VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431, mwN).
10 Schließlich ist dem pauschalen Vorwurf der Verletzung des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl. Nr. 538/1974, entgegen zu halten, dass die (nunmehrige) Staatenlosigkeit nicht auf der Feststellung des (aufgrund der Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit mit Wirkung vom 28. Oktober 1997 ex lege eingetretenen) Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft beruht, sondern auf dem nochmaligen Austritt der Revisionswerber aus dem türkischen Staatsverband im Jahre 2018 (vgl. VwGH 15.3.2012, 2010/01/0061).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010186.L00Im RIS seit
22.12.2020Zuletzt aktualisiert am
22.12.2020