TE Vwgh Erkenntnis 2020/10/15 Ra 2020/18/0300

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Veröffentlicht am 15.10.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs1 Z1 idF 2013/I/033
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2020, W276 1307662-3/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: M J, vertreten durch Hochstöger, Nowotny, Wohlmacher, Rechtsanwälte OG in 4040 Linz, Obere Donaustraße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird in seinem Spruchpunkt B wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein im Iran aufgewachsener afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 20. Jänner 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 9. November 2006 zur Gänze abwies und den Mitbeteiligten aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan auswies.

2        Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab der Asylgerichtshof (AsylGH) mit Erkenntnis vom 12. August 2009 statt, erkannte dem Mitbeteiligten den Status des Asylberechtigten zu und stellte seine Flüchtlingseigenschaft fest. Begründend führte der AsylGH aus, der Mitbeteiligte habe sich früher zum schiitischen Glauben bekannt, sei aber seit 3. Mai 2008 getauftes Mitglied der Iranischen christlichen Gemeinde und hätte aufgrund seiner Konversion zum Christentum bei Rückkehr in den Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung zu erwarten.

3        Mit dem angefochtenen Beschluss nahm das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das mit dem oben angeführten Erkenntnis des AsylGH abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen im Stande der Beschwerde wieder auf (Spruchpunkt A). In Erledigung der Beschwerde hob es den Bescheid des Bundesasylamts vom 9. November 2006 zur Gänze auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück (Spruchpunkt B). Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG zunächst aus, der Mitbeteiligte habe im Jahr 2015 im Iran eine Frau nach islamischem Ritus geehelicht. In der vorliegenden Heiratsurkunde würden beide Ehegatten als Muslime bezeichnet. Es sei daher „jedenfalls nicht auszuschließen“ bzw. werde „zweifelsohne ersichtlich“, dass der Mitbeteiligte im vorangegangenen Asylverfahren objektiv unrichtige Angaben zu seiner religiösen Überzeugung getätigt habe, um daraus einen Vorteil zu ziehen. Aufgrund der objektiv bewusst unrichtigen Angaben sei eine Irreführungsabsicht des Mitbeteiligten nicht auszuschließen. Die in Frage stehenden Angaben seien wesentlich, weil eine Konversion für die Asylgewährung von zentraler Bedeutung gewesen sei. Das BVwG nehme daher das rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wieder auf.

5        Die Behebung des verwaltungsbehördlichen Bescheides (Spruchpunkt B) begründete das BVwG lediglich damit, dass die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht nicht vorlägen. Weder stehe der maßgebliche Sachverhalt fest noch würde seine Feststellung durch das Gericht die Prozessökonomie fördern. Es liege vielmehr eine gravierende Ermittlungslücke vor, die Erhebungen notwendig mache, die das BFA als Spezialbehörde rascher und effizienter nachholen könne. Der angefochtene Bescheid sei somit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

6        Gegen Spruchpunkt B des Beschlusses wendet sich die vorliegende Amtsrevision, die zur Zulässigkeit und in der Sache geltend macht, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte abgewichen. Es werde in der Begründung des Beschlusses nicht dargelegt, inwieweit der maßgebliche Sachverhalt nicht feststehe, insbesondere, weil das BVwG der Wiederaufnahme des Asylbeschwerdeverfahrens zugrunde lege, dass der Mitbeteiligte nur zum Schein zum Christentum konvertiert sei, um den Status des Asylberechtigten zu erlangen. Welche konkreten zusätzlichen Ermittlungen - die nicht die behauptete Konversion beträfen - noch zu tätigen wären, führe das BVwG nicht aus. Außerdem lägen keine Ermittlungslücken vor, die in die Verantwortlichkeit der Verwaltungsbehörde fielen.

