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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des E N, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2020, W260 2176550-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 15. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, von den Taliban bedroht worden zu sein. Diese würden ihm seine Grundstücke wegnehmen wollen. Sie hätten bereits sein Haus niedergebrannt und ihm in seinem Geschäftsbetrieb aufgelauert. Er habe sich verstecken können, im Fall einer Rückkehr fürchte er aber getötet zu werden.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 13. Oktober 2017 zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei bei der Prüfung, ob subsidiärer Schutz zu gewähren sei, nicht ausreichend auf die Covid-19-Pandemie und die politischen Ereignisse im Herkunftsstaat eingegangen. Überdies habe das BVwG das Recht des Revisionswerbers auf Parteiengehör verletzt, weil es ihm die länderspezifischen Unterlagen nicht übermittelt habe.
6 Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Fall der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein „real risk“ einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung stellt im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH 20.8.2020, Ra 2020/19/0239, mwN).
7 Im vorliegenden Fall traf das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Sicherheits- und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen auf Grundlage des im Zeitpunkt der Entscheidung aktuellsten Länderinformationsblatt und ergänzte sie durch Feststellungen zur aktuellen Covid-19-Situation, für die es aktuelle Quellen heranzog.
Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von den hg. Leitlinien abgewichen wäre und sich insbesondere nicht ausreichend mit der Covid-19-Situation im Herkunftsstaat beschäftigt hätte (vgl. zur Covid-19-Pandemie bereits VwGH 3.9.2020, Ra 2020/19/0221, mwN).
8 Soweit der Revisionswerber - in Zusammenhang mit der die Covid-19-Situation im Herkunftsstaat - eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „Wahrung des Parteiengehörs im Rechtsmittelverfahren“ rügt, ist darauf hinzuweisen, dass die behauptete Verletzung des Parteiengehörs nur dann einen wesentlichen Mangel bewirkt, wenn das BVwG bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber muss deshalb die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß zu rügen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Verwaltungsgericht dadurch zu einer anderen (für ihn günstigeren) Entscheidung hätte gelangen können (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2019/19/0071, mwN).
Indem im vorliegenden Fall vorgebracht wird, der Revisionswerber hätte bei „Wahrung des Parteiengehörs“ nicht auf eine vergangene Dürre, sondern auf die durch Covid-19 verursachten Missstände in seinem Herkunftsstaat verwiesen bzw. es hätte sich herausgestellt, dass Rückkehrer von der Pandemie besonders betroffen wären, vermag die Revision nicht aufzuzeigen, inwiefern das BVwG dadurch zu einer anderen Entscheidung hätte gelangen können. Vor dem Hintergrund, dass sich das BVwG ausreichend mit den Auswirkungen der Pandemie in Afghanistan auseinandergesetzt hat, ist nicht ersichtlich, dass die pauschalen Ausführungen zu Missständen im Herkunftsstaat zu einer Gewährung des subsidiären Schutz geführt hätten (vgl. zur Covid-19-Pandemie erneut VwGH Ra 2020/19/0221, mwN).
9 Wenn der Revisionswerber schließlich vorbringt, das BVwG sei nicht auf das im Februar 2020 unterzeichnete Abkommen zwischen den Taliban und den USA eingegangen, wird damit ebenso nicht dargetan, dass das BVwG von den angeführten Leitlinien fallbezogen abgewichen wäre, zumal der Revisionswerber nicht aufzeigt, inwieweit er im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat persönlich davon betroffen sein könnte.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190349.L00Im RIS seit
09.12.2020Zuletzt aktualisiert am
09.12.2020