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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §66 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung in 5020 Salzburg, Karl-Wurmb-Straße 17, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 3. Juli 2019, 405-1/403/1/9-2019, betreffend einen forstpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung; mitbeteiligte Partei: P GmbH in W, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 28. Februar 2019 trug die belangte Behörde (im Folgenden: Revisionswerberin) der mitbeteiligten Partei (mit dem hier gegenständlichen Spruchpunkt II.) gemäß § 172 Abs. 6 iVm § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 (ForstG 1975) auf, bis längstens 30. Juni 2019 die ursprüngliche Straßenbreite von 3 m gemäß dem der Behörde vorgelegten Vermessungsplan und der im Einzelnen näher bezeichneten Flächen wiederherzustellen, das illegal aufgebrachte Material zu entfernen sowie die entstehenden Bodenverwundungen zu rekultivieren und in einen aufforstungsfähigen Zustand zu bringen. Begründend führte die belangte Behörde aus, für die Verbreiterung der Straße liege keine forstrechtliche Bewilligung vor, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der von der mitbeteiligten Partei dagegen erhobenen Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - statt und behob den Bescheid in diesem Spruchpunkt ersatzlos. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Wiederbewaldung eine Maßnahme darstelle, die der Walderhaltung diene - aus, dass die Walderhaltung bzw. Wiederbewaldung der in Rede stehenden 297 m² forstfachlich nicht erforderlich sei, weil durch den Waldverlust die Waldausstattung der betroffenen Katastralgemeinde nicht wahrnehmbar sinke. Aufgrund dieses geringen Ausmaßes seien keine negativen Auswirkungen auf die Erfüllung der Wohlfahrts- und Erholungsfunktion zu erwarten und die Waldausstattung sei nicht gefährdet. Eine Wiederbewaldung - durch Aufforstung oder Naturverjüngung - sei aufgrund der geringen Breite der einzelnen zur Verfügung stehenden Flächen und der gegebenen Überschirmung nicht sinnvoll durchführbar. Da der Herstellungsauftrag im Sinne des § 172 Abs. 6 ForstG 1975 mangels Notwendigkeit an sich nicht zuzulassen sei, habe es keiner Auseinandersetzung mit den sonst strittigen Fragen, ob die mitbeteiligte Partei die Straßenverbreiterung überhaupt verursacht habe, und ob Teile der Fläche seit 2009 zum Nichtwald geworden seien, bedurft. Weiters wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle und daher das Aufkommen von Naturverjüngung bzw. die Aufforstung am Fahrbahnrand geeignet wäre, die freie Sicht über den Straßenverlauf zu beeinträchtigen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. Die mitbeteiligte Partei erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision erweist sich im Hinblick auf die von der Revisionswerberin der Sache nach geltend gemachte Verkennung des Prüfgegenstandes eines forstpolizeilichen Auftrages als zulässig. Sie ist auch berechtigt:
6 § 17 ForstG 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 59/2002, lautet auszugsweise:
„Rodung
§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.
(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.
[...]“
7 § 172 ForstG 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 104/2013, lautet auszugsweise:
„Forstaufsicht
[...]
(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
a) die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,
b) die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen,
c) die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung,
d) die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder
e) die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen,
dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.
[...]“
8 Im gegenständlichen Fall wurde nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts eine ursprünglich 3 m breite Straße durch Verwendung des angrenzenden Waldbodens auf bis zu 6 m verbreitert. Dadurch wurde Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur verwendet, was eine Rodung im Sinn von § 17 Abs. 1 ForstG 1975 darstellt. Da für diese Rodung keine Rodungsbewilligung vorliegt, wurden damit im Sinn des § 172 Abs. 6 ForstG 1975 die forstrechtlichen Vorschriften außer Acht gelassen.
9 Die Erlassung eines forstpolizeilichen Auftrages nach § 172 Abs. 6 ForstG 1975 dient nicht der Wiederherstellung des früheren Zustandes, sondern der Walderhaltung (vgl. VwGH 3.7.2012, 2011/10/0118). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass es sich bei den Maßnahmen in § 172 Abs. 6 lit. a bis e ForstG 1975 nach der Wortfolge „wie insbesondere“ im Einleitungssatz dieser Bestimmung um eine bloß beispielsweise Aufzählung handelt und daher auch dort nicht aufgezählte Maßnahmen angeordnet werden können (vgl. VwGH 25.4.2013, 2013/10/0014).
10 Gegenstand eines Verfahrens in Hinblick auf einen forstpolizeilichen Auftrag nach § 172 Abs. 6 ForstG 1975 ist die Erlassung von „möglichen Vorkehrungen“, die für die Walderhaltung eines bestimmten Bereiches erforderlich sind. Im Rahmen dieser „Sache“ ist die Berufungsbehörde (nunmehr: das Verwaltungsgericht) berechtigt, andere - ihrer (seiner) Ansicht nach für die Walderhaltung besser geeignete - Maßnahmen anzuordnen (vgl. wiederum VwGH 3.7.2012, 2011/10/0118).
11 Das Verwaltungsgericht hat im konkreten Fall keine anderen Maßnahmen angeordnet, die seiner Ansicht nach für die Walderhaltung besser geeignet wären, sondern die von der Revisionswerberin vorgeschriebenen Maßnahmen ersatzlos behoben. Diese ersatzlose Behebung hat das Verwaltungsgericht damit begründet, dass der Sachverständige zu dem Schluss gekommen sei, dass eine Wiederbewaldung nicht für die Walderhaltung erforderlich sei.
12 Abgesehen davon, dass im zugrunde liegenden Bescheid keine Wiederbewaldung aufgetragen wurde, sondern andere Maßnahmen zur Herstellung des vorschriftsmäßigen Zustandes (s. Rn. 1), verkennt das Verwaltungsgericht, dass im Rahmen der Erteilung eines forstpolizeilichen Auftrages wegen einer bewilligungslosen Rodung - anders als in einem Verfahren nach § 17 Abs. 2 ForstG 1975 zur Erteilung einer Rodungsbewilligung - nicht die Frage zu klären ist, ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der (hier: bereits gerodeten) Fläche als Wald besteht, sondern - ausgehend davon, dass die Erlassung eines forstpolizeilichen Auftrages nach § 172 Abs. 6 ForstG 1975 gerade dem Zweck der Walderhaltung dient - vielmehr zu prüfen ist, welche geeigneten Vorkehrungen für die Walderhaltung eines bestimmten Bereiches erforderlich sind.
13 Aus der Verneinung der - somit nicht entscheidungsrelevanten - Wiederbewaldungsnotwendigkeit kann daher - worauf die Revisionswerberin zutreffend hinweist - nicht der Schluss gezogen werden, dass die von der Revisionswerberin angeordneten Beseitigungsmaßnahmen rechtswidrig vorgeschrieben worden sind.
14 Indem das Verwaltungsgericht den Prüfungsumfang des § 172 Abs. 6 ForstG 1975 verkannte, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 22. Oktober 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019100125.L00Im RIS seit
21.12.2020Zuletzt aktualisiert am
21.12.2020