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10/07 VerfassungsgerichtshofNorm
BVwGG 2014 §21Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des R K, vertreten durch MMag. Dr. Thomas Trixner, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 21, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag.a Julia M. Kolda, Rechtsanwältin in 4400 Steyr, Pachergasse 17, Büro 5A/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. April 2020, W182 1242236-1/15E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. April 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. Mai 2019 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Mit Beschluss vom 7. Juli 2020 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag des Revisionswerbers, ihm die Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das nunmehr bekämpfte Erkenntnis des BVwG zu gewähren.
3 Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich übermittelte dem zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt den Bescheid über die Bestellung vom 9. Juli 2020 im Weg der sog. „Teilnehmer-Direktzustellung“ noch am 9. Juli 2020 um 13:27 Uhr.
4 Die gegenständliche außerordentliche Revision wurde dem BVwG am 21. August 2020 im elektronischen Rechtsverkehr übermittelt.
5 Der Verwaltungsgerichtshof trug dem Revisionswerber auf, zum Zweck der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Revision bekanntzugeben, wann der Zugriff auf den seit 9. Juli 2020 am Server bereitgehaltenen Bestellungsbescheid durch den Verfahrenshelfer erfolgt sei, und dazu Nachweise vorzulegen.
6 In seiner Äußerung teilte der Revisionswerber mit, der angefochtene Beschluss sei dem bestellten Verfahrenshelfer am 9. Juli 2020 „per ERV bereitgestellt“ worden. Entsprechend § 89d Abs. 2 GOG sei der auf die Bereitstellung folgende Arbeitstag als fristauslösender Tag vermerkt worden.
7 Die (im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte) „Teilnehmer-Direktzustellung“ ist die - technisch eröffnete - Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken im Rahmen von für den elektronischen Rechtsverkehr verwendeten EDV-Programmen zwischen Teilnehmern des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie dient in erster Linie der Übermittlung von für einen Prozessgegner bestimmten Gleichschriften im zivilgerichtlichen Verfahren (vgl. § 112 ZPO) durch eine Partei des Verfahrens an eine andere Verfahrenspartei. Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung eines Bescheides im Weg der „Teilnehmer-Direktzustellung“ ist im (hier vorliegenden) Fall der Bestellung eines Verfahrenshelfers durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer allerdings nicht ersichtlich. Insbesondere stellt der vom Revisionswerber genannte § 89d Abs. 2 GOG eine solche nicht dar. Die Bestimmung stellt - unter ausdrücklichem Verweis auf § 89a Abs. 2 GOG - auf elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen und Eingaben ab, wozu der gegenständliche Bestellungsbescheid - entgegen dem Revisionsvorbringen - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu zählen ist (vgl. VwGH 28.6.2018, Ro 2018/08/0004, mwN).
8 Auch das Bestehen anderer Rechtsgrundlagen für eine derartige Zustellung (§ 37 ZustG, § 75 Abs. 2 VwGG und § 21 BVwGG) hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits verneint. Es liegt daher ein Zustellmangel vor, der jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt wird, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Dabei kommt es im Fall der elektronischen Zustellung auf den Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver liegende Dokument an (vgl. nochmals VwGH 28.6.2018, Ro 2018/08/0004, mwN).
9 Im vorliegenden Fall wurde der Bestellungsbescheid dem Verfahrenshelfer unstrittig am 9. Juli 2020 bereitgestellt. Dass er auf den ab dieser Zeit am Server bereitgehaltenen Bestellungsbescheid nicht sogleich an diesem Tag, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegriffen hätte, wurde zu keiner Zeit behauptet. Davon ist beweiswürdigend auch nicht auszugehen, zumal nicht angenommen werden kann, dass in einem ordnungsgemäßen anwaltlichen Kanzleibetrieb an einem Wochentag um 13:27 Uhr per ERV einlangende Schriftstücke nicht ausnahmslos noch am gleichen Tag gesichtet und bearbeitet sowie gegebenenfalls kalendiert werden (vgl. VwGH 3.5.2016, Ra 2015/18/0236).
10 Ausgehend davon begann die sechswöchige Frist zur Einbringung der Revision am 9. Juli 2020 zu laufen und endete am 20. August 2020.
11 Die am 21. August 2020 eingebrachte Revision erweist sich somit als verspätet, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.
Wien, am 23. Oktober 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180228.L00Im RIS seit
30.11.2020Zuletzt aktualisiert am
30.11.2020