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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision der R S in T, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2020, G305 2193520-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die - der Volksgruppe der Kurden angehörige - minderjährige Revisionswerberin, eine irakische Staatsangehörige aus der nordirakischen Stadt Sulaimaniya, reiste am 2. Juli 2015 mit ihrem Vater in das Bundesgebiet ein. Sie stellte am selben Tag ebenso wie ihr Vater (und vertreten durch diesen) einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit den Bescheiden vom 19. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die beiden Anträge ab, gewährte der Revisionswerberin und ihrem Vater keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen diese jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei, und setzte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde der Revisionswerberin und ihres Vaters nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht (u.a.) aus, dass der Revisionswerberin bei einer Rückkehr in ihre für sie sicher und legal erreichbare Herkunftsregion keine Gefahr einer Verletzung ihrer nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, zumal sie in Begleitung ihres erwerbsfähigen und gesunden Vaters dorthin zurückkehre und sie und ihr Vater an diesem Ort auch Unterstützung durch Familienangehörige sowie eine weitgehend gesicherte Sicherheits- und Versorgungslage vorfänden. Es bestehe für die Revisionswerberin zudem die Möglichkeit, bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat die Schule zu besuchen. Eine Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK falle insbesondere unter Berücksichtigung des anpassungsfähigen Alters der Revisionswerberin, fehlender familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sowie der relativ kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich zu Ungunsten der Revisionswerberin aus.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerberin und ihr Vater Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. Juni 2020, E 1425-1426/2020-13, die Behandlung ihrer Beschwerde ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 10. August 2020, E 1425-1426/2020-16, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich betreffend die Nichtgewährung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend mit der Minderjährigkeit und der daraus resultierenden Vulnerabilität der Revisionswerberin auseinandergesetzt. Es mangle an einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren und der konkreten persönlichen Situation der knapp achtjährigen Revisionswerberin bei einer Rückkehr in den Irak. Angesichts des Todes der Mutter der Revisionswerberin, die bei einem Autounfall verunglückt sei, sowie der Situation der übrigen Familienmitglieder (nämlich des Aufenthalts des Bruders der Revisionswerberin in Frankreich) sei nicht von einem „intakten“ Familiengefüge auszugehen, das Schutz und ausreichende Betreuung für die Revisionswerberin im Irak sicherstellen könne. Im Übrigen wendet sich die Revision gegen die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Das Bundesverwaltungsgericht ging von der Möglichkeit einer Rückkehr der Revisionswerberin gemeinsam mit ihrem Vater in die Herkunftsregion aus. Weiters legte es seinen Erwägungen jene in der Zulässigkeitsbegründung nicht bestrittenen Feststellungen zugrunde, wonach die Revisionswerberin und ihr Vater in ihrer Herkunftsstadt über familiäre Bindungen verfügten und in Sulaimanya zwei Schwestern ihres Vaters mit ihren Familien lebten.
11 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 24.2.2020, Ra 2020/20/0037, 0038, mwN). Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, bei Berücksichtigung der konkreten familiären Situation sowie der Minderjährigkeit der Revisionswerberin hätte ihr mangels einer „Rückkehroption“ und mangels einer „zumutbaren IFA“ subsidiärer Schutz zuerkannt werden müssen, wird den Anforderungen an eine nachvollziehbare Relevanzdarstellung nicht entsprochen (zum Erfordernis der Relevanzdarstellung siehe auch VwGH 5.8.2020, Ra 2020/20/0234, mwN).
12 Weiters ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 6.12.2019, Ra 2019/20/0547, mwN). Dass die im angefochtenen Erkenntnis erfolgte Interessenabwägung gemessen am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes zu beanstanden wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200359.L00Im RIS seit
09.12.2020Zuletzt aktualisiert am
09.12.2020