7        Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der vorgebracht wird, das BVwG gehe lediglich davon aus, dass eine Konversion des Mitbeteiligten zum Christentum nicht auszuschließen sei. Die Verehelichung des Mitbeteiligten sei im Iran erfolgt und der Mitbeteiligte habe dort nicht angeben können, zum Christentum konvertiert zu sein. Die Eheschließung nach muslimischem Ritus sei lediglich zum Schein erfolgt, um eine etwaige Verfolgung zu verhindern. Insofern sei fraglich, ob der Mitbeteiligte im vorangegangenen Asylverfahren tatsächlich unrichtige Angaben gemacht habe. Der maßgebliche Sachverhalt stehe jedenfalls nicht eindeutig fest. Der Verwaltungsgerichtshof möge die Amtsrevision daher zurück- oder hilfsweise abweisen.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9        Die Revision ist zulässig und begründet.

10       Die Amtsrevision bekämpft lediglich Spruchpunkt B des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses (Aufhebung des Bescheides des Bundesasylamts vom 9. November 2006 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG), während Spruchpunkt A der Entscheidung (amtswegige Wiederaufnahme des vorangegangenen Asylverfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGG wegen „Erschleichens“ der Entscheidung über den Asylstatus) unbekämpft geblieben und daher in Teilrechtskraft erwachsen ist.

11       Zur Vermeidung von Missverständnissen ist jedoch zunächst Folgendes festzuhalten:

12       Gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 VwGVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden, wenn das Erkenntnis (im wiederaufzunehmenden Verfahren) unter anderem „sonstwie erschlichen worden ist“.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits erkannt, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0116, mwN).

14       Zum Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG, der dem fallbezogen relevanten § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG gleicht, wurde in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgesprochen, dass er nach herrschender Ansicht absoluten Charakter hat; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich eine anders lautende Entscheidung ergangen wäre bzw. ob die Behörde oder das Verwaltungsgericht im neuen Verfahren voraussichtlich zu einer anders lautenden Entscheidung gelangen wird. Ermittlungen zur Frage der Relevanz des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Verhaltens sind daher grundsätzlich entbehrlich. Richtig ist lediglich, dass den zu beurteilenden unrichtigen Angaben wesentliche Bedeutung zukommen muss. Das die Wiederaufnahme auslösende Verhalten der Partei muss auf die Erlassung eines konkreten Bescheides bzw. Erkenntnisses zielgerichtet sein bzw. das Verhalten denknotwendig der Erlassung des Bescheides bzw. Erkenntnisses vorangehen (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0076, mwN).

15       Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt das „Erschleichen“ eines Bescheides vor, wenn diese Entscheidung in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde (bzw. das Gericht) verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offen stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG zu werten (vgl. etwa VwGH 8.6.2006, 2004/01/0470, mwN). Diese Rechtsprechung ist auch zur Beurteilung des Wiederaufnahmegrundes nach § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG heranzuziehen (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0116).

16       Im vorliegenden Fall geht die Amtsrevision davon aus, dass das BVwG der Wiederaufnahme des Asylverfahrens eine Scheinkonversion zum Christentum zugrunde gelegt habe. Der Mitbeteiligte behauptet in der Revisionsbeantwortung, es sei fraglich, ob er im vorangegangenen Asylverfahren zur Konversion falsche Angaben getätigt habe; dies müsse im fortgesetzten Verfahren noch geklärt werden.

17       Diese gegenteiligen Prozessstandpunkte wurden vom BVwG dadurch veranlasst, dass es in der angefochtenen Entscheidung einerseits damit argumentierte, es sei „jedenfalls nicht auszuschließen“, dass der Mitbeteiligte zu seiner Konversion unrichtige Angaben getätigt habe, an anderer Stelle aber davon sprach, es sei „zweifelsohne ersichtlich“, dass der Mitbeteiligte diesbezüglich unrichtige Angaben gemacht habe.

18       Die vom BVwG verwendeten Formulierungen sind mit Blick auf das Beweismaß nicht gleichbedeutend: Während im erstgenannten Fall nur von der Möglichkeit des Erschleichens ausgegangen wird, scheint das BVwG mit der zweitgenannten Formulierung („zweifelsohne ersichtlich“) von der Gewissheit des Erschleichens des Erkenntnisses auszugehen.

