TE Vwgh Beschluss 2020/10/23 Ra 2020/18/0288

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Veröffentlicht am 23.10.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §1332
VwGG §46 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über den Antrag des Z A, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast und Mag. Mirsad Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juni 2020, W111 1400680-4/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Juni 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8. Mai 2019 erhobene Beschwerde des Antragstellers, eines Staatsangehörigen der Russischen Föderation, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2020 erhob der Antragsteller gegen das genannte Erkenntnis des BVwG außerordentliche Revision.

3        Unter Hinweis darauf, dass die Revision nach vorläufiger Prüfung verspätet erscheine, wurde dem Antragsteller vom Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

4        Mit Schriftsatz vom 16. September 2020 stellte der Antragsteller daraufhin den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision.

5        Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass die Rechtsberatungseinrichtung, die den Antragsteller vor dem BVwG vertreten habe, aufgrund der Covid-19-Pandemie unterbesetzt gewesen und die Aufgabe des Verschickens der Erkenntnisse an die jeweiligen Mandanten vorübergehend an Zivildiener ausgelagert worden sei. Die zuständige Mitarbeiterin der Rechtsberatungseinrichtung habe zwar den korrekten Zustellzeitpunkt in der Datenbank vermerkt, der zuständige Zivildiener habe jedoch versehentlich nicht das Zustelldatum des Erkenntnisses, sondern das Datum des Verschickens des Erkenntnisses an den Antragsteller auf das Erkenntnis gestempelt, obwohl er durch Nachsicht in der Datenbank das Zustelldatum überprüfen hätte sollen.

6        Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.

7        Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 1.3.2018, Ra 2017/19/0583, mwN).

8        Fallbezogen hat der Antragsteller glaubhaft dargelegt, dass die Säumnis nicht auf eine mangelnde Sorgfalt seinerseits oder seiner Vertretung zurückzuführen sei, sondern lediglich auf die Ausnahmesituation im Betrieb der Rechtsberatungseinrichtung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Ausgehend davon ist nicht zu sehen, dass den Antragsteller ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden an der Versäumung der in § 26 Abs. 1 VwGG festgelegten Frist trifft.

9        Somit war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattzugeben.

Wien, am 23. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180288.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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