19       Der Begründung des angefochtenen Beschlusses lässt sich nicht eindeutig entnehmen, welches Ergebnis das BVwG in seiner Beweiswürdigung zum Tatbestandselement des „Erschleichens“ tatsächlich erzielt hat. Teile der Begründung (etwa auch die Formulierung, eine Irreführungsabsicht des Mitbeteiligten sei „nicht auszuschließen“) deuten jedenfalls darauf hin, dass das BVwG die bloße Möglichkeit des „Erschleichens“ des asylgewährenden Erkenntnisses für ausreichend ansah, um das Verfahren wieder aufzunehmen.

20       Damit hat es jedoch die Rechtslage verkannt: Die Wiederaufnahme wegen „Erschleichens“ des Erkenntnisses nach § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG erfordert rechtlich nicht bloß die Möglichkeit des Vorliegens dieses Wiederaufnahmegrundes, sondern setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht das „Erschleichen“ der vorangegangenen Entscheidung als erwiesen annimmt. Die Möglichkeit eines „Erschleichens“ kann zwar zur Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens führen; als Ergebnis muss jedoch das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes feststehen, um die Durchbrechung der Rechtskraft der asylgewährenden Vorentscheidung zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne - zum Nichtausreichen eines bloßen Verdachts einer „gerichtlich strafbaren Handlung“ im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG und dem Erfordernis des erwiesenen Wiederaufnahmegrundes - VwGH 19.4.1994, 93/11/0271).

21       Da Spruchpunkt A des Beschlusses mangels Anfechtung in Teilrechtskraft erwachsen ist, kann auf diesen (möglichen) Rechtsirrtum des BVwG nicht weiter eingegangen werden. Es ist lediglich festzuhalten, dass die Frage des „Erschleichens“ des asylgewährenden Erkenntnisses durch objektiv unrichtige Angaben des Mitbeteiligten - anders als der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung argumentiert - keinen Gegenstand des wiederaufgenommenen Verfahrens mehr bildet.

22       Im wiederaufgenommenen Verfahren ist jedoch weiterhin zu prüfen, ob der Mitbeteiligte aus heutiger Sicht ein (nicht bloß zum Schein) konvertierter Christ ist und ob er deshalb bei Rückkehr in den Herkunftsstaat mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsste. Insoweit entfaltet die rechtskräftige Beurteilung des BVwG zum Wiederaufnahmegrund des „Erschleichens“ im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG für die erforderliche Prognose künftiger Verfolgungsgefahr keine bindende Wirkung; der Sachverhalt ist daher auch in Bezug auf die behauptete Konversion des Mitbeteiligten noch nicht (zur Gänze) abschließend geklärt.

23       Zu Recht macht die Amtsrevision geltend, dass das BVwG (in Bezug auf die soeben angesprochene und im wiederaufgenommenen Verfahren noch klärungsbedürftige Frage) das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Fall VwGVG nicht nachvollziehbar begründet hat:

24       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

25       Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

26       Die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bzw. das Erfordernis einer ergänzenden Einvernahme im Rahmen dieser Verhandlung können - ebenso wie auch die Notwendigkeit der Ergänzung der Länderfeststellungen - für sich eine kassatorische Entscheidung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht rechtfertigen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 12.6.2020, Ra 2020/18/0084, mwN).

27       Das BVwG begründet nicht einmal ansatzweise, welchen „maßgeblichen Sachverhalt“ es für nicht feststehend erachtet und worin es eine „gravierende Ermittlungslücke“ zu erkennen glaubt. Wie gezeigt könnte es sich dabei - nach der derzeitigen Aktenlage - um den im wiederaufgenommenen Verfahren noch zu prüfenden Sachverhalt handeln, ob der Mitbeteiligte aus heutiger Sicht ein (nicht bloß zum Schein) konvertierter Christ ist und ob er deshalb bei Rückkehr in den Herkunftsstaat mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsste. Sollte dies zu verneinen sein, wären auch die Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz und die darauf aufbauenden Spruchpunkte einer Klärung auf der Grundlage aktueller Feststellungen zuzuführen. Dass in Bezug auf alle diese Aspekte des Falles die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im Lichte der hg. Rechtsprechung vorliegen, wurde vom BVwG aber nicht dargestellt.

Der angefochtene Beschluss war daher im Anfechtungsumfang (Spruchpunkt B) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Wien, am 15. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180300.L00

Im RIS seit

30.